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Deep Space K-7: Kathryn Janeway hätte geschossen

von VGer

A Good Girl Goes To War

So many times it happens too fast
You change your passion for glory
Don't lose your grip on the dreams of the past
You must fight just to keep them alive
– Survivor : Eye Of The Tiger –

––– Hör’ mir jetzt zu, bitte. Ich weiß, dass du mich nicht hören kannst, aber bitte, hör’ mir einfach zu. Ich kann nicht oft mit dir sprechen ohne dass du mich gleich unterbrichst, also bitte, hör’ mir jetzt zu, das ist wichtig. –––



„Vor sehr vielen Jahren hat eine sehr weise Frau gesagt: manchmal muss man sich einfach den Weg freikämpfen. Kathryn Janeway hätte geschossen und genau das werden wir jetzt auch tun. Wir kämpfen noch einmal, weil wir des Kämpfens müde sind, und bringen das endgültig zu einem Ende. Sie haben eine Stunde und keine Sekunde länger für die Vorbereitungen.“

Der Captain blickte mit durchdringend schwarzem Blick von einem zum anderen, er richtete sich auf und lehnte sich angriffslustig vorwärts auf die Tischplatte. Die Mannschaft, mit der er vor inzwischen fast einem Jahr in den Krieg gezogen war, war im Laufe der Gefechte so stark dezimiert worden, dass er sie kaum wiedererkannte.

„Tam. Aktivieren Sie die Ablativpanzerung und leiten Sie alle verfügbare Energie in die Defensivsysteme und den Impulsantrieb um. Bei dem was uns erwartet ist Warpkapazität zweitrangig. Wir werden ordentlich etwas wegstecken müssen, konzentrieren Sie sich auf die Schadensbegrenzung und mobilisieren Sie so viele Schnelleingreiftruppen wie sie haben und sorgen Sie dafür, dass wir in einem Stück bleiben.“
„Aye, Sir!“

Der Chefingenieur, Lieutenant Itziar Tam, war ein unverschämt junger Rigelianer; die tiefen Furchen und Linien in seinem Gesicht und die grünlichgraue Hautfarbe, die für seine Spezies charakteristisch war, ließen ihn noch ängstlicher und überforderter wirken. Vor dem Krieg war er nur einer von vielen Ingenieuren gewesen, ein kompetenter und verantwortungsbewusster zwar, aber nicht mehr. Jetzt waren Commander Simek und seine Stellvertreterin Lieutenant Barclay tot – nur ihretwegen waren er und alle anderen noch am Leben, denn sie beide hatten sich für das Schiff geopfert um in letzter Sekunde einen Warpkernbruch zu verhindern – und jetzt musste er irgendwie versuchen diese Lücke zu füllen.

„Taktischer Status, Landwhim?“
„Systeme weitestgehend funktionstüchtig, Sir. Die Langstreckensensoren – sowohl die taktischen wie auch die astrometrischen – sind zwar immer noch nicht vollständig repariert und fallen immer wieder aus, aber ich bezweifle, dass wir die im Nahkampf brauchen werden. Sämtliche Waffen sind einsatzbereit, wir sind außerdem vollzählig bestückt mit modifizierten Quantentorpedos.“

Lieutenant Nelly Landwhim war erst vor ein paar Wochen als Ersatz für den schwer verwundeten Zweiten Offizier an Bord gekommen, doch auch an ihr war der Dienst an der Front nicht spurlos vorübergegangen. Vor dem Krieg hätte der Captain sich über das unverhoffte Wiedersehen gefreut und bei jeder sich bietenden Gelegenheit schamlos mit ihr geflirtet, schließlich kannten sie sich schon ziemlich lange und er hatte sie als lebenslustigen und charmanten Menschen in Erinnerung – doch das war vor dem Krieg, jetzt war Nelly blass und ernst und angriffslustig und der Captain wusste instinktiv, dass er sich auf sie verlassen konnte.

„Janeway, wie sehen unsere Chancen vom flugtechnischen Standpunkt aus?“
„Wie Landwhim sagte – die Langstreckensensoren sind unzuverlässig und damit auch der Navigationscomputer, denn der ist ja an die Sensordaten gekoppelt, aber ich denke das können wir kompensieren, ebenso wie eine eingeschränkte Warpkapazität. Mit einem guten Piloten ist das machbar, und Fähnrich Travessa soll die Navigation übernehmen, er ist der Beste im Blindflug.“
„Notiert. Und die Fliegerstaffel?“
„Unverändert schlecht, Sir. Wir haben noch drei einsatzbereite Marauder, aber nur mehr einen ausgebildeten Marauder-Piloten und das bin ich selbst. Außerdem sieben Flyer, eventuell neun wenn es gar nicht anders geht, also im besten Fall die halbe Stärke der Staffel.“
„Den anderen Schiffen geht es leider nicht besser. Ich habe bereits mit Captains Whitmeyer und Font gesprochen und beschlossen, dass wir die Überreste der drei Staffeln fusionieren werden. Sie werden also gleich nach der Sitzung die Chefpiloten der anderen Schiffe kontaktieren und sich koordinieren.“
„Aye, Sir!“

Commander Margaret Janeway seufzte. Vor dem Krieg war sie Chefpilotin gewesen, nach der ersten großen Niederlage und den Verlusten die damit einher gegangen waren, hatte der Captain sie aus Mangel an Alternativen per Feldbeförderung zu seinem Ersten Offizier gemacht. Sie gab ihr Bestes und sie lernte rasch, der Captain vertraute ihr blind und sie ihm, doch eigentlich wusste sie, dass trotz ihres berühmten Namens ihr Platz nicht in der Mitte der Brücke sondern in einem Cockpit war.

„Gut, dann sind wir gerüstet. Der Plan sieht folgendermaßen aus: wir brechen die Linien der Besatzung von innen heraus auf. Dazu fliegen wir so nahe wie möglich an die Station heran und drängen die feindlichen Schiffe zurück. Die Columbus und die Independence kommen mit uns, jedes Schiff übernimmt einen der drei Sektoren. Die K-7 selbst wird uns so weit es ihr eben möglich ist unterstützen, aber Sie haben ja selbst gesehen in welch desolatem Zustand die Station ist, also ist es auch unsere Aufgabe sie vor der endgültigen Zerstörung zu schützen. Ist das verstanden?“

Ein vielstimmig entschlossenes „Aye, Sir!“ hallte von den Schotten wider und der Captain nickte zufrieden bevor er den großen Sichtschirm aktivierte und ein strategisches Diagramm aufrief, dessen klar optimistische Farben beinahe höhnisch funkelten.

„Seien wir realistisch, wir sind zahlen- und waffenmäßig weit unterlegen, also müssen wir klüger sein. Naomi Wildman auf der K-7 übernimmt das Kommando über die Operation. Jetzt kommt der wesentliche Punkt, nämlich der Einsatz der Fliegerstaffel. Während wir die feindlichen Schiffe von der Station weg treiben, müssen wir sichergehen, dass sie unter gar keinen Umständen eine Formation bilden können. Die Flieger werden sie von außen einkreisen und werden versuchen sie festzusetzen, sie werden so lästig sein wie ein Schwarm belzoidianischer Sandflöhe und nicht locker lassen und sie werden sie auf uns zu treiben wie eine alderaanische Nerfherde wenn der Winter kommt. Wenn wir simultan von beiden Seiten angreifen haben wir die besten Chancen.“
„Guter Plan, Sir.“

Der Captain deutete mit ausholenden Gesten auf das Diagramm, zeichnete Pfeile dazu und kreiste die Flotte der Besatzer in Gedanken ein, die Führungsoffiziere nickten und dachten und machten sich Notizen.

„Sie haben die Staffel, Lieutenant Migjorn.“

Lieutenant Xaloc Migjorn, Rufzeichen Archaeopteryx, war ein junger Saurianer und er wurde vor Schreck ganz zartrosa im Gesicht. Er war der zweitbeste verbliebene Pilot, gleich nach Commander Janeway, und er hatte schon geahnt, dass dieser vernichtende Tag irgendwann kommen würde, an dem er mehr Verantwortung als nur über seinen eigenen Flyer und seinen Copiloten tragen musste. Er sah beiseite, traf wie zufällig den Blick seiner Vorgesetzten, die ebenso schockiert von der Idee zu sein schien wie er – und dann beschloss er, die Verantwortung zu übernehmen und mutig zu sein. Rebellisch, so könnte man es auch nennen, oder schlichtweg wahnsinnig. Er räusperte sich dennoch, denn im Angesicht der bevorstehenden Katastrophe war Insubordination wohl das geringste seiner Probleme.

„Darf ich um Erlaubnis offen zu sprechen bitten, Sir?“
„Gewährt, Lieutenant, aber machen Sie es kurz. Was gibt es?“
„Ich finde, dass Delta – Commander Janeway, meine ich – die Staffel führen sollte. Sie ist die Chefpilotin und ...“
„Zur Kenntnis genommen, doch meine Entscheidung steht fest. Ein Raumschiff an der Front ist nicht der richtige Ort für Basisdemokratie.“
„Nein, Sir, ich unterstütze das. Lieutenant Migjorn wird die Kirk als Brückenpilot fliegen. Die Staffel übernehme ich selbst.“
„Kommt nicht in Frage, Janeway. Sie sind mein Erster Offizier, ich brauche Sie hier auf der Kirk an meiner Seite.“
„Mit allem nötigen Respekt, Sir, ich bin auch die einzige qualifizierte Marauder-Pilotin und ich habe wesentlich mehr Gefechtserfahrung als Migjorn, als Pilotin aber vor allem als Staffelführerin. Er ist gut, aber ich bin besser und Sie können nicht einem Piloten, der gerade einmal flügge geworden ist, auf sich alleine gestellt da hinausschicken und ihm die Verantwortung für die alles entscheidende Schlacht übertragen. Unsere Optionen sind beschränkt, und ich wünschte es wäre nicht so, aber mit der Unterstützung der übrigen Mannschaft wird Migjorn das große Schiff sicher da durchfliegen und unter meinem Kommando hat die Staffel eine reellere Chance auf Erfolg. Davon einmal abgesehen wäre es schwachsinnig die Marauder im Hangar zu lassen, sie hat wesentlich mehr Kapazitäten und vor allem Feuerkraft als die Flyer, und wie ich schon sagte haben wir nur mehr einen verbleibenden Marauder-Piloten und das ist Delta und nicht Archaeopteryx. Ich bin immer noch die Chefpilotin, ergo obliegt die Entscheidung mir.“
„Janeway! Sind Sie sich wirklich sicher?“
„Vollkommen. Es ist besser so.“



––– Ob du es wolltest oder nicht, ob es dir bewusst war oder nicht, ich habe dich noch nie so lange angesehen ohne dich lächeln zu sehen. Es fehlt mir, weißt du? Dein Lächeln fehlt mir. Du hast gelächelt ... vorher. Bevor das alles angefangen hat hast du gelächelt und wir waren glücklich, für einen kurzen Moment nur waren wir glücklich, weil dein Lächeln ... Ich habe dir nie gesagt wie glücklich ich war immer wenn du gelächelt hast. Ich habe dir so vieles nicht gesagt was ich dir eigentlich schon lange sagen hätte sollen ... lächle, bitte! Ich kann das nicht ohne dich an meiner Seite. Ich weiß – wenn du könntest würdest du mich jetzt auslachen, und ich flehe dich an, lach’ mich aus und das sehr laut – ich sollte das können, schließlich bin ich wer ich bin und tue was ich tue, egal was passiert. Das war schon immer so, mein Leben. Das Extreme, das Unmögliche. Scheiß’ auf den Krieg, scheiß’ auf den Sieg, scheiß’ auf alles, das extremste und unmöglichste in meinem Leben bist du und ich brauche dich, jetzt mehr denn je. Also bitte, lächle. –––



Der Captain hatte den anderen bereits Wegtreten geheißen, nur seine treue Nummer Eins blieb ungefragt im Bereitschaftsraum zurück, die Hände in die Hüften gestemmt wartete sie auf das Schließen der Türen bevor sie sprach. Ihre Stimme klang kommandierend und unterschwellig ungeduldig, es war ein Tonfall, der für ihre Untergebenen – für die besonders impertinenten Überfliegerpiloten – bestimmt sein sollte und nicht für ihren Captain. Sie kannte ihren Captain viel besser als sie wahrscheinlich sollte, und weil das auf Gegenseitigkeit beruhte erkannte er sofort das verräterisches Funkeln in ihren Augen, das ihre unbändige Entschlossenheit begleitete, und er wusste, dass auch sie ihn und seine strenge Kommandantenmiene durchschauen konnte.

„Diskutier jetzt nicht weiter mit mir, das ist das einzig richtige und du weißt es auch. Ich tue nur das was du mir nicht befehlen konntest. Küss mich einfach und lass mich fliegen.“

Margaret Janeways Worte waren knapp und heiser und jeder Verweis, jedes Argument, jedes Wort verpuffte im Nichts des Weltraums. Mit zwei großen Schritten war er bei ihr, schlang seine Arme um sie, drückte sie an seine Brust und seine Lippen auf ihre als hinge ihrer beider Leben davon ab. Irgendwo ganz tief drin war er insgeheim froh, dass der Wahnsinn, den sie ebenso eilig wie akribisch geplant hatten und jetzt verwirklichen wollten, ihre Idee und ihr Vorschlag gewesen war, dass er diesen Befehl nicht geben sondern nur nicken musste. Kein Nicken war ihm je so schwer gefallen.

Der Kuss war schnell und heftig; einmal wieder wussten beide, dass es ein Abschiedskuss sein könnte. – nein, nicht sein könnte, sein würde. Jeder Tag länger im Krieg, jede Stunde länger im Krieg schwächte die Möglichkeit eines Konjunktivs ab.

„Bitte vergiss nie, dass ich dich ...“
„Schhh ... ich weiß. Ich dich auch.“
„Pass auf dich auf, versprich mir das.“

Sie nickte knapp, bevor sie sich auf die Zehenspitzen streckte und seine kühlen Lippen ein letztes Mal flüchtig berührte.

„Du auch.“



––– Es war ein Fehler. Jeder macht Fehler, sagst du immer, wissen wir alle, auch wenn man an unserer Stelle besser keine Fehler machen sollte, nicht wenn man die Verantwortung für so viele Leben trägt wie wir das tun. Wir haben so viele Fehler gemacht, ich habe so viele Fehler gemacht, du hast mir jeden einzelnen verziehen und ich dir die deinen, sogar die unverzeihlichen, du bist trotzdem bei mir geblieben und ich bei dir. Aber je mehr wir falsch gemacht haben, desto mehr haben wir auch richtig gemacht. Wir waren auf dem richtigen Weg, endlich. Man lernt aus seinen Fehlern, sagt man. Dass du ein Fehler seist, das habe ich jetzt einmal zu oft gehört, ich will es nie wieder hören müssen. Ich habe einen Fehler gemacht den ich mir nie verzeihen kann, aber eins habe ich daraus gelernt, du bist kein Fehler. Du bist mein Leben, das ist mein Leben, und ich kann es mir ohne dich nicht mehr vorstellen. –––



Harry Kim betrat sicheren Schrittes die Brücke seines Schiffs und ließ sich auf dem Kommandostuhl nieder, jede Faser seines Körpers strahlte eine natürliche Dominanz aus und seine Offiziere standen respektvoll stramm bis er ihnen mit einer simplen Geste bedeutete wieder an die Arbeit zu gehen. Zuerst blickte er auf die kleinen Bildschirme der Konsolen vor ihm, dann überschlug er die Beine und wendete den Kopf, blickte die Frau auf dem Sitzplatz des Ersten Offiziers eindringlich an. Nelly Landwhims Gesichtsausdruck war undurchschaubar stoisch und er wusste sehr genau wie gut sie war, vielleicht sogar besser als die, die er eigentlich an seiner Seite haben wollte ...

„Bericht, Landwhim!“
„Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, Sir. Ich habe soeben mit Font auf der Columbus und Whitmeyer auf der Independence gesprochen, auch dort alles nach Plan. Die gegnerische Flotte verhält sich weiterhin unauffällig, scheint so als würden die neuen Verschlüsselungsalgorithmen funktionieren. Fehlt nur noch der Startschuss von der K-7 und es kann losgehen.“
„Sehr gut. Halten Sie sich bereit. Wir warten noch ab, unser Einsatz beginnt sobald wir das Zeichen vom Flugdeck bekommen haben, dass alle Flieger das Schiff sicher verlassen haben.“

Jetzt war wohl die Zeit für inspirierende, motivierende Worte des Captains an seine Mannschaft gekommen, doch ihm fielen bei bestem Willen keine ein also behielt er seinen kühlen Kopf und konzentrierte sich auf das Wesentliche.

„Novak, die Außenansicht auf den großen Schirm.“
„Aye, Sir!“
„Sehen Sie die Lücke bei 42° backbord von unserer Position aus, Migjorn? Das ist unsere Chance, durch die feindlichen Linien zu gelangen – wir lassen uns fallen und zwängen uns blitzschnell durch bevor sie es bemerken, hoffentlich ist der Start der Staffel genug Ablenkung. Können wir das schaffen?“
„Aye, Sir!“
„Radosta, Sie feuern erst auf mein Zeichen, verstanden? Und verlassen Sie sich nicht auf die Panzerung, vernachlässigen Sie bloß die Schilde nicht, Sie wissen ja was beim letzten Mal passiert ist.“
„Aye, Sir!“
„Nun gut, auf zum letzten Gefecht.“

Harry Kim atmete tief durch, dann piepste auch schon der Kommunikationskanal auf und das Flugdeck gab die Freigabe durch.



––– Du hast es nicht verdient zu sterben. Niemand hat es verdient zu sterben, niemand von uns und auch keiner von denen gegen die wir kämpfen, das wissen wir wohl, und trotzdem kämpfen wir weiter, weil wir an das glauben wofür wir kämpfen. Es ist so einfach zu sagen, dass man dafür sterben würde ... für die Ehre (das würde zumindest Miral sagen, aber die ist auch weit weg und muss nichts von dem was wir gesehen haben miterleben), für die Flotte und die Kameraden (das hätte Kate gesagt, aber sie ist ja tot weil sie sich geopfert hat, und ist es nicht ironisch dass wir nur deshalb noch leben weil sie gestorben ist?), für unsere Überzeugungen (das hätte Celona gesagt, und sie hat es mehr als nur einmal gesagt, sie war vielleicht die einzige die begeistert in diesen Krieg gezogen ist und immer fest daran geglaubt hat dass wir das Richtige tun, und dann ist ihre Konsole explodiert und all’ ihre Prinzipien konnten ihr Leben nicht retten), für das Wohl des größeren Ganzen, für die Möglichkeit einer besseren Zukunft. Nein! Nein, nein und nochmals nein. Wir weigern uns dafür zu sterben, nicht dafür, egal wofür, es wird nicht mehr gestorben, es ist vorbei. Du darfst nicht sterben, hörst du? Es ist vorbei, endgültig vorbei, und wenn du jetzt stirbst, dann stirbst du völlig umsonst. Wir haben gewonnen, aber wenn du stirbst haben wir verloren. Wir haben gewonnen und ich weigere mich zu verlieren, ich kann und will dich nicht verlieren, nicht jetzt und nicht so. Der Krieg ist vorbei und ich verbiete dir zu sterben. Hörst du? –––



Margaret Janeway war kein abergläubischer Mensch und auch nicht besonders spirituell, für derartigen Nonsens war sie bei weitem zu aufgeklärt, schließlich war sie ein Sternenflottenoffizier und hatte ihr Leben der Wissenschaft verschrieben. Wenn überhaupt glaubte sie an ihre eigenen Fähigkeiten und an sorgfältige Vorbereitung, nicht an Schutzengel und Stoßgebete und das naive Wunschdenken, dass sie auf übernatürlichem Wege Gnade und Hilfe ereilen würde. Und doch, jetzt wo sie ein letztes Mal vor dem Start die Protokolle und Checklisten durchging und alles akribisch überprüfte, durchfuhr sie eiskalt ein alberner Gedanke, den sie schon sehr lange nicht mehr gedacht hatte. Tonlose Lippen formten einen Satz, während ihre Finger weiterhin unbeirrt über die Konsolen tanzten. Sie schloss die Augen und sah in ein lang vermisstes Gesicht.

„Ich wünschte ich könnte so fliegen wie du, Onkel Tom, ich wünschte ich hätte so viel mehr von dir lernen können, bevor ... aber wenn uns Piloten der Instinkt fürs Fliegen tatsächlich im Blut liegt, dann hoffe ich doch sehr, dass ich mehr von diesen legendären Paris’schen Überfliegergenen als von den notorischen Bruchpilotengenen meines Vaters abbekommen habe ... wünsch uns Glück, wir können’s brauchen.“

Sie schüttelte sich, dann initiierte sie mit einem entschlossenen Handgriff die Vorstartsequenz ihres tapferen kleinen Schiffs und vertiefte sich wieder in die tröstliche Routine.

Impulsantrieb auf Standby. Check.
Alle Primärsysteme hochgefahren und einsatzbereit. Check.
Deuteriumlevels auf 150%, Reaktionskammern und Exhaustoren überprüft und einsatzbereit. Check.
Ionengas kalibriert, erreicht Betriebstemperatur in voraussichtlich neun Minuten. Check.
Schildharmonik und Phaser kalibriert, Waffen geladen und einsatzbereit. Check.
Briefe an Harry und die Zwillinge aufgezeichnet für den Fall, dass ... Check.
Navigationsdaten und strategische Muster überprüft und eingegeben. Check.
Sekundärsysteme und Notfallausrüstung vorhanden. Check.
Alles innerhalb normaler Parameter. Check.

„Flugdeck für Delta. Sind wir startklar?“
„Positiv, Delta. Wir warten auf Ihr Zeichen.“
„An alle Einheiten. Sämtliche notwendigen Daten wurden an Ihre Terminals übertragen, wir fliegen in Formation zu den angegebenen Koordinaten, zum Rendezvous mit den Fliegern der Columbus. Halten Sie bis dahin absolute Funkstille, verstanden? Lassen Sie sich nicht unterkriegen, ich glaube an Sie alle. Delta Ende.“

Delta. Ihr Rufzeichen kam nicht von ungefähr, schließlich war sie eine Tochter der Voyager und sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie den Deltaquadranten irgendwann sehen würde. Doch bis dahin gab es wichtigeres zu tun, nämlich den Alphaquadranten und die Föderation zu verteidigen.

Margaret Janeway atmete tief durch und startete.



––– Ist es ein besseres Leben, das uns erwartet? Haben wir uns mehr Sicherheit und mehr Stabilität erkämpft? War es das alles auch wirklich wert? Ich wünsche es mir ... denn wenn es so sein soll, dann soll es auch für uns so sein, für dich und mich. Eine Katharsis, ein Neuanfang. Was sagst du dazu? Wir haben darüber gesprochen, nach der Geburtstagsfeier, und dann sind wir nicht mehr dazu gekommen darüber zu sprechen. Scheißkrieg. Du hast mir einmal, und noch ein paarmal mehr, im Zorn vorgeworfen, dass mir jede Ausrede recht wäre um nicht über uns und alles was dazugehört sprechen zu müssen. Dieser Scheißkrieg ist die schlechteste Ausrede von allen, ich weiß. So war das nicht geplant, echt nicht. Also, keine Ausreden mehr, sprich mit mir und sag mir was du von einem Neuanfang hältst, von einem besseren Leben mit mir ... bitte! –––



„Phaserphalanx ausgefallen!“
„Direkter Treffer! Schilde bei 42% und fallend!“
„Ausweichmanöver einleiten!“
„Hüllenbrüche auf Decks 9 bis 13 sowie 21! Strukturelle Integrität kritisch!“
„Transporterraum, erfassen Sie alle Lebenszeichen und beamen Sie sie direkt auf die Krankenstation!“
„Materieeindämmung fluktuiert ... verdammt, wir haben die Transporter verloren!“
„Notkraftfelder errichtet und stabil, Evac- und Schadenskontrollteams unterwegs!“
„Krankenstation, stellen Sie sich auf zahlreiche Schwerverwundete ein!“
„Verdammt! Sie versuchen uns auszukommen!“
„Bleiben Sie dran! Können wir dranbleiben?“
„Wir holen alles raus was noch geht, Sir!“
„Gut so! Angriffsmuster Epsilon Phi!“
„Multiphasentorpedos klar!“
„Feuern Sie nach eigenem Ermessen!“

Die Brücke rauchte schon, es stand nicht gut für die Kirk. Für ein paar Minuten hatte es den Anschein gemacht, als würde ihr Plan aufgehen, doch dann hatte die feindliche Flotte reagiert.

Der Arm der K-7, den sie beschützen sollten, war getroffen worden und stand dort wo der Sauerstoff ungebremst ins All entwich spektakulär in Flammen. Schillerndes Phaserfeuer und die Explosionen der Torpedos erhellten die Schwärze des Vakuums in erschreckend heiteren bunten Mustern, während gleich drei der feindlichen Schiffe gnadenlos auf sie zu kamen.

Harry Kims aufmerksame Augen verließen den großen holographischen Schirm, der die gesamte vordere Sektion der Brücke umspannte und es so erscheinen ließ als hätten sie direkte Sicht nach draußen, für keinen Moment. Er war der Captain, er musste den Überblick und einen kühlen Kopf bewahren egal wie vernichtend die Situation auch scheinen mochte. Ruhig aber bestimmt bellte er seine Befehle und die Mannschaft folgte rasch und beherzt, trotz der schieren Hoffnungslosigkeit war er zufrieden mit ihren Leistungen. Panik war fehl am Platz, denn obwohl sie schwer getroffen wurden hatten sie auch schwer getroffen. Das größte der feindlichen Schiffe schien zu wenden und die Flucht ergreifen zu wollen.

„Soll ich die Verfolgung aufnehmen, Sir?“
„Nein! Dann wäre die K-7 ohne Verteidigung und die zwei anderen Schiffe ... wir müssen Prioritäten setzen.“
„Aye, Sir!“

Harry Kim zweifelte nur für den Bruchteil einer Nanosekunde an sich, jetzt hieß es handeln und zweifeln konnte man später immer noch. Fluchen durfte er aber trotzdem, das war wohl das Privileg des Captains. Insgeheim hoffte er auf Unterstützung von der Fliegerstaffel, die schon ziemlich dezimiert worden war, schickte einen gedanklichen Hilferuf ins Nirgendwo und fluchte dann noch einmal, weil er eigentlich genau wusste, dass es nichts bringen würde und ihm allmählich die Optionen ausgingen.

Und dann sah er sie wie aus dem Nichts herannahen, eine schneidige Marauder im Sturzflug, die sich bedrohlich nah an die Hülle des feindlichen Schiffes klebte und eine Salve nach der nächsten abfeuerte.

„Jawohl!“

Jubel. Die Marauder hatte dem fliehenden Schiff beinahe kamikazehaft den Weg abgeschnitten und die beiden anderen gleich mit eingekesselt. Das war die Chance, die sie sich gewünscht und auf die sie doch nicht gehofft hatten.

„Torpedos klarmachen, Radosta! Feuern Sie! Jetzt!“
„Aye, Sir!“

Ein greller Lichtblitz blendete den Sichtschirm, und dann noch einer.

Die vereinten Fliegerstaffeln der Kirk, der Columbus und der Independence hatten insgesamt sieben Marauders in die Schlacht geschickt und es war schier unmöglich sie voneinander zu unterscheiden, denn sie waren alle baugleich und die Registriernummern sowie der Name des Mutterschiffs waren beinahe unkenntlich klein auf die Außenhülle geschrieben, denn das war der Sinn der Sache, und aufgrund der Funkstille war nachzufragen und sich gleichzeitig zu bedanken keine Option. Harry Kim konnte es nicht wissen, doch er wusste es trotzdem mit Sicherheit – nicht irgendein beliebiger Flieger war ihnen zu Hilfe gekommen, sondern seine Nummer Eins. Ab sofort konnte es nur noch besser werden.

Harry Kim lächelte zwischen Explosionen.



––– Du bist der stärkste Mensch den ich kenne, und ich kenne auch keine andere Lebensform die stärker wäre. Du musst kämpfen! Du musst stark sein! Du ... es gibt so vieles, was wir noch nicht getan haben und immer tun wollten obwohl wir nie gewagt haben darüber zu sprechen. Erinnerst du dich? Wir wollten die Urjauzia-Wasserfälle auf Zeruko besuchen, im nächsten Urlaub, die sollen phantastisch schön sein und unglaublich romantisch und wir waren noch nie dort. Wir wollten Teddy und Jack beibringen wie man ein Shuttle fliegt, zumindest ein kleines, sie sind ja schon groß. Wir wollten diesen komplett hirnverbrannten historischen Holoroman mit Captain Kirk und dem Gorn fertigspielen. Wir wollten ... ja, wenn wir schon dabei sind können wir auch ehrlich zueinander sein ... Wir wollten das Gespräch führen, das wir nicht mehr führen konnten weil der Krieg dazwischen gekommen ist. Wir wollten mutig sein und endlich richtig zusammen, wir wollten eine Zukunft, auch wenn alles dagegen spricht. Ich will das alles noch mit dir erleben, das und noch viel mehr. –––



Markerschütternde Schreie übertönten das erbarmungslose Heulen des roten Alarms, jeder weitere Treffer erschütterte das Schiff mit gefährlicher Stärke, die Besatzungsmitglieder wurden ebenso durch die Luft gewirbelt wie Ausrüstungsgegenstände und Trümmer von Schotten und Bodenplatten.

Der Captain öffnete die Augen, versuchte zu sprechen, doch irgendetwas schnürte ihm die Luft ab und ein gellender Schmerz durchfuhr ihn als er husten musste. Hitze, nach dem Schmerz war Hitze das erste und einzige was er fühlen konnte. Er schmeckte Blut und Feuer, die Luft roch bittersüß nach Plasma und Gefahr, und plötzlich begriff er. In einem letzten Aufbegehren rappelte er sich hoch und sah die Flammen über die Brücke züngeln und den grausam verkohlten Körper von Lieutenant Migjorn allmählich mit seinem Pilotenpult verschmelzen.

„Captain? Captain! Raus hier, verdammt!“

Wie durch ein Dämpfungsfeld drang Nelly Landwhims Stimme an sein Ohr, zumindest glaubte er dass es Nelly Landwhims Stimme war, und er reagierte wie automatisiert bevor er wieder zusammensackte weil ihm schwindlig wurde. Dann, endlich, schlugen die internen Sensoren an und aktivierten die Brandbekämpfungssysteme, und Ruß und Plasma und Fleisch vermischten sich mit klebrigem Löschpulver und so vielen Dingen, an die man sich lieber nicht erinnern wollte. Und dann packte eine energische Hand ihn bei der Schulter und schleifte ihn brutal beiseite. Er war der Captain, bereit mit seinem Schiff unterzugehen, doch es war schon untergegangen und er hatte es nicht verhindern können.

Maggie, dachte er, und dann dachte er nicht mehr.



––– Ich will dich berühren, verdammt. Ich hasse es, dich nicht berühren zu dürfen, auch wenn ich mich längst daran gewöhnt habe weil es mir ja verboten ist. Ich will dich berühren, nicht weil ich mit dir schlafen will – wobei, doch, eigentlich schon, ich kann’s nicht leugnen, dass ich fast immer mit dir schlafen will weil es einfach herrlich ist mit dir zu schlafen – sondern ... Ich will dich berühren, will dich spüren, ganz und gar, deinen Atem und deinen Kopf an meiner Brust. Ich will dich festhalten, dass du mir auch ja nicht entgleitest. Ich darf nur deine Hand halten solange du in dem Stasisfeld liegst, sagen die Ärzte, also werde ich das tun. Werde aufhören, wie panisch in diesem fürchterlichen Raum auf und ab zu rennen und werde deine Hand halten. Scheiße, nein, ich werde jetzt nicht weinen. Ich bin stärker als das, wenn unsere Rollen vertauscht wären und du an meiner Stelle wärst würdest du bestimmt nicht weinen. Du würdest deine Pflicht tun, weil das eben das ist was du tust. Wärst du an meiner Seite, wenn unsere Rollen vertauscht wären? –––



„Delta hier. Ich wurde getroffen, ich bin raus. Wiederhole, ich bin raus. Starburst, Sie übernehmen die Staffel!“

Glorreiche letzte Worte, das letzte woran sie sich erinnern konnte bevor alles um sie herum taumelnd dunkel wurde.

Die Sterne, die sie sah, waren nicht draußen im All, sie waren genau hier in ihrem Kopf und sie wusste, dass das kein gutes Zeichen war. Sie spürte die Luft entweichen und einen stechenden Schmerz in ihrem Abdomen und überall sonst auch. Sie roch ein Feuer schwelen und zwang sich die Augen zu öffnen, und dann sah sie es auch bevor alles wieder taumelnd dunkel wurde. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war seit sie abgeschossen wurde, wusste nicht was da draußen in der Schlacht passierte, ob es überhaupt noch eine Schlacht gab, überhaupt noch eine Staffel. Sie konnte nicht sehen, konnte sich nicht bewegen, konnte nur hören und was sie hörte war das schrille Schreien der Alarme und die verzerrte Stimme des Schiffscomputers, dessen Worte sie nicht verstehen konnte. Sie erinnerte sich düster daran, dass sie Hilfe brauchte und ein Notsignal absenden musste, doch sie wusste nicht wie, denn die Worte in ihrem Kopf ergaben keinen Sinn mehr. Sie war wie gelähmt, körperlich und geistig, hieb in blinder Verzweiflung auf das Terminal direkt vor ihr und spürte nicht den Schmerz, als die scharfen, heißen Splitter, welche die Explosion dort hinterlassen hatte wo eine Konsole gewesen war, sich tief in ihr Fleisch bohrten. Der Schwindel zog sie abwärts, tiefer ins Dunkel, und die Sterne vor ihren Augen hüllten sie ein in erstickender Kälte.

Harry, dachte sie, und dann dachte sie nicht mehr.



––– Die Ärzte sagen, du hast trotz allem keine Schmerzen. Du liegst in therapeutischer Stasis, das ist wie ein sehr tiefer Schlaf. Träumst du? Wovon träumst du? Ist es ein schöner Traum? Du musst mir davon erzählen wenn du aufwachst ... Ich jedoch träume nicht, fürchte ich, und es tut weh, ich fürchte mich. Wie gerne würde ich einfach aufwachen können und feststellen, dass dieser Albtraum vorbei ist. Wir beide sind Profis, wir haben gelernt wie man mit Grauen und Leiden und Sterben umgeht und die Erfahrung hat ihr Übrigstes dazu getan. Und doch ... darauf kann man nicht vorbereiten, keine Fortbildung an der Akademie und keine Simulation auf dem Holodeck. Das ist die Realität. Ich wusste, dass es irgendwann dazu kommen könnte, aber ich hätte doch nie damit gerechnet. Wir sind Seite an Seite durch die Hölle gegangen, du und ich. Wenn du jetzt stirbst, dann stirbt auch ein Teil von mir. Du bist ein Teil von mir. Nur deswegen bin ich noch am Leben, weil ich es dir versprochen habe. Ich habe dich noch nie um einen Gefallen gebeten, aber wann wenn nicht jetzt? Bitte, lebe! Kann ich dir befehlen zu leben? Dann befehle ich es dir, lebe! –––



Es war vorbei und sie hatten gewonnen, ließ die Kommandantin der K-7 endlich verlautbaren.

Nur allmählich sickerte die Tatsache in ihr Bewusstsein, zu surreal schien das zu sein, denn wenn man immer noch ums nackte Überleben kämpfte war Freudentaumel nebensächlich. Die Plasmabrände und Hüllenbrüche waren unparteiisch, sie fragten nicht nach Siegern und Verlierern, sie kannten weder Triumph noch Gnade. Was sie deutlich sehen konnten war kein Heldentum, sondern Blut und Trümmer überall, und kein glückliches Ende, sondern den quälenden Beginn der Ungewissheit. Als sie noch gekämpft hatten, konnten sie wenigstens die Illusion aufrecht erhalten, dass sie alles im Griff hatten. Sie hatten sich den Weg freigekämpft, doch jetzt, wo die Waffen schwiegen, schwiegen auch sie.

Zerschmettert in Stücke, im Frieden des Alls.

Es war vorbei und sie hatten gewonnen, doch um welchen Preis?



––– Wo Liebe ist, da ist auch Hoffnung, und wo Hoffnung ist, da ist auch Leben. Das sagte meine Mutter immer, und meine Mutter war eine weise Frau. Manchmal muss man sich einfach den Weg freikämpfen. Das sagte deine Mutter immer, und auch sie ist eine weise Frau. Ich weiß, dass du aus gutem Grund nur selten auf deine Mutter gehört hast, aber wenn du schon nicht auf mich hören willst, dann hör wenigstens auf sie. Du musst kämpfen, verdammt, und leben! –––



„U.S.S. Kirk für Deep Space K-7, kommen!“
„Laut und deutlich, K-7, sprechen Sie.“

Harry Kim sah apathisch auf, fixierte den Schirm dessen irritierend defektes Flimmern er gar nicht mehr bemerkte, die Gedanken kalt und die Stimme zynisch. Das gehörnte Gesicht von Naomi Wildman flackerte in Überlebensgröße auf – er kannte sie schon ihr ganzes junges Leben lang und hatte sie noch nie so müde und strapaziert erlebt, und hätte er noch emotionale oder sonstige Kraftreserven aufbringen können, hätte er wahrscheinlich Mitgefühl für sie empfunden. Sekunden die Minuten sein könnten die Stunden sein könnten die Tage sein könnten oder noch länger waren beinahe unbemerkt vergangen, seit die Schlacht zu Ende war. Die Kirk brannte noch immer, der beißend metallische Plasmageruch drehte ihm die Eingeweide um, der letzte Hoffnungsschimmer verglühte und verwandelte sich in erstickende Rauchschwaden, der Weltraum der sie umgab war in Trümmer geschossen. Der Triumph schmeckte bitterer als jede Niederlage.

„Gratulationen, Naomi? Tu uns beiden den Gefallen, spar sie dir.“
„Nein, nur eine wichtige Frage: hast du noch ein Shuttle übrig, oder einen funktionierenden Transporter?“
„Müsste ich nachfragen. Warum?“
„Weil du sofort hierher kommen musst und uns die Ressourcen fehlen um dich zu holen.“
„Das Flottenkommando ruft zur Einsatznachbereitung? So schnell geht das? Wahnsinn. Als es um Verstärkung ging haben sie sich mehr Zeit gelassen.“
„Wichtiger, viel wichtiger.“
„Was könnte es Wichtigeres geben?“
„Deine Nummer Eins, Harry.“
„Was?!“
„Du hast schon richtig gehört, es geht um Maggie.“
„Was?! Was ist mit ihr?!“
„Atme tief durch, bitte, und lass mich sprechen. Unsere Suchtrupps haben ihren Flieger vor ungefähr drei Stunden gefunden und unsere Mediziner haben sie gerade eben zweifelsfrei identifiziert – in dem ganzen Chaos ging es wohl nicht schneller. Sie liegt hier auf der Krankenstation und ich will dich nicht anlügen, sie wurde lebensgefährlich verletzt und ist in sehr schlechtem Zustand, aber sie ist es und sie lebt noch. Es ist ein Wunder, aber sie lebt. Du kannst wahrscheinlich sowieso nichts tun, aber du solltest bei ihr sein. Komm her, und komm schnell.“

Harry Kim schnellte hoch, die Augen weit und das Herz rasend, und dann rannte er ohne zurückzublicken.



––– Wach auf, Maggie, bitte wach auf, bitte bleib bei mir. Ich liebe dich. –––




Danijela gewidmet – den gemeinsamen Jahren, aber auch und vor allem der letzten Dreiviertelstunde. Ich hab’ Dich immer im Herzen. Lijepo sanjaj!
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