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Enterprise: The Dogs of War - Bd. 1: No Mercy, Teil 1

von Julian Wangler

Prolog 1

U.S.S. Enterprise, NCC-1701
2266

Wie ein ruheloser Geist war Captain James Tiberius Kirk in den vergangenen Stunden durch die Korridore seines Schiffes gewandelt.

Dieser Rundgang unterschied sich sehr von allen anderen, die er bislang auf der Enterprise unternommen hatte. Seitdem ihm vor rund einem Jahr das Kommando über das Flaggschiff der Sternenflotte zugesprochen worden war, hatte er aus zwei Gründen ausgelassene Spaziergänge durch das Schiffsinnere gemacht: entweder, um sich von der Arbeit seiner Mannschaft zu überzeugen oder um über das technologische Wunderwerk zu staunen, das der mächtige Kreuzer der Constitution-Klasse nach wie vor für ihn darstellte.

Nicht so heute. Zwar konnte er während seines Marsches beiläufig besichtigen, wie die Schäden, welche die Enterprise im zurückliegenden Raumkampf erlitten hatte, akribisch, sorgfältig und planvoll von den Wartungscrews behoben wurden, während das Schiff sich bereits auf dem Weg nach Exo III zu einer neuen Mission befand. Dies war jedoch nicht ursächlich für seine Entscheidung gewesen, sich die Füße zu vertreten.

Kirk war einer Nachdenklichkeit und Schwermütigkeit verfallen, die ansonsten untypisch für ihn war. Anfangs hatte er vermutet, es liege am Verlust von Lieutenant Robert Tomlinson, dem einzigen Todesopfer des letzten Gefechts. Es war niemals leicht, ein Crewmitglied zu verlieren, diese bittere Lektion hatte er als jüngster Captain in der Sternenflotte bereits früh lernen müssen.

Spätestens seit der Mission zur galaktischen Barriere hatte Kirk jedoch geglaubt, das ganze schmerzvolle Ausmaß einer solchen Tragödie kennengelernt zu haben, denn mit Gary Mitchell hatte er nicht nur einen verdammt guten Führungsoffizier, sondern auch einen seiner engsten Freunde verloren. Er hatte gehofft, nach dieser Erfahrung besser auf derartige Situationen, sollten sie sich in Zukunft wieder ereignen, vorbereitet zu sein.

Aber als er in die tränenverklärten, unendlich traurigen Augen von Angela Martine – Tomlinsons Verlobten – geschaut hatte, da war Kirk urplötzlich klar geworden, dass er vermutlich noch viele Lehrstunden vor sich haben würde, wenn er ein mit allen Wassern gewaschener Kommandant sein wollte, der in jedem noch so dramatischen Augenblick die richtigen Worte fand und seine geschundene Mannschaft in der Stunde der größten Verzweiflung wieder aufrichten konnte.

Es stimmte. Während er Martine in der dunklen Stille ihres Quartiers zu trösten versucht hatte, war er sich machtlos vorgekommen. Dieses Gefühl nagte noch immer an ihm, und es würde wohl eine Weile dauern, bis es sich verflüchtigt hatte. Doch mittlerweile glaubte Kirk, erkannt zu haben, dass jene innere Unruhe, die ihn zu später Stunde in die Schiffsgänge hinausgetrieben hatte, einen anderen Grund hatte. Was ihn derzeit beschäftigte und unermüdlich in ihm wummerte, war vielmehr der Anlass für den dramatischen Raumkampf gewesen, in den er die Enterprise hatte führen müssen.

Die Rückkehr der Romulaner.

Seit mehr als einhundert Jahren waren sie nicht mehr gesichtet worden – eine Zeitspanne, die so lange zurückreichte, dass sie längst zu einem düsteren Mythos avanciert waren, mit dem sich die Öffentlichkeit in der Föderation nicht mehr beschäftigte und der bestenfalls dazu taugte, den Erstsemestern an der Akademie der Sternenflotte ein wenig Angst einzujagen.

Nun hatte sich das Romulanische Sternenimperium völlig unerwartet mit einem Paukenschlag zurückgemeldet. Ein vollkommen neuartiges Kriegsschiff, ausgestattet mit bislang unbekannten, äußerst zerstörerischen Waffenarsenalen und imstande, sich zu tarnen, hatte die Neutrale Zone durchquert und mehrere Außenposten der Sternenflotte pulverisiert.

Kirk hatte sich entschieden, die romulanischen Taten zu vergelten. Er hatte das Schiff gejagt und im Zuge eines schweren Gefechts letztendlich zur Strecke gebracht. Er hatte dies getan, um die Entschlossenheit der Föderation zu demonstrieren, wenn es darum ging, die Integrität ihrer Grenzen zu schützen und die strikte Einhaltung des Friedensvertrags zu unterstreichen. Man mochte auch sagen, er hatte das Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt, womöglich das Gleichgewicht des Schreckens.

Zwar war es der Enterprise also gelungen, das romulanische Schiff – das vermutlich nicht beabsichtigt hatte, entdeckt zu werden – zu identifizieren und unschädlich zu machen. Doch die Spuren, die der romulanische Überfall in der ganzen Föderation hinterlassen hatte, waren nicht zu bestreiten. Es waren psychologische Spuren.

Kirk vermochte sich nicht zu entsinnen, wann eine antagonistische Macht für ein solches Durcheinander und eine Panik dieses Ausmaßes gesorgt hatte. Man musste nur einmal den Subraumfunk einschalten und die Primärmedien auf den Zentralwelten des interstellaren Völkerbundes stichprobenartig abhören. Allenthalben herrschte blankes Entsetzen. Die Romulaner, das Phantom aus den Schauermärchen einer längst vergangenen Epoche, waren auf einmal wieder da. So gesehen war ihre Taktik – und Kirk war hundertprozentig sicher, dass sie mit diesen perfiden Angriffen eine perfekt durchgeplante Taktik verfolgt hatten – voll aufgegangen. Während sie ihrem neuen Schiffsprototypen einen Testlauf genehmigten, hatten sie eine unglaubliche Furcht in das Herz der Föderation und anderer Völker gleich mit getrieben.

Und hinzu kam noch etwas anderes. Als erster Sternenflotten-Captain und vermutlich auch als erster Repräsentant der Föderation hatte Kirk das generationenwährende Geheimnis gelüftet, wer die Romulaner waren. Seit dem ersten Kontakt mit ihnen war die Frage nach ihrer Identität ungeklärt geblieben, nicht zuletzt, weil sie alles daran gesetzt hatten, anonym zu bleiben – zweifellos ein weiterer Akt ausgeklügelter psychologischer Kriegsführung, denn wer sich zu erkennen gab, der gab potenziell eine Schwäche preis.

Doch nun hatte das Phantom ein Gesicht bekommen. Und was Kirk dort auf dem Hauptschirm zu sehen bekam, als er einen visuellen Kontakt zur Brücke des fremden Kreuzers herstellen ließ, hatte ihm nicht gefallen. Zuerst hatte er das Antlitz seines Ersten Offiziers zu erkennen geglaubt, ehe ihm die Wahrheit dämmerte: Die Romulaner waren Abkömmlinge der Vulkanier.

Niemand, nicht einmal die Vulkanier selbst, hatten eine solche Möglichkeit in Betracht gezogen. Natürlich kannten Leute wie Spock die vulkanische Frühgeschichte, die besagte, dass es zurzeit der Reformation durch Surak Gruppen gegeben habe, die sich der allumfassenden Philosophie der Logik widersetzten, weil sie eine Bedrohung darin sahen, und entschieden, sich in den Weltraum aufzumachen. Doch selbst, wenn diese Anhänger des ursprünglichen vulkanischen Weges mit primitiven interstellaren Archen losgezogen waren – was bereits von einem Teil der Historiker stets bestritten worden war –, hatte niemand ernsthaft in Erwägung gezogen, dass sie mit der Suche nach einer neuen Heimat erfolgreich gewesen waren. Bis heute.

Kirk dachte zurück an die vereinzelten Anfeindungen und Irritationen, die Spock vonseiten der Mannschaft erfahren hatte. Zum Glück waren es nicht viele gewesen, und der Staub war schon wieder dabei sich zu legen. Nur gut, dass die Völker der Föderation mittlerweile eine so belastbare Vertrauensbasis haben, dass diese Offenbarung sie nicht nachhaltig erschüttern wird., dachte er. Er wollte sich kaum ausmalen, was es bedeutet hätte, hätte die Öffentlichkeit der Koalition der Planeten damals, vor über einhundert Jahren, erfahren, von wem die Romulaner abstammten. Es hätte durchaus sein können, dass die Spannungen und das Misstrauen den Vulkaniern gegenüber so groß geworden wären, dass die noch werdende interstellare Gemeinschaft daran zerbrochen wäre.

Die Romulaner hatten sich mit Donnerkrachen auf der interstellaren Bühne zurückgemeldet. Zweifellos bedeutete das einen Erdrutsch für das gesamte Quadrantengefüge. Nicht nur die Föderation, sondern alle Mächte würden sich warm anziehen müssen. Irgendwie bezweifelte Kirk nämlich, dass es lange dauern würde, bis sie wieder vom Sternenimperium hörten oder sehr unmittelbar mit seinen Machenschaften konfrontiert wurden. Nein, die Romulaner hatten sich nach einer langen Phase des selbst auferlegten Isolationismus entschieden, ins Konzert der galaktischen Politik zurückzukehren. Und eines war gewiss: Sie würden sie kräftig aufmischen.

Doch noch rätselte Kirk, warum dieser hinterlistige und aggressive Gegner, der in direkter Weise zur Entstehung der Föderation beigetragen hatte, gerade jetzt entschieden hatte, die Maske fallen zu lassen und in die Öffentlichkeit zurückzukehren. Was führten die Romulaner im Schilde?

Einen Moment fragte er sich, ob es möglich war, dass sie auf eine Revanche aus waren. Nach allem, was bekannt war, hatten die Romulaner in den vergangenen anderthalbtausend Jahren ein gewaltiges Reich errichtet, das stets nur ein Prinzip gekannt hatte: weitere Eroberungen, weitere territoriale Einverleibungen, weitere Unterjochung freier Völker. Dieser gnadenlose Trend war erst mit dem Ausgang des Irdisch-Romulanischen Kriegs nachhaltig gebrochen worden. Die Romulaner waren geschlagen worden, und die Neutrale Zone verhinderte seitdem, dass sie sich in Richtung des Alpha-Quadranten ausdehnen konnten. Ihr weiterer Vormarsch in diesen Teil des Alls war abrupt gestoppt worden.

Kirk konnte sich denken, dass der alte Feind diese Schmach niemals gänzlich verwunden hatte. Was also, wenn er sich in Geduld geübt und in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hinter seinen Grenzen aufgerüstet hatte, um einen neuen Anlauf zu starten? War es das, was die Romulaner wollten, einen neuen kriegerischen Feldzug?

Andererseits war die Föderation von heute nicht die wackelige, kleine Koalition vierer Völker von damals. Das Sternenimperium würde schon viel an militärischer Schlagkraft aufbieten müssen, um gegen eine so gewaltige und durch Werte verbundene Allianz wie die VFP anzukommen.

Kirk glaubte nicht, dass es die Romulaner – jedenfalls in absehbarer Zeit – auf harte militärische Konfrontationen abstellten. Dagegen sprach alleine die Art, wie sie sich mit dem zurückliegenden Zwischenfall in der Neutralen Zone in Erinnerung gerufen hatten . Ganz sicher würden sie in Zukunft ihre schärfsten Waffen, Intrige, List und Tücke, zum Einsatz bringen – das, wofür sie gefürchtet waren –, und in Verbindung mit neuen technologischen Durchbrüchen würde das die Föderation in einer Weise herausfordern, die sich deutlich von anderen Gegnern wie zum Beispiel den heißblütigen Klingonen unterschied.

Wir haben den Weckruf gehört., sagte sich Kirk. Ab jetzt werden wir wachsam sein müssen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass sie bald kommen werden. Und wir werden verstehen müssen, wie sie denken.

Mit einem Mal wurde ihm wieder klar, dass die Föderation trotz eines vierjährigen und bislang beispiellosen Kriegs beinahe nichts über sie in Erfahrung gebracht hatte. Das war ein taktischer Nachteil, der durch nichts mehr zu rechtfertigen war. Sie mussten daran arbeiten, oder es würde ein böses Erwachen geben. Die Romulaner waren zurück, und die Karten wurden neu gemischt.

Kirk entschied schließlich, dass er genug auf seinem Schiff umhergeirrt war. Denn jetzt wusste er mit einem Mal wieder, was er zu tun hatte. Er kehrte auf direktem Weg in sein Quartier zurück, nahm dort an seinem Schreibtisch Platz und stellte über sein Terminal eine Verbindung mit dem Memory Alpha-Archiv her. Bis in die frühen Morgenstunden verbrachte er damit, alle Informationen zum Irdisch-Romulanischen Krieg zusammenzutragen und zu studieren. Jedes Stück Geschichte mochte hilfreich sein.

Etwas anderes als der Blick in die Vergangenheit blieb ihm nicht, um den alten Feind besser zu verstehen. Es war ein Anfang, doch befürchtete er, dass es nicht reichen würde, wenn das Romulanische Sternenimperium die Menschheit zu einer neuen Bewährungsprobe herausforderte.
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