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Wie unlogisch - wie peinlich

von SusanQ

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„Herrgott noch mal, Sarek, Du mußt es ihm erklären.“

Seit Jahren war das ihr erster emotionaler Ausbruch, um so mehr überraschte er ihren Ehemann.

Sarek widerstand der Versuchung einen logischen Kommentar auf die irdische Redewendung *Herrgott noch mal* abzugeben, sondern entgegnete nur: „Man spricht über dieses Thema nicht in der Öffentlichkeit.“

„Er ist dein Sohn und nicht irgendein Fremder“, gab Amanda zurück.

Stoisches Schweigen war die einzige Antwort Sareks, woraufhin sie fort fuhr: „Wenn sein Vater nicht dazu bereit ist ihm diese Sache zu erklären, muß ich es eben tun, schließlich ist Spock auch mein Sohn und immerhin zu einem Teil menschlich.“

Sarek verzog keine Miene, bei einem Menschen hätte man das als beleidigt bezeichnet, aber hier auf Vulkan galten andere Maßstäbe.

Sie wartete noch immer auf eine Reaktion, als er den Blick hob und zu bedenken gab: „Genau deshalb wissen wir nicht, ob es ihn überhaupt irgendwann einmal betreffen wird.“

Amanda mußte kurz nachdenken worauf ihr Mann sich gerade bezog - *ach ja, auf das menschliche Erbe Spocks. Nein, dachte sie, das ist doch nicht mehr auszuhalten. Sie mußte also zur stärksten Waffe greifen, die ihr zur Verfügung stand - sie mußte ihren Mann beschuldigen sich unlogisch zu verhalten: „Aber die Möglichkeit besteht. Ist es dann nicht unlogisch ihm diese Informationen vorzuenthalten? Es ist doch völlig absurd, daß ein gebildeter erwachsener Mann sich weigert seinen eigenen Sohn sexuell aufzuklären. Dann werde ich Spock eben die Sache mit dem *pon far* erklären. Ich nehme an, er würde so etwas lieber mit seinem Vater als mit seiner Mutter besprechen, aber wenn es nicht anders geht...“

Sie drehte sich um und verließ energisch den Raum.

Sarek versuchte nicht, Amanda aufzuhalten. Sie konnte als Mensch nicht verstehen, wie schwer es einem Vulkanier fiel, über solche Dinge zu sprechen. - Nicht einmal in Gedanken benutzte er das Wort *pon far* - seine Frau hatte recht.

Wie unlogisch.

Wie peinlich.

Sobald er seiner Mutter lange genug zugehört hatte und gehen konnte ohne die allgemeingültigen Umgangsformen zu verletzen, ergriff Spock regelrecht die Flucht. Auch nur eine Minute früher hätte als ausgesprochen unhöflich gegolten. Allerdings war seine Mutter just in diesem Moment auch mit ihrem Vortrag fertig. Amanda lebte schon lange genug auf Vulkan um genau zu wissen wie lange sie reden durfte und dabei mit der vollen Aufmerksamkeit ihres Zuhörers rechnen konnte.

Warum hat nicht sein Vater mit ihm gesprochen? Mußte ausgerechnet seine Mutter solche Dinge zu ihm sagen?

Es war ihm so unendlich peinlich. Nachdem er das Haus seiner Eltern verlassen hatte erlaubte er sich hochgrün anzulaufen, für einen winzigen Augenblick.

Spock war entsetzt über die Offenheit, mit der Menschen anscheinend über ein derart delikates Thema reden konnten. Er war verwirrt, fassungslos, erschüttert, betroffen, ja wie vor den Kopf gestoßen.

Diese medizinische Korrektheit mit der sie gesprochen hatte.

Was ging die ganze Sache ihn eigentlich an? Vielleicht würde er davon nie betroffen sein, und wenn, dann würde es noch Jahre dauern, vielleicht Jahrzehnte, schließlich war er erst 11.

Theoretisch wußte er Bescheid, über die biologischen Vorgänge. Aber ihm war bis jetzt nicht klar, welchen Schmerz er zu ertragen haben würde.

Mußte seine Mutter über solche Dinge mit ihm reden? War sein Vater nicht dazu bereit, mit seinem eigenen Sohn zu sprechen?

Als Amanda versuchte ihrem Sohn klar zu machen, was auf ihn zu kam und worin die einzige Möglichkeit bestand dieser Pein, die tödlich enden konnte, ein Ende zu setzen, war er mehr als peinlich berührt. Es war beschämend. Seine eigene Mutter brachte ihn so in Verlegenheit, wie nur ein Mensch es konnte.

Spock war in die Berge gegangen, wie schon so oft zuvor. Er saß auf einem Stein an seinem Lieblingsplatz, allerdings gestand er sich nicht ein, daß er diesen Platz all den anderen vorzog. So etwas war unlogisch.

Der Ausblick war wunderschön. Nein, das Panorama entsprach den ästhetischen Anforderungen, die er an seine Umwelt stellte. Ja, so oder so ähnlich müßte er seinem Vater gegenüber den Aufenthalt hier erklären.

Er ließ seinen Blick über die Ebene schweifen, bis hin zu dem Berg Seleya. Hier auf Vulkan konnte man fast immer sehr weit sehen. Keine Wolken, kein Dunst, kein Nebel. Die Luftfeuchtigkeit war zu gering, um solche Wettererscheinungen häufiger entstehen zu lassen. Nur ab und zu konnte man ein wirklich winziges Wölkchen über den Himmel ziehen sehen, nicht annähernd groß genug um es regnen zu lassen.

Regen. Früher hatte ihm seine Mutter solche Dinge erzählt, von der Erde, nicht so wie heute. Sie wollte ihn mit einigen Kleinigkeiten vertraut machen, die es auf der Erde gab, schließlich stammte die Hälfte seiner Gene von dort. Regen war etwas, das er nur aus den Erzählungen seiner Mutter kannte.

Spock hörte immer sehr aufmerksam zu, wenn seine Mutter solche Dinge schilderte wie Regen und wie viele verschiedene Sorten es davon gab. Wie konnte man eine einfache Sache wie herabfallende Wassertropfen nur derart differenzieren? Er wußte, es gibt Platzregen, Nieselregen, Gewitter - eine Art Regen mit statischen Entladungen zwischen Himmel und Erde, man nennt sie Blitze.

Plötzlich wünschte er sich nichts sehnlicher als einige Regentropfen auf seiner Haut zu fühlen, oder vielleicht, wie ein starker Platzregen seine Kleidung durchnäßte. Wie mochte es wohl nach einem Gewitter riechen? Er wußte wie Ozon roch, das unweigerlich durch die Energie der Blitze in der unteren Atmosphäre entstehen mußte. Aber wie rochen wohl Unmengen von feuchtem Boden? Oder wie hörte es sich an, wenn ein leichter Nieselregen auf das Blätterdach eines Waldes fiel?

Er schloß kurz die Augen und versuchte es sich vorzustellen.

Wie unlogisch, seine geistige Energie für einen derart absurden Versuch zu vergeuden. Zumindest redete er sich das ein.

Er begann mit einigen seiner mentalen Übungen.

Das Gespräch mit seiner Mutter am Morgen war fast vergessen - aber eben nur fast.

Viele Jahre später war es natürlich wieder ein Mensch der ihn genauso verlegen machte wie seine Mutter es an jenem Tag getan hatte.

Sein kommandierender Offizier, Captain Kirk, den Spock als einen Freund bezeichnete, wollte ganz genau wissen, warum sein Erster Offizier sich nach Vulkan begeben mußte. Und als er es ihm zu erklärte versuchte, druckste Spock unlogischerweise herum und benahm sich wieder so wie er es mit 11 Jahren getan hatte.

Plötzlich verstand er, warum sein Vater nicht mit ihm darüber hatte reden können.
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