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Regeneration

von VGer

Regeneration

Sie arbeiteten konzentriert und fokussiert Hand in Hand, ohne auch nur einmal aufzusehen. Sie kannten die Spezifikationen bis ins Detail, denn sie hatten sie gemeinsam durchdacht und entworfen, und sie mussten nur das Notwendigste sprechen. Sie waren ein effizientes Team, das wussten sie beide, und das Gelingen dieses spezifischen Projekts war ihnen wichtiger als alles andere.

„Hyperspanner.“, verlangte sie, er reichte ihr einen.
„Bioelektrischer Flusskompensator?“, fragte er im selben Atemzug.
„Angeschlossen.“, bestätigte sie. „Dynamische Werte?“
„Moment noch, das System muss erst kalibrieren.“, knurrte er.
„Ladestation und Konnektoren horizontalisiert.“, informierte sie und legte den Hyperspanner beiseite.
„Energieverbrauch?“, fragte er, ohne die Augen von der Konsole zu nehmen.
„Innerhalb normaler Parameter.“, antwortete sie.
„Sieht gut aus.“, sagte er. „Bereit für einen Praxistest?“

Annika Hansen richtete sich auf und musterte die Konstruktion mit dem kritisch kontrollierenden Blick einer kompetenten Ingenieurin.

„Es ist zufriedenstellend.“, sagte sie nur.

Reginald Barclay knackte mit dem Kopf und schloss seinen Werkzeugkasten, dann trat er hinter die ehemalige Borgdrohne und wickelte die Arme um ihre Körpermitte während er einen sanften Kuss in ihren Nacken platzierte.

„Willkommen zuhause, Annie.“, murmelte er heiser. „Willkommen zuhause.“

Anderthalb Jahre waren vergangen, seit die Voyager überraschend im Alphaquadranten angekommen war, und es waren anderthalb turbulente Jahre gewesen, die so rasch so viel verändert hatten, dass sie gar nicht pausiert hatten um darüber zu reflektieren. Bis jetzt.

Sie lehnte sich in seine Umarmung, schmiegte sich rücklings an seinen Torso und griff nach seinen Händen während sie die Seite ihres Gesichts an seins legte und tief durchatmete. Sie spürte seine Körperwärme und das unaufhaltsame Pochen seines Herzens, sie nahm seinen so vertrauten Duft nach Metall und Plasma und körperlicher Anstrengung in sich auf. Sie dachte über seine Worte nach und dann wurde ihr klar, dass er bei all seiner Sentimentalität recht hatte. Ja, sie war zuhause.

„Danke.“, sagte sie nur.
„Wofür?“, fragte er kopfschüttelnd.
„Dafür.“, sagte sie und deutete auf ihr vollendetes Werk.

Als entschieden wurde, dass sie auf den Mars versetzt werden würde um für Pioneer zu arbeiten, hatte er sie glücklich blubbernd gefragt ob sie bei ihm einziehen wollte. Nach einem gründlichen Studium der Fakten hatte sie bejaht, denn das war das was Humanoide der verschiedensten Kulturen zu tun pflegten wenn sie sich in einer ernsthaften Beziehung befanden. Sie hatte nur nicht mit den Komplikationen gerechnet, die ihre Entscheidung mit sich bringen würde.

Die Sternenflotte war ebenso dagegen gewesen wie die zivile Verwaltungsbehörde hier in Utopia Planitia – was auch immer sie beteuerten, und das war viel, denn es ließ sich nicht leugnen, dass sie sich irrationalerweise immer noch fürchteten und erstarrten, denn die Urangst vor den Borg saß tief im Anbetracht der Geschichte. Sie hatten sich empört, hatten tief durchgeatmet und hatten wochenlang nicht aufgehört zu kämpfen. Dieses war nur ein winziges, nebensächliches Projekt bei all den viel wichtigeren Projekten an denen sie Tag für Tag arbeiteten, und doch war es das wichtigste von allen. Sie hatten wochenlang dafür gekämpft, hatten die Köpfe geschüttelt als sie Admiralen und Funktionären ihr Anliegen vorgetragen hatten, das laut ausgesprochen so absurd klang. Unter normalen Umständen musste sich niemand über derartiges Gedanken machen, zumindest nicht in diesem Ausmaß, doch ihre Umstände waren keine normalen.

Die Bevölkerung von Sol IV Mars belief sich auf etwas über eine Milliarde Lebensformen verschiedenster Art, die allesamt friedlich zusammenlebten und deren Lebensumstände selbstverständlich an ihre jeweiligen Bedürfnisse angepasst waren. Die wabenförmig ineinander verschachtelten Wohneinheiten in den Distrikten der Hauptstadt waren flexibel anzupassen – wer Stickstoff atmen musste konnte Stickstoff atmen, wer an eine Nullschwerkraftumgebung gewöhnt war konnte die Schwerelosigkeit genießen, wer von einem Eisplaneten kam konnte die Temperatur nach eigenem Ermessen regeln und so weit hinuntersetzen bis er selbst fror, wer ein holographisches Umfeld bevorzugte konnte sich eins kreieren, wer sich von Photonen oder Plasma statt von Biomasse ernährte konnte das selbstverständlich tun solange er nicht die Hologramme und Energieleitungen aufessen wollte – und niemandem wäre es je eingefallen sich da einzumischen, schließlich waren sie alle mündige Bürgerinnen und Bürger und was in den eigenen vier Wänden vor sich ging, das ging eigentlich niemanden etwas an.

Mit einer Ausnahme.

„Ich wünsche diese Stadt nicht zu assimilieren, ich wünsche darin zu leben!“, hatte Annika mehr als nur einmal frustriert ausgerufen. „Ich bin eine vollwertige Föderationsbürgerin und Sternenflottenoffizier – ich bin ein Individuum, kein Stück Technologie, das man nach Gebrauch zurück in den Schrank stellen kann.“

Es war der alte Kampf, den sie schon anderthalb Jahre lang kämpften, und sie waren des Kämpfens müde. Solange sie noch auf einem Raumschiff gedient hatte, war das alles kein Problem gewesen, doch jetzt wo sie ihren neuen Posten beim Pioneer-Projekt in Utopia Planitia angetreten hatte war es nötig sich an die Lebensumstände einer zivilen Millionenstadt anzupassen. Sie war bestimmt nicht die ungewöhnlichste Lebensform in der Stadt, doch der Stadt war es eindeutig schwerer gefallen sich an ihre neueste Bürgerin anzupassen als umgekehrt.

Sie war nicht länger Borg, und in einem Frachtraum oder einem Labor zu leben war nicht länger eine Option. Sie war trotz allem ein Mensch, und ihre besonderen Bedürfnisse waren kaum seltsamer als die Bedürfnisse diverser anderer Lebensformen auf dem Planeten, doch was für alle anderen ein kaum nennenswertes basales Bedürfnis war schien in ihrem Fall zunächst niemand auch nur ansatzweise in Betracht ziehen zu wollen. Die dem zugrunde liegenden Beweggründe hatte sie nie verstehen können – Borgtechnologie auf einem Raumschiff oder in einer Forschungseinrichtung hatte kein Problem dargestellt, doch dieselbe Technologie in einer zivilen Wohneinheit zu installieren war unerwünscht, obwohl die Bewohner der besagten Wohneinheit zu den besten Ingenieuren im Territorium gehörten und die namhaftesten Experten für just diese Technologie waren? Es war ein Bett, nichts weiter als ein technisch hochentwickeltes Möbelstück, doch dieses Bett war zu einem heiß umkämpften und wild umstrittenen Politikum geworden.

Drei Monate hatten sie mit der Bürokratie gekämpft, und dann noch einmal drei Tage mit der Technik der Installation. Jetzt war es endlich vollbracht, und es fühlte sich noch so surreal an.

Neelix gurrte leise und trampelte zaghaft auf dem unbekannten und noch so fremd riechenden Objekt herum, gleichermaßen neugierig wie verängstigt. Schrödinger war mutiger und jagte ihm begeistert hinterher.

„Runter, ihr biestigen Tribbles!“, rief Reg mit gespielter Empörung aus und klatschte warnend in die Hände. „Das ist unser Bett, nicht eures!“
„Widerstand ist zwecklos.“, fügte Annika lachend hinzu.
Neelix und Schrödinger sagten nichts, denn sie konnten auch nicht reden.

Während die beiden Katzen, die dicke flauschig weiße und die stromlinienförmig glänzende schwarze, über das Bett tollten und tobten, machten die beiden Menschen einen Schritt zurück und betrachteten ihr Werk. Zu sagen, dass sie zufrieden waren, war die Untertreibung des Millenniums.

Reg legte eine Hand auf Annikas Schulter und strahlte wie dämlich vor lauter Glück. Sie erwiderte seinen liebevollen Blick, dann deutete sie beim Fenster hinaus auf das atemberaubende Panorama, das sich ihnen bot. Utopia war nicht länger Utopie, sondern der Mittelpunkt ihres Lebens. Utopia war Realität. Die konstant flackernden Lichter der Stadt erstreckten sich meilenweit vor ihren Augen, und darüber im Orbit wachte die beruhigende Präsenz der Flottenwerft mit all ihren emsig blinkenden Raumschiffen, es war ein bunter und lebensfroher Planet der sie willkommen hieß und endlich konnten sie das auch zu schätzen wissen. Was ihnen bevor stand war ihre gemeinsame Zukunft, und der erste Schritt dorthin war geschafft.

Für einen Augenblick reflektierte Annika ihre Existenz – oder präziser ausgedrückt, ihre Existenzen – so wie sie es oft tat. Vor neunundzwanzig Jahren war sie geboren worden, als ein menschliches Kind von vielen. Vor dreiundzwanzig Jahren war sie assimiliert worden, als eine Drohne von vielen. Vor fünf Jahren war sie aus dem Borg-Kollektiv befreit worden und hatte ein neues Leben an Bord der Voyager begonnen, als einzelnes Individuum. Vor anderthalb Jahren war die Voyager in den Alphaquadranten zurückgekehrt. Vor einem Jahr hatte sie endlich ihre Freiheit erlangt und entschieden, jetzt auch offiziell ein neues Leben als Offizier in der Sternenflotte zu beginnen. Vor drei Monaten hatte sie das letzte Praktikum an Bord der Enterprise beendet und die letzte Prüfung an der Sternenflottenakademie bestanden, mit Bravour natürlich, und war zum Lieutenant befördert worden. Vor drei Monaten hatte sie ihren Versetzungsbefehl in Händen gehalten, hatte ihr neues Leben als eine der leitenden Ingenieurinnen des Pioneer-Projekts begonnen.

„Möchtest du zu Bett gehen?“, fragte Reg, zögerlich und doch verschmitzt.

Vor anderthalb Jahren hatte sie ihn noch nicht einmal gekannt, und jetzt konnte sie sich ihr Leben nicht mehr ohne ihn vorstellen. Annika legte ihre Hand auf seine, die immer noch auf ihrer Schulter ruhte, und grinste vielsagend.

„Wir sollten zuerst auf unseren Erfolg anstoßen.“, sagte sie schließlich. „Das ist eine menschliche Sitte, die ich sehr sympathisch finde. Darf ich deinen Replikator benutzen?“
„Unseren Replikator.“, korrigierte Reg. „Du musst nicht fragen, du wohnst jetzt hier, oder hast du das schon vergessen?“

Annika antwortete nicht sondern replizierte zwei Gläser und eine Flasche Champagner. Neelix und Schrödinger hörten das singende Piepsen des Replikators und kamen schleunigst herbeigeeilt um maunzend zu betteln, schließlich waren sie perfekt darauf konditioniert, dass die Maschine an der Wand ihnen Futter gab wenn die Zweibeiner damit sprachen. Diesmal wurden sie jedoch enttäuscht, doch sie hatten immer noch ihren neuen Spielplatz.

Annika kehrte in das Schlafzimmer zurück, sie stellte die Flasche auf dem Nachttisch ab und setzte sich geschmeidig neben ihren Gefährten. Sie erhob schweigend ihr Glas und ließ es an seins klirren, denn ihr fehlten die Worte und irrelevante Konversation war ihr noch immer zuwider. Die Bläschen tanzten an die Oberfläche und kitzelten verführerisch an ihrem Gaumen. Er saß neben ihr und betrachtete sie eindringlich, in seinen Augen spiegelte sich nicht nur unverhohlene Freude, sondern auch ein beinahe kindlicher Sinn für Wunder ebenso wie durch und durch erwachsene Begierde.

„Ich liebe dich.“, sagte er, denn mehr konnte und musste er auch nicht sagen.
„Du wiederholst dich.“, schalt sie mit einem humorvollen Zwinkern. „Aber ich liebe dich auch.“
„Wegen all dem hier?“, fragte er und deutete unbestimmt auf das Möbelstück oder ihre ganze Umgebung, dann nahm er einen Schluck Champagner und genoss das Kitzeln in seiner Nase.
„Unter anderem.“, kommentierte sie und zog ihr Okularimplantat amüsiert in die Höhe, und nachdem sie getrunken hatte küsste sie seine Schläfe.

Sie saßen nebeneinander am Fußende ihres neuen Betts, hielten sich in trauter Zweisamkeit bei den Händen, und als sie die Köpfe wendeten um es staunend zu betrachten geschah das in völliger Synchronie. Sie hatten sich viel zu sagen und mussten nur selten darüber sprechen, und das wussten sie beide zu schätzen.

„Ich wünsche zu regenerieren.“, sagte sie schließlich, als die Gläser geleert waren. „Ich habe morgen Frühdienst und ich kann nicht das notwendige Maß an Leistung erbringen wenn ich nicht erholt bin.“

Nach einem Nicken stand er auf und entkleidete sich ebenso routiniert wie unbeschämt, dann griff er in eine Lade und brachte eine bunte Decke zum Vorschein, die er ganz nonchalant auf das Bett warf. Sie beobachtete eindringlich jede seiner Bewegungen, doch der klinisch interessierte Blick war aus ihrer Mimik verschwunden.

„Komm her.“, murmelte er und streckte sich aus während er die Decke über sich ausbreitete.

Er klopfte aufmunternd mit der flachen Hand auf ihre Seite des Betts, die unter dem Leintuch von metallischen Komponenten durchwoben war, denn dieses Bett, das sie soeben selbst konstruiert hatten damit es ihren speziellen Anforderungen entsprach, war zur Hälfte ein normales Bett und zur Hälfte ein modifizierter Alkoven. Sie befolgte bereitwillig seine Anweisung.

„Wünscht du zu kopulieren?“, fragte sie sicherheitshalber. Reg war anders als die meisten Menschen, sein Verhalten irritierte sie seltener und wenn dann weniger, doch sie hatte bereits gelernt sich nicht auf ihre Intuition zu verlassen.
„Annie ...“ Er seufzte tief und schloss sie in seine Arme, fuhr mit den Fingern durch ihr Haar und streichelte ihre entblößte Schulter. „Was ich will ist ... Ich will mit dir schlafen, nichts weiter. Jetzt und hier, in unserem Bett.“
„Miteinander schlafen. Ein antiquierter menschlicher Euphemismus für Kopulation.“, kommentierte sie nüchtern.
„Wünscht du zu kopulieren?“, fragte er im selben Tonfall zurück, denn er wusste genau, dass er gegen ihre Argumentation nur selten eine Chance hatte.
„Ich dachte ich hätte mich klar ausgedrückt, ich wünsche zu regenerieren.“, erwiderte sie ehrlich. „Unsere Aktivität der vergangenen Tage, die Konstruktion dieses Möbelstücks, war anstrengender als gedacht und der daraus resultierende Erschöpfungszustand beeinträchtigt die Funktionen meines Körpers. Dennoch wäre ich zur Kopulation bereit, wenn du es begehrst.“
„Du bist müde?“, murmelte er.
„Ja.“, bestätigte sie.
„Ich auch.“, seufzte er erleichtert. „Das meinte ich ... schlafen, miteinander schlafen, oder miteinander regenerieren, oder wie auch immer. Ich bin völlig fertig, und außerdem ... ich habe so lange darauf gewartet, mit dir gemeinsam einschlafen zu können ... mit dir in meinen Armen, in deinen Armen, meine Annie ...“
„Das ist es also was du wünscht?“, fragte sie irritiert. „Schlaf? Nichts weiter?“
„Nichts mehr als das.“, antwortete er, bevor seine Worte ein inkohärentes Stammeln wurden.

Regeneration war ihrem hybriden Körper ein Grundbedürfnis so wie der Schlaf für die Menschen, auch wenn sie es immer noch ärgerlich ineffizient fand die Hälfte ihres Lebens in einem Zustand des Unbewussten zu verbringen. Es war ebenso absurd wie die Tatsache, einen ganzen Raum dafür zu designieren um darin nicht wach zu sein. Der Regenerationszyklus eines durchschnittlichen Menschen dauerte wesentlich länger als der Regenerationszyklus eines durchschnittlichen Borg; auch das war ineffizient, wenn auch überlebensnotwendig. Sie schob den Gedanken beiseite. Sie regenerierte weil sie es musste, weil ihre Effizienz davon abhing, weil ihre biologischen wie auch ihre kybernetischen Bestandteile regelmäßig danach verlangten, doch sie hatte noch nie so viele Gedanken daran verschwendet.

Annika konnte trotz ihrer Neueroberung der Menschlichkeit nicht wirklich schlafen, Reg hingegen schien beinahe besessen zu sein von diesem Zustand. Die Konstruktion des Betts war allein seine Idee gewesen. Annika war immer zufrieden damit gewesen, nach einer gewissen Zeit in seiner Gegenwart in ihren Alkoven zurückzukehren um dort zu regenerieren. Er jedoch hatte es so oft bedauert, dass sie nicht bei ihm bleiben konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. Irgendwann hatte er begonnen, Ideen zu entwickeln und immer detaillierter auszuarbeiten, doch sie hatte es zunächst noch als irrelevant abgetan. Sie verbrachte gerne bewusst Zeit mit ihrem Gefährten, doch sein Bedürfnis nach ihrer Präsenz während sie beide sich in einem unbewussten Zustand befanden schien ihr bizarr und unverständlich, egal wie oft sie auch nach einer Erklärung verlangte. Schließlich hatte sie sich gefügt und begonnen seine Idee zu unterstützen, auch wenn sie den tieferen Sinn dahinter nicht erkannte, denn da sie seine Gefährtin war, war es auch ihre Aufgabe und sogar ihre Pflicht ihn zu unterstützen. Sie hatte nie begriffen, warum ihm das so wichtig war, doch es war auch wichtig für sie geworden, eben weil es ihm so wichtig war. Außerdem strebte sie danach ein ganz normaler Mensch zu sein und auch als solcher das größtmögliche Maß an Perfektion zu erlangen. Das Leben in einer Wohnung und das Schlafen in einem Bett gehörte da ebensosehr dazu wie die Aufnahme von Biomasse zu Nahrungszwecken, die Pflege von sportlichen und kulturellen Aktivitäten zu Erholungszwecken, die soziale Interaktion mit anderen Individuen und die Routine einer beruflichen Tätigkeit. All das war nur eine weitere Facette ihrer Menschlichkeit, und sie war gerne bereit gewesen dafür zu kämpfen.

Sie war nicht länger Seven of Nine, tertiäres Attribut von Unimatrix 01, sie war Lieutenant Annika Hansen. Sie hatte sich angepasst.

Reg räkelte sich, beugte sich zu ihr hinüber und gab ihr einen innigen Kuss. Er berührte ihre Lippen mit den seinen, streichelte über ihre Wange und durch ihr Haar, und sie erwiderte die Zärtlichkeit mit einem erleichterten Seufzen.

Sie streckte ihren Körper aus, spürte erstmals die neu installierten Module des modifizierten Alkoven in ihrem Rücken und lächelte unwillkürlich. In Gedanken korrigierte sie ihre Wortwahl, denn sie regenerierte nicht länger in einem Alkoven sondern sie schlief in einem Bett, ganz so als sei sie vollständig menschlich obwohl sie es nie sein würde.

Regs rechte Hand fand ihre Hüfte, das dortige Implantat zischte kurz als es sich mit einem wohligen Kribbeln entlud, seine Linke streichelte über ihre Wange, und auch dort begannen die Nervenenden ihrer rein biologischen Haut unter der federleichten Berührung seiner Fingerspitzen zu kribbeln. Ganz unbewusst schlang sie ihre Arme um ihn und zog ihn näher zu sich, genoss die Nähe seiner Konturen und die Wärme, die er ausstrahlte. Mit einem Seufzen bettete er seinen Kopf auf ihre Schulter und schmiegte sich geschmeidig und ganz nah an ihren kerzengerade rücklings ausgestreckten Körper.

„Gute Nacht, Annie.“, flüsterte er und schloss die Augen.

Ein paar Minuten oder eine halbe Ewigkeit später entfuhr ihm ein genüsslich grunzendes Schnarchen. Sie lag ganz still, spürte nur wie sein Brustkorb sich gleichmäßig hob und senkte und wie Haut an Haut sein Kreislauf pulsierte und allmählich immer ruhiger wurde.

„Schlaf gut.“, flüsterte sie zurück – völlig irrational, denn er schlief bereits gut und sie wusste, dass er sie unmöglich hören konnte. Trotzdem hob sie vorsichtig ihren Kopf, neigte ihr Kinn nach vorn und küsste sein schütteres Haar, das an ihrer Brust kitzelte. Auch, dass sie seine stoppelige Wange liebkoste war ihm nicht bewusst, ihr jedoch schon und sie wollte nicht damit aufhören obwohl sie wusste wie unsinnig das war.

Er war ihr Gefährte, das hatten sie schon vor längerer Zeit beschlossen. Sie hatten mehr als nur eine gute zwischenmenschliche Beziehung auf intellektueller und kollegialer und freundschaftlicher Basis, sie hatten auch eine romantische Affiliation etabliert, weswegen sie im gegenseitigen Einverständnis auch Zärtlichkeiten austauschten, die ihnen beiden körperliche Befriedigung verschafften. Sie wunderte sich, weshalb sie dieses Bedürfnis immer noch verspürte, obwohl sie genau wusste, dass er es weder registrieren noch erwidern konnte.

Gereizt atmete sie tief durch und streckte sich gerader aus, sie ärgerte sich kurz über sich selbst, doch im selben Moment räkelte er sich zurecht und sein Bein zuckte kurz bevor es sich unterbewusst possessiv auf das ihre legte – so als wolle er verhindern, dass sie aufstand und ging wie sie es immer getan hatte, als sie noch in ihren Alkoven in irgendeinem Labor zurückkehren musste um dort zu regenerieren.

Schlagartig verstand sie was er ihr immer verständlich machen hatte wollen, das tiefsitzende Bedürfnis nach Nähe, und sie umarmte ihn etwas fester. Obwohl ihr Gefährte sich in einem Zustand der Unbewusstheit befand, empfand sie Geborgenheit durch seine Gegenwart. Sie brauchte keinen Alkoven mehr, jetzt wo sie ihr gemeinsames modifiziertes Bett gebaut hatten. Sie hatte ihm gedankt ohne zu wissen wofür, doch jetzt wusste sie es.

Sie war zuhause, endlich zuhause.

Annika seufzte und küsste noch einmal Regs Schläfe, versicherte sich, dass er so gemütlich wie möglich auf ihrer Schulter gebettet lag und ihre Arme seinen Körper umfassten. Sie blinzelte kurz ihre Emotionen weg bevor sie einen Befehl in die Dunkelheit murmelte.

„Computer, initialisiere Regenerationszyklus.“

Dass Neelix und Schrödinger nur Minuten später munter über sie hinweg tobten, merkte sie nicht mehr weil der Alkoven ihr Bewusstsein ausgeschaltet hatte und es erst nach Vollendung des Regenerationszyklus reaktivieren würde. Doch Reg wurde davon aufgeweckt, fluchend und knurrend wie fast jede Nacht, doch dann fiel sein Blick auf sie, deren ebenmäßige und völlig friedliche Gesichtsszüge von der fahlen Marsnacht erhellt wurden. Sie schien zufrieden zu lächeln. Er streckte sich um ihren Mundwinkel mit seinen Lippen zu berühren und wischte sanft eine Haarsträhne aus ihrer Stirn bevor er seinen Kopf wieder auf ihre Brust legte und zusammengerollt die Augen schloss. Ihr Duft und der Schlaf umhüllten ihn und er war glücklich.
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