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Fünf Abschiede und ein Neubeginn

von VGer

SAMANTHA

Ich räume immer auf, wenn ich unruhig bin. Heute habe ich guten Grund dazu, und notwendig ist es außerdem. Auf dem Tisch steht eine Transportkiste, silbergrau nach Sternenflottenstandard, und allmählich füllt sie sich mit meinen Habseligkeiten. Ich werde nur drei Wochen weg sein, es ist nicht notwendig viel mitzunehmen, doch ich muss mich irgendwie beschäftigen, also packe ich viel zu viel ein.

„Ich kenne das Missionsziel, und ich verstehe es einfach nicht. Wozu braucht die Voyager in den Badlands eine Exobiologin an Bord?“

„Ich gehe nicht als Exobiologin, ich gehe als interdisziplinärer Wissenschaftsoffizier. Jemand ist erkrankt, ich soll diese Person so lange ersetzen. Auch wenn das nicht mein Spezialgebiet ist, ich habe alle nötigen Qualifikationen und Zeit außerdem. Für ein paar kurze Missionen nur, drei Monate höchstens. Bis deine Dienstzeit ausgelaufen ist und wir nach Hause können.“

Gresgk mustert mich aus intensiven, gelben Augen. Ich zucke zusammen, ich kenne diesen Blick. Seine Haut ist grüner als sonst, wie immer wenn er sich aufregt, seine Stimme ist rau vor Sorge. Ich quäle mir ein Lächeln ab. Wir sind schon wochenlang angespannter, als uns das guttut.

Gresgk ist Diplomat, und eigentlich ist seine Dienstzeit auf der Deep Space Nine schon ausgelaufen. Doch wie immer hat sich etwas ergeben, das unseren Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Maquis. Vor ein paar Wochen wusste ich noch nicht einmal, was dieses Wort überhaupt bedeutet (es klingt wie eine terrane Speise mit zu viel Salz und Butter, oder wie ein bolianischer Schönheitssalon, nicht wie eine Gruppe Terroristen in den umstrittenen Grenzgebieten), jetzt ist es alles, woran ich denken kann. Die Sternenflotte braucht fähige Diplomaten, um diese Krise zu bewältigen, und ich brauche eine Aufgabe, denn ich sitze nicht gerne untätig herum und warte. Eigentlich wollten wir schon zuhause sein, doch das wird noch etwas warten müssen.

Groonhi wird auf uns warten. Die Stadt existiert schon seit fünftausend Zyklen (das sind, wenn ich mich nicht irre, etwas weniger als dreitausend Jahre nach terranem Standard, jedenfalls genug), sie wird auch in drei Monaten noch da sein und uns wieder willkommen heißen, wenn wir endgültig heimkehren. Groonhi ist für immer, das behauptet zumindest die antike Mythologie unseres Heimatplaneten, und die irrt selten.

Ich sehe auf, sehe meinen Mann an. Er und ich, das ist auch für immer, so wie Groonhi. Und so wie unsere auserkorene Heimatstadt müssen auch wir einige Herausforderungen meistern, bevor wir in Frieden und Zuversicht leben können.

Ich schließe die Augen, stelle mir die alten Gemäuer von Groonhi vor, die von duftenden mbolesgk-Blumen überrankt werden, und die Stimmen, die die Altstadt zum Leben erwecken sobald die Sonne untergegangen ist. Ich schließe die Augen, stelle mir die Kinder vor, die unbeschwert durch den Ainjrdvees-Park am Rande der Stadt toben und nur von den landenden Shuttles übertönt werden. Ich schließe die Augen, stelle mir den Strand in K’pdkruus vor, und das kalte graue Meer des Südens, das friedlich-monoton an die Felsen schnalzt. Ich bin keine K’tarianerin, ich war keine bevor ich mich dazu entschieden habe eine zu werden, und jetzt will ich nichts mehr als das. Wir haben davon gesprochen, davon geträumt … von einem Leben auf Ktaris, von unserer Familie.

„Hörst du mir denn nicht zu, Smandtgk? Was hat Dr. Bashir gesagt? Du hattest doch heute einen Termin bei ihm?“

Ich seufze, werde wieder aufmerksam. Das Gesicht des jungen Doktors erscheint vor meinem inneren Auge, das nüchterne Kopfschütteln als er meinen Hormonstatus überprüft. Er ist professionell, ich bin enttäuscht.

„Nichts, bisher. Mach dir nichts draus, gkrinhoo, vielleicht ist es besser so. Vielleicht sollten wir besser warten, bis wir wieder zuhause sind und uns eingelebt haben, bevor wir weiter versuchen ein Kind zu zeugen. Außerdem kennen sich die Ärzte auf Ktaris vermutlich besser aus als ein Sternenflottenarzt in einem weit entfernten Sektor. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass ein Tovllgtregk und ein Alien …“

„S’stia! Du bist kein Alien, Smandtgk. Sag das nicht!“

„Ich spreche vielleicht fließend tov und tgkaroof, aber ich bin trotzdem Biologin. Unsere Unterschiede kann man nicht wegdiskutieren.“

Ich deute auf meine Stirn, auf meine dichten blonden Haare, deren Farbton in k‘tarianischen Augen exotisch und einzigartig ist, zeichne mit dem Finger eine imaginäre Linie dort wo bei jeder tovllgtregk-K’tarianerin die Hörner wären. Gresgk deutet auf den Datenchip mit meinen Identifikationsnachweis, der neben der Transportkiste auf dem Tisch liegt und auf dem das verschlungene Emblem des k’tarianischen Südens prangt, nicht das Emblem der Erde, des Planeten auf dem ich geboren wurde. Er nimmt meine Hände und küsst mich, als hinge sein Leben davon ab.

„Trrngki, gkrinhoo, trrngki. Du hast deine Mission, ich habe meine, es dauert nicht mehr lang und dann steigen wir beide in das erstbeste Raumschiff, das auch nur annähernd Richtung Ktaris fliegt. Versprich mir nur, dass du bis dahin deine Angelegenheiten in Ordnung gebracht hast … du siehst ja, dass ich begonnen habe zu packen, aber ich kann nicht alles einpacken, vor allem nicht jetzt, wenn ich weggehe und du bleibst.“

„D‘gkrr. Keine Sorge, Smandtgk, es wird alles in bester Ordnung sein, wenn du zurückkommst.“

Viele Partner von Diplomaten finden sich damit ab, einfach nur Partner eines Diplomaten zu sein, es wird zu ihrer einzigen Existenzberechtigung. Sie folgen ihnen stumm und aufopfernd von Posten zu Posten, ein paar Monate hier und ein paar Jahre dort, denn so läuft es nun mal im diplomatischen Dienst; es wird wie selbstverständlich zu ihrem Leben, und überall in der Galaxie sitzen die Partner von Diplomaten stumm und aufopfernd zusammen und beklagen ihr Schicksal während sie sich scheinbar fröhlich zuprosten und mit gekünstelter Begeisterung darüber brabbeln, wie aufregend das Leben in einem fremden Sektor nicht sei. Ich bin keine von denen, und nach dem ersten Brunch habe ich mir geschworen, niemals eine von denen zu werden. Brunch ist mir nicht genug, so exotisch es auch schmecken mag, ich liebe nicht nur meinen Mann sondern auch meinen Beruf, ich habe ein Leben und eine Karriere. Ich bin Sternenflottenoffizier geblieben, unabhängig von Greskrendtregk. Ich habe meine Mission und er hat seine, wir haben uns arrangiert. Bald sind wir beide Zivilisten, ich werde in den Naturreservaten von K’pdkruus forschen und vielleicht an der Universität von Groonhi lehren und er wird für die planetare Regierung arbeiten, und wir werden eine Familie gründen und ein neues Leben beginnen, mit Kindern, die am Wochenende durch den Ainjrdvees-Park toben.

Das alte Leben packe ich in die Transportkiste, und ich kann nicht anders, als dabei zu lächeln.

Ein paar Stunden später stehen wir an der Luftschleuse. Als Gresgk sich von mir verabschiedet, spricht er nicht tov k’Taar sondern Standard. Seine Stimme klingt komisch, wenn die krächzenden Konsonanten und das sanft zischelnde Säuseln darin fehlen. Ich ignoriere ihn, spreche weiterhin tov, seine Muttersprache, die wir immer miteinander sprechen. Als wir uns kennenlernten war ich noch fremd auf Ktaris und konnte mich kaum ausdrücken ohne nach Worten zu suchen oder über für menschliche Zungen so ungewohnte Lautkombinationen zu stolpern, wir haben uns trotzdem verstanden und jetzt ist es ist die einzige Sprache, in der ich meine Gefühle ausdrücken kann.

„T’tstimtan gkrinhoo, k-main’nh blldts. T’rrnhru viat. D’dhoo-ssiau.“
„Itan, itan. K’gkwidts. D’dhoo-ssiau, s’stimat.“

Er lächelt, legt seine großen Hände zärtlich an meine Schläfen. Sein Hornkamm kratzt an meiner blanken Stirn, weniger zärtlich, hinterlässt unversehens eine Schramme in meiner dünnen Menschenhaut, die längst verheilt sein wird wenn ich zurückkomme, doch bis dahin wird sie mich an ihn erinnern. Als ich mich in der Luftschleuse – ein Fuß noch auf der DS9 und der andere schon auf der Voyager – noch einmal umdrehe, sehe ich ihn zaghaft lächeln. Er legt seine Handflächen aufeinander und verneigt sich, würdig wie immer, eine traditionelle Geste voll Respekt und Liebe.

Aus dem Augenwinkel sehe ich eine schmale Gestalt auf ihn zu laufen. Sie legt ihm die Hand auf die Schulter und redet aufgeregt auf ihn ein, doch ihre Worte kann ich nicht mehr hören, ich bin schon zu weit weg. Es ist Jadzia Dax, ich atme auf. Als Gresgk sein Studium gerade abgeschlossen hatte und in den diplomatischen Dienst eingetreten war, war Curzon Dax einer von Gresgks Mentoren gewesen. Curzon Dax ist inzwischen Jadzia Dax, Gresgk ist längst kein Novize mehr, doch als wir vor etwas mehr als einem Jahr auf der DS9 angekommen sind, haben sie sich beide sehr über das unerwartete Wiedersehen gefreut, und gerade in der jüngsten Krise arbeiten sie ganz hervorragend zusammen, so wie früher und doch ganz anders als früher. Und mehr noch als das, Jadzia ist mir eine gute Freundin geworden – wenn wir die DS9 endgültig verlassen, werde ich sie bestimmt am meisten vermissen, so viel ist sicher. Gestern sind wir noch im Quarks zusammengesessen, haben geblödelt und getrunken als müssten wir uns um nichts sorgen … Sie würde auf ihn aufpassen, solange ich weg bin, und sichergehen dass er nichts anstellt, hat sie gescherzt, doch ich solle bloß nicht zu lange weg bleiben. Ich habe es nicht vor.

Wir müssen nur den Maquis in die Knie zwingen, dann wird alles gut. Gresgk und Jadzia und alle anderen auf DS9 haben ihre Mission, die Voyager und ich haben unsere. Ich bin nur Biologin, ein Wissenschaftsoffizier, ich weiß nicht allyu viel von interstellarer Politik – doch eins weiß ich, nämlich, dass nicht mehr lange dauern wird.

Ich mache einen Schritt vorwärts, setze auch den zweiten Fuß auf die Voyager. Die automatischen Türen schließen sich zischend hinter mir.
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