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Die Verräterin

von werewolf

Kapitel 1

„Ich soll was?“
Verwirrt blickte Raya zu Shakaar.
„Du hast schon richtig gehört. Du sollst Dukats Hengst töten und den Kopf von dem Vieh mitbringen. Die Offiziere der Löffelköpfe hängen irrsinnig an ihren eques, weil sie eine Art Statussymbol darstellen, aber sie sind nicht viel mehr als dumme Lasttiere. Dukat wird versuchen, seins zu schützen und im allgemeinen Gewühl können wir ihn dann betäuben und mitnehmen.“
Das klang dann schon eher einleuchtend.
Die Bajoranerin nickte. Shaakar Edon war ein vernünftiger Mann und guter Anführer, seine Pläne funktionierten fast immer.
„Wozu der Kopf?“
„Das wirst du dann schon sehen.“ Er gab nicht gerne mehr Details preis als nötig –unter Folter könnten seine Leute sonst etwas verraten.

Sie versuchte sich einen Überblick zu verschaffen.
Leider war es ihnen nicht gelungen herauszufinden, nach welchem System die Plätze der Tiere angeordnet waren, aber wie es schien, auch jetzt konnte sie das nicht feststellen. Wenigstens wusste sie, wie Dukats equo aussah, aber dennoch erschwerte dieser Sachverhalt ihre Mission erheblich.
Schüsse fielen, Kommandos wurden gerufen, auf Bajoranisch und Cardassianisch, Schreie von Verletzten waren zu hören, und ein paar eques -Pfleger hatten begonnen, die Tiere freizulassen.
Seltsamerweise flohen aber nur vereinzelte Tiere.
Dann gelangte sie zu dem gesuchten Pferd.
Der Hengst trat unermüdlich gegen die Boxenwand, den Kopf hatte er hoch erhoben und die Ohren angelegt.
Dann erblickte er sie.
Er wurde seltsamerweise plötzlich ruhig.
Er weiß, was ich vorhabe, dachte sie plötzlich.
Sie legte mit dem Disruptor an, ein einfaches Ziel.
Ihre Hände zitterten.
Drück ab, befahl sie sich, du kannst ihn nicht verfehlen.
Sie zögerte.
Es ist nur ein Tier.
Der Schweiß klebte an ihren Armen und dem Rücken.
Tu, was Shakaar dir gesagt hat.
Der Hengst sah über ihre Schulter hinter sie.
Dukat, sein Reiter, lief auf sie zu, ein Messer ziehend.
Verdammt. Jetzt mach schon!
Ihr Blickfeld verschwamm. Sie kniff kurz die Augen zusammen und öffnete sie wieder.

Der Schuss krachte. Der Hengst ging in die Knie.
Und sie floh.

Sie saß im Gras, blickte in die Ferne.
Shakaar trat zu ihr.
„Darf ich?“
Sie nickte, und er setzte sich neben sie.
„Gibt es etwas…das ich wissen sollte?“
Viele Mitglieder der Widerstandszelle hatten ihm schon ihre Leidensgeschichte erzählt, und er hatte stets ein offenes Ohr. Sie selbst hatte mit ihm schon viel beredet.
„Nein.“
„Du standst eine Ewigkeit da und hast nicht abgedrückt. Ein equo auf nicht mal zwei Meter – das kann man nicht verfehlen, und du bist die beste Schützin bei uns. Was war los?“
Ich habe an der Richtigkeit meines Tuns gezweifelt.
Sie beschloss, sich herauszureden.
„Der Disruptor war defekt. Ich hatte keine Ahnung, wieso, deshalb hane ich mehrmals versucht, abzudrücken. Den ordnungsgemäßen Zustand der Waffe habe ich selbstverständlich vor der Mission kontrolliert.“
Shakaar war damit offenbar zufrieden. „Wenn das so ist… unser Spezialist guckt da mal drauf. Solange bekommst du einen anderen. Wir konnten schließlich heute noch drei erbeuten.“
„Haben wir den Gul?“
Shakaar lachte verächtlich. „Er war eine leichte Beute, der Tod seines Pferdes hat ihn total geschockt und er hat keine ernsthafte Gegenwehr geleistet. Morgen wird er hängen!“
„Und wenn er bis dahin entkommt oder seine Leute ihn befreien?“
„Das wird nicht passieren. Sie kennen unseren Standort nicht, und er… nun ja, sagen wir, einige von uns haben ihren Frust abgelassen.“

Sie wusste, was das bedeutete.
Jeder, der beim Widerstand war, wusste das.
Folter. Je verhasster derjenige war, desto schlimmer.
Die einzige Begrenzung war, dass der Betreffende zum Hinrichtungstermin noch lebte und ihn die Beine noch trugen.
Shakaar ging wieder, vermutlich, um selbiges zu tun, Raya blieb sitzen.
Er hat gelogen. Das Pferd war intelligent und hatte eine eigene Persönlichkeit.
Sie stellte erschrocken fest, dass sie gedanklich gerade Verrat beging.
Warum belastete sie das überhaupt?
Sie hatte Soldaten getötet, ohne mit der Wimper zu zucken. Und nun belastete sie die Tötung eines equo. Und sie hätte es nicht enthaupten können, warum auch immer.
Warum dieser respektvolle Ausdruck? Warum nicht einfach ‚köpfen‘? Wieso erscheint mir das unangemessen? Warum zweifele ich überhaupt? Die Cardassianer sind seelenlos, keine Kinder der Propheten. Es ist ein heiliger Auftrag, sie vom Angesicht Bajors zu entfernen.
Aber ein Zweifel blieb, ein Zweifel am Widerstand.

Rayna erhob sich seufzend. Sie fand einfach keine Ruhe.
Wie von selbst trugen ihre Füße sie zur hinteren Kammer, in der sich Gefangene üblicherweise befanden. So auch in diesem Fall.
Wachposten gab es hier nicht, nur die obligatorischen vor der Höhle, die das Quartier darstellte. Das zeigte, wie geschwächt der Gul sein musste.
Sie warf einen Blick hinein.
Wenn er schläft, gehe ich wieder. Dann soll es nicht sein.
Aber er schlief nicht.
Seine forschenden Augen beobachteten sie, wirkten wach und lebensfroh, im Gegensatz zu seinem restlichen Erscheinungsbild: er war gefesselt -Handgelenke an die Knöchel, sehr schmerzhaft- und hatte diverse Verletzungen. Seine Gesichtszüge verrieten Schmerz.
„Was führt dich hierher?“, meinte er ziemlich ironisch, „willst du mich leiden sehen, wie deine Widerstandsfreunde?“
Erschrocken über seine offenen Worte, zuckte sie zurück.
„Was ist? Hast du Angst vor mir, einem gefesselten, sterbenden Mann?“
Sie schüttelte den Kopf und trat langsam näher.
Raya merkte, dass sie verlegen war, und das ärgerte sie.
Und sie plagte ein schlechtes Gewissen. Wegen ihr lag er hier und wegen ihr würde er morgen sterben.
„Empfindest du Triumph, dass ich jetzt hier liege, gefesselt? Der Traum eines jeden Bajoraners.“ Er sagte das vollkommen neutral, als wäre es eine wissenschaftliche Frage.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“
Sie redeten eine Zeitlang, obwohl es ihn anstrengte, über Cardassia und Bajor.
Er erzählte ihr über cardassianische eques. Sie verstand das Verhalten der Tiere im Stall nun besser.
Und sie bewunderte diese Tiere, die ihrem Reiter gegenüber vollkommen loyal waren, ihn nie im Stich ließen und sogar die Sprache ihres Reiters verstanden, wenn er viel mit ihnen redete. Die eques waren intelligent, besaßen einen eigenen Charakter und suchten sich ihren Reiter selbst aus. Wenn dieser starb, trauerten sie um ihn und viele wählten keinen neuen Besitzer. Auf Cardassia galten sie sogar als Person und hatten Rechte wie die Cardassianer, konnten auch verurteilt werden.
Sie weinte.
„Es tut mir leid, dass ich Ihren Hengst erschossen habe. Ich hätte das nicht tun dürfen, erst recht nicht vor Ihren Augen. Man hat mir erzählt, dass sie dumme Lasttiere sind, aber als ich in seine Augen sah, wusste ich, dass er eine Persönlichkeit hatte. Und dennoch habe ich es getan, weil ich zu dumm und zu feige war.“
Sie war selbst erstaunt über ihre Worte –so hatte sie bis jetzt noch nie gesprochen und auch selten gedacht. Niemand beim Widerstand tat das.
Dann berichtete er ihr auf ihre Nachfrage hin von seinen Beweggründen – er wollte sein Volk retten und einige Entscheidungen wurden ihm vorgeschrieben.
„Wir werden Sie töten, und jemand anders wird die Besetzung weiterführen, habe ich Recht? Und vielleicht ist der nächste schlimmer als Sie es sind. Es geht nicht um Sie, um mich oder um die Widerstandszelle. Es geht um unsere beiden Völker.“
„Sie sind eine kluge Frau“, meinte er anerkennend, „und Sie haben allen Ihrer Mitstreiter viel voraus, wage ich zu behaupten. Leute wie Sie sind Bajors Zukunft, vielleicht können Sie unser aller Schicksal ändern.“
Pause.
„Darf ich Sie um etwas bitten? Aber Ihre Mitstreiter dürfen nichts davon erfahren.“
Sie neigte den Kopf.
„Ich habe Frau und Kind auf Bajor. Tora Naprem und Ziyal.“ Er nannte den Wohnort. „Ihnen ist aber hoffentlich bewusst, dass beide tot sind, wenn Sie auch nur ein Wort über sie sagen?“
Sie nickte. „Ich werde mein Möglichstes tun.“
Er bedankte sich. „Leben Sie wohl.“

Am nächsten Morgen wurde er hingerichtet, die Exekution wurde gefilmt und veröffentlicht.
Warum habe ich ihm nicht geholfen? Seine Fesseln gelockert, ihm ein Schmerzmittel gegeben?
Ihm einen gnädigen Tod gewährt?
Weil man mich verachtet hätte, hätte man mich bemerkt?
Aber bin ich hier richtig, hier, wo Gnade ein Vergehen ist und man sich am Leid anderer weidet?
Ist sein Leid weniger schlimm als das eines Bajoraners?
Tun wir nicht genau das, was wir den Cardassianern vorwerfen?
Sie betrachtete die Leiche.
Nun ist es zu spät.
Seine Tochter wird ohne Vater aufwachsen, seine Ehefrau zur Witwe.
Was habe ich getan?!
Ich war zu dumm und zu feige, nein zu sagen. Und nun müssen wegen mir Personen leiden und sterben.
Ich habe in die Augen des Pferdes gesehen und wusste, dass es falsch ist. Aber ich konnte mich nicht überwinden zu tun, was mein Gewissen mir sagt.
Plötzlich kam ihr eine Gewissheit.
Der Widerstand wird Bajor zerstören. Man wird uns mit Gewalt begegnen, weil sie das tun. Es wird immer noch mehr Leid geben, noch mehr tote. Es wird nie enden, wenn wir nichts dafür tun. Es wird immer so weitergehen, bis nichts mehr übrig ist. Und ich weiß es, ohne danach zu handeln. Ich werde Leben auf dem Gewissen haben, nur weil ich nichts tun wollte.
Schon jetzt habe ich mehr Schuld auf mich geladen, als ich jemals abbauen kann.
Auch der Widerstand hat nicht das Recht zu foltern und zu quälen. Auch der Widerstand muss Gnade zeigen können.
Sie packte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen.
Als sie ins Freie trat, trat ihr Shakaar entgegen.
„Wir werden Bajor auf dem Gewissen haben! Mörder! Unser eigenes Volk wird sterben durch unsere Dummheit und Ignoranz!“ Sie schoss auf ihn, aber so, dass er nur verletzt wurde –sie wollte nicht noch mehr töten- und lief davon.
Bis sich die anderen von ihrem Schock erholt hatten, war sie nicht mehr zu sehen.
Vielleicht war es noch nicht zu spät.
Sie würde Tora Naprem und Ziyal aufsuchen. Auch wenn sie es kaum wagte, ihnen unter die Augen zu treten – sie hatte sich bisher nur durch Feigheit hinter falschem Mut hervorgetan.
Und das würde sie nun ändern.

Edit: Wurde in einem Review darauf hingewiesen, dass "Pferd" zu sehr nach irdisch klingt. Habs umgeändert. LG werewolf
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