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The Wayward Wind

von Melui

There in a Border Town

The Wayward Wind

the wayward wind is a restless wind
a restless wind that yearns to wander
and he was born the next of kin
the next of kin to the wayward wind





1 • There in a Border Town

~ Spätes 19. Jahrhundert, irgendwo zwischen Dallas, Texas, und Abilene, Kansas

„Hey, Doc“, rief Quinn ihn, da hatte sich Leonard gerade erst aus dem Sattel geschwungen. Genervt wischte er sich mit dem Ärmel über die schweißnasse Stirn, schob sich den Hut in den Nacken und trottete hinüber. Doc – das hatte sich festgesetzt, dabei war er das schon lange nicht mehr, ein Arzt, das war sein altes Leben gewesen, bevor seine Frau beschlossen hatte, mit einem Möchtegern-Schreiberling durchzubrennen. Daraufhin hatten die Leute angefangen zu reden, das war nie gut und noch weniger in einer kleinen Stadt in Georgia. Leonard war freiwillig gegangen, eigentlich schon fast geflohen und immerhin dahingehend war sein Vorhaben aufgegangen: Ein bisschen Freiheit hatte er gefunden. Auch wenn die Viehtriebe nicht gar so einsam waren, wie er sie sich gewünscht hätte, besonders in solchen Momenten. Die jungen Kerle schafften es ständig, sich die unmöglichsten Verletzung zuzuziehen und dann – ja, dann riefen sie ihn um sich wieder zusammenflicken zu lassen. Überraschenderweise ging es heute nicht darum.

„Jenkins will, dass ich nach Coldwater reite um ein paar Sachen zu besorgen“, erklärte Quinn missmutig und rollte mit den Augen. „Dabei tut mein Hintern jetzt schon weh.“

Allan ein paar Meter weiter gackerte los, verstummte aber rasch, als Leonard ihm einen warnenden Blick zuwarf.

„Schon gut, ich reite.“ Tatsächlich machte er das sogar gerne, weil es bedeutete, dass er dem Tumult entkam, wenn sie alle umeinander herumsprangen beim Lager herrichten. Und Coldwater kannte er gut, eine winzige und ruhige Siedlung, aber man bekam alles, was man brauchte.

*

Auch wenn es schon Abend wurde, brannte die Sonne noch unbarmherzig vom Himmel, als Leonard in die kleine Siedlung einritt. Es hatte sich nichts verändert, seit er zuletzt hier gewesen war, womöglich eine Handvoll Häuser mehr und an einem davon stand in schiefen unsauberen Buchstaben „Sheriff“ geschrieben. Der Saloon hatte sich vergrößert, aber das interessierte ihn nicht, der Gemischtwarenladen war sein Ziel. Leonard pfiff vorsorglich seinen Hund heran, der hechelnd aufschloss. Schon von hier war der Lärm, der aus dem Saloon drang, ohrenbetäubend. Zweifellos prügelten sich da schon wieder ein paar Taugenichtse das verbliebene Resthirn zu Brei. Leonard wusste nicht, woran es lag, dass er immer in solche Szenen hineinstolperte, am Ende hatte er ein halbes Dutzend Leute zusammenzuflicken, die nicht einmal ein Danke über die Lippen brachten, geschweige denn sie ihn bezahlten. Er war kaum halb an dem Gebäude vorbei, da flogen die Saloontüren auf, zwei Kerle stolperten heraus und Sekunden später landete einer davon direkt vor den Hufen von Leonards Pferd. Peaches mochte ein nervenstarkes Tier sein, das war dann doch zu viel. Sie scheute heftig, sprang zur Seite weg, bevor Leonard sie schimpfend und fluchend wieder unter Kontrolle brachte. Dass dieser verdammte Hund bellend und knurrend um das Häufchen Elend auf dem Boden herumhüpfte, war nicht hilfreich.

„Schnauze, Cobble“, herrschte Leonard den Hund an und verpasste Peaches einen Klaps auf den Hals, als sie beim Klang seiner Stimme den Kopf wieder hochriss. Der Hund trat, wenn auch immer noch warnend knurrend, den Rückzug an, das Pferd beruhigte sich und endlich konnte Leonard auch sehen, wer für dieses Durcheinander verantwortlich war. Der Kerl, der da im Staub hockte und sich jetzt langsam und ächzend aufrappelte, war blutjung, keine 25, aber so genau war das bei dem verquollenen und blutigen Gesicht nicht zu sagen. Ein zerzauster blonder Schopf, sonnengebräunte Haut – oder vielleicht war es auch hauptsächlich Dreck und Staub. Der Junge schwankte noch immer, auch wenn er jetzt immerhin stand, aber als er sich nach seinem Hut bückte, hätte er fast wieder das Gleichgewicht verloren. Mit einem Blick zu dem riesigen Mann, der mit verschränkten Armen und finsterem Gesicht vor den Saloontüren stand, sprang Leonard aus dem Sattel und packte den Jungen am Arm, bevor er wieder umkippen konnte. Unverschämt blaue Augen blitzten ihn aus dem zerschundenen Gesicht an.

„Howdy.“ Der Junge hatte den Nerv ihn anzugrinsen.

„Ich geb‘ dir gleich Howdy“, schnauzte Leonard ihn an und musterte ihn kritisch. Das sah wirklich übel aus, eine Platzwunde an der Schläfe, Abschürfungen am Kinn und aus seiner Nase floss das Blut in Strömen, das der Junge immer wieder mit dem Ärmel abwischte. Dass er damit das Blut über sein halbes Gesicht verteilte, ließ alles nur noch schlimmer aussehen, störte ihn aber anscheinend gar nicht. „Damit solltest du zum Arzt.“

„Bist du verrückt, Mann?“ Ein spöttischer Blick traf ihn. „Seh ich aus als hätte ich Geld für einen Arzt?“

Nein, so sah er natürlich nicht aus. Das blaukarierte Hemd war schäbig und ausgewaschen und jetzt außerdem blutverschmiert und staubig, Hose und Stiefel waren dreckverkrustet, und der Hut sah aus, als wäre er älter als der Junge selbst. Alles in allem keine ungewöhnliche Erscheinung.

„Es ist immer dasselbe“, knurrte Leonard mehr zu sich selbst, schimpfte sich selbst gedanklich als zu gutmütig und ignorierte den verwirrten Blick des Anderen. Stattdessen pfiff er Pferd und Hund heran, die gehorsam folgten, und zerrte den jungen Mann in Richtung des Ladens, der sein eigentliches Ziel gewesen war.

„Ich denke, das ist keine gute Idee“, ließ der Junge ihn wissen. „Ich bin da drinnen nicht so gern gesehen.“

„Das Denken überlass mir“, wies Leonard ihn zurecht. Er zerrte den Jungen durch die Tür und nickte dem Mädchen zu, das hinter dem Tresen stand. „Howdy, Mae.“ Das Mädchen wurde rot, drehte einen ihrer schwarzen Zöpfe um den Finger und lächelte ihn freudig an.

„Doktor McCoy“, grüßte sie ihn so leise, dass es kaum zu hören war.

„Doktor?!“ Der junge Kerl starrte ihn an. Leonard ignorierte ihn.

„Ist deine Mutter nicht da?“

Mae schüttelte den Kopf auf seine Frage und sah scheu von ihm zu dem Jungen und wieder zurück. „Ma ist zuhause bei Finny, soll ich sie…?“ Sie vollendete den Satz nicht, sah dafür wieder den Jungen an und zögerte. „Ma hat gesagt, Jim darf nicht mehr herkommen.“

„Völlig ungerechtfertigt“, verteidigte sich der Junge. „Ich habe nur-“

„Ist mir völlig egal.“ Leonard riss an seinem Arm, sah dann wieder Mae an und lächelte freundlich. „Entschuldige, ich will mir nur kurz seine Wunden ansehen, wenn das in Ordnung ist.“

Mae wurde schon wieder rot, nickte dann und deutete auf die Tür rechts. „Was brauchen Sie, Doktor? Soll ich Wasser holen?“

„Und abkochen, bitte. Ein sauberes Tuch, Alkohol und Verbände.“

Mae huschte sofort davon und Leonard schleifte den Jungen – Jim – in den anliegenden Raum. Dort drückte er ihn auf den Stuhl und lehnte sich gegenüber an die Wand, vorerst blieb ihm ohnehin nur zu warten, dass das Mädchen alles benötigte herbeischaffte. Jim war tatsächlich keine besonders außergewöhnliche Erscheinung, stellte Leonard unterdessen fest, wirklich nicht, sah man von den Augen mal ab, die in dem dreckigen Gesicht sicher noch mehr hervorstachen als normal. Aber er war jemand, der Ärger machte, wo er hinkam, das war offensichtlich. Gerade betastete er seine Nase, die immer noch etwas blutete. Leonard rollte mit den Augen.

„Lass das.“

Jim sah ihn an und ließ die Hand sinken. „Doktor also, ah? Sieht man dir nicht an.“ Leonard zuckte unbestimmt mit den Schultern und schwieg. Der Junge machte ohnehin direkt weiter. „Jim Kirk“, stellte er sich vor und tippte sich an die Krempe des Hutes, den er sich längst wieder auf den Kopf gedrückt hatte.

„Leonard McCoy.“

Jim nickte und quasselte dann einfach weiter. „Also du kennst Sally und Mae?“

„Mrs. und Ms. Edison für dich, da bin ich mir ziemlich sicher.“ Leonard seufzte innerlich. Das konnte ein Spaß werden, so gesprächig wie Jim war. Er bereute ja jetzt schon, ihn aufgelesen zu haben.

Missus Edison, natürlich“, gackerte Jim los. „Für n paar Dollar lutscht sie deinen Schwanz als wär sie nur dafür geboren – aber das weißt du sicherlich besser als ich.“ Er hätte vermutlich noch mehr gesagt und Leonard hätte ebenso sicher die Arbeit des Riesen aus dem Saloon vollendet, wenn in diesem Moment nicht Mae durch die Tür gehuscht wäre. Sie stellte alles ab, sah Leonard aus großen Rehaugen abwartend an und hatte offensichtlich nicht mitbekommen, was Jim von sich gegeben hatte. Gott sei’s gedankt. Leonard schickte sie hinaus, er kannte das Mädchen lange genug – sie hatte nie viel ausgehalten.

„Oder weißt du es etwa nicht?“, setzte Jim nahtlos an, wo er aufgehört hatte, winselte dann leise, als Leonard begann, die Wunde zu säubern. Hielt ihn nicht davon ab, weiterzuquasseln. „Lässt sie dich nicht ran? Vermutlich bist du zu ehrenhaft, Geld dafür zu zahlen. Aber soll ich dir was verraten? Missus Edison steht nicht so auf Gentlemen. Wenigstens siehst du nicht aus wie einer, das ist ein A- AU! Verdammte Scheiße, bist du sicher, dass du Arzt bist?!“

„Halt’s Maul oder ich sorge dafür, dass du wirklich einen Arzt brauchst.“, knurrte Leonard ihn an. Er hatte nicht unendlich Geduld, am wenigsten mit Menschen und je länger er draußen gewesen war, umgeben hauptsächlich von Rindern, Pferden und Hunden, umso tiefer lag seine Reizschwelle was Geplapper anging.

„Ich wusste, dass das mit dem Arzt gelogen ist“, stieß Jim leise zwischen zusammengebissenen Zähnen noch hervor, dann blieb er tatsächlich still, bis Leonard die Wunden in seinem Gesicht gesäubert und sofern nötig genäht hatte.

„Sonst noch Verletzungen?“

Jim zuckte mit den Schultern, verzog dann etwas das Gesicht und deutete an sich herab. „Ich fühl mich, als hätte dieser Hurensohn mir den ganzen Brustkorb zerquetscht.“

Leonard seufzte und wies mit einer undeutlichen Geste auf Jims Hemd. „Ausziehen“, befahl er knapp und drehte sich dann um, um den blutigen Lappen in dem von Mae bereitgestellten Wasser auszuwaschen. Stoff raschelte, aber als Leonard sich wieder umwandte, traf ihn fast der Schlag. Jim war splitternackt – na, sah man von den Stiefeln und dem Halstuch ab.

„Jesus Christus“, murmelte Leonard zu sich selbst, „Das darf doch wohl nicht wahr sein.“ Er zwang sich, den Blick auf Jims Augen zu lassen. Zu spät, natürlich, er hatte längst alles gesehen, was Jim zu bieten hatte und das Bild würde er kaum aus dem Kopf bekommen. Und das freche Leuchten in diesen verflucht blauen Augen machte es nicht einfacher, kein bisschen. Leonard schüttelte den Kopf.

„Fällst du immer so schnell aus deinen Hosen?“, murrte er schließlich.

„Nur wenn es sich lohnt… Doc.“ Jim grinste schon wieder so breit. „Ich befolge nur die Anweisungen.“

Die sehr frei interpretierten Anweisungen. Leonard schnaubte, musterte ihn dann von oben bis unten ohne eine Miene zu verziehen. Er hatte es so haben wollen, nicht wahr? Hatte Jim erst noch sehr zufrieden mit sich gewirkt, begann er jetzt unter Leonards kritischem Blick herumzuzappeln und zum ersten Mal war auch ansatzweise so etwas wie Unsicherheit in seinem Gesicht zu erkennen. Bevor Jim darüber hinweg plappern konnte, erlöste Leonard ihn.

„Sieht alles noch ziemlich brauchbar aus... Dein Arsch ist vielleicht ein bisschen knochig, du solltest mehr essen, Junge, und jetzt zieh die Hose wieder an.“

Tat Jim auch tatsächlich, wenn auch wieder mit einem frechen Grinsen im Gesicht. Der Kerl machte ihn fertig, seine Art strapazierte Leonards Nerven über alle Maßen. Außerdem, stellte sich heraus, als Jim seine Hose wieder anhatte und Leonard näher kam um ihn zu untersuchen, dass er am Oberkörper nichts als ein paar blaue Flecken abbekommen hatte, nicht Dramatisches. Leonard hatte immer mehr den Verdacht, dass Jim das durchaus wusste und nur nach einem Grund gesucht hatte, seine Klamotten loszuwerden. Warum er das ausgerechnet vor ihm machte und nicht ein paar Pennies für eine Hure zusammenkratzte, darüber wollte Leonard gar nicht nachdenken. Es war gefährlich und verdammt leichtsinnig von Jim, etwas in der Richtung vor einem Fremden auch nur anzudeuten. Es sei denn er selbst strahlte etwas aus, das Jim zu der Annahme gebracht hatte, dass – nein. Das rührte an Dinge, die besser vergraben blieben, die nicht sein durften.

„Das sind nur ein paar Prellungen“, stellte er rasch fest, hob Jims Hemd auf und reichte es ihm. „Na los, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“

„Jaja“, murrte Jim, zog sich wieder an und ließ sich durch die Tür zurück in den Laden dirigieren. „Gehörst du zu dem Treck nach Abilene? Ich schulde dir noch Geld. Vielleicht sieht man sich mal wieder, ich bin oft in Abilene.“

„Ich nicht.“ Leonard sah Jim mit den Augen rollen, ignorierte das aber. Ihm wieder begegnen, um Gottes Willen, was hatte er getan um das zu verdienen. „Ich habe nie erwartet, dass du deine Schulden zahlen würdest. Du darfst dich jetzt verziehen“, ließ er Jim wissen und wandte sich Mae zu, die wieder Stellung hinter dem Tresen bezogen hatte und jetzt schüchtern lächelte.

„Ich habe Peaches angebunden und ihr und dem Hund Wasser gegeben“, sagte sie. „Oder wollten Sie gleich weiter?“

Leonard schüttelte den Kopf, wollte gerade sagen, dass er auf einen Kaffee gehofft hatte, als Jim ihm ins Wort fiel. „Peaches?“ Er lachte. „Ist das dein Ernst? Dein Pferd nennst du Peaches und den Hund Cobble? Wie einfallsreich. Lass mich raten – du kommst aus Georgia und isst am liebsten-“

„Verschwinde, Jim“, fuhr Leonard ihn an und deutete auf die Tür. „Wie du schon selber festgestellt hast, du bist hier nicht erwünscht.“

Mit beschwichtigend erhobenen Händen und einem Grinsen im Gesicht ging Jim rückwärts. „Ganz ruhig, Doc. Ich bin schon weg.“ Er verschwand tatsächlich, aber als Leonard sich wieder zu Mae umdrehte, klapperte die Tür erneut. Genervt wandte er sich halb um. Jim tippte schon wieder an die Krempe seines Hutes. „Danke fürs Verarzten.“ Dann war er tatsächlich endlich weg, summend.

„Auf mein Geld brauche ich wohl wirklich nicht zu hoffen“, stellte Leonard kopfschüttelnd fest.

Mae grinste verlegen. „So ist er immer, deswegen mag Ma ihn nicht.“

„Ich weiß gar nicht warum“, murmelte Leonard ironisch.

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