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Wendepunkt

von Trini

Kapitel 1

„Guten Abend, liebe Crew der Voyager! Willkommen bei 'Briefing mit Neelix'. Ja, ich, Neelix, Moraloffizier und Koch der Voyager, bin nach längerer Pause wieder auf Sendung, um Sie mit aktuellen Nachrichten und Gerüchten zu versorgen. Hierbei möchte ich mich für die Unterstützung von B’Elanna bedanken, die sich die Zeit genommen hat, diese Kamera mit dem schiffsweiten Kommunikations-System zu verbinden. Weiterhin möchte ich auch meinen Dank an Captain Janeway richten. Sie war so nett, meine journalistische Arbeit zu genehmigen.
Aber nun genug geredet. Wir kommen zu den neuesten Meldungen: Die Verhandlungen mit den Akari sind wie geplant verlaufen. Die Voyager konnte ihren Deuteriumhaushalt wieder auffrischen sowie einige brauchbare Teile für den Maschinenraum erwerben. Unsere Chefingenieurin B’Elanna Torres glaubt, dass sie damit die Effizienz des Warpkerns um zusätzliche 3% erhöhen kann. In den vergangenen Tagen wurden auch jede Menge neue Lebensmittel an Bord gebeamt. Ich bin sicher, dass ich daraus einige exotische Köstlichkeiten zaubern kann! Wer also Lust hat, den Vorkoster zu spielen und mir eventuell auch einige Tipps bei der Zubereitung geben möchte, der meldet sich bitte morgen um 9.00 Uhr im Kasino. So wie alles geplant ist, wird die Voyager am kommenden Tag den Heimatplaneten der Akari gegen 19.00 Uhr verlassen. Bis dahin ist aber noch viel zu tun. Nun zu den heutigen Wetten...“

Chakotay schaltete den Bildschirm ab und wendete sich dann wieder dem Captain zu. Beide saßen schon seit drei Stunden in seinem Quartier über einen Stapel Padds, der scheinbar nicht kleiner werden wollte. Abteilungsberichte, kultureller Austausch mit den Akari, Probleme mit den Plasmainjektoren...., Chakotay brauchte eine kleine Pause. Kathryn sicherlich auch. Sie sah sehr erschöpft aus.
„Ich bin gespannt, welche "exotischen Köstlichkeiten" Neelix sich diesmal für uns ausdenkt“, sagte Chakotay ohne dabei den
Blick von seinem Padd, Tuvoks taktischer Bericht, abzuwenden.
Kathryn versuchte Kontrolle über ihre Müdigkeit zu gewinnen und entgegnete: „Eines ist sicher. Neelix' neue Kreationen werden hundertprozentig besser schmecken als seine berüchtigten Leola-Wurzel Gerichte. Nach vier Jahren Leolawurzelauflauf kann ich das Zeug nicht mehr sehen. Ich habe sogar schon in Erwägung gezogen, weniger Kaffee zu trinken, damit ich mehr Replikatorrationen für andere Nahrungsmittel übrig habe.“
„Die große Captain Janeway! Sie hat sich mit den Borg angelegt, Spezies 8472 besiegt und scheitert nun an Leolawurzelauflauf.“
Kathryn war zu müde, um dem noch etwas entgegen zu setzen. Ein Gähnen konnte sie sich nun auch nicht mehr unterdrücken.
Schließlich war sie seit 24 Stunden auf den Beinen um ihren Pflichten als Captain nachzukommen. Es war ein harter Tag
gewesen. Erst das Problem mit den Plasmainjektoren, dann die Verhandlungen mit den Akari und nun waren noch die
monatlichen Abteilungsberichte angefallen. Da sie und Chakotay morgen glücklicherweise nicht der Frühschicht zugeteilt waren, wollten sie bis spät in die Nacht arbeiten. Wenigstens würden sie am nächsten Tag ausschlafen können, vorausgesetzt, sie würden überhaupt ins Bett kommen. Der Stapel an Padds schien kein Ende zu nehmen...
„Kathryn, Sie sehen müde aus. Es ist besser, wenn Sie in Ihr Bett gehen. Wenn ich mich nicht irre, sind Sie immerhin seit über
24 Stunden auf den Beinen.“
„Ist schon in Ordnung Chakotay, nur ein kurzer Anfall von Müdigkeit.“
„Zitat des Doktors: Sie trinken zuviel Kaffee, essen zu wenig und arbeiten zuviel. Gönnen Sie sich ein wenig Erholung. Wir
können auch morgen die Bewertungen beenden.“
„Kommt nicht in Frage. Es gibt noch so viel zu tun.“
„Darf ich Ihnen wenigstens noch einen Kaffee anbieten, damit Sie mir nicht gleich einschlafen?“
„Aber sicher doch!“

Kathryn stand auf, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Dabei überdachte sie noch einmal die Ereignisse der vergangenen
Tage: Kurz bevor die Voyager auf das Volk der Akari traf, war es Ihnen endlich gelungen, Kontakt mit der Heimat
aufzunehmen. Es wurde eine verschlüsselte Botschaft der Sternenflotte empfangen. Wenn sie diese nur entschlüsseln könnten,
wäre die Voyager vielleicht morgen schon zu Hause.
Aber diese Nachricht war nicht wirklich das, was Kathryn beschäftigte. Es war ein persönlicher Brief. Sie konnte sich noch genau an ihre Unsicherheit erinnern, als sie den Absender las: „von Mark Johnson an Captain Kathryn Janeway“. Was würde er ihr berichten, was hatte sich wohl in seinem Leben geändert, nachdem die Voyager als vermisst erklärt worden war? Irgendwie hatte Kathryn vom ersten Moment an damit gerechnet, dass ihr der Inhalt dieses Briefes nicht gefallen würde...
Mark war nun weg, er hatte eine andere geheiratet. Kathryn nahm es ihm aber keinesfalls übel. Sie fühlte sich noch nicht
einmal allein gelassen, denn es gab hier im Delta Quadranten auch für sie jemanden, der sie vor der Einsamkeit ihres hohen Postens bewahrte... Chakotay würde immer an ihrer Seite stehen. Er war immer da, wenn sie ihn brauchte. Wie hatte sie nur seine Freundschaft verdient? Wie oft hatte sie schon ihre Liebe zu ihm geleugnet und ihn damit verletzt, auch seitdem ihr „Sicherheitsnetz“ nicht mehr existierte?
Kathryns Gedanken drifteten wieder zu Mark. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er ewig warten würde. Sie gab es sogar in
Chakotays Anwesenheit zu. Schließlich müssen alle ihr Leben wieder in die Hand nehmen, seien es die Geliebten im weit
entfernten Alphaquadranten oder ihre Crew im hier Deltaquadranten. Aber galt das auch für sie als Captain der Voyager? Sie hatte sich in der Vergangenheit zu sehr an den Gedanken ihrer Gebundenheit an Mark gewöhnt. Das war bequem und erleichterte ihre Beziehung zu Chakotay.
Kathryns Überlegungen wurden plötzlich unterbrochen. Sie hörte Fußschritte hinter sich und fühlte eine warme Hand auf ihrer Schulter. Abrupt drehte sie sich um und blickte den lächelnden Chakotay tief in die Augen. Er war so nah, dass sie sein Eau de Toilette wahrnehmen konnte.
Chakotay hielt eine Tasse Kaffee in der Hand. Sie nahm die Tasse mit dem dampfenden Inhalt dankend entgegen und machte es sich wieder auf dem Sofa bequem. Nach einer weiteren anstrengenden Stunde Arbeit fühlte sich Kathryn so müde, dass sie auf der Stelle hätte einschlafen können. Der Kaffee hatte doch nicht den entgegenwirkenden Effekt gehabt, den sie sich gewünscht hatte. Sie überlegte schon, ob sie vielleicht nicht doch in ihr Quartier zum Schlafen gehen sollte, fühlte sich aber vor Müdigkeit nicht mehr in der Lage, auch nur eine Bewegung zu vollbringen.

Chakotay spürte plötzlich heißen Atem an seinem Hals. Kathryns Kopf sank sanft auf seinen Oberkörper. Instinktiv legte er beide Arme um ihre reglose Gestalt und ließ sie in seiner beschützenden Umarmung in einen tiefen und erholsamen Schlaf fallen.
Chakotay beschloss, dass sie für heute genug gearbeitet hatten. Ein wenig Schlaf hatten Sie sich redlich verdient.
Er sah auf die reglose Kathryn herab. Ihr Atem war flach und gleichmäßig. So sehr er sich auch bemühte, er brachte es einfach nicht über's Herz, sie zu wecken... Also legte er sie kurzerhand in sein Bett, zog ihr die Stiefel aus und deckte sie zu. Einige Sekunden stand er noch da und beobachtete den schlafenden Körper in seinem Bett. Dann beugte er sich nieder und gab Kathryn einen Gutenachtkuss auf die Stirn.
„Gute Nacht, Kathryn“, flüsterte er sanft, bevor er sich wieder in Richtung Wohnzimmer begab. Dort fiel Chakotay auf seinem Sofa in einen erschöpften und traumlosen Schlaf...

Kathryn wusste nicht, wie lange sie schon da lag und an die Decke starrte. Als sie aufgewacht war, hatte sie festgestellt, dass sie sich in Chakotays Bett befand - allein. Langsam versuchte sie, die Ereignisse der letzten Nacht zu rekonstruieren...
Chakotay und ich haben gestern Abend an den monatlichen Crewbewertungen gearbeitet. Ich war extrem erschöpft. Vermutlich bin ich wohl eingeschlafen und Chakotay hat mich dann in sein Bett getragen – Chakotay, wo hatte er denn geschlafen?
Kathryn wollte aufstehen, blieb dann aber doch noch einige Minuten im Bett ihres Ersten Offiziers liegen. Es war so bequem. Und es war sein Bett...
Letztendlich zwang sich Kathryn doch, den Schlafraum zu verlassen. Als sie in Richtung Wohnzimmer ging, fiel ihr Blick zuerst auf das Sofa. Eine Decke und ein Kissen lagen darauf. Also dort hatte Chakotay geschlafen. Kathryn blickte sich im Zimmer um. Keine Spur von ihm. In dem Moment kam Chakotay aus dem Bad. Er hatte ein Handtuch um seine Taille gewickelt und trocknete sich gerade die Haare. Was für eine peinliche Situation. Und doch, sie konnte ihren Blick nicht abwenden... Verzweifelt versuchte Kathryn, sich nichts anmerken zu lassen. Sie war sich jedoch nicht ganz sicher, ob sie damit Erfolg haben würde.
Mit einem „Guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?“, versuchte Chakotay, die Situation zu entspannen. Es war ihm natürlich nicht entgangen, dass Kathryn ihn die ganze Zeit angestarrt hatte.
„Ja, ganz gut. Ich hoffe Sie auch“, antwortete Kathryn etwas verlegen.
„Da kann ich Sie beruhigen. Mein Sofa ist groß und bequem.“
„Wie kam es eigentlich dazu, dass ich in Ihrem Bett geschlafen habe?“
Eigentlich wusste Kathryn, was Chakotay nun antworten würde. Sie wollte es nur noch einmal mit seinen Worten hören. Als er antwortete, setzte er ein verführerisches Lächeln auf, so dass seine Grübchen zu erkennen waren. Kathryn konnte Chakotays Gefühle in seinen dunklen Augen sehen... Nur zu traurig, dass sie diese Gefühle niemals erwidern könnte. Sie war der Captain, er ihr erster Offizier. Eine Beziehung kam einfach nicht in Frage. Kathryn gab nur ein flüchtiges Lächeln zurück und entschuldigte sich dann, dass sie nun in ihr Quartier zurückkehren würde. Es gäbe noch so viel zu tun.

In dem Moment, als Kathryn den Korridor betrat, kamen Harry und Seven des Weges. Sie musterte die beiden zufälligen Passanten ganz genau: Harrys Grinsen wurde immer breiter und Seven hob ihre linke Augenbraue, eine Geste, die sicherlich auf Tuvoks Einfluss zurückzuführen war.
„Guten Morgen Captain!“, grüßten beide gleichzeitig.
„Guten Morgen Fähnrich, Seven“, erwiderte Kathryn mit einem Nicken, wobei sie sich bemühte, ihre undurchdringliche Captain Fassade aufzusetzen. Dann zog sie sich in ihr Quartier zurück.
Als der Captain außer Reichweite war, begann die Ex-Borg Harry mit Fragen zu durchbohren.
„Warum regeneriert sich der Captain in Commander Chakotays Quartier? Ist die Regeneration nicht viel effizienter ohne die Präsenz eines anderen Individuums?“
Wenigstens hat sie damit gewartet, bis Captain Janeway ihr Quartier betreten hat..., dachte sich Harry.
„Tja, also Seven, dass ist so, ähhmmm...“
„Kopulieren der Commander und der Captain?“
„Ähhhh, ja, bestimmt...“, antwortete Harry sichtlich erleichtert. Zum Glück brauchte er keine genaue Erklärung über das Sexualverhalten von Menschen abzugeben.
Der Captain hatte tatsächlich die Nacht in Commander Chakotays Quartier verbracht. Eigentlich hatte ein großer Teil der Crew seit geraumer Zeit mehr hinter der beruflichen und freundschaftlichen Beziehung zwischen den beiden kommandierenden Offizieren der Voyager vermutet. Nun waren die Beweise fast eindeutig. Harry konnte es kaum abwarten, dies Tom und B’Elanna zu berichten...

„Sie haben was gesehen?“
Harry saß mit Tom Paris und B’Elanna beim Frühstück im Kasino. Tom hatte sich als einer von wenigen dazu überreden lassen, Neelix' neue Kreationen auszuprobieren.
„Ja, richtig gehört, Tom. Ich sah den Captain, wie sie heute morgen Chakotays Quartier verließ. Es scheint so, als hätte sie die Nacht dort verbracht.“
„Und Sie sind sicher, dass Sie da nicht irgend etwas falsch verstanden haben? Ich meine, vielleicht hat sie nur mal kurz dort vorbeigeschaut um etwas abzuholen.“
„Aber dafür würde sie sich sicherlich die Zeit nehmen, ihre Haare durchzukämmen. Und überlegen Sie doch mal, Tom. Was sucht der Captain morgens um 8.30 Uhr in Chakotays Quartier, wenn doch beide heute offiziell keiner Schicht zugeteilt sind?“
„Wir kennen doch alle den Captain. Das erste, woran sie denkt, wenn sie aufwacht, ist die Arbeit.“
B’Elanna, die sich während des ganzen Gespräches im Hintergrund gehalten hatte, mischte sich nun auch ein.
„Was ist los mit dir Tom? Du warst doch immer derjenige, der eine Liebesbeziehung zwischen den beiden vermutet hatte, obwohl keine existierte. Jetzt, wo es fast offensichtlich ist, bist du plötzlich vom Gegenteil überzeugt?“
„Sagen wir es mal so, B’Elanna. Die vier Jahre hier auf der Voyager haben mich gelehrt, vorsichtig zu sein, was Vermutungen über die Beziehung zwischen unseren beiden kommandierenden Offiziere angeht.“
Harry hatte eine Idee, wie er Tom aus der Reserve locken konnte. „Ich finde, das ist eine Wette wert! Wie wär's, Tom? Nehmen wir die berüchtigte Wette Nummer 17 in das Programm von heute abend auf?“
Harry hoffte, dass Tom 'ja' sagen würde. Er hatte ein paar Replikatorrationen vom letzten Monat übrig und war bereit, diese zu verwetten, um sie eventuell zu verdoppeln.
„Gibt es ein Problem mit dem Essen, Mr. Paris? Sie sehen leicht verstimmt aus.“ Neelix hatte sich zu den drei Führungsoffizieren gesellt. „Vielleicht hätte ich weniger Risorigewürz hinzugeben sollen. Das liegt nämlich immer so schwer im Magen. Aber meiner Meinung nach kommt so das aromatische...“
„Ist schon gut, Neelix. Mit dem Essen ist alles in Ordnung.“ Wenn man von Neelix' Verhältnissen ausgeht, fügte Tom im Gedanken hinzu. „Ich frage mich, ob Sie mir einen Gefallen tun würden? Es geht um Ihr Briefing...“

Nach dem mehr oder weniger peinlichen Zusammenstoß mit Harry und Seven hatte sich Kathryn in ihr Quartier zurückgezogen und bereitete sich auf einen spontanen Empfang bei den Akari vor. Nebenbei lief Briefing mit Neelix...
„Guten Morgen. Ich bin froh, dass Sie wieder zu Briefing mit Neelix eingeschaltet haben. Tja, liebe Voyagercrew. Heute ist der letzte Tag im Orbit von Akari V. Diejenigen, die noch nicht die wundervolle Umgebung des Planeten genossen haben, sollten das auf jeden Fall tun. Bis 19.00 Uhr haben Sie ja noch die Möglichkeit dazu.
Weiterhin möchte ich Sie daran erinnern, dass zu diesem Zeitpunkt gerade das Vorkosten im Kasino stattfindet. Falls sich also noch Interessierte finden, können Sie gerne vorbeikommen.
Und nun noch eine wichtige Nachricht von Tom Paris. Die Wette Nummer 17 wurde wieder in das Programm aufgenommen. Sie können bis 15.00 Uhr ihre Einsätze abgeben. Heute abend um 24.00 Uhr wird dann das Ergebnis überprüft.
Und nun weiter mit dem Gesundheitschek vom Doktor...“
Wette Nummer 17 – das kam Kathryn irgendwie bekannt vor. Ja natürlich, eine Wette, die Tom Paris eingeführt hatte, nachdem sie und Chakotay von der „Neuen Erde“ zurückgekehrt waren. Kathryn hatte nie etwas genaues über den Inhalt dieser Wette in Erfahrung bringen können. Jedes Crewmitglied war ihr in diesem Bezug geschickt ausgewichen. Aber bei einem war sie sich sicher: Diese Wette hatte irgend etwas mit ihrer Beziehung zu Chakotay zu tun. Nach der Begegnung mit Harry und Seven ergab das ganze auch einen Sinn. Harry erzählt Tom, dass sie die Nacht bei Chakotay verbracht hatte. Wenn Tom es weiß, erfährt bald das ganze Schiff davon und dann werden natürlich auch Wetten abgeschlossen. Vor zwei Jahren hätte sie ein solches Verhalten gerügt. Damals war sie noch der korrekte und ausgeglichene Sternenflottencaptain. Aber nun, nach vier Jahren im Deltaquadranten, hatte sie sich verändert. Spekulationen solcher Art fand sie einfach nur amüsant. Es zeugte davon, dass die Voyagercrew keine normale Sternenflottencrew mehr war, sondern eine Gemeinschaft, die sich für das Wohlbefinden ihrer Mitglieder freute. Dies schloss auch sie und Chakotay ein.
„Tuvok an Captain Janeway.“
“Ich höre Tuvok.”
„Es wurde alles für den Transport zum Planeten vorbereitet. Der Commander und ich erwarten Sie in Transporterraum zwei.“
„Verstanden, Tuvok. Bin auf dem Weg. Janeway Ende.“
Kathryn sah noch einmal in den Spiegel um ihre Uniform zu richten und verließ dann ihr Quartier.

Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und der Wind ließ die purpurnen Blätter der trauerweiden-artigen Bäume in der Luft tanzen. Alles war perfekt, fast wie ein Spätsommertag auf der Erde...
Kathryn Janeway saß auf einem umgekippten Baumstamm inmitten eines Waldes von Akari V. Nachdem der Empfang mit dem Botschafter in ein spektakuläres Abschiedsfest ausgeartet war, hatte sie sich langsam von der Menschenmenge entfernt, um noch ein wenig die ruhigen und idyllischen Orte des Planeten zu genießen. Hier war es so friedlich, genau der richtige Platz, um sich von den Strapazen der letzten fünf Stunden zu erholen. Nicht dass sie die Anwesenheit der Akari als unangenehm empfand... Nein, ganz im Gegenteil: Die Akari waren ein sehr sympathisches und offenes Volk. Von Anfang an wurde ihre Crew mit Wärme und Fürsorge aufgenommen. Nur diese ewigen Empfänge und Feste störten Kathryn. Es kam ihr so vor, als ob die Akari jeden noch so unbedeutenden Erstkontakt als Vorwand für Feste sahen, als ob sie Ruhe und Entspannung verabscheuten. Entspannung... seltsam, dass sie sich gerade danach sehnte, die Königin der Überstunden.
Plötzlich hörte Kathryn Fußschritte hinter sich. Instinktiv wusste sie, wer sich nun näherte. Nach vier Jahren enger Zusammenarbeit und Freundschaft konnte sie seine Präsenz schon förmlich spüren.
„Guten Tag Commander, machen Sie Ihren Kontrollgang?“
Chakotay lächelte, sie hatte ihn tatsächlich wieder durchschaut.
„Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht, Kathryn. Sie wirkten ziemlich desorientiert während des Empfangs. Ist alles Ordnung?“
„Mir geht es gut... Danke, Chakotay.“
Sie wusste, dass diese Antwort ihm nicht genügen würde, also versuchte sie ihr vorheriges Verhalten zu erklären.
„Ich habe hier auf dem Planeten unzählige Stunden in überfüllten Räumen und auf unpersönlichen öffentlichen Festen zugebracht. Ich brauchte nur kurz meine Ruhe. Die Umgebung hier hilft mir abzuschalten, meine Gedanken zu sammeln und einmal kurz aus der Rolle des Captains zu schlüpfen.“
„Das kann ich verstehen...“ Chakotay hielt kurz inne und sagte dann voller Enthusiasmus „Kommen Sie Kathryn, ich will Ihnen etwas zeigen!“
Er hielt seine Hand entgegen. Kathryn akzeptierte die Geste und ließ sich von ihm aufhelfen. Arm in Arm folgten beide einen ungepflegten, teilweise verwilderten Pfad durch den Wald.
„Was wollen Sie mir denn zeigen, Chakotay?“
„Ich bin mir selbst nicht ganz sicher. Die Einheimischen sagten etwas von einer eindrucksvollen Naturerscheinung hier am Ende dieses Pfades.“
„Naturerscheinung? Hhhmmm, da bin ich aber gespannt.“
Der Rest des Weges war von angenehmer Stille begleitet. Nur die Vögel zwitscherten und der Wind rauschte in den Bäumen. Kathryn genoss es, Chakotays starke Schulter an ihrer Seite zu spüren. Beide waren schon oft Arm in Arm spazieren gegangen, auf der Neuen Erde, auf dem Holodeck, bei Neelix' Parties... Aber an dem heutigen Tag empfand sie die Stimmung anders, viel romantischer als sonst.
Langsam näherten sie sich dem vermeintlichen Ziel – ein riesiger Baum erstreckte sich vor ihnen. Sein Stamm hatte einen Durchmesser von mindestens 30 Metern und seine riesige Baumkrone war bestimmt doppelt so breit. Der Wind brachte Bewegung in die Äste und purpurfarbene Blätter wirbelten im Wind. Chakotay kam sich im Schatten dieses Baumes wie eine Ameise vor. Unwillkürlich fühlte er sich an Neelix' Erzählung von dem 'Himmel' der Talaxianer erinnert: Ein riesiger Wald mit einem großen Baum in der Mitte. Dort, so glaubte der liebenswerte Talaxianer, würde man nach dem Tode seine Geliebten wiedertreffen.
„Das ist wunderschön... “, hauchte Kathryn voller Bewunderung. Ihre Augen glänzten, wie die eines kleinen Kindes an seinem Geburtstag.
Auf einmal wehte eine starke Windböe mehrere rotblonde Haarsträhnen in Kathryns Gesicht. Chakotay legte sie wieder hinter ihr Ohr und berührte dabei zärtlich ihre Wange. Und so standen sie nun da, kaum noch einen Zentimeter Raum zwischen ihren Körpern. Blau-graue Augen verloren sich in braunen. Chakotays Kopf näherte unaufhaltsam dem von Kathryn...
„Chakotay, ich...“
Zu spät. Sie fühlte, wie Chakotays warme Lippen sich gegen ihre pressten. Kathryn zögerte nur einen Moment bis sie seinen Kuss erwiderte, erst sanft bis die Leidenschaft übergriff. Aber was tat sie denn da? Se küsste ihren Ersten Offizier... Nein, sie sollte das nicht tun. Eine Beziehung mit einem Mitglied ihrer Crew war für sie als Captain unmöglich. Sie brach den Kuss und distanzierte sich von Chakotay. Außer Atem starrten sich beide in die Augen...
„Tut mir leid“, flüsterte Chakotay. Er kannte diesen Ausdruck in Kathryns Augen. Nun würde garantiert eine ihrer „Wir müssen Parameter definieren“ Ansprachen folgen.
Kathryn war verwirrt und wusste für einen Moment nicht, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Eigentlich entwickelten sich solche Dinge von ganz allein und wirkten sich nur auf zwei Personen aus. Aber in ihren Fall war es anders. Die Crew der Voyager würde auch betroffen sein...
Als es Kathryn gelungen war, ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen, begann Ärger in ihr aufzusteigen. Warum hatte er sie nur geküsst und gefährdete damit ihre Freundschaft?
Ohne weiter nachzudenken redete sie aufgeregt: „Was sollte das? Ich dachte, wir hatten nach unserer Rückkehr von der Neuen Erde ausgemacht, dass wir keiner romantischen Beziehung nachgehen, um die Kommandostruktur des Schiffes nicht zu gefährden?“
„Glaub mir Kathryn. Ich hab es versucht. Viele schlaflose Nächte hab ich mir einreden wollen, dass ich dich nicht liebe. Es zerreißt mir das Herz, dich jeden Tag an meiner Seite zu sehen und genau zu wissen, dass ich dich nicht haben kann. Ich bin einfach nicht mehr in der Lage so weitermachen...“
Beide schauten sich gegenseitig in die Augen. Keiner wagte ein weiteres Wort zu sprechen. Der Wind hatte aufgehört die Bäume in Rauschen zu versetzen, sogar die Vögel schienen nicht mehr zu singen. Als die Stille unerträglich wurde, versuchte es Chakotay von Neuem.
„Wie kannst du nur so ruhig bleiben. Du hast dich immer unter Kontrolle. Dabei weiß ich ganz genau, was du für mich empfindest. Ich merke es bei jeder Berührung und jedem Lächeln, das du mir schenkst. Du liebst mich, willst es aber nicht eingestehen, weil du einfach nicht aus der Rolle des Captains schlüpfen kannst. Ich kenne dich zu gut. Mein Gott Kathryn, wir sind hier im Delta Quadranten. Du hast doch nicht etwa vor, die ganzen siebzig Jahre bis zur Erde allein zu bleiben?“
„Mach es nicht schwerer, als es jetzt schon ist. Ich bin der Captain, es ist meine Pflicht...“
„Pflicht, Protokoll... alles muss den Vorschriften entsprechen, nicht wahr? Die Voyager ist im Delta-Quadranten, Kathryn! Die Heimkehr zur Erde wird selbst bei Maximalgeschwindigkeit siebzig Jahre dauern. So etwas wurde von der Sternenflotte nie in Erwägung gezogen.“
Er näherte sich wieder und nahm Kathryns Hand.
„Ich liebe dich, Kathryn Janeway. Und kein verdammtes Sternenflottenprotokoll kann diese Gefühle mehr unterdrücken.“
Kathryn schaute in seine dunklen und bittenden Augen. Viele Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Sie hatte noch nie ein so leidenschaftliches und überzeugendes Geständnis gehört. Sie wusste, dass er Recht hatte, dass alles, was er gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Vielleicht war es auch für sie an der Zeit, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Kein Sicherheitsnetz mehr, kein Leugnen und kein Zögern...
Langsam hob sie ihre Hände zu Chakotays Gesicht, streichelte sanft seine Wange und zeichnete die Linien seines Tattoos nach, dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Fast im Zeitlupentempo trafen sich die Lippen von Captain und Erstem Offizier. Chakotay schlang seine Arme um Kathryns Hüfte, presste sie dichter an seinen Körper. So verharrten sie dann minutenlang, eine Ewigkeit...
Diesmal war Chakotay derjenige, der den Kuss brach. Vollkommen außer Atem starrte er in Kathryns blau-graue Augen, ohne auch nur im Traum daran zu denken, die enge Umarmung ein wenig zu lockern. Ein verführerisches Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie war nun soweit, endlich hatte sie losgelassen.
„Schläfst du heute Nacht wieder in meinem Bett?“, fragte Chakotay mit einem schelmischen Grinsen.
„Nur wenn du diesmal an meiner Seite liegst.“
„Aye aye, Captain!“
Als die Sonne langsam hinter den Wipfeln der Bäume verschwand, verließen beide Hand in Hand den Wald. Gemeinsam als Kathryn und Chakotay, nicht als Captain und Commander der Voyager, wie sie ihn betreten hatten...

Normalerweise war das Kasino in der Nacht immer verlassen und dunkel. Nur die hellen Streifen vorbeiziehender Sterne spendeten mattes Licht und verliehen dem großen, unpersönlichen Raum eine einsame und unheimliche Erscheinung. Eigentlich verirrte sich kaum jemand um die Mitternachtszeit ins Kasino. Nur vereinzelte Schlaflose, die nach einem Mitternachtssnack Ausschau hielten, oder ein paar hungrige Offiziere der Nachtschicht. Aber dieser Abend war nicht gewöhnlich...
„5, 4, 3, 2, 1,... So, nun ist es Mitternacht und wir können endlich das Ergebnis unserer Wette überprüfen“, hielt Tom Paris seine Ansprache. Im Kasino waren beinahe mehr Leute anwesend, als zu mancher Tageszeit.
„Computer, lokalisiere Commander Chakotay.“
„Commander Chakotay ist in seinem Quartier“, erklang die kalte Stimme des Bordcomputers.
„Computer, lokalisiere Captain Janeway.“
„Captain Janeway ist in Commander Chakotays Quartier.“
Das wurde ja richtig interessant! Vielleicht hatte Harry doch Recht gehabt. Mit einem Grinsen auf den Lippen stellte er schließlich seine letzte Frage.
„Computer, befinden sich Captain Janeway und Commander Chakotay gegenwärtig im Zustand des Schlafes?“
„Positiv.“
Plötzlich brachen Applaus und Jubel im Kasino aus. Sogar die Verlierer der Wette freuten sich mit den Gewinnern.
Was für ein unglaublicher Anstieg der Moral, dachte Neelix. Er selbst hätte es nicht besser machen können... Und die Moral würde sicherlich noch weiter ansteigen, wenn er morgen die Ergebnisse der Wette Nummer 17 für die im Moment Nichtanwesenden in seinem Briefing veröffentlichte. Das Ganze würde natürlich diskret behandelt werden... wenn man das so nennen konnte. Denn die Einzigen, die keine genaue Vorstellung von dem Inhalt der Wette hatten, waren Lt. Commander Tuvok sowie natürlich Captain Janeway und Commander Chakotay... So hoffte Neelix jedenfalls.
Vielleicht werden sie es ja irgendwann erfahren. Geheimnisse bleiben ja gewöhnlich nicht lange geheim auf einem Schiff wie diesem.


ENDE
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