TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Das erste Mal

von Racussa

Das erste Mal

Weyoun stand auf dem Balkon seiner Suite und beobachtete gespannt das Treiben im Garten unter ihm. Pfirsichgelb gewandte Diener liefen auf und ab, trugen Tische, Sessel, Zeltplanen, Feuerholz und anderes vom Palast in den Garten.

 

„Ich wüßte zu gerne, was da unten los ist? Gibt es ein Fest?“

 

Sethi’Klan und Remtana’Ikan die hinter ihm auf dem Balkon standen, schwiegen.

 

Unter lautem Gezeter kamen aus dem Palast eine ältere Frau in einer hellgelben Tunika, ein junger Mann in einer mittelgelben Tunika, ein solcher Mann in einer dunkelgelben Tunika und eine junge Frau in einem Blätterkleid mit einem großen Fächer aus beblätterten Ästen. Die vier stellten sich etwas abseits und kommentierten lautstark, aber in romulanisch die Szene. Etwas abgesetzt davon bauten sich achtzehn Lyraspielerinnen auf, je sechs in mittelgelben, dunkelgelben und blätternen Uniformen.

 

„Könnten wir den klugen und vielredenden Miquel rufen, um mir eine kurze Erklärung des Geschehens da unten zu geben?“, fragte Weyoun, und bevor Remtana’Ikan antworten konnte, fügte er hinzu: „Es ist ja sicher nicht im Interesse der strahlenden Senatrix Metella Trania T’Supp, wenn ich aufgrund von Desinformation falsche Schlüsse zöge. Und da das Geschehen offen im Garten stattfindet, war es ja auch keine unerlaubte Nachforschung meinerseits. Das Sehen wurde mir geradezu aufgedrängt … und das heißt etwas, bei der Schwäche meiner Augen!“

 

Ohne ein weiteres Wort nickte Remtan’ikan karg und aus dem Nichts materialisierte sich Miquel, diesmal in einen luftigen, hellgelben Leinenanzug gehüllt.

 

„Zu Diensten, werter Gast!“

„Wie schön, dass es hier auch höchst höfliche Mitbewohner gibt.“, grüßte Weyoun das Hologramm überschwenglich mit einem deutlichen Seitenblick auf Remtana’Ikan. „Ich wüßte zu gerne, was da unten im Garten vor sich geht.“

 

Miquel nickte: „Was haben Sie bis jetzt bemerkt?“

 

„Nun, es ist offensichtlich, dass die lärmende ältere Frau zu diesem Haus gehört, denn sie trägt hellgelb. Aus den anderen Farben der Gewänder schließe ich, dass wir Gäste aus der Hieronymianischen und der Strabischen Familie haben. Die lustige Ökologin im Blättergewand kann ich allerdings nicht zuordnen. Allerdings scheint sie nicht der Stein des Anstoßes zu sein, denn sie redet aufgeregt mit den anderen drei, nicht gegen sie. Und die Diener bauen irgendetwas im Garten auf, vielleicht für ein Grillfest?“

 

Miquel lächelte sein versonnenes Photonikerlächeln. Dann antwortete er: „Hainer Arunachal, die Priesterin des Arunchalischen Hains, ist die Dame im Blättergewand. Und auch wenn das für Sie lustig aussieht, würde ich das in ihrer Gegenwart nie sagen, denn sie gilt als äußerst jähzornig. Und als Mitglied der Hainpriestenden hat sie großen Einfluß in der Kurie. Die anderen drei sind ihr im Rang untergeordnet, es sind drei Senatspriestende: Die Tranastin ist unsere Hauspriestende, sie ist dem Haus Trania zugeordnet, trägt daher unsere Farbe und verwaltet zugleich den Vestakult der ganzen Hauptstadt – und theoretisch des ganzen Imperiums. In Mittelgelb sehen wir den Hierasten, der Priester der Hieronymianer, der zugleich den Cereskult leitet, und in dunkelgelb die Strabastin, die Priestende des Hauses Strabia und Leiterin des Dianakultes. Hierast und Strabastin sind gute Freunde unserer Priestenden. Und einer von beiden hat die Hainer Arunachal mitgebracht, um noch etwas nachzulegen.“

 

„Ach, romulanische Religion ist so kompliziert, bei unseren Göttern ist das so viel einfach. Sie sind auch viel konkreter.“, sinnierte Weyoun.

 

„Und schicken Millionen in sinnlosen Kriegen in den Tod.“, raunte Remtana’Ikan, doch Weyoun ignorierte das, in dem er seinen Blick wieder auf den Garten richtete.

 

„Und jetzt planen sie irgendetwas Religiöses im Garten und streiten darüber?“, fragte er Miquel.

 

„Wenn es so einfach wäre. Die strahlende Senatrix hat die remanische Sybille eingeladen, eine Orakel zu machen.“

 

„Und?“

 

„Nun ja, es ist das erste Mal, das in diesem Haus so etwas geschieht … es ist überhaupt das erste Mal, dass eine remanische Sybille einen senatorischen Palast betritt.“

 

Weyoun wandte sich zu Miquel um: „Was ist daran so besonders?“

 

„Dass überhaupt eine remanische Sybille auf Romulus existiert, geht noch in die Frühzeit der Spaltung von Romulanern und Remanern zurück. Remaner entwickelten sich aus den Verehrern des Gottes Vulkan … und je eigensinniger sie wurden, desto weniger gingen sie in den allgemeinen Tempel des Vulkan zum offiziellen Kult, sondern sammelten sich in berauschendem Rauch irgendwelcher dreckigen Höhlen.“

 

Sethi’Klan wandte für einen Augenblick seinen Kopf Richtung Remtana’Ikan, doch der blickte starr geradeaus.

 

„Dort formten sie sich einen eigenen Kult, und die remanische Sybille wurde dessen Leiterin. Als schließlich die zukünftigen Remaner den Planeten verließen, blieb die Sybille als einzige in den Höhlen zurück. Durch all die Jahrtausende war sie der einzige Grund, warum Remaner immer wieder nach Romulus kamen, nämlich um bei ihr Rat zu suchen.“

 

Weyoun wiegte seinen Kopf und schaute wieder zum Garten: „Aber das ist doch gut, denn so konnte das Imperium immer noch eine gewisse Kontrolle ausüben. Insofern ist diese Sybille ja eine gute Kollaboratorin.“

 

Miquel schaute ihn fragend an: „Ja, aber sie ist Remanerin!“

 

„Und?“

 

„Romulaner können unter den zwölf Tempelpriestenden, den zwölf Altarpriestenden, den zwölf Hainpriestenden wählen, sie haben in der Hauptstadt noch die Principi-electoralpriestenden, die Pariatspriestenden und eine unzählige Gruppe fremder anerkannter Religionen. Deshalb ist es etwas unerhört, dass die strahlende Senatrix nicht irgendeine von diesen, sondern eine Remanerin zum Orakel einlädt. Deshalb ist die Tranastin wütend und baut eine curiale Phalanx auf. Aber auch die remanische Sybille sitzt in der Curia, weshalb man ihr diese Geschichte nicht verbieten kann; und außerdem wollte die Senatorin das so.“

 

„Der ganze Aufwand, weil zum ersten Mal eine remanische Sybille in einem romulanischen Senatorengarten irgendwelche Pilze raucht und dann unverständliche Lalllaute von sich gibt, die andere für ein Orakel halten?“

 

Miquel formte in der Luft einen holographischen Tisch inmitten eines Pfirsichbaumhaines.

 

„Der Pfirsichbaumhain ist das Familienheiligtum der Trania. Dort muss das Orakel stattfinden. Die strahlende Senatrix will wissen, ob ihr Bruder noch lebt. Deshalb muss das Orakel dort, am heiligsten Familienplatz, befragt werden. Für die Tranastin ein Sakrileg.“

 

„Der verschollene Bruder schon wieder.“

 

Miquel deutet weiter hinten in den Garten: „Von diesem Gästehaus ist es zum Hain so weit wie zum Palast, etwa einen Kilometer, aber aufgrund der anderen Bäume kann man den Hain von hier aus nicht sehen. Auf dem Tisch…“, er zeigte auf das Hologramm, „wird auf der Platte aus Pfirsichholz das Orakel stattfinden, aber weder Pilze noch Dämpfe werden dafür verwendet. Wissen Sie, wie ein remanisches Orakel funktioniert?“

 

Weyoun schüttelte den Kopf: „wenn ich es wüßte, lieber Freunde, hätte ich ja wohl kaum die Pilzvermutung ausgesprochen. Aber ich zweifle keinen Augenblick daran, dass Sie es mir sofort erklären werden. Es ist schließlich mein erstes Mal, dass ich bei so etwas dabei bin, wenn auch nur aus der Ferne und in ihrem holographischen Spielkasten hier.“

 

Miquel formte eine in ein dunkles Robengewand gehüllte holographische Figur und stellte sie an den holographischen Tisch. Sethi’Klan rückt ein wenig zur Seite, um über Weyouns Schulter auch auf das Hologramm sehen zu können. „Das Orakel verläuft in zehn Schritten. Vor jedem Schritt wird Vulcan als Offenbarer der Geheimnisse der Tiefe angerufen. Dann schabt die Sybille mit Halit etwas Talk und streut den Staub auf die Tischplatte. Aus der Art, wie der Staub fällt, liest sie irgendwelche Prophezeiungen. Dann betete sie wieder, schabt mit Calcit etwas von dem Halit, streut diesen Staub auf den ersten und prophezeit weiter. So geht das auch mit Fluorit, Apatit, Orthoklas, Quarz, Topas und Korund. Zuletzt zerschlägt sie mit einem Hammer einen Olivin und wirft die Splitter auf die neun Lagen Staub und kann dann ihre endgültige Weissagung machen.“

 

„Für mich klingt das etwas brutal und dreckig.“

 

Miquel zuckte mit den photonischen Schultern: „Es ist remanisch. Angeblich erinnert es an das Leben in den Höhlen, im Reich des Vulcan. Remaner sind eben so.“

 

Plötzlich erhob Sethi’Klan zum Erstaunen aller das Wort: „Remaner und Remanerinnen haben eine sehr spezifische Kultur. Und nur weil Romulaner eine andere haben, sollte man nicht abfällig darüber reden. Ja, es war vielleicht ein Fehler und eine Gemeinheit gegenüber der Bevölkerung vor Jahrtausenden, den Planeten und seine Geschwister zu verlassen, aber der remanische Teil dieses Volkes hat fürchterlich gelitten: Schon nach wenigen Jahren auf Remus hat sich eine ultraradikale Gruppe, die Vulkanier, abgespalten und auch diesen Ort verlassen. Sie sind in den Weltraum hinein verschwunden und waren lange Zeit verschollen. Und als vor zweitausend Jahren einige von diesen Vulkaniern zurückkamen – ließen sie Remus links liegen und kamen zu den Romulanern auf diesen Gartenplaneten zurück. Man sollte ein Volk, das so für einen alten Irrtum gebüßt hat, nicht noch weiter diskriminieren, indem man seine wenigen eigenen kulturellen Traditionen als brutal und dreckig beschreibt. Sie sind nur anders, so wie sich romulanische Kulte von denen der Jem’Hadar gegenüber den Vorta; und der Vorta gegenüber den Gründern unterscheiden.“

 

Mit einer wütenden Geste verwischte Sethi’Klan das Hologramm. Remtana’Ikan packte seine Hand und bog sie zurück an ihren Platz, doch Sethi’Klan stampfte zum Trotz wütend mit dem linken Fuß auf.

 

Weyoun schüttelte verwirrt den Kopf: „Es scheint, mein lieber Miquel, das heute nicht nur zum ersten Mal eine remanische Sybille in den Pfirsichplantagen Ihrer Herrin Staubstreuen wird, auch mein geliebter Sethi’Klan scheint heute zum ersten Mal in der Öffentlichkeit so heftig reagiert und so viel gesprochen zu haben.“

 

Nach einigen Sekunden des Schweigens setzte er mit Blick auf Sethi’Klan fort: „Aber es ist wahrscheinlich nicht das letzte Mal gewesen. Dieser Planet verändert uns alle.“ Er streichelte über Sethi’Klans Kopf und berührte mit seiner rechten Ohrripe Sethi’Klans Brust. „Aber uns wird weder ein remanisches noch ein romulanisches Orakel verraten, was wir aus dieser Veränderung machen sollen.“

 

 

 

 

Rezensionen