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Die Berechnung der Unendlichkeit

von Enem, Melui

Prolog

Die Berechnung der Unendlichkeit

… oder die hohe Kunst die Punkte eines Dreiecks so zu verbinden,
dass sich der Kreis schließt




Prolog

02.07.2260

Benommen blinzelte Leonard und rollte sich in seinem Bett herum. Das bereute er sofort, denn ihm wurde augenblicklich schlecht. Wieder blinzelte er, starrte dabei an die Decke des gemieteten Appartements und atmete langsam ein und wieder aus.

„Scheiße“, raunte er, strich sich in einer fahrigen Geste durch die Haare und erntete darauf ein dumpfes Brummen von rechts, was ihn regelrecht zusammenfahren ließ.

Er rappelte sich so schnell auf, dass ihm schwindelig wurde, und verhedderte sich beim Aufstehen prompt in der Decke, sodass er aus dem Bett fiel und schmerzhaft auf den Boden prallte. Mit einem Stöhnen rappelte sich Leonard wieder auf, kam schwankend auf die Beine und starrte auf das Bild, das sich ihm bot.

Sehr blond, sehr nackt – und nicht ansatzweise weiblich.

„Oh mein Gott“, murmelte er, während er wie hypnotisiert auf den blonden Haarschopf starrte. Die Erkenntnis schlug so gnadenlos zu, dass er beim Zurückweichen gleich wieder stolperte. Der Kerl in seinem Bett knurrte unzufrieden, tastete blind nach dem Laken und rollte sich darin ein.

Wankend und stolpernd taumelte Leonard in das angrenzende Bad, krächzte „Licht“ und verriegelte die Tür. Der Blick in den Spiegel war... traumatisierend. „Oh mein Gott“, stammelte er wieder, während er in sein eigenes Spiegelbild starrte, das ihm so fremd war, dass er beinahe in ein hysterisches Lachen ausgebrochen wäre. Aber viel schlimmer als die tiefen Ringe unter seinen Augen, seine zerschundenen und angeschwollenen Lippen, der Stoppelbart oder sein blasses Gesicht war das, was gerade in seinem Kopf passierte.

Erinnerungsfetzen stellten sich ein.

Er war so scharf auf ihn. Herrgott! Wenn sie nicht bald aus diesem Club kamen, konnte er für gar nichts mehr garantieren. Das Glitzern in diesen Augen, das Lächeln. Er schlang einen Arm um ihn und beugte sich zu ihm. „Lass uns gehen.“

Jim.

Leonard beugte sich über das Waschbecken und spritzte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht. Er atmete tief durch und sah wieder auf. Der blonde Kerl in seinem Bett war Jim! Und er war nackt! Und... und... er selbst war auch – nackt! Und...! Nein, nein! Leonard sank gegen die Tür und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen, während sich weitere Erinnerungsbruchstücke gnadenlos in seinen Schädel hämmerten.

Die Hand, die über seine Seite glitt. Im Fahrstuhl. Da knallte die letzte Sicherung einfach durch. Sie küssten sich nicht, sie waren dabei sich gegenseitig aufzufressen, stolperten zusammen aus der Aufzugtür und prallten an die Wand gegenüber. Wer hatte noch genug Vernunft, das Appartement zu öffnen?

Er brauchte mehr kaltes Wasser! Viel mehr. Vielleicht war es sinnvoll, sich darin zu ertränken. Leonard hing über dem Waschbecken, strich sich die nassen Haare zurück und atmete hektisch ein und aus. Bitte – keine Bilder mehr. Sie waren Freunde, nicht mehr, nicht weniger. Freunde! Und das seit nahezu sechs Jahren. Freunde fielen sich nicht an wie ausgehungerte Wölfe, egal wie lange sie unterwegs waren.

Aber Jim – oh Gott, dieser Mund – war jede Sünde wert. Jede einzelne und noch ein halbes Dutzend oben drauf. Er wollte ihn und er bekam ihn. Nichts, gar nichts, war damit vergleichbar. Ihr Stöhnen vermischte sich, die harten Atemzüge, während Leonards Welt in einem Feuerregen explodierte. Jim war das, Jim war das Feuer und plötzlich wusste Leonard ganz genau, was in seinem Leben bisher gefehlt hatte.

Mit einem Zähneknirschen und einem entschlossenen Kopfschütteln trat Leonard aus dem Bad und sah sich in der Suite um. Irgendwo musste doch sein Arztkoffer sein. Urlaub hin oder her, er hatte die Enterprise sicher nicht ohne verlassen. Fahrig taumelte er in den fremden Räumen umher und stolperte endlich über seine Sachen. Er fiel auf den Boden, auf die Knie und begann in seiner Tasche zu wühlen. Unzählige Medikamente, aber nichts Brauchbares? Lächerlich! Schließlich fand er, was er suchte. Hier hatte er kein Hypospray, das wäre wirksamer gewesen, dafür den ThermoJet, besser als nichts. Leider nicht schmerzfrei, trotzdem setzte er das Gerät auf der Innenseite seines Unterarms an und löste die Injektion aus. Ein kaum wahrnehmbares Zischen, er biss die Zähne zusammen, denn es brannte verdammt nochmal wie die Hölle. Schließlich kam er mit einem tiefen Seufzen wieder auf die Beine, presste die Hände auf die Schläfen und wartete darauf, dass die Wirkung des Medikaments einsetzen würde. Zwei Minuten später stürzte er zurück ins Bad und riss den Toilettendeckel auf. Nicht ganz die Wirkung, die er sich erwünscht hatte.

Als Leonard schließlich wieder in den Spiegel sah, war es kein Stück besser. Er war leichenblass, seine Augen waren blutunterlaufen und er fühlte sich so elend, dass er am liebsten davongelaufen wäre. Aber das war hier nicht möglich. Sie hatten zwei Tage auf Risa und Jim hatte den Landurlaub nicht ohne Grund so gelegt.

„Komm schon, Leonard“, hörte er Jim in seinem Kopf lachen. „33, deine letzte Chance, ab dann bist du offiziell alt.“

Nur deswegen war Leonard jetzt hier. Auf Risa, in dieser Suite und in seinem Bett lag Jim – nackt! – und schlief den Schlaf der Gerechten.

Er starrte das ihm fremde Gesicht im Spiegel an. „Happy Birthday, Leonard“, knurrte er leise. „Willkommen in der Hölle.“

Scheiße elende. Lediglich mit einem Handtuch um die Hüften verließ er das winzige Bad, schlich in den Wohnraum und trank ein Glas Wasser. Auf dem Rückweg – er vermied den Blick auf sein Bett – stieg er über verstreute Kleidungsstücke und fand zumindest seine Unterwäsche. Wenigstens war er nicht mehr nackt. Leonard ließ das Handtuch fallen, schlich vorsichtig näher und hockte sich dann auf seiner Seite auf die Bettkante. Schließlich überwand er sich und warf nun doch einen Blick auf Jim, der bis zu den Ohren in das Laken gerollt war. Sein Arm hing über die Bettkante, seine Atemzüge gingen langsam und regelmäßig. Gegen seinen Willen musste Leonard grinsen, aber da konnte er auch noch nicht ahnen, wie das alles sein Leben verändern würde.

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