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Gewaltmarsch

von Racussa

Gewaltmarsch

Als das Shuttle aufprallte, überschlug es sich vier Mal und kam dann in einer meterhohen Schneewehe zum Stillstand.

 

Das Dunkel im Inneren wurde kurz darauf von einer bläulichen Notbeleuchtung erhellt. Die in den Sitzen festgeschnallten Passagiere schüttelten die Köpfe. Als erster macht Commander Data sich los. Da das Shuttle um neunzig Grad gedreht war, hingen die Sitze seitlich in den Raum hinein. Data hatte größere Freiheit gehabt, weil er am Pilotensitz gesessen war.

 

Als nächstes befreite er Commander Riker von den Sitzgurten und half ihm auf die Füße. „Commander, geht es Ihnen gut?“, fragte er.

 

„Lassen Sie uns zuerst die anderen losschnallen. Dann überlege ich mir, ob es mir damit gut geht, dass wir irgendwo im nirgendwo der andorianischen Eiswüsten abgestürzt sind.“

 

„Irgendwo im Nirgendwo ist keine korrekte geographische Bezeichnung, denn Nirgendwo impliziert geradezu, dass es nicht irgendwo ist. Daher kann es kein Irgendwo in einem oder präzisrer dem Nirgendwo geben.“

 

„Danke für diese Nachhilfe in deutscher Semantik, aber jetzt müssen wir unsere Passagiere losschnallen.“, befahl Riker, der schon an Beverlys Gurten hantierte. Data half zuerst Julian aus seinem Sitz, bevor er sich in die zweite Reihe vortaste und zuerst Grilka und dann Elim befreite. Als der Cardassianer auftrat, zuckte er zusammen, sagte aber nichts.

 

Doch Beverly hatte bereits ihren medizinischen Tricorder aktiviert und scannte alle Personen. Sie schaute entschuldigend zu Commander Riker, bevor sie sagte: „Es tut mir sehr leid. Die Gurte der hinteren Sitze sind nicht für so hohe Belastungen und die spezielle klingonische bzw. cardassianische Physiognomie ausgelegt gewesen: Lady Grilka, ihre Schulter ist überdehnt. Ich werde Ihnen ein Hypospray gegen die Schmerzen verabreichen, in der nächsten Stadt werden wir einen Biogeleinlauf in das Gelenk machen. Gul Garak, leider ist ihr Knöchel verstaucht. Ich kann Ihnen ebenfall etwas gegen die Schmerzen geben, aber Sie sollten das Bein hochlagern und kühlen.“

 

„Ich brauche kein Hypospray. Eine Kriegerin ist es gewohnt, Schmerzen zu ertragen. Und heute muss ich ja keinen Panzer tragen. Wie weit ist es zur nächsten Stadt?“, polterte Grilka, die sich an Data und Riker vorbei zur Steuerkonsole zwängte, „Und wer hat unser Shuttle abgeschossen?“

 

Elim lächelte schüchtern: „Doktor Crusher, ich bin von Ihrer medizinischen Expertise höchst beeindruckt; ich nehme gern das Schmerzmittel und ich lagere auch gerne meinen Fuß hoch, aber bitte keine Kühlung. Ich finde es hier schon kalt genug, der Gedanke daran, dass wir in wenigen Minuten völlig von Schnee bedeckt sein werden bei dem Sturm, der uns heruntergerissen haben muss, macht mich erschaudern. Julian, würdest Du mir helfen?“ Er unterdrückte schmerzverzerrte Gesichtszüge, doch Julian erkannte, dass der Fuß seinem Mann mehr Sorge bereitete als er zugab.

 

Julian holte zwei Schwimmwesten aus einem Seitenfach, machte daraus einen provisorischen Sitz und half Elim gemeinsam mit Beverly, sich darauf zu setzen.

 

„Darf ich, oder möchten Sie selbst?“, fragte er Beverly, als sie Elim ein Hypospray injizieren wollte.

 

„Natürlich können Sie das machen, Herr Kollege.“ Beverly lächelte Elim an und gab Julian das Gerät.

 

„Danke, Doktor Crusher, und auch wenn es hier keine Bedeutung hat, ich bin nicht Teil der Militärverwaltung und daher kein Gul, meine Anrede ist Legat wie bei allen führenden Mitgliedern der Zivilregierung.“

 

„Oder des cardassianischen Geheimdienstes.“, ergänzte Data zu Elims Missfallen. „Außerdem muss ich Sie korrigieren, Legat, wir sind nicht durch einen Schneesturm zum Absturz gebracht worden und auch nicht durch Sabotage des Shuttles oder technisches Versagen. Wir wurden beschossen.“

 

Riker rollte mit den Augen: „Ich wollte das nicht unbedingt zum Thema der allgemeinen Besprechung machen, aber Commander Datas Ehrlichkeit ist unübertroffen.“

 

„Wer würde es wagen, Grilka aus dem Haus der Grilka abzuschießen? Einer von diesen blauhäutigen Fühlerwesen?“

 

„Es steht nicht fest, Lady Grilka, dass der Anschlag Ihnen galt.“, kommentierte Data. „Legat Garak ist ebenfalls ein lohnendes Ziel. Auf jeden Fall wußten die Attentäter, wann und wo wir fliegen würden. Und sie haben ihren Angriff mit Phasern ausgeführt, deren Frequenz exakt auf die der Föderation abgestimmt wurde.“

 

„Ha, das ist doch der Beweis: Die Enterprise selber hat uns abgeschossen. Sicher hat sie dazu Befehl von Captain Girolami aus dem Multiversiellen Besonderheitssecernat bekommen! Ich habe Captain Picard gewarnt, und das ist der Versuch, mich mundtot zu machen.“

 

Julian wandte sich Elim zu und streichelte seinen Stirnkamm: „Es tut mir leid, dass unser Hochzeitsurlaub so beginnt.“

 

„Du kannst doch nichts dafür, Echsi!“, herzte Elim ihn. Dann wandte er sich an Riker: „Commander, wie lange wird es dauern, bis uns ein anderes Shuttle von hier abholt.“

 

Riker überlegte kurz: „Wenn es sich wirklich um einen gezielten Anschlag auf das Leben eines von ihnen handelt, dann wäre es völlig falsch, das Notsignal zu aktivieren und damit die Angreifer direkt hierher zu locken.“

 

Elim schaute zweifelnd zum Commander, dann zu Data und zuletzt zu Julian: „Ich verstehe nicht ganz, was Sie als Alternative vorschlagen wollen.“

 

„Es gibt nur eine logische Möglichkeit: Wir müssen das Shuttle so schnell als möglich verlassen und zu Fuß zur nächsten Stadt gelangen.“, erklärte Data.

 

„Eine gute Entscheidung. Ich nehme noch meinen Mantel, dann gehen wir. In welcher Richtung ist die Stadt und wie weit ist es?“, fragte Grilka, die sich an beiden vorbeidrängte und ihren Koffer im hinteren Teil des Shuttles losschnallte, öffnete und darin etwas zu suchen begann.

 

„Halt! Stop! Elim kann nicht gehen, sein Knöchel ist verstaucht. Und bei der Außentemperatur überlebt er einen Marsch keine Stunde!“

 

„Will, er hat recht. Der Legat kann nicht durch den Schnee gehen.“, ergänzte Beverly.

 

„Wir können aber auch nicht hierbleiben.“, erwiderte Riker.

 

„Ich bleibe bei Elim hier, ihr geht und holt Hilfe aus der Stadt. Wir tarnen das Shuttle mit Schnee und deaktivieren alle Signale, die geortet werden könnten.“

 

„Wenn aber der Legat das Ziel ist?“, fragte Data.

 

„Je länger wir diskutieren, desto schneller haben uns die Feinde, wenn es denn welche außerhalb der Enterprise gibt. Warum schnallen wir ihn nicht auf einen Schlitten und ziehen ihn: Data ist ein Android und unser heldenhafter Arzt-Ehemann ist ein Augmentierter, der kräftig genug sein müsste. Unsere liebe Ärztin überwachte seine Biosignatur, Sie, Commander Riker, machen das Schlußlicht und halten uns den Rücken frei, ich mache die Anführerin.“, entschied Grilka und präsentierte einen umfangreichen Mantel aus Zobelimitat mit einer dazupassenden Pelzmütze.

 

„Mit Verlaub, auf weißem Schnee ist ein schwarzer Pelzmantel, auch wenn er nur ein Imitat ist, sehr gut sichtbar. Ich empfehle, den Stoff mit Löschschaum zu färben.“, sagte Data.

 

Beverly schaute auf Elim, der ratsuchend zu Julian blickte. Dann wandte er sich an Beverly: „Frau Doktor. Mein Mann ist zurzeit emotional zu abgelenkt, aber kann sicher einen Schlitten ziehen. Es tut mir leid, der Gruppe solche Mühe zu bereiten, aber ich werde wohl das schwerste Gepäckstück bei diesem Gewaltmarsch werden. Ich werde noch zwei Mäntel anlegen, die ich im Gepäck habe. Commander Data, es wird sie freuen, dass einer davon ein weißes Nerzimitat ist. Trotzdem bin ich mir sicher, dass die kalte Außenluft mich in eine Kältestarre fallen läßt. Das ist kein Problem, wenn ich innerhalb von zehn Stunden ‚aufgetaut‘ werde.“

 

„Elim, das mußt du nicht!“, sagte Julian.

 

Während Grilka schweren Herzens den Handfeuerlöscher nahm und ihren gigantischen Zobelmantel mit dem Löschpulver weiß färbte, wandte Riker sich flüsternd an Data: „Sie hat leider recht, so ist es am sichersten. Denn ich kann sie nicht Schlußlicht machen lassen. Allerdings, wenn ihr etwas passiert.“

 

„Sie hat die Funktion selbst gewählt, wir können das auch ins Logbuch des Shuttles eintragen. Sobald wir außer Sichtweite sind, werden wir das Notsignal des Shuttles aktivieren, um Feinde von unserer Verfolgung abzulenken. Das nächste Dorf, das in unseren Karten verzeichnet ist, befindet sich etwa fünfundzwanzig Kilometer von hier, allerdings mit zwei mittelgroßen Hügeln dazwischen. Es wird also knapp werden. Mehr beunruhigt mich aber, dass die Phaser direkt aus der Richtung gekommen sind, in der die Enterprise im Orbit sein müsste. Ob es eine Raumschlacht gegeben hat, bei der die Enterprise beschädigt oder geentert wurde?“ Mit einem metallischen Klong prallte eine klingonische Jausendose an Datas Kopf.

 

„Ich habe wohl noch nicht oft genug gesagt, dass ich es nicht dulde, wenn in Gegenwart einer Dame geflüstert wird.“ Entschuldigend wandte sich Grilka an Beverly: „Damit hatte ich mich gemeint. Ärztinnen zählen nicht als Damen!“

 

„Natürlich, Lady Grilka. Wir sollten keine Zeit verlieren. Den Schlitten basteln wir aus zwei Verdeckplatten des Shuttles. Der ständige Wind draußen wird unsere Spuren im Schnee gut verbergen.

 

„Alles wird gut, Nuur Aiyni!“, sagte Julian zu Elim.

 

„Was heißt das?“, fragte Beverly.

 

„Es ist arabisch und bedeutet ‚Licht meiner Augen‘. Meine Großmutter hat meinen Großvater so genannt.“, erklärt Julian, während er sich aus einem anderen Koffer einen bodenlangen, blassblauen Mantel aus Plüsch nahm. Beverly hatte einen Sternenflottenumhang in Medizinblau, Riker und Data zwei weiße Daunenjacken im Gepäck gefunden.

 

Elim wandte sich an Beverly: „Er ist schon fast ein richtiger Cardassianer, so wie er seine Familie liebt und ihre Tradition fortsetzt! So…“, nachdem er den weißen Nerzimitatmantel angezogen hatte und damit auf den doppelten Umfang anwuchs, „Ich bin bereit für den Marsch!“

 

„Vorwärts! Auch wenn’s da draußen ein Wetter hat wie auf Rura Penthe!“, befahl Grilka. Und Data öffnete mit einer Taste die Heckfläche, woraufhin eine Welle eiskalter Luft den Shuttleraum erfüllte.

 

Da Grilka als erste hinaustrat und der pfeifende Wind genug Geräusch erzeugte, wandte sich Riker nochmals leise an Data: „Das wird kein Urlaubsspaziergang, das wird ein Gewaltmarsch!“

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