TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

1.05 - Stumme Schreie

von Emony

Unheimliche Begegnung

Zeitrahmen April/Mai 2256

Die Bank im Arboretum des Academy Campus‘ mit Blick auf den Pazifik wurde im Verlauf der nächsten Wochen zu ihrem inoffiziellen Treffpunkt. Was zufällig begonnen hatte, wurde zur Regelmäßigkeit, die Uhura zunehmend schätzte. Meist saßen sie nicht länger als eine halbe Stunde beisammen, sprachen über dies und das und genossen die Zweisamkeit.

Zunächst waren ihre Gesprächsthemen eher akademischer Natur gewesen, doch hin und wieder kam es vor, dass Spock ein kleines, privates Detail aus seinem Leben erwähnte, was ihre Gespräche auf eine persönliche Ebene brachte. Uhura nahm an, dass er es als einziger Vulkanier an der Academy nicht immer leicht hatte. Dass er sich einsam und vielleicht auch etwas missverstanden fühlte.

Besonders gern sprach er über seine menschliche Mutter, die ihm offenbar sehr wichtig war. Uhura konnte sich kaum vorstellen, wie zwiespältig seine Kindheit gewesen sein musste. Weder als Vulkanier noch als Mensch in einer so strengen Kultur aufzuwachsen. Spock war nicht der erste Mischling, wie Uhura lange Zeit angenommen hatte. Spock hatte ihr erzählt, dass ein Commander Charles Tucker und Sub-Commander T’Pol vor rund einhundert Jahren das erste Mischlingskind dieser beiden Kulturen bekommen hatten. Das Kind hatte jedoch nur wenige Tage gelebt, wodurch lange Zeit angenommen wurde, beide Spezies seien inkompatibel miteinander. Trotzdem war es immer wieder zu Mischbeziehungen gekommen.

„Wie haben sich Ihre Eltern eigentlich kennengelernt?“, wollte Uhura an diesem Nachmittag wissen, als sie erneut gemütlich beieinandersaßen und den sonnigen Tag genossen.

Spock ließ die Frage einige Zeit auf sich wirken. „Als Botschafter der Föderation lebte mein Vater einige Jahre auf der Erde. Nachdem seine erste Frau starb, ehelichte er meine Mutter.“

„Verstehe“, erwiderte Uhura neutral. „Aber das beantwortet meine Frage nicht unbedingt.“

Spock nickte kaum sichtbar, ehe er zunächst beide Augenbrauen anhob und hinaus aufs Meer blickte. „Ich muss gestehen, dass mir die näheren Umstände nicht bekannt sind.“

Das erstaunte Uhura doch sehr. „Sie haben Ihre Eltern nie nach deren erstem Treffen gefragt? Wie sie sich ineinander verliebten und schließlich heirateten?“

Spock zuckte daraufhin unmerklich die Schultern. „Warum hätte ich das tun sollen?“

Die Nüchternheit der Vulkanier war etwas, das Uhura nicht immer ganz nachvollziehen konnte. Spocks Zurückhaltung wirkte durchaus anziehend auf sie, verglichen mit den jungen Männern, die ihr fortlaufend den Hof machten und dabei so aufdringlich waren, dass es ihr den letzten Nerv raubte. Trotzdem war sie sich manchmal nicht sicher, ob sie es tatsächlich mit einem Lebewesen oder doch eher mit einer künstlichen Lebensform zu tun hatte. „Ihre Mutter hätte sich womöglich gefreut, davon zu erzählen.“

Sein Blick wandte sich ihr wieder zu und er musterte Uhura einen langen Moment. „Der Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen.“ Spock machte eine Pause. „Wenn es Sie interessiert, kann ich sie bei meinem nächsten Anruf danach fragen.“

Es gab Tage, da wollte sie Spock – Vorgesetzter hin oder her – einfach nur schütteln. Es ging doch nicht darum, ihre Neugierde zu befriedigen. Nun, vielleicht ein bisschen. Aber vor allem wunderte es sie, dass es Spock augenscheinlich noch nie interessiert hatte. Oder zumindest nicht genug, um das Thema anzusprechen. Sie hatte sich die Liebesgeschichte ihrer eigenen Eltern schon so oft angehört – und immer wieder gerne. Ihr Vater hatte eine besonders romantische Ader. Wann immer er ihr davon erzählte, wie er ihre Mutter das erste Mal gesehen hatte, leuchteten seine Augen vor Glück. Womöglich hatte Uhura daher eine verklärte Vorstellung davon, wie Liebe ausgedrückt werden sollte.

Sie mochte Spock – sehr sogar. Sie wollte hinter seine kühle Fassade sehen, ihn ganz persönlich kennenlernen. Sie war überzeugt davon, dass er tief in seinem Innern einen warmen Kern hatte. Nur wie sollte sie es anstellen, ihm wirklich näher zu kommen? Es war ja nicht nur so, dass er ihr Dozent war, er war eben auch ein Halbvulkanier. Das waren gleich zwei Fakten, die nicht gerade viel Hoffnung in ihr weckten. Andererseits traf er sich scheinbar gerne mit ihr. Und soweit sie wusste, nur mit ihr. Das musste doch etwas bedeuten.

Als Spock sich plötzlich erhob und die Schultern straffte, riss er Uhura unsanft aus ihren Gedankengängen. „Ich habe gleich eine Vorlesung“, erklärte er. Er musste ihren fragenden Blick entsprechend analysiert haben.

Uhura nickte und erhob sich ebenfalls. „Dann will ich Sie mal nicht länger aufhalten.“

Es verging eine gefühlte Ewigkeit, in der sich beide lediglich ansahen. Uhura überlegte, ob sie Spock die Hand zum Abschied reichen sollte, aber da sie wusste, wie ungern Vulkanier sich berühren ließen, verwarf sie den Gedanken gleich wieder.

„Morgen, zur selben Zeit?“, erkundigte sich Spock. Es war schon beinahe ein Ritual geworden. Stets ging die Frage von ihm aus, wobei er so reserviert und emotionslos blieb, wie Uhura es inzwischen von ihm gewohnt war.

Sie nickte ihre Bestätigung und schenkte ihm ein kleines Lächeln. „Bis morgen.“

***

Als Uhura an diesem Abend aus der Bibliothek auf dem Weg nach Hause war, schleppte sie einen Stapel PADDs mit sich. Sie hatte sich alle möglichen Informationen über die vulkanische Kultur herausgesucht, über den Ersten Kontakt bis hin zur Gründung der Föderation. Sie wollte so viel wie möglich über die Beziehungen zwischen Menschen und Vulkaniern erfahren.

In ihrem Wohnheim angekommen, stieg sie in den Lift, der sie in die oberste Etage bringen würde, wo ihr Zimmer lag. Sie hoffte inständig, dass Gaila nicht wieder einen Liebhaber bei sich hatte und ihr den Zugang mal wieder verwehrte. Zwar hatte sich die Häufigkeit reduziert, trotzdem kam es gelegentlich noch vor. Und meist dann, wenn Uhura es am wenigsten gebrauchen konnte.

Im Korridor flackerte das Licht – inzwischen schon den dritten Tag in Folge. Uhura fragte sich, wann mal ein Techniker vorbeikommen und es endlich reparieren würde. Sie hatte den Defekt doch längst gemeldet und war damit vermutlich nicht die einzige Bewohnerin auf diesem Stockwerk gewesen.

Als es zunächst dunkel und dann flackernd wieder heller wurde, kam ihr eine junge Frau entgegen, die etwas zu ihr sagte. Obgleich menschlich, vermochte es Uhura zu ihrem eigenen Erstaunen nicht, die Worte der Frau zu verstehen. „Meinst du mich?“, fragte sie daher nach und wandte sich flüchtig um. Womöglich sprach sie mit jemand, der sich hinter Uhura ebenfalls im Korridor befand, doch sie war allein mit der jungen Frau.

Das Licht flackerte erneut, die junge Frau kam näher und redete immer noch in einer Sprache, die Uhura nie zuvor gehört hatte. „Ich verstehe dich nicht. Tut mir leid.“ Die junge Frau erreichte Uhura schließlich, doch anstatt stehen zu bleiben und einen vernünftigen Dialog zu führen, schritt die Frau geradewegs durch Uhura hindurch. Ein eisiger Schauer lief Uhura die Wirbelsäule entlang. Die PADDS fielen klappernd zu Boden. Das Licht flackerte abermals. Und als Uhura sich langsam umdrehte, um nach der jungen Frau zu sehen, war diese spurlos verschwunden.

Uhura stand wie versteinert im Korridor und wagte es kaum, zu atmen. Was sie soeben erlebt hatte, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären. Der Schrecken jedoch saß ihr in den Gliedern. Das Herz in ihrer Brust raste unnatürlich schnell. Es dauerte einige Zeit, ehe sie es wagte, sich nach den fallengelassenen PADDs zu bücken und diese aufzuheben. Rasch sammelte sie alle auf und eilte zu ihrem Quartier. Sie gab den Code ein, doch der Zutritt wurde ihr verweigert. Sie gab den Code erneut ein. Wieder und wieder und jedes Mal wurde ihr mittels einer kleinen roten Leuchtdiode, die aufleuchtete, der Zugang verwehrt.

In ihrer Verzweiflung drückte sie den Türsummer und ließ ihn nicht mehr los, bis Gaila ihr die Tür öffnete und sie in die Sicherheit ihres Quartiers flüchten konnte.

Gaila stand lediglich in ein Badetuch gewickelt vor ihr, triefend nass und mit einem zunächst vorwurfsvollen Blick, der jedoch in Besorgnis umschlug, als sie Uhuras Zustand bemerkte. „Meine Güte, Liebes, was ist passiert? Vor wem bist du auf der Flucht?“

„Der Code ging nicht“, rechtfertige sich Uhura und starrte die geschlossene Tür an. Sie zitterte immer noch am ganzen Leib.

„Du musst dich vertippt haben“, schlussfolgerte Gaila. Sie kannte sich mit Technik einigermaßen aus und der Code war seit ihrem ersten Tag derselbe geblieben. Sie hatte ihn selbst vor wenigen Stunden verwendet und war ohne Probleme in das gemeinsame Quartier gelangt.

„Bist du allein?“, fragte Uhura und sah sich gehetzt in der gemeinsamen Unterkunft um.

Gaila nickte. „Ich stand unter der Dusche.“ Sie nahm Uhura die PADDs aus der Hand und legte sie auf ein nahes Regal. „Was ist passiert? Du siehst aus, als hättest du eine unheimliche Begegnung gehabt.“

Das traf den Nagel auf den Kopf. „Ich glaube … ich habe einen Geist gesehen“, flüsterte die angehende Linguistin und sah weiterhin ängstlich auf die verschlossene Tür.

„Einen Geist?“ Gaila kam nicht umhin, ihrer Zimmergenossin einen skeptischen Blick zu schenken. „Du glaubst doch gar nicht an Geister.“ Allerdings sprach Uhuras Zustand für sich, das musste selbst Gaila zugeben. „Komm, setz dich erstmal. Ich mache dir einen Tee und dann erzählst du mir alles.“

Gaila zeigte sich als ausgesprochen verständnisvoll, auch wenn sie skeptisch blieb. Sie tat ihr Möglichstes, um ihre Freundin zu beruhigen. Letztlich ging sie sogar soweit, dass sie Uhura anbot, das Bett mit ihr zu teilen.

Uhura lehnte jedoch ab. Sie gab sich deutlich gefasster, als sie sich in Wirklichkeit fühlte und lag in jener Nacht noch lange wach, während sie dem leisen Schnarchen Gailas lauschte.
Rezensionen