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Bettgeflüster

von Gabi

Kapitel 1

Bettgeflüster

 

 

 

Gaheris räkelte sich behaglich unter den Laken. Seit der Sternenflottenlieutenant auf die Ermunterung seiner Kommandantin hin in der Besprechung der Senioroffiziere damit herausgerückt war, dass er eine Beziehung zum Kai von Bajor unterhielt, war zumindest sein Privatleben ein wenig einfacher geworden. Zuvor hatten sie sich nur im Ashalla-Kloster auf Bajor treffen können und auch dort nur unter Vorsicht intime Momente verleben dürfen. Jetzt war es möglich, dass der Kai die Station besuchte und sich abends in das Quartier des Lieutenants zurückzog, ohne dass sie hanebüchene Ausreden dafür hätten erfinden müssen. Dass der Kai den blonden Terraner im Dienst der Sternenflotte zu seinem Liebhaber erwählt hatte, hatte sich wie ein Lauffeuer auf der Station verbreitet. Gaheris schätzte, dass innerhalb einer Stunde nach seiner Bekanntgabe im morgendlichen Meeting sogar die letzte cardassianische Ratte in den längst vergessenen Eingeweiden der Station Bescheid gewusst hatte. In den ersten Tagen hatte er sich wie auf einem Präsentierteller gefühlt. Gleichgültig, wo er ging und arbeitete, konnte er die Blicke auf sich spüren. War er bislang der Neue gewesen, der kumpelhafte Wissenschaftsoffizier, der für jeden immer ein Lächeln übrig hatte, hatte sich sein Status radikal geändert. Jetzt war er derjenige, dem der Kai sein Herz geschenkt hatte. Besonders der bajoranische Teil der Station schien ihm nun ununterbrochen auf die Finger zu sehen, ob er dieser hohen Ehre auch würdig war. Der Erwartungsdruck war enorm, was Gaheris gar nicht bedacht hatte.

 

Doch diese Unannehmlichkeiten wurden gänzlich dadurch aufgewogen, dass er nun öffentlich die Hand seines Partners nehmen und ihn ohne Versteckspielen in seinem Bett willkommen heißen durfte.

 

Gestern Abend hatte Kai Sarius Haznar die bajoranische Bevölkerung an Bord von Deep Space Nine mit einer Messe erfreut, doch nach den Gesprächen mit den Gläubigen hatte er ganz ihm gehört; ihm, dem unbedeutenden Sternenflotten-Lieutenant.

 

Sie hatten eine wunderbare Nacht verbracht. Ihre nackten Körper verschlungen, hatten sie sich gegenseitig zur Ekstase gebracht, sich in die Umarmung fallen lassen, nur um sich nach einer kurzen Erholungsphase wieder zu erregen. Gaheris wunderte sich über die Intensität, mit welcher der Geistliche den Sex mit ihm betrieb. Er hätte vermutet, dass das keine Beschäftigung wäre, welcher der bajoranische Klerus einen sehr hohen Stellenwert beimaß. Doch Sarius wirkte im Bett so, als ob er alles nachholen wollte, was er wohl schon längere Zeit entbehrt hatte. Eine Seite, die dem immer ruhigen, immer überlegen wirkenden Kai niemand zutrauen würde.

 

In tiefer Zufriedenheit schmiegte Gaheris sich an den Körper des Bajoraners. Träge rieb er den Penis an der Hüfte seines Liebhabers, nicht um sich noch einmal zu erregen, sondern nur um ihm nahe zu sein. Sein Körper fühlte sich durch und durch befriedigt an, sein Becken pochte in angenehmer Taubheit. Die Hand hatte er auf Sarius‘ Brust gelegt, die Lippen liebkosten Hals und Schlüsselbein.

 

Von dem ordentlichen Seitenscheitel, den der Wissenschaftler zu tragen pflegte, war nicht mehr viel geblieben. Das dunkelblonde Haar stand ihm in frechen, weichen Strähnen ab.

 

„Du siehst jünger aus, wenn du so verstrubbelt bist“, stellte Sarius fest, nachdem er seinen Liebhaber eine Zeit lang betrachtet hatte. „Jung und frech.“

 

„Was meinst du, warum ich den Bart trage“, grinste Gaheris. „Rasiert sehe ich zehn Jahre jünger aus, da nimmt mich niemand für ernst.“

 

„Ich wette, du warst ein umwerfend charmanter Kadett.“ Sarius‘ Augen glitten verträumt über die Züge seines Liebhabers und nahmen jede kleinste Linie auf.

 

Gaheris nutzte die Chance sofort ihn zu küssen. Seine Zunge eroberte den willig geöffneten Mund. Ihre Zungen streichelten sich zart und Gaheris merkte, dass sein Becken erstaunlicherweise doch noch Reserven besaß. Es gab wenig, was ihn so sehr stimulierte wie ein ausgedehnter Zungenkuss. Er stöhnte auf und verstärkte die Bewegung seiner Hüfte.

 

Sarius löste schließlich den intimen Kuss. Seine nächsten Worte waren das Äquivalent einer kalten Dusche für die Erektion seines Liebhabers. „Ich frage mich schon die ganze Zeit, wie dein erstes Mal wohl gewesen ist, als zauberhafter junger Mann.“

 

Gaheris starrte auf ihn hinunter. „Das willst du jetzt nicht wirklich wissen?“ Er spürte, wie sein Glied wieder weich wurde.

 

„Hätte ich sonst gefragt?“

 

Gaheris betrachtete die tiefgrünen, ernsten Augen des Bajoraners. Nein, der Kai von Bajor sagte Dinge nur einmal und was er sagte, meinte er auch genau so. Er ließ sich auf das Laken fallen. Er verspürte kein Verlangen danach, dem geliebten Mann in die Augen zu sehen, während er ihm von seinen Jugendsünden erzählte.

 

Sarius rollte sich ebenfalls auf den Bauch. Er betrachtete den Terraner von der Seite, ließ ihm jedoch die Privatsphäre, die dieser benötigte, um sich mit den Gedanken seiner Vergangenheit zu beschäftigen.

 

Als sie beide Seite an Seite und Schulter an Schulter auf dem Bett lagen, begann Gaheris zu erzählen: „Ich war einundzwanzig, sah aus wie sechzehn, und meine Entjungferung hat eine Kneipenschlägerei ausgelöst …“

 

 

* * *

 

 

Es war das erste Mal, dass er den Fuß in eine Schwulenbar setzte. Peter Gaheris, Kadett im zweiten Jahr, hatte heute Morgen beim Aufstehen beschlossen, dass er endlich seine Jungfräulichkeit verlieren musste. Seine Zimmergenossen sprachen derzeit von nichts anderem als von ihren diversen Eroberungen in den einschlägigen Kadettenbars. Gaheris war ein paar Mal dabei gewesen, hatte auch bereits eindeutige Angebote von jungen Frauen erhalten, jedoch mit einer gewissen Überraschung festgestellt, dass er sich überhaupt nichts aus den leichtbekleideten, gut ausgestatteten Damen machte. Er hatte sich bislang noch keinen großen Kopf um Intimitäten gemacht. Er hatte das Grundstudium in Astrophysik an der Universität für angewandte Weltraumforschung auf seinem Heimatplaneten Cetris III absolviert und sich dann an die Sternenflottenakademie auf Terra beworben. Als angehender Offizier mit Ausrichtung in Naturwissenschaften hatte er ein höheres Pensum abzuarbeiten als seine Kommilitonen in Taktik oder Operations. Das hatte ihn bislang genügend beschäftigt. Doch natürlich wollte er auch nicht außen vor stehen, wenn seine Clique abends auf Barstreifzüge ging.

 

Die Erkenntnis, dass er sich mehr für den knackigen Hintern eines Mannes interessierte als die weichen Rundungen einer Frau war ein Augenöffner für ihn gewesen. Unglücklicherweise setzte sich seine gesamte Clique aus gnadenlos heterosexuellen jungen Männern zusammen, so dass er keine Chance hatte, seine Fühler in einer vertrauten Umgebung auszustrecken. Seine beiden besten Freunde hatten ihm dann diese Bar hier empfohlen, sie hatten ihm auch angeboten ihn zu begleiten. Doch das hatte er dankend abgelehnt. So sehr er sich im nüchternen Zustand auf sie verlassen konnte, so unberechenbar waren sie, wenn sie ein paar Gläser intus hatten. Und darauf, bei diesem schwierigen Schritt blamiert zu werden, konnte er liebend gern verzichten.

 

So kam es, dass er sich nun alleine dem Tresen näherte. Seine vorsichtigen Blicke zeigten ihm einige gleichgeschlechtliche Paare an den Tischen und in den Nischen und eine große  Anzahl von Singles, vorzugsweise Männer verschiedener Spezies. Er holte einmal tief Luft, dann zog er sich mit einer einigermaßen forschen Bewegung einen Barhocker zurecht und ließ sich darauf fallen. Während er sich noch einmal umsah, spürte er, wie Hitze in seinen Wangen und Ohrenspitzen aufstieg. War er sich wirklich sicher, was er hier tat? Auch wenn seine Kumpel ihm da vehement widersprochen hätten, gab es vielleicht doch die Möglichkeit, die Akademiezeit auch als Jungfrau zu überstehen. Nein, er schüttelte vehement den Kopf vor seinen eigenen Gedanken, er würde jetzt keinen feigen Rückzieher machen!

 

Als sein Kopf wieder stillstand und der Blick klar wurde, sah er sich dem breiten Grinsen des Barkeepers gegenüber. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass der Mann sich in der Zwischenzeit genähert hatte.

 

„Ähem … ich …“ Er ließ den Blick rasch über das Angebot hinter dem Tresen gleiten, „bekomme einen doppelten Wobbler.“

 

„Nimm’s mir nicht übel, Kleiner“, entgegnete der Barkeeper nicht unfreundlich, „aber ich muss deinen Ausweis sehen. Du siehst mir nicht volljährig aus.“ Als Gaheris seufzend in die innenliegende Brusttasche der Kadettenuniform griff, fügte der Barkeeper entschuldigend hinzu: „Ich verliere meine Lizenz, wenn ich euch Kadetten unter zwanzig Alkohol ausschenke. Da sind eure Aufpasser extrem unentspannt.“

 

Gaheris reichte ihm den Akademieausweis. Er war diese Prozedur allmählich gewohnt. Mit seiner zierlichen Statur, den großen Augen, dem offenen Lächeln und den strubbeligen, blonden Haaren wirkte er eher wie sechzehn. Der Barkeeper nickte. „Alles klar, ein doppelter Wobbler!“ Während er das Gewünschte mixte, beobachtete er den Kadetten weiterhin aus dem Augenwinkel. „Du bist zum ersten Mal hier“, stellte er fest. „Neu an der Akademie?“

 

Gaheris schüttelte den Kopf. „Ende zweites Jahr.“

 

Der Barkeeper stellte ihm den Drink hin. „Wartest du auf jemanden?“

 

Abermals entgegnete der junge Mann mit einem Kopfschütteln, was ein Grinsen auf den Zügen des Barkeepers entstehen ließ. „Du bist auf der Pirsch!“

 

„Ich … nein … doch … ich …“ Gaheris packte das Glas und nahm einen Schluck daraus in der vagen Hoffnung, dass der Barkeeper sich dann jemandem anderes zuwandte. Natürlich tat er das nicht. Das Grinsen hatte sich indessen verbreitert. Der Mann tippte ihm mit den Zeigefinger auf die Brust und merkte höchst zufrieden an: „Es ist dein erstes Mal.“

 

„Nein, natürlich nicht“, beeilte Gaheris sich zu versichern, doch die Röte in seinen Wangen beantwortete die Frage anderweitig für ihn.

 

Mit einem Zwinkern zog der Barkeeper eine Schale mit Erdnüssen heran und steckte ein gänzlich unpassendes, kitschiges Papierschirmchen hinein.

 

Der junge Kadett blickte das feixende Gesicht des Mannes an, dann wieder das seltsam anmutende Arrangement neben sich. Er wurde den Eindruck nicht los, dass er das Kleingedruckte überlesen hatte.

 

„Wofür ist das?“, fragte er schließlich, als sich keine weitere Erkenntnis einstellen wollte.

 

Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber das Grinsen des Barkeepers wurde noch breiter. „Das bedeutet, dass ein Neuling eingeführt werden möchte. Spart eine Menge an peinlichem Herumgestottere und stundenlangem Festhalten an einem einsamen Drink. Und jeder weiß gleich, was Sache ist, und dass er behutsam mit dir umzugehen hat.“

 

„Was?!?“ Gaheris packte hektisch die Schale mit den Erdnüssen und riss sie an sich, um sie vor der Sicht von anderen zu verbergen. Ein Teil des Inhalts ergoss sich über den Tresen und kullerte ihm auf den Schoß. Der hellblau und pink getupfte Schirm segelte durch die Luft und schwebte sanft zu Füßen des Barhockers nieder.

 

Alarmiert sah Gaheris sich um, aber es war natürlich bereits zu spät. Etliche Barbesucher hatten sein Gespräch mit dem Barkeeper beobachtet und andere darauf aufmerksam gemacht. Zwei Männer näherten sich bereits seinem Platz und etliche andere zeigten offenes Interesse.

 

„Vielen Dank für die öffentliche Blamage!“, zischte er durch zusammengebissene Zähne.

 

Er spielte mit dem Gedanken, die Bar fluchtartig zu verlassen, doch er zwang sich dazu sitzen zu bleiben. Feigheit wollte er sich nicht vorwerfen lassen.

 

Der Barkeeper tätschelte ihm die Hand, Gaheris zog sie rasch weg. „Du gefällst den Jungs. Normalerweise reagieren nicht so viele. Das gibt sicherlich noch ne Schlägerei.“

 

„Was?!?“ Abermals übernahm die Hitze die Herrschaft über Gaheris‘ Züge.

 

„Du suchst Gesellschaft?“ Ein attraktiver Trill lehnte sich auf seiner rechten Seite an den Tresen. Er gab dem Barkeeper Zeichen für noch einen Drink.

 

Während Gaheris ihn noch ansah, strich von der linken Seite eine Hand zärtlich über seinen Nacken. „Komm lieber mit mir, ich werde dir jeden Wunsch erfüllen, Schöner.“ Auch von dieser Seite gesellte sich ein weiterer Drink seinem Wobbler hinzu.

 

Ein leicht panischer Blick in die Runde teilte ihm mit, dass es nicht bei diesen beiden Angeboten bleiben würde. Zu Beginn des Abends hatte er sich gefragt, wie er die Bekanntschaft eines möglichen Sexualpartners machen sollte. Jetzt war seine vordringlichste Frage, wie er sie wieder los wurde.

 

Er bedachte den Barkeeper mit einem flehenden Blick. Schließlich hatte der ihm diesen Schlamassel eingebrockt.

 

„Du hast die freie Auswahl“, munterte der ihn auf. „Hier ist doch garantiert jemand dabei, der dir gefällt.“

 

Gaheris sah sich um, immer noch höchst unangenehm berührt. Es waren ein paar Männer darunter, die ihm tatsächlich gefielen. Aber er konnte doch nicht … und wenn doch, wen …?

 

Noch während er fieberhaft eine gedankliche Rettung aus dieser prekären Situation suchte, betrat ein neuer Besucher die Bar und Gaheris‘ rutschte das Herz in die Hose. Genaugenommen direkt in den Bereich, um den es heute Abend vordringlich ging. Der Mann war an die zwei Meter groß, breit gebaut, sein verwegenes Shirt klaffte über einer muskulösen, tätowierten Brust weit offen. Tiefschwarzes Haar fiel auf seine Schultern herab und die Spezies konnte Gaheris nicht genau zuordnen. Alles an dem Typ strahlte eine gewisse gefährliche animalische Anziehung aus. Der junge Kadett konnte nicht verhindern, dass seine Vorstellung sich selbstständig machte.

 

„Gibt’s hier was umsonst?“, wollte sein tiefer Bass mit Blick auf die Gruppe am Tresen wissen. Sein Blick glitt über die Anwesenden und blieb dann an Gaheris hängen. „Du bist neu hier, und du siehst nicht aus, als seist du im richtigen Alter.“

 

„Das geht klar“, ließ sich der Barkeeper vernehmen. „Er ist über zwanzig, ich hab den Ausweis überprüft.“

 

Gaheris hatte das Gefühl, als ob hier über seinen Kopf hinweg diskutiert wurde. Was war er denn? Ein Preis bei einem Wettbewerb?

 

Wie passend dieser Vergleich war, erfuhr er kurz darauf.

 

Der Große hatte ihn von Kopf bis Fuß gemustert, dabei war der Blick auch auf das Papierschirmchen gefallen, das noch immer sein ungeliebtes Dasein am Stuhlbein fristete. „Alles klar“, brummte der Bass mit einer Zufriedenheit, die fatal an eine Katze erinnerte, die gerade einen Vogel erwischt hatte. „Ihr könnt euch verziehen, ich übernehme.“

 

„Das kannst du vergessen!“ Proteste der anderen wurden laut. „Wir waren zuerst da.“

 

Der Bass grinste. „Der Stärkere bekommt den Hübschen!“

 

Und dann flogen erst Fäuste, dann Barhocker und schließlich Körper. Gaheris presste die Stirn auf den Tresen und verschränkte die Hände in seinem Nacken, als um ihn her das Chaos ausbrach. Er richtete sich erst wieder auf, als eine schwere Hand auf seine Schulter fiel. Der Bass stand neben ihm, der Rest der Männer lag in diversen Positionen des Nase-, Kopf- oder Magenreibens zwischen den Stühlen oder hatte sich wohlweislich bereits aus der Schusslinie zurückgezogen.

 

„Ist es okay für dich, wenn ich das übernehme, Prinzessin?“

 

Gaheris starrte ihn an. Das Gesicht des großen Mannes strahlte absolute Selbstsicherheit aus. Er würde ihn als Vorspeise vernaschen, das war dem Kadetten klar, und ein Teil von ihm wünschte sich genau das. Jetzt hatte er die Möglichkeit „nein“ zu sagen und die Szene zu verlassen. Keiner konnte ihn zu irgendetwas zwingen. Er konnte das mit der Jungfräulichkeit auch noch gut ein paar Monate vor sich her schieben. Doch er brachte kein Wort heraus, sondern nickte lediglich.

 

„Gut.“ Der Bass beugte sich vor, schob einen Arm unter Gaheris‘ Knie und den anderen in dessen Rücken und hob ihn dann mühelos vom Barhocker hoch.

 

„Hey, ich …“

 

„… kann alleine gehen“, vervollständigte der große Mann den Satz. „Ich weiß. Das sagen sie alle.“ Er wandte den Kopf zum Barkeeper, dessen wenig begeisterte Miene zwei zerbrochene Barhocker begutachtete. „Ich nehm eins der Zimmer oben.“

 

Der Barkeeper winkte ab. „Hauptsache, du verziehst dich! Das hier bringst du mir nachher wieder in Ordnung!“

 

Gaheris begann zu strampeln, als der Bass ihn mühelos auf den Armen die Treppe hinauf trug. Er war doch keine Braut, die über die Schwelle getragen werden musste! Genauso gut hätte er auch mit den Fäusten auf die Mauern der Akademie einschlagen können, der Effekt war derselbe.

 

„Die nächsten Stunden habe ich die Kontrolle, schöner Junge“, raunte der Bass. „Du entspannst dich und genießt.“

 

In dem Zimmer angekommen, das vor allem durch ein großes, bequem wirkendes Doppelbett dominiert wurde, warf er Gaheris auf ebenjenes. Bevor der Kadett sich in irgendeiner Weise wegdrehen konnte, war der Mann auch schon über ihm. Die Routiniertheit, mit welcher er in kürzester Zeit die Akademie-Uniform ausgezogen hatte, zeigte Gaheris, dass er das nicht zum ersten Mal tat. Er fragte sich flüchtig, wie viele junge Männer, denen er täglich auf dem Campus begegnete, wohl den Bass schon zwischen ihren Beinen gehabt hatten.

 

„Sehr schön.“ Der Blick des großen Mannes wanderte über den nun nackten Körper des vor ihm Liegenden. Es war Gaheris nicht möglich, die Beine zusammenzukneifen, da sich der andere zwischen seine gespreizten Oberschenkel gekniet hatte, und die Hände, die er automatisch zur züchtigen Bedeckung vor den Körper gelegt hatte, hatte der Bass mit einer mühelosen Bewegung abgefangen. Er hatte das Gefühl, dass sein Pulsschlag von außen zu sehen sein müsste, so hart trommelte er in seiner Brust. Sich in die Hände eines so gefährlich wirkenden, starken Mannes zu geben, erregte ihn. Solche Typen liefen nicht auf dem Campus herum.

 

Der Bass beugte sich über ihn, um seine Arme auf das Laken zurückzudrücken. Dabei strich das harte Leder des Gürtels über Gaheris‘ Penis, dem die Erregung bereits anzusehen war. Er presste das Gesicht gegen seinen Oberarm und stöhnte leise auf.

 

„So ist es gut“, hörte er die tiefe Stimme. „Die Arme bleiben genau dort. Du brauchst die für den Rest des Abends nicht. Ich übernehme.“

 

Der Bass riss sich das Hemd vollends über der Brust auf und streifte es ab. Gaheris starrte bewundernd die Muskeln und die Tätowierungen an und spürte, wie ihn dieser Anblick direkt zwischen den Schenkeln berührte. Er musste dagegen wie ein federloses Huhn wirken. Seine Zweifel schienen sich in seinem Blick widergespiegelt zu haben, denn der große Mann beugte sich mit aufmunterndem Lächeln nach vorne. „Ich steh total auf zarte Jungs. Jeder da unten in der Bar würde jetzt am liebsten mit mir tauschen, das kannst du glauben.“ Er ließ seine kräftigen Hände über Gaheris’ Flanken hinuntergleiten, strich über dessen Hüften nach hinten und packte dann die Pobacken. Mit einem erschrocken erregten Ausruf fühlte Gaheris’ sein Becken emporgehoben, als ob er keinerlei Gewicht hätte. Der Bass nahm die Erektion in den Mund. Gaheris krallte sich in den Laken fest und warf den Kopf nach hinten, als Zähne sich vorsichtig um die Spitze schlossen und die Vorhaut zurückschoben. Das Gefühl war unbeschreiblich. Der kräftige Mann hatte ihn vollständig in der Hand und diese Hilflosigkeit erregte ihn derart wie er sich das nicht hätte vorstellen können. Als eine raue Zunge über seine Eichel strich, ließ er sich einfach gehen. „Oh scheißescheißescheißescheiße ...“, keuchte er. „Ich komm gleich!“ Er warf den Kopf von einer Seite zur anderen, bis er ein Stück Laken mit dem Mund packen konnte, um darauf zu beißen. Das hier war so viel besser als alles, was er bislang unter der Dusche mit sich selbst gemacht hatte.

 

„Dann komm!“, forderte der Bass ihn auf. Er schloss abermals die Lippen um Gaheris’ harte Erektion und reizte ihn mit seiner Zunge. Es waren genau zwei dieser Berührungen nötig, bevor der Kadett das Laken losließ und seinen Höhepunkt hinausschrie. Mit heftigen Stößen kam er im Mund des Mannes, sein Hintern fest gepackt in dessen kräftigen Händen.

 

Der Bass zog langsam den Kopf zurück. Er leckte noch einmal über die Eichel, die wieder weich und elastisch geworden war, dann richtete er den Oberkörper auf. Gaheris lag erschöpft vor ihm, die helle Haut gerötet, die Brust mit einem leichten Schweißfilm überzogen, der Mund noch immer wie im Schrei geöffnet, um nach Luft zu schnappen.

 

„Du bist nicht nur Zucker“, raunte der Bass heiser, „du bist auch noch laut beim Sex. Ich kann dir gar nicht sagen, wie mich das anmacht! Da habe ich mir doch glatt den Hauptpreis erprügelt.“ Er ließ für einen Moment von Gaheris‘ Körper ab, um seinen Gürtel zu lösen und die eigene Hose zu öffnen.

 

Der junge Mann hob den Kopf, um sehen, wie der Bass ausgestattet war. Der Anblick ließ ihm die Röte in Wangen und Ohren schießen. Wie der Rest des Mannes auch, war dessen Penis massig, lang und breit und mehrfach gepierct. Gaheris wurde ein wenig schwindelig, als er sich vorzustellen versuchte, wie sich die kleinen Schmuckstücke wohl anfühlten, wenn sie ...

 

„Wir gehen das ganz behutsam an“, interpretierte der Bass abermals Gaheris’ Empfinden richtig. „Es soll so schön für dich sein, dass du gar nicht mehr von mir fort möchtest.“ Er zwinkerte ihm zu. Gaheris’ Beine waren wie Gummi, als der Bass sie packte und nach oben drückte, so dass er den Körper des jungen Mannes mit zwei kräftigen Griffen in seinem Schoß umdrehen konnte.  Nun bäuchlings presste der Kadett das Gesicht in die Laken. Seine Erschöpfung hatte nicht lange angehalten. Beim Umdrehen hatte der Bass eine Hand über seine weichen Genitalien gelegt, so dass seine empfindlichsten Teile jetzt durch sein Körpergewicht dagegen gedrückt wurden. Die Finger des großen Mannes kraulten sein Schamhaar und Gaheris spürte, dass sich sein Penis bereits wieder regte. Gierig begann er sich an der Handfläche zu reiben.

 

Der Bass gab einen Laut von sich, der wie ein zufriedenes Gurren klang. Er verstärkte den Griff in Gaheris’ Schritt und wurde dafür von einem weiteren leisen Schrei belohnt. Die andere Hand hatte sich auf Gaheris’ Hintern gelegt. Die Handwurzel presste gegen die Stelle, wo der Hodensack begann, die Finger strichen durch die Spalte zwischen den kleinen festen Pobacken. Er krümmte den Zeigefinger und presste die Spitze durch den Schließmuskel. Augenblicklich wurde die Bewegung von Gaheris’ Becken heftiger.

 

„Mach so weiter, und ich komm gleich nur von deinem Anblick“, raunte der Bass. Er zog die Hand unter Gaheris’ Becken heraus, was mit einem frustrierten Laut quittiert wurde. Er legte die Hand auf den Steiß des Kadetten, um ihn ein wenig still zu halten. „Hat dich echt noch kein Mann bestiegen?“

 

Wenn jemand anderes ihn so etwas gefragt hätte, hätte er sich beschwert, doch bei dem Bass passte es, es machte ihn an. Er wollte es, dass der andere die sexuelle Macht über ihn hatte. Es war perfekt, dass sein erstes Mal in den Händen des anderen lag.

 

Der Bass beugte sich hinüber zu seiner abgelegten Jacke und fischte aus der Innentasche eine Tube mit Gleitcreme. Ein zweiter Finger gesellte sich zu dem ersten und weitete behutsam den Schließmuskel des jungen Mannes. „Dann werde ich dich jetzt ordentlich zureiten, kleiner Hengst!“

 

* * *

 

Lieutenant Gaheris lächelte ein wenig schuldbewusst  das Kissen vor sich an „Und wie er mich rangenommen hat. Er musste mich danach zur Dusche tragen, weil ich nicht mehr gehen konnte ...“ Er hob den Kopf und sein nostalgisch verträumter Blick wich leichter Panik. Seine Ohren begannen zu glühen, als ihm bewusst wurde, wo er sich befand, und wem er hier sein Intimleben ausbreitete. „Es tut mir leid, Haz“, stammelte er. „Ich hätte nicht ... ich weiß auch nicht ... nicht so ausführlich. Entschuldige ...“ Er ließ den Kopf hängen und presste das Gesicht ins Kissen.

 

Warme Finger berührten seine Schulter, tanzten dort entlang und kraulten schließlich seinen Nacken. Das Gefühl, das diese sanfte Berührung auslöste, war so ganz anders als das, was er gerade aus seiner Jugend hatte Revue passieren lassen. Langsam drehte er den Kopf und öffnete die Augen, darauf bedacht, den Schulterbereich so bewegungslos wie möglich zu halten, um das angenehme Kraulen nicht zu stören.

 

„Alles in Ordnung, Peter“, versicherte Sarius ihm, als sich ihr Blick traf. Er neigte den Kopf hinunter, um ihn sanft auf den Mund zu küssen. „Ich wollte es hören. Ich bin sicherlich nicht eifersüchtig auf etwas, das vor zwölf Jahren geschehen ist. Und ich muss gestehen ...“, ein reuiges Lächeln huschte kurzzeitig über die Züge des Geistlichen, „... so ein wenig hat mich deine Erzählung auch erregt. Ich kann mir gut vorstellen, dass du als junger Kadett unwiderstehlich zauberhaft warst.“ Abermals küsste er ihn. „Du bist es ja als gestandener Lieutenant immer noch.“ Er rollte sich auf den Rücken, so dass er den Hals nicht mehr beugen musste, um seinen Liebhaber anzuschauen. „Aber natürlich interessiert es mich jetzt doch noch, wie das Gefühl war, als er dich mit all dem Piercing penetriert hat.“

 

Gaheris’ Wangen begannen zu glühen. Es war ein Unterschied, ob er über seine Jugendsünden sprach, während er das Kissen betrachtete und seine Gedanken auf der Straße der Erinnerung bummelten, oder ob er das tat, während er direkt in die fragenden Augen seines Liebhabers blickte.

 

„War es unangenehm oder war es erregend?“, half der Bajoraner aus.

 

Gaheris lächelte verlegen und hob eine Hand mit zwei Fingern hoch.

 

Sarius  streckte die Hände nach oben und umfasste das Gesicht seines Liebhabers. „Was meinst du, sollte ich dann auch ...?“ Er wackelte ein wenig mit den Augenbrauen und nickte in Richtung seiner unteren Körperhälfte.

 

Gaheris riss die Augen auf. Der Kai und ... Allein der Gedanke ... dass jemand ihn an den Genitalien berührte, um ... Er brachte es nicht einmal über sich diese Gedanken zu Ende zu denken. Entsetzt starrte er den Bajoraner an – und realisierte erst allmählich, dass dieser grinste. Erleichtert ließ er die Luft ausströmen. „Das war ein Scherz!“, bemerkte er vorwurfsvoll.

 

„Na, wenn dich das so anmacht, dann würde ich es mir überlegen ...“

 

Gaheris schüttelte vehement den Kopf. „Nein, nicht bei dir. Das passt nicht. Dein Körper ist so rein und natürlich. Du bist mein wunderbarer Engel.“ Er drehte sich auf die Seite, um eine Hand frei zu haben. Die legte er in den Schritt seines Liebhabers und streichelte sanft das glatte, weiche Glied.

 

Sarius räkelte sich ein wenig, bis er so lag, dass er die Liebkosung am intensivsten auskosten konnte. „Hast du ihn noch einmal wiedergesehen?“, ließ er das Thema immer noch nicht auf sich beruhen.

 

Gaheris nickte. „Als wir wieder in der Bar unten waren, hat er laut verkündet, dass er keinen anderen an meinen süßen Arsch lassen würde, solange er noch Aufenthalt auf Terra hatte. Und so kam es auch. Wir haben uns des Öfteren getroffen und ich muss gestehen, dass ich ihn auch gebeten habe, mich vom Campus abzuholen, weil ich mit ihm angeben wollte.“ Er grinste verlegen. „Besonders bei den Mädels hat das enormen Eindruck hinterlassen. Wir hatten Spaß, aber was Ernstes war das nicht. Nachdem er wieder geflogen ist, haben wir uns nie wieder gesehen.“

 

Sarius brummte zufrieden unter der sanften Massage seiner Geschlechtsteile. Ihm schien dieses Geständnis wirklich nichts auszumachen. „Und, hattest du später ernste Beziehungen?“

 

Gaheris betrachtete ihn nachdenklich. Seine Finger kraulten gedankenverloren die weichen Härchen des Bajoraners. „Nur einmal, auf meinem ersten Schiff nach der Akademie. Unglücklicherweise war es mein direkter Vorgesetzter in der wissenschaftlichen Abteilung. Als die Sache auseinander ging, hat das Arbeitsklima extrem gelitten. Ich habe mich dann mit Billigung des Captains auf ein anderes Schiff versetzen lassen, weil die Moral im Labor ziemlich schräg hing. Das war mir eine Lehre. Seit dem gab es nur noch One Night Stands während des Landurlaubs.“ Sein Blick kehrte in die Gegenwart zurück und er bedachte den Bajoraner mit einem liebevollen Blick. „Bis ich dich getroffen habe. Du hast mit deinem ersten Erscheinen damals im Wartebereich des Shuttlehafens alle meine Vorsätze niedergerissen.“ Er seufzte leise. Im Prinzip wäre er jetzt damit dran, die Frage zu stellen. Doch er war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte. Im Gegensatz zu Sarius stellte sich das Gefühl der Eifersucht sehr leicht bei ihm ein. Doch er war nicht der Kai und so sprach er auch Fragen aus, die er nicht beantwortet haben wollte, einfach weil er das Gefühl hatte, dass es fair wäre, sie zu stellen: „Und? Wie war es bei dir? Dein erstes Mal.“

 

Der Kai blickte zur Decke und begann zu lächeln. Auch das wollte Gaheris eigentlich gar nicht sehen. Der Gedanke daran, dass ein anderer Mann diesen Körper berührt hatte, behagte ihm nicht. Er wollte eben seine Frage zurückziehen, als Sarius zu erzählen begann: „Bei mir war es weit weniger heftig als bei dir. Bei mir kam allerdings das Problem meines Stands zum Tragen. Mein erster Partner war sicherlich wesentlich erfahrener als ich, jedoch ist die Achtung vor der Geistlichkeit bei uns so hoch, dass die Führungsrolle in jedweder Zusammenkunft immer automatisch an den Geistlichen geht. So wurde irgendwie von mir erwartet, dass ich die entsprechenden Anstöße gab.“ Sein Lächeln nahm eine entschuldigende Qualität an. „Praktisch hatte ich keinerlei Erfahrung, aber theoretisch hatte ich mir natürlich einiges angelesen...“

 

Nun musste Gaheris trotz seines unguten Gefühls grinsen. Er stellte sich Sarius Haznar als Klosterschüler vor, wie er zwischen den Stapeln von theologischen Texten, die er zu studieren hatte, heimlich in „Sex zwischen Männern – ein Leitfaden mit praktischen Anweisungen“ blätterte. Das Bild, das sich vor seinem inneren Auge aufbaute, wirkte sehr vergnüglich.

 

„Wir hatten bereits ein paar Mal miteinander gesprochen und wollten uns beim Abendessen besser kennenlernen“, fuhr Sarius fort. „Doch irgendwie waren wir beide zu aufgeregt, um die Ruhe für ein gepflegtes Tischgespräch aufkommen zu lassen ...“

 

* * *

 

Der Wein perlte in Tropfen vom Tisch und traf mit leisem Plopp auf dem Boden auf. Die Flasche mit dem edlen Inhalt völlig vergessen, ebenso das liebevoll zusammengestellte Essen, das allmählich kalt wurde.

 

Die beiden Männer standen neben dem kleinen Esstisch, ihre einzige Berührung immer noch diejenige ihrer Lippen, mit der sie zuvor jeden Gedanken an Essen und Konversation zunichte gemacht hatten. Sarius ging völlig auf in diesem Aufeinandertreffen von Haut auf Haut. Er hatte es sich immer vorgestellt, wie es wohl war, einen anderen Mann zu küssen. Er hatte es nur einmal probiert, als Junge mit einem anderen Jungen aus seiner Klasse. Aber das war noch vor seinem Ih‘tanu und nur ein keusches Berühren mit geschlossenen Lippen gewesen.

 

Jetzt war es anders. Das Aufeinandertreffen ihrer Lippen erfolgte nicht aus kindlicher Neugierde, sondern aufgrund von männlichem Verlangen. Er wollte es nicht bei dieser Berührung belassen, sondern endlich mehr erfahren, und er hoffte, dass sein Partner sich nicht durch seinen geistlichen Status von Intimitäten würde abschrecken lassen.

 

Sarius hielt die Lippen leicht geöffnet, in der Hoffnung, dass der andere es als Einladung verstehen würde, die Führung zu übernehmen. Er schmeckte den leicht herben Geschmack des Mannes, ein Aroma, in das er sich bei der ersten leichten Berührung verliebt hatte, und spürte die zarte, weiche Haut, die davon sprach, dass der Mann Wert auf intensive Körperpflege legte. Seine eigenen Lippen mussten sich im Vergleich dazu rau anfühlen. Neben seinen Studien hatte er keine Zeit für alles, was über das tägliche Duschen und Zähneputzen hinausging.

 

Auch sein Partner öffnete die Lippen und wagte es glücklicherweise etwas forscher zu werden. Seine Zungenspitze strich über die Zähne und tastete sich dann ein wenig weiter vor. Der herbe Geschmack des anderen Mannes verstärkte sich, als sich ihre Zungen berührten. Sarius stöhnte wohlig auf. Von seiner Mundhöhle breitete sich ein kribbelndes Gefühl über seinen gesamten Körper aus. Dass ein Kuss so erregend sein konnte, hatte er sich nicht ausgemalt. Auch er öffnete seine Lippen nun weit und massierte die Zunge seines Partners wie dieser es ihm vormachte. Immer noch war ihr Kuss der einzige Berührungspunkt. Wahrscheinlich wartete der andere Mann auch hier, dass der Geistliche die Führung übernahm. Sarius hob die Hände und legte sie seinem Partner auf die Oberarme. Mit leichtem Zug versuchte er ihm klarzumachen, dass er ihn umarmen sollte. Der Wink wurde sofort verstanden. So als ob er nur auf diese Erlaubnis gewartet hätte, schlang der andere die Arme um Sarius‘ Oberkörper. Die Fingerspitzen wagten sich über den Kragen des geistlichen Gewands hinaus und berührten seinen Nacken. Sarius ließ einen zufriedenen Laut vernehmen und lehnte sich in diese Berührung zurück. Das schien seinen Partner zu ermutigen, denn nun legte sich die gesamte Handfläche an seinen Hinterkopf und stabilisierte den immer noch fordernden Kuss.

 

Das Verstreichen der Zeit wurde irrelevant. Es zählten nur noch sie beide und dieser nicht mehr enden wollende Kuss. Mit gelinder Überraschung und tiefer Zufriedenheit stellte Sarius fest, dass er keinerlei Antrieb verspürte, irgendetwas zu beschleunigen. Es war als hätten sie alle Zeit auf Bajor, sich gegenseitig zu erkunden, und wenn dieser Kuss die nächsten Stunden dauern würde, dann war es gut so. Er hob die rechte Hand vom Oberarm des anderen Mannes. Seine Fingerspitzen tasteten nach dem schmuckfreien Ohrläppchen, dann umschloss er es vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger. Da er der alten Priester-D’jarra entstammte, war die Fähigkeit zur Kontaktempathie in ihm stark ausgebildet und befähigte ihn dazu, die Empfindungen seines Gegenübers wahrzunehmen. Da war Erregung, Verlangen, Erleichterung den Geistlichen endlich küssen zu können und ein wunderbares Gefühl von tiefer Liebe, die wie eine sanfte, warme Brise über Sarius hinweg zog, ihn einhüllte und jede Faser seines Körpers wärmte …

 

* * *

 

„Es tut mir leid.“ Gaheris drehte den Kopf weg. Es war ihm unangenehm, seinen Partner zu unterbrechen, nachdem dieser in Ruhe seiner hormongeladenen Erzählung gelauscht hatte. „Ich … ich kann das nicht wie du, Haz. Ich … ich will nicht hören, wie ein anderer …“ Er wagte einen kurzen Blick zu dem Geistlichen hin, dessen Augen betrachteten ihn neutral, abwartend. „Es tut mir leid“, wiederholte Gaheris noch einmal. „Ich bin nicht frei von solch niederen Gefühlen wie Eifersucht. Ich habe nicht deine Stärke. Ich muss an unser Kennenlernen denken, und ich will nicht, dass …“ Er wandte den Blick wieder ab. Der wunderbare Abend war für ihn verflogen. Wo zuvor ein leichtes Gefühl in seiner Brust geherrscht hatte, macht sich nun ein kalter Klumpen breit. Er sollte einfach darüber hinweg gehen. Mit jedem gestammelten Satz, den er äußerte, ritt er sich tiefer in eine peinliche Lage, die es ihm unmöglich machte, dem Kai in die Augen zu blicken. Wenn er die Kraft und Zuversicht darin sah, kam er sich nur noch belangloser vor.

 

„Tut es das?“ Der ruhige Bariton überwand die Mauer, die sich um Gaheris zu schließen drohte.

 

Er atmete tief durch und zwang den Blick zurück zu Sarius. „Du machst das, um mir zu zeigen, wie unschön es von mir vorhin war, so ausführlich zu …“

 

„Mache ich das?“ Sarius‘ Augen betrachteten ihn immer noch unverwandt.

 

Für einen Moment fühlte sich Gaheris in seine Akademiezeit zurückversetzt, in eine Prüfung, bei der er die Antwort nicht wusste. Dann endlich begann er zu begreifen. Seine Augen weiteten sich.

 

„Das … du … ich …“

 

Sarius‘ unergründliche Miene brach in ein Lächeln auf. Es war das schönste Lächeln, das der Offizier jemals in seinem Leben gesehen hatte.

 

„Oh mein Gott … ich meine, bei den Propheten … oh, verdammt …!“ Gaheris spürte, wie er zu zittern begann. Der unangenehme Klumpen hatte sich aufgelöst, hatte Platz gemacht für … er hatte keine Ahnung, für was er Platz gemacht hatte. Um das zu definieren, musste er erst einmal wieder imstande sein, klar zu denken. „Ich war dein erstes Mal“, flüsterte er ungläubig. „Ich war dein erstes Mal.“

 

Das Nicken des Kai ging in einem leidenschaftlichen Kuss unter. Gaheris hatte das Gesicht seines Partners mit beiden Händen umfasst, überwältigt von der Erkenntnis, dass er der erste Mann im Leben des Kai war – der einzige Mann.

 

Da war so vieles, was er sagen wollte, wofür er sich entschuldigen wollte, er wusste nicht, wo er beginnen sollte.

 

Doch als Sarius seine Hand hob, um sein Ohrläppchen zu erfühlen, bedurfte es keiner Worte mehr.

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