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Schuldig

von Bareil

Kapitel 1

Garak kehrte nach einem langen und langweiligen Tag , den er in seinem Laden verbracht hatte, in sein Quartier zurück. Er setzte sich auf die Couch, um sich zu erholen. Sein Leben war so fad und gewöhnlich geworden, dass es schwer erträglich war. Vielleicht könnte etwas seine Stimmung ein wenig aufhellen. Er stand von der Couch auf, ging zu seinem Schreibtisch und öffnete die obere Schublade. Die halbleere Schachtel delavianische Schokolade war immer noch dort, aber nun würde sie nicht genügen. Er brauchte etwas Stärkeres.

Ohne zu zögern klemmte er seine Finger in die Schublade und warf sie zu. Eine Welle angenehmer Empfindungen durchflutete seinen Körper und ließ ihn seufzen. Das fühlte sich so gut an, doch es verlangte ihm nach mehr. Er sah sich in seinem Quartier um, was könnte er noch benutzen?

Einmal hatte er es mit heißem Wasser versucht, doch es verletzte sein Haut zu stark und er war nun bestrebt, den Grad der Verletzungen so gering wie möglich zu halten. Abgesehen davon musste er sich ständig glaubwürdige Erklärungen für all die blauen Flecken, Prellungen, ausgerenkten Gliedmaßen und sogar gebrochenen Knochen ausdenken, die früher oder später ärztlich versorgt werden mussten. Sein Schneiderhandwerk diente hierfür nicht im geringsten als Ausrede.

Obwohl es schön wäre, den jungen Sternenflottenarzt, mit dem er im Replimat eine kurze Unterhaltung geführt hatte, wiederzusehen, fürchtete er, dieser könnte bei einem Scan während der Untersuchung sein Implantat entdecken. Er selbst studierte es seit geraumer Zeit, hatte aber bisher keinen Weg gefunden, einen Schalter zu entwickeln, der seine Selbstverletzungen überflüssig machte.

Es aktivierte sich nur, wenn er körperlich verletzt wurde. Viele Jahre lang hatte er nicht mehr an das Gerät in seinem Kopf gedacht oder ein Bedürfnis verspürt, es auszulösen… bis zum Beginn seines Exils.

Ironischer Weise hatte eine kleine Verletzung die Erinnerung an das Vergnügen, welches es zu geben in der Lage war, geweckt. Das erste und einzige Mal, dass das Implantat gemäß seiner Bestimmung verwendet worden war, war während seines Verhörs durch den Obsidianischen Orden. Es verwirrte ihn noch immer, Vergnügen statt Schmerz zu empfinden und er täuschte bei Verletzungen selbigen vor, doch kannte er diese Empfindung schon lange nicht mehr. Wie sollten Fremde auch verstehen, dass er nicht vor Schmerzen, sondern Vergnügen aufstöhnte, es wäre zu seltsam.

Während dieses Verhöres hatte er die volle Bandbreite des Vermögens dieses Gerätes erlebt, was besser war, als alles, was er je zuvor oder danach empfunden hatte. Es fühlte sich an wie ein Rausch oder ein permanent orgastischer Zustand, trotz der erlittenen Verletzungen. Aber um wieder so high zu werden, bedurfte es eines extremen Schmerzerlebnisses, welches nur durch rohe Gewalt zu erreichen war.

Sollte es ihm gelingen, das Gerät permanent einzuschalten, wären all seine Probleme gelöst. Aber jetzt stand ihm ein weiterer langweiliger und vergeudeter Tag in seinem Laden bevor.

Nach dem Frühstück verließ er sein Quartier und öffnete sein Geschäft auf der Promenade.
Während des Morgens versuchte sich Garak, auf seine Arbeit zu konzentrieren, aber seine Gedanken kreisten um das Gerät, das er baute. Wieso, verdammt, funktionierte es nicht? Was war das Problem? Hatte er denn nicht an alles gedacht? Trotzdem schaffte er es irgendwie, den Anzug, an dem er arbeitet, bis kurz vor Mittag fertigzustellen. Er verließ seinen Laden, um im Replimat zu essen.
Als er die Promenade entlang ging, fühlte er die feindseligen Blicke der Bajoraner wie tausend kleine Nadelstiche im Rücken. Garak versuchte sie, wie üblich, zu ignorieren , aber sie teilten ihm dennoch auf verletzende Weise mit, dass er nicht mehr auf diese Station gehörte und schon gar nicht willkommen war.

Im Replimat reihte er sich in die Schlange der Wartenden ein, doch gerade, als er seine Mahlzeit bestellt hatte und die Tasse heißen Tees auf sein Tablette stellte, traf ihn ein Ellbogen. Der kochend heiße Tee schwappte über seine Hand und tränkte den Ärmel seines Anzugs. Für jeden anderen, wäre dies sehr schmerzhaft gewesen, aber er fühlte nur die Hitze und eine Welle des Vergnügens seinen Körper durchfluten. Äußerlich blieb seine Mine gefasst, als er sich dem Übeltäter zu wand. Er stellte Blickkontakt zu dem Bajoraner neben ihm her.
„Es tut mir wirklich schrecklich leid.“ Seine Stimme troff vor unüberhörbarem Sarkasmus.
Mit einem Lächeln, dass seine Augen nicht erreichte, erwiderte Garak:„Keine Ursache.“
Keiner der umstehenden Bajoraner, der die Szene beobachtet hatte, sagte ein Wort, doch konnte er die Schadenfreude von ihren Gesichtern ablesen. Das war natürlich kein Versehen gewesen.

Garak bestellte eine neue Tasse Tee und setzte sich mit seinem Tablette an einen abgelegen Tisch, weit weg von den anderen Gästen. Nachdem er fertig war, verließ er das Replimat und ging zur Krankenstation. Jetzt musste er keine Ausrede für seine Verletzung erfinden.
Körperlich fühlte er sich nach wie vor gut und voll Freude, doch gleichzeitig verärgert und hasserfüllt.

Während der Besatzung durch die Cardassianer, hätte es kein Bajoraner gewagt, ihn so zu behandeln, aber jetzt könnten sie ihn sogar ungestraft öffentlich anspucken, ohne jede Furcht vor Konsequenzen. Die anderen Bajoraner würden eher applaudieren, als empört sein. Sicherlich schritten Odo und seine Männer ein und tolerierten keine Lynchjustiz auf der Station, doch wenn er selbst noch ein Mitglied des Obsidianischen Ordens gewesen wäre, bräuchte er keine Schutz durch das Sicherheitspersonal. Zu früherer Zeit hätten sie seine Macht gespürt, die ihn wie ein unsichtbarer Schutzschild umgab, der sie respektvoll zur Seite treten ließ und auf Distanz hielt. Aber diese Zeiten waren längst vorbei.

Garak erreichte die Krankenstation und trat ein. Sofort näherte sich ihm Julian Bashir, der junge, gutaussehende Sternenflottenarzt. Der Cardassianer lächelte, doch diesmal wurde die Woge der Freude nicht durch das Implantat verursacht.
„Kann ich … kann ich Ihnen helfen … Garak ?“
„Ja, Doktor. Ich hatte leider während meines Mittagessens im Replimat einen sehr unangenehmen Unfall. Ich habe mir heißen Tee über die Hand geschüttet und es tut immer noch weh.“ Das war eine Lüge, es tat überhaupt nicht weh, im Gegenteil, die Verletzung stimulierte ihn mit Endorphinen.
Er zeigte Bashir seine Hand.
„Oh je, das ist eine ziemliche Verbrühung. Es muss für Sie sehr schmerzhaft sein. Ich werde die verletzte Haut mit dem Hautregenerator behandeln und Ihnen ein Hypospray gegen die Schmerzen geben.“ Er drehte sich um und nahm seine medizinischen Instrumente von einem Tablett.
„Nein, eigentlich tut es gar nicht mehr so weh. Behandeln Sie bitte nur die Haut.“
Bashir blinzelte überrascht. „In Ordnung, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ Er bewegte den Hautregenerator über die stark gerötete Stelle, bis sie zu ihrem natürlichen, blassen Grauton zurückkehrte.

Während er das tat, beobachtete Garak ihn.
Der Doktor war groß und schlank bis hin zu den langen, schlanken Fingern. Seine dunklen Augen verliehen ihm, zusammen mit der permanent gebräunten Haut, etwas Exotisches, das Garak nicht zuordnen konnte. Von welchem Ort auf der Erde stammte er? Ihn überraschte die ethnische Vielfalt der menschlichen Rasse.
Der neue Sternenflottenkommandant hatte fast schwarze Haut und tief schwarze Augen, des weiteren hatte Garak Menschen mit gelblicher Haut und mandelförmigen Augen gesehen und Haarfarben von schneeweiß, gelblichblond, kupferrot über alle Braunschattierungen bis hin zu pechschwarz, wie es für Cardassianer typisch war. Er hatte schon viele Spezies gesehen, Klingonen, Vulkanier, Romulaner, Ferengi, Bajoraner, die sich untereinander alle relativ ähnelten, anders als die wenigen Menschen, die er bisher gesehen hatte. Und dieser Doktor war besonders gutaussehend.

Julian war ein bisschen nervös, als er den Cardassianer die Krankenstation betreten sah. Interessierte er sich für die medizinischen Geheimnisse der Sternenflotte? Wollte er ihn ausspionieren? Aber er war erleichtert, als er herausfand, das ihn nur eine verletzte Hand zur Krankenstation führte. Ihr erstes Zusammentreffen im Replimat erschien ihm immer noch seltsam. Er hatte fast einen Herzinfarkt, als ihm der Cardassianer unvermittelt die Hand auf die Schulter legte. Für die anderen Anwesenden musste er sicher wie ein kompletter Idiot ausgesehen haben. Das war einfach nur peinlich, doch jetzt, hier auf der Krankenstation, fühlte er sich selbstsicher, da er wusste, was zu tun war. Er war der Chef und seine Anweisungen wurden befolgt. Aber außerhalb der Krankenstation erschien ihm das Leben gelegentlich wie ein Minenfeld, bei dem er das Talent hatte, auf die besonders Großen zu treten.

„Danke, Doktor.“ Garak lächelte. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich ab und zu während des Essens, im Replimat zu Ihnen setzte?“
Bashir war überrascht. „Oh...nein...Ich meine, ja sicher, mir würde etwas Gesellschaft gefallen.“
„In Ordnung, Doktor, Ich sehe Sie dann dort.“ Er drehte sich um und verließ die Krankenstation.

Auf dem Weg zu seinem Laden, überlegte er es sich anders und kehrte zu seinem Quartier zurück. Es würden sowieso nicht viele Kunden erscheinen; die Bajoraner kauften aus offensichtlichen Gründen nicht bei ihm und die anderen Spezies auf der Durchreise eilten nur vorbei, auf dem Weg zu ihrem Shuttle, so dass er nicht viel zu tun hatte.

Als Garak in einen dunkleren Teil des Korridors abbog, hatte er das Gefühl, dass ihm jemand gefolgt war. Er hielt inne und drehte sich um, sah aber niemanden. Dann hörte er Schritte, die sich entfernten. Mit angehaltenem Atem lauschte er in die Dunkelheit hinein, wartete, doch nichts geschah. Er musste sich getäuscht haben.

Als er sein Quartier erreichte, begann sein Herz zu rasen. Panik ergriff ihn. Er berührte seine Brust und versuchte, sich zu beruhigen, aber seine Brust fühlte sich von Minute zu Minute enger an, so dass er kaum noch atmen konnte. Nach Atem ringend, lehnte er sich rücklings an die Wand. Er fühlte, wie ihm kalter Schweiß den Rücken hinab lief und sich auf seiner Stirn sammelte. Seine Hände zitterten. Der Raum begann sich zu drehen, ihm wurde schwindelig. Er schloss die Augen. Alles, was Garak nun tun konnte, war tief ein-und auszuatmen, bis er sich wieder entspannte. Doch im Moment fühlte er sich einer Ohnmacht nahe oder als müsse er sich übergeben.

So plötzlich die Attacke kam, so schnell endete sie auch wieder. Sie ließ ihn müde und erschöpft zurück. Garak zählte innerlich bis zehn, dann öffnete er die Augen.
Um sich auszuruhen, legte er sich auf seine Couch. Heute war nicht sein Tag.
Vor seinem geistigen Auge formten sich Szenen, die ihn zurück in die Vergangenheit versetzten.

*****
Ich saß an meinem Schreibtisch und wartete darauf, den nächsten bajoranischen Verdächtigen zu verhören. Die cardassianischen Truppen hatten einen Mann verhaftet, dem Terrorismus zur Last gelegt wurde. Tain erwartete von mir, so viele Informationen wie möglich über die Terroristenzelle zu erhalten, deren Mitglied der Verdächtige höchstwahrscheinlich war.

Zwei Soldaten zerrten einen schmutzigen, zerlumpten Bajoraner in mein Büro. Ich sah von meinem Schreibtisch aus auf ihn herab. Die Soldaten hatten schon die grobe Arbeit übernommen. Ich bemerkte das blaue Auge und die mit Wunden übersäten Arme und Beine durch den zerrissenen Stoff des Anzugs. Jetzt war es an mir, die feineren Techniken des Verhörs anzuwenden, um meine Aufgabe zu erfüllen. Die Peitsche war genug verwendet worden, nun kam das Zuckerbrot an die Reihe.
„Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?“, sagte ich mit fast freundlicher, warmer Stimme.

Der Bajoraner war schätzungsweise um die Fünfzig, wesentlich älter als ich. Seine Hände und Füße waren durch mit Ketten verbundene Handschellen und Fußfesseln fixiert. Der Mann stand vom Boden, auf dem er kauerte, auf.

„Mein Name ist Obal Dalas.“ Seine brüchige Stimme gewann an Selbstsicherheit. „Was tun Sie mir an ? Ich habe eine Frau und zwei Kinder, für die ich sorgen muss. Wir haben nichts Unrechtes getan. Wir bewirtschafteten unseren Hof im Norden, bis diese cardassianischen Truppen kamen und ihn niederbrannten.“ Jetzt war er den Tränen nahe. „Ich weiß nicht, was mit meiner Frau oder den Kinder geschehen ist oder ob sie überhaupt noch am Leben sind.“

Ich nickte, ignoriert aber sein Gejammer. Natürlich war er schuldig im Sinne der Anklage; jeder, der durch diese Tür kam, war schuldig. Ich genoss fast die Art, wie er flehend zu mir aufblickte und auf meine Gnade hoffte, doch ich konnte mich nicht von Gefühlen zum Narren halten lassen. Er versuchte bloß, mich zu täuschen, an mein Mitleid zu appellieren, um sich seiner gerechten Strafe zu entziehen.

„Ich möchte, dass Sie vernünftig sind und Ihr Verbrechen gestehen. Dann wird Ihnen niemand mehr wehtun. Unterschreiben Sie das Geständnis und das Verhör ist sofort beendet.“ Ich sprach im selben Tonfall, den man einem ungehorsamen Kind gegenüber benutzte, so, wie Tain immer mit mir sprach, als ich noch ein Junge war.

„Aber ich habe doch nichts Unrechtes getan, sie kamen auf den Hof und steckten ihn samt Ernte in Brand. Wir sind ruiniert. Wovon sollen wir jetzt leben?”, heulte er.

“Ich sehe schon, Sie sind ganz und gar nicht vernünftig. Jetzt sehe ich mich gezwungen, andere Methoden zu verwenden, um Sie zu überzeugen.” Ich schrie Verdächtige nie an oder benutzte plumpe Gewalt, um sie geständig zu machen. Es gab viele andere Möglichkeiten, sie zu verängstigen oder zu bedrohen, die die Peitsche überflüssig machten. Die Herausforderung lag darin, ihre Schwächen zu finden und gut zu benutzen. Und gerade hatte ich seine gefunden.

„Sie haben Ihre Frau und Kinder erwähnt.“ Dieser Bajoraner war eine einfache Person, die sich um ihre Familie sorgte, für jemanden meiner Talente keine Herausforderung. Ich würde mein Geständnis innerhalb einer Stunde haben. Vielleicht schaffte ich an diesem Nachmittag sogar noch ein weiteres Verhör, wenn alles nach Plan verlief.
Der Mann sah zu mir auf.

„Sie sind in unserem Gewahrsam und wohl auf, aber wenn Sie das Geständnis nicht unterschreiben, fürchte ich, müssen wir sie stattdessen verhören.“
„Bitte nicht, sie haben doch niemandem etwas getan und meine Töchter sind noch so jung.“
Ich lächelte anzüglich. „Den Truppen wird das sehr gefallen.”
„Sie Bastard! Verdammter Löffelkopf!”
Das war genug, niemand hatte das Recht, mich, Elim Garak, auf diese Weise zu beschimpfen. Jetzt musste ich ihm zeigen, mit wem er es zu tun hatte. Ich drückte einen Knopf auf meinem Schreibtisch. Einen Augenblick später betraten zwei Soldaten den Raum.
„Bitte bringen Sie mir die schwarze Kiste“, sagte ich mit ruhiger, kontrollierter Stimme.
Die Männer nickten kurz und kehrten nach wenigen Minuten mit einer kleinen, schwarzen Holzkiste zurück. Sie bot gerade genug Platz für eine durchschnittlich große Person.
„Stecken Sie ihn da rein!“, befahl ich ihnen barsch.
Die Soldaten packten den zappelnden und fluchenden Bajoraner an Armen und Beinen und stießen ihn hinein. Dann verschlossen sie den Deckel der Kiste mit eisernen Schlössern.
Das Innere war so eng, dass ein Erwachsener nur mit angewinkelten Armen und Beinen sowie dem auf den Knien ruhenden Kopf darin Platz fand. Diese Embryonalstellung wurde mit der Zeit sehr unangenehm und erschwerte die Atmung in der stickigen Luft, was die Motivation, zu gestehen, erleichtern sollte. Luftlöcher an den Seiten verhinderten, dass die Person tatsächlich erstickte. Ich war wirklich stolz darauf, diese Methode erfunden zu haben.

Die Soldaten salutierten und verließen den Raum. Jetzt musste ich nur noch dasitzen und abwarten. Früher oder später würde der Bajoraner in Panik geraten und darum betteln, aus der Kiste befreit zu werden.
Derweil las ich in der Zeitung und aß zu Mittag. Nach ein paar Minuten schlug der Bajoraner panisch von Innen gegen die Kiste und versuchte vergeblich, den Deckel aufzustemmen.

„Lassen Sie mich bitte heraus, ich ersticke hier drinnen !“
Ich tat so, als hätte ich den Raum verlassen und aß weiter, während ich weiterhin die Kiste beobachtete „Hallo, ist da jemand? Hören Sie mich?“ Jetzt klang die Stimme viel schriller. „Ich will hier raus! Lassen Sie mich raus!”
Er war so eine Schande für das tapfere bajoranische Volk. Er schrie wie ein kleines Kind. So was hatte ich selbst als kleines Kind nie getan.
Die hysterischen Schreie erreichten eine unnatürliche Höhe, die mir Kopfschmerzen bereitete. Plötzlich hatte ich eine Idee, wieso sollte ich die Kiste nicht ein wenig durchschütteln, damit das Geschrei endlich aufhörte? Ich stand auf, schlich mich leise heran und trat seitlich gegen die Kiste. Mein Puls selbst raste und ich spürte ein unangenehmes Prickeln im Nacken.

Der Bajoraner schrie entsetzt auf.
Ich packte die Kiste, schüttelte sie, kippte sie auf die Seite und warf sie um, so dass der Bajoraner sich überschlug und auf dem Kopf landete. Stille, dann ertönte aus dem Inneren ein angsterfülltes Quietschen, das in ein leises Wimmern überging.

Die Menschen hatten ein Spielzeug, dass sie Springteufelchen nannten, eine kleine Figur, die beim Öffnen aus einer Kiste sprang und nun hatte ich ein bajoranisches Springteufelchen. War das nicht lustig? Ich kicherte und lachte schließlich aus voller Kehle über meinen eigenen Scherz.

Nach einer Stunde beschloss ich, ihn herauszulassen. Es wurde Zeit für den nächsten Schritt. Ich rief die Soldaten erneut zu mir und ließ sie die Kiste öffnen.

Die Soldaten zogen den steif gewordenen Körper in eine aufrechte Position. Der Verdächtige hatte einen großen, nassen Fleck auf seiner Hose, als er in der Kiste aufstand. Ich starrte herablassend auf die Stelle, um ihn zusätzlich zu beschämen.

Dann nickte ich den Soldaten zu. „Bringt mir eine Tasse Katana.“ Katana war ein cardassianisches Laxativ und Emetikum, das den Körper im Falle einer Vergiftung reinigen sollte.
Erneut vergingen einige Minuten, die ich schweigend verbrachte, bis mir einer der Soldaten die Medizin überreichte.
Ich sah den Verdächtigen an. „Sind Sie immer noch nicht vernünftig genug, das Geständnis zu unterschreiben?“
„Ich bin kein Krimineller, ich habe nichts zu gestehen!“

Er war stur und trotzig, wie ich es als typisch für dieses Volk kannte.
Ich ging einige Schritte auf ihn zu und hob die Tasse. „In dieser Tasse befindet sich das Extrakt einer Pflanze, das heftiges Erbrechen und Durchfall verursacht. Wenn Sie das Geständnis unterzeichnen und mir alles über die Widerstandsgruppe erzählen, der Sie angehören, befehle ich dem Soldaten es wegzugießen, aber wenn Sie sich nach wie vor weigern, mit mir zu sprechen, werden Sie es trinken. Es ist ihre Entscheidung.“
Tatsächlich musste ich es bisher nie benutzen, bei vielen Verdächtigen genügte die bloße Drohung.
„Fall tot um, du Bastard!“, spuckte er mir ins Gesicht.
„Ich bin ein geduldiger Mann, doch meine Geduld ist nicht unendlich.“
Ich nickte den Soldaten zu. Der Eine packte ihn auf mein Zeichen hin und hielt ihn fest, während der Andere die Tasse an seine Lippen presste, um ihn zum Trinken zu zwingen. Der Bajoraner versuchte zu beißen, presste die Lippen zusammen und spuckte die Flüssigkeit aus, doch schluckte er genug, um nach wenigen Minuten eine Wirkung zu erzielen.

Ich schickte die Soldaten fort, setzte mich an meinen Schreibtisch, lehnte mich seelenruhig zurück und wartete. Das war ein Fehler, es war ein noch Größerer, zuvor Mittag gegessen zu haben. Der Bajoraner erbleichte und erbrach sich über den ganzen Fußboden.

Der Anblick dreht mir den Magen um. Ich fühlte, wie mir übel wurde. Der Gestank war fürchterlich. Ich hatte die größte Mühe, mein Essen bei mir zu behalten, doch ich konnte es mir nicht erlauben, vor dem Verdächtigen Schwäche zu zeigen. Ich musste die Kontrolle über die Situation behalten, dass schloss meinen Magen mit ein. Es wäre äußerst unprofessionell, mich auf meinen Schreibtisch zu übergeben, doch in diesem Moment empfand ich nur blanken Ekel. Mich ekelte vor diesem Büro, diesem Ort. Plötzlich hasste ich ihn und ich hasste die Dinge, die ich dort täglich tun musste. Ich fühlt mich auf unsichtbare Weise befleckt.

Der Verdächtige bemerkte meine plötzliche Geistesabwesenheit. „Was ist plötzlich los mit Ihnen, Sie … Sie …“ Doch er konnte denn Satz nicht beenden, da er sich wieder übergeben musste.
Das war mehr, als ich ertragen konnte. Ich sprang fast vom Stuhl auf und verließ das Büro. Im Flur lehnte ich für einen Moment zitternd an der Wand. Ich fühlte mich, als sei ich selbst in dieser schwarzen Kiste gefangen. Kein Ausweg. Der ganze Planet wurde für mich zu einer solchen Kiste, aus der es kein Entrinnen gab. Wir alle waren darin gefangen. Jeder von uns.

Vor meinem geistigen Auge sah ich den Bajoraner und das Verhör. Dann beugte ich mich über den nächstbesten Mülleimer, schloss die Augen und übergab mich, bis mein Magen leer war. Ich erinnere mich nicht mehr, für wie lange ich neben dem Eimer kniete, doch ich erinnere mich genau an die Angst davor, dass Tain herausfinden könnte, dass ich, bei der Durchführung eines einfachen Verhörs, versagt hatte.

***
Garak lag auf seiner Couch und starrte ins Nichts. An diesen Vorfall hatte er seit Jahren nicht mehr gedacht.
Und Tain hatte tatsächlich Wochen später, nur durch Zufall, von dem Vorfall erfahren. Doch statt ihn für sein Versagen zu bestrafen, lachte er nur über seinen vermeintlichen Anfängerfehler, den Raum nicht rechtzeitig verlassen zu haben.

Den wahren Grund dafür konnte er sich erst jetzt im Exil offen eingestehen. Seine eigenen Taten ekelten ihn an, doch hatte er es bisher, bis zu diesem Zwischenfall, immer geschafft, seine Gefühle zu verdrängen. Es war so leicht gewesen, für alles eine rationale Erklärung zu finden, wieso es nötig war, warum es sein musste, e cetera, e cetera. Alles Lügen. Doch dieses Verhör war der Wendepunkt gewesen, der Anfang vom Ende seiner Karriere beim Obsidianischen Orden. Danach war alles sinnlos. So sinnlos wie halbverhungerte bajoranische Kinder zu verhören.

Zu seiner noch größeren Schande musste er sich eingestehen, gleichzeitig die unrechtmäßige Macht über Andere genossen zu haben. Sie gab ihm ein Gefühl der Stärke, der Bedeutung, doch ohne sie war er ein bedeutungsloses Nichts.

„Natürlich bin ich schuldig, jeder, der durch diese Tür kam, war schuldig “, sagte Garak in die Stille seines Quartiers hinein.

Ende

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