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VIII. Jahreszeiten im Universum?

von Racussa

Winter

Auf dem verschneiten Andoria verbringen Julian und Elim einen überraschenden Winterhochzeitsurlaub.

Der Sturm presste den Schnee waagrecht gegen die Panoramascheibe, durch die Elim und Julian in die eisblaue Schlucht von Val d‘ Misere am Rand von Andorias Hauptstadt Rrrkrr’an blickten.

„Ich weiß, dass es hier herinnen nach irdischer Messung 37° Celsius hat, aber allein der Anblick lässt mich frieren, Echsi!“, stöhnte Elim.

Julian tippte vergnügt auf einer Konsole herum und stellte damit das kühle Neonlicht auf ein freundliches Sonnuntergangsorange.

„Das ist besser für die Überraschung, die ich mir für unser Wiedersehen ausgedacht habe. Dieser verrückte Ausflug in die Bauxitmine hat mir gezeigt, wie sehr ich dich selbst nach wenigen Augenblicken vermisse – und wie sehr ich oft über dich und deine Bedürfnisse rede, aber nicht mit dir. Ich kann zwar nicht sagen, dass ich den Romulaner, dessen Namen ich sonderbarerweise vergessen habe, nett gefunden hätte, aber er hat mich zu dem inspiriert, was ich jetzt mit dir vorhabe.“

„Ein Romulaner?“, maulte Elim, der sich noch fester in seinen plüschigen Morgenmantel hüllte. „Ein Tal’Shiaragent hat dich zu etwas inspiriert, das du mit mir machen möchtest? Wenn ich dich nicht kennte und deine manchmal etwas saloppe Redeweise, würde ich jetzt beginnen, mich zu fürchten. Du weißt, dass Romulaner hypnotische Fähigkeiten haben?“

Julian richtete sich grinsend auf: „Fang jetzt nicht damit an, dass ich dich auf geheimen Befehl des Tal’Shiar ermorden möchte. Lieber würde ich nackt durch den Schneesturm draußen tanzen, als dir eine Schuppe zu zerkratzen.“

Elim schüttelte nachsichtig den Kopf: „Du würdest kaum einen vier Vierteltakt bei dem Sturm durchhalten. Draußen hat es minus 80° Celsius; und sobald die beiden Sonnen Andorias untergegangen sein werden, sind es nur noch minus 250°. Nur der Wind, der mit 600 km/h um Andoria saust, erwärmt die Schneegestöber, sonst wäre die Außentemperatur bei Nacht ziemlich auf dem absoluten Nullpunkt. Kein Ort zum Tanzen.“

Auf einen letzten Druck Julians öffnet sich der Boden und gab den Blick auf ein blubberndes Schlammloch frei, zu dem eine vernickelte Stiege mit Geländer führte, die sich aus dem Schlamm erhob.

Elim pfiff erstaunt.

„Bauxitstaub von der Erde, Sand von Risa, zerstampfte Blätter von cardassianischem Farn und  geschmolzenes andorianisches Eis, erhitzt auf wohlige 45° Celsius. Das ist ein Überraschungsgeschenk für den besten Mann der Galaxie!“

Elim staunte.

„Du hast ein Schlammloch für mich vorbereitet?“

„Es entspricht deiner Körpertemperatur, die Mischung wird deine Schuppen geschmeidig machen wie Samt und ich habe in einem Buch über cardassianische Kindererziehung gelesen, das Bäder in den Schlammpfützen von Elrazra ein oft gemachtes Versprechen für junge Cardassianer sind.“

Elim grinste, während er sich den Doppelknoten seines Bademantels öffnete: „Du weißt schon, dass ich den Kinderschuhen bereits länger entwachsen bin. Wenige wissen es genau, aber eigentlich bin ich nach irdischem Maßstab hundertvierundsechzig Jahre alt. Für menschliche Begriffe also in der Mitte meines Lebens, weit jenseits des Kindesalters. Aber…“ Er ließ den Mantel von seinen grau geschuppten Schulterkämmen rutschen, „Ein Schlammloch wie in Elraza, Echsi, das lässt mich wieder wie ein Kind werden…“ Ohne Julians erstauntes Stirnrunzeln abzuwarten, lief Elim los und sprang mit einem undezenten Freudenschrei mitten in das Schlammloch, sodass die orange Masse weit über den Beckenrand verspritzt wurde. Einige Batzen an der Panoramascheibe froren augenblicklich zusammen, aber Elim bemerkte es nicht, weil er vergnügt knurrend im Schlamm untertauchte.

„So geht es mir, wenn ich Schnee sehe. Ich möchte dann immer gleich rauslaufen und Schneebälle formen, um sie zu werfen.“, meinte Julian, während er sein Föderationssporthemd auszog.

Elim tauchte wieder auf und blickte mit völlig verschlammtem Gesicht Julian an: „Was für eine grauenvolle Folter: Jemanden mit eisigem Schnee zu bewerfen…“

Julian konnte sich das Lachen nicht verkneifen und sagte, während er sich Schuhe und Socken auszog: „Ich kann mich nicht erinnern, den ehrenwerten Legaten Garak einmal so ausgelassen erlebt zu haben. Und das Werfen von Schneebällen ist äußerst lustig … zumindest wenn man nicht reptilisch gebaut ist.“

„Das Werfen von Materialien, die einem kindliche Freude bereiten, gilt also bei Menschen als lustig?“

Julian nickte, während er den Reißverschluss seiner Sporthose öffnete.

„Wie interessant!“, grinste Elim, formte einen Batzen aus Schlamm und warf ihn Richtung Julian.

Unwillkürlich duckte er sich und dank seiner augmentierten Fertigkeiten entkam er dem Schlammbatzen, der mit voller Wucht die durch die eben sich geöffnete habende Türe eintretende Gruppe traf.

„Captain!“, zuckte Elim erschrocken zusammen, als zwei Rinnsale des Schlammes sich über Captain Picards Glatze den Weg auf seinen dunkelroten Bademantel bahnten.

„Eine interessante Begrüßung, Legat!“ Ungerührt wischte sich Picard den Schlamm vom Kopf und wusch seine Hände in einem Wasserbecken an der Wand.

„Der Spaß hat also schon ohne uns begonnen?“, knurrte Lady Grilka, die unter einem pelzenen Bademantel einen an eine Rüstung erinnernden Badeanzug trug.

„Julian, ich dachte, wir wären hier allein? Ähm…ich wollte nicht unhöflich sein, Captain, Lady Grilka, Dr. Crusher, Commander Riker. Ich hatte sie nur nicht hier erwartet in dieser eher … unfrostigen … Atmosphäre.“

Beverly zog ihren blauen Bademantel aus und hängte ihn an einem Haken an der Wand auf.

„Elim, das war meine Überraschung: Ich habe gedacht, es ist an der Zeit, den Winter zwischen Cardassia und Föderation endlich zu beenden. Bei unserer Hochzeit war alles sehr formell und steif, aber heute werden wir wie an einem lustigen Abend eines Skiurlaubes ein gemeinsames Schlammbad nehmen und uns ganz ungezwungen unterhalten.“, antwortete Julian.

Elim wischte sich etwas verlegen den Schlamm von den Augenrippen.

Beverly stieg zu ihm in das Schlammbecken und gurrte ob der Wärme. „Legat, es war nicht einfach, Captain Picard zum Mitkommen zu überreden. Aber er hat wohl eine gewisse Freude an cardassianischen Schlammritualen gewonnen. Ich fand Julians Vorschlag ausgenommen schön: Auf der Erde ist es oft Brauch, vor allem in der kalten Jahreszeit, gemeinsam Saunen, Dampfbäder oder warme Quellen aufzusuchen, um sich vor Kälte zu schützen. Gleichzeitig hilft das Treffen mit Freunden, auch über die Dunkelheit der Zeit und die depressiv machenden Stimmungen hinweg zu kommen.“

Sie zwinkerte dem Captain zu, der konzentriert begann, seinen Bademantel zu öffnen und danach bedächtig in das Becken zu steigen. Auch Julian hatte inzwischen seine Sporthose ausgezogen und kam in das Becken.

„Auf Schiffen gibt es zwar keine Jahreszeiten, aber der Schiffscomputer ist so programmiert, das er den irdischen Jahreszeitzyklen gemäß die Normtemperaturen innerhalb einer Schwankungsbreite von fünf Grad erhöht oder erniedrigt.“, erklärte Riker, „Und durch die entsprechende Koordination mit der Grundlichtstärke entsteht zumindest ein gewisser Jahreszeiteneffekt auch außerhalb der Holodecks.“

„Commander, Sie dürfen mir aus dem Mantel helfen!“, herrschte Grilka Riker an, der mit den Schultern zuckte und das pelzene Ungetüm von Grilkas mächtigen Schultern zog.

„Mylady, es ist in Andorias Bädern unüblich, bekleidet zu sein.“, meinte Captain Picard lakonisch.

„Das…“, meinte sie, während sie an dem rüstungsartigen Badeanzug herumfingerte, „Ist auch keine Kleidung, dafür wäre sie ja lächerlich zu klein. Das ist eine Kampfunterweste, um einige Notfallwaffen, die man immer dabei haben sollte, zu transportieren!“

Sie ging zu der Garderobe, an der schon die übrigen Mäntel hingen und holte der Reihe nach fünf Klingen, zwölf Wurfsterne, eine Würgeschlinge und drei Stilette aus ihrem Badeanzug, um sie auf die einzelnen Haken zu verteilen. Zuletzt ließ sie scheppernd die Kampfweste fallen und kam zum Becken. „Commander, Sie werden sicher auch die Weste fachmännisch aufhängen?“

„Sehr wohl.“, schüttelte Riker den Kopf, bevor er Grilkas Mantel über drei Haken hängte und dann das metallische Kleidungsstück vom Boden aufhob und an einem weiteren Haken befestigte. Nachdem auch er seinen Bademantel ausgezogen hatte, stieg er in das Becken und tauchte bis zum Bart unter. „Das erinnert mich an einen Besuch von Deannas Mutter auf der Enterprise. Damals hat Lieutenant Whorf ein Schlammbad genommen.“

Unversehens traf ihn ein von Lady Grilka geworfener Schlammball im Gesicht und verklebte seinen Bart: „Dieser Ex-Klingone hat das Imperium verlassen, um in der Föderation zu leben. Ich möchte seinen Namen heute nicht mehr hören.“

„Bei allem Respekt, der Lieutenant ist ein Mitglied meiner Besatzung. Und er tut mehr für das Imperium als viele so genannte Ratsmit….“

„Stop! Jean-Luc, bitte, es soll hier zu einem Tauwetter kommen, nicht zu einem Vulkanausbruch! Warum sprechen wir nicht über etwas Unverfänglicheres?“, schlug Beverly vor, während sie mit ihren Händen den warmen Schlamm auf ihren Oberarmen verrieb.

„Etwa über die langweiligen Vulkanier?“, fragte Grilka.

Elim versuchte einen Scherz: „Mir wäre ein vulkanisches Thema auch lieber als über das Wetter zu reden, zumindest das von Andoria.“ Er grinste, während draußen selbst die hereinbrechende Dunkelheit dem eisigen Schneesturm der gegen die Panoramascheibe stob, nichts von seiner Aggressivität nahm.

„Ich finde es erstaunlich, wie schnell Q ihren Knöchel geheilt hat. Und natürlich auch ihre Schulter, Lady Grilka!“, nahm Beverly das Gesprächsangebot auf.

„Manchmal frage ich mich, wie laut eine fest montierte Posaune spielen würde, die durch Andorias Wind angetrieben würde.“, fragte Riker.

Julian nickte zufrieden. „Es ist schön, wie so ein Wintervergnügen uns zum informellen Plaudern zusammenführt. Ich habe von Qs Spiel gelernt, dass ich andere öfter zu Wort kommen lassen sollte. Und genau dafür ist diese Runde ein perfekte Ort: Jeder bringt seine eigenen Erfahrungen mit, interessante Gesprächsthemen und den einen oder anderen Schwank aus seiner Jugend auf dem heimatlichen Planeten. Und wenn uns die Themen ausgehen, können wir einfach schweigend im Schlamm liegen und die Wärme genießen. Oder aber, wenn uns langweilig wird, können wir über ganz allgemeine Themen sprechen, ohne uns politisch zu streiten, zu verdächtigen oder auszuhorchen.“

Beverly räusperte sich.

„Ja, Beverly? Ich bin dir sehr dankbar, dass du bei unserer Hochzeit gesprochen hast. Deine Worte waren wirklich zutiefst ergreifend. Wie du unsere Liebe als anbrechenden Frühling einer neuen Generation von Nachkriegspaaren umschrieben hast. Ich konnte fast Blüten sich öffnen und Amseln ihre Lieder singen hören. Und dann erst der Reigentanz um elf Uhr, der das traditionelle Hauptgericht eingeleitet hat. Ich war völlig überrascht, wie geschickt du dich in diesen fremdartigen Tanz eingefügt hast. Es ist dir sehr wichtig, Elim, oder…dass unsere neuen Freunde von der Erde auch deiner Tradition Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegenbringen?“

Liebevoll drückte ihm Elim einen Kuss auf die Lippen, hielt etwas inne und zog sich sanft zurück: „Echsi, wenn wir hier wirklich in ein auftauendes Gespräch eintreten sollen – wofür dieser Heizkessel perfekt ist – wäre es vielleicht klug, auch die anderen ein bisschen zu Wort kommen zu lassen? So besehen, beginne ich sogar am Winter gefallen zu finden, wenn er die Wesen zum Miteinandersprechen bewegt.“  

 

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