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Prinz der ewigen Dämmerung (Band II)

von BlueScullyZ

Prolog

Ihm fehlte das Wetter. Auf einer Raumstation gab es so etwas nämlich nicht. Es hatte konstante einundzwanzig Grad. Keine Wolken, keine Sonne, nur Beleuchtung. Das Rauschen von Wellen oder Wind gab es hier nur als Tonspur. Aber es war ein vergleichsweise kleines Opfer, wie Caden fand.

Um die frühe Uhrzeit von sechs Uhr dreißig waren kaum Arbeiter auf dem Flur. Der Schichtwechsel der Techniker war bereits gelaufen und jene mit festen Zeiten begann erst in über einer Stunde. So hatte er die weiten Flure nahezu für sich allein und wer ihm begegnete, war nicht auf Geselligkeit aus, sondern nutzte wie er die Ruhe vor dem Sturm für einen gemütlichen, entspannten Morgen.
Wie schon auf der Enterprise, gab es hier Gemeinschaftsräume, in denen man an Nahrungsverteilern sein Essen holen konnte. Ebenso, wie an manchen Tischen Computereinheiten montiert waren. Anders war jedoch, dass diese Raumeinheiten nicht im Inneren eines kompakt gebauten Schiffes lagen, sondern, dass eine Fensterfront den Blick nach draußen gewährte. Denn statt eines massiven Gebäudes, bestand die planetare Raumstation 482 aus einem vielverzweigten, zu Beginn sehr verwirrenden Röhrensystem, welches sich wie die Wurzeln eines Pilzes über Asteroiden ausbreiteten. Die Gänge führten zu den einzelnen Einheiten, die allesamt für sich allein standen. Je wichtiger, desto weiter lagen die einzelnen Bausteine voneinander weg, um bei einem Zwischenfall zu gewährleisten, dass der Schaden gering gehalten wurde. Genügend Platz bot der Himmelskörper, auf dem sie siedelten, dafür. Er war unbewohnt und außerhalb der Anlage auch unbewohnbar. Leben oder eine Atmosphäre existierten hier nicht. Nur in diesem übergroßen Ameisenkasten.

Mit seinem Frühstück, Toast mit Marmite, stapfte der Techniker zu einem der Tische und ließ sich nieder. Den Toast schob er sich zwischen die Zähne und fingerte mit der freien Hand eine Datendisk aus seiner Brusttasche, die er in die Computereinheit steckte. Sein Arbeitsplan. Sein Tag auf einen Blick - wenn nichts anderes dazwischen kam. Aber heute war es sehr übersichtlich.

„Oh, der Herr spielt heute wieder Inspektor“, ertönte eine Stimme hinter ihm, die Caden allerdings nicht dazu veranlasste, sich umzudrehen.

Er kannte die Stimme und in der Spiegelung konnte er genauso gut sehen, wen er vor – bzw. hinter sich – hatte. „Setz dich“, bot er dem jungen Mann, welcher, wie er, einen roten Overall trug, den gegenüberliegenden Platz an. Der rote Overall war im Übrigen auch alles, was der junge Techniker in der Spiegelung erkannte. Der stark pigmentierte, fast schwarze Teint des Anderen ging ansonsten vollkommen unter.

Er hieß Dayo, trat um den Tisch herum und setzte sich ihm gegenüber. Auch er hatte ein Tablett dabei, doch auf seinem Teller lagen bunte, geleeartige Gebilde. Eine kulinarische „Spezialität“, mit der Caden wenig anfangen konnte. „Sieht ja wirklich so aus, als würde Jahnson dich anlernen wollen. So oft, wie du bei ihm eingesetzt wirst“, fuhr er fort.

Spekulationen waren nicht sein liebstes Hobby, aber viel schlimmer war die Freude, die Caden bei diesem Gedanken empfand – und die Enttäuschung, würde sich diese Hoffnung als vergebens herausstellen. „Schon möglich“, antwortete er daher möglichst sachlich, um nicht zu interessiert zu wirken. Außerdem bot sich ein anderes Thema an. „Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“

Die Frisur des anderen bestand normalerweise aus Rastalocken welche ihm bis zur Schulter gingen und waren jetzt stattdessen raspelkurze Flausen. Hätte er nicht schon gewusst, wer er war, hätte Caden ihn womöglich nicht wiedererkannt.

Der Blick seines Gegenübers traf die Tischplatte. „Schweißarbeiten“, entgegnete Dayo knapp. „Und Demir meinte noch, ich soll sie mir zurückbinden.“ Den Kopf ließ er auf seine verschränkten Unterarmen fallen.

Was ein Drama. „Wachsen doch wieder nach“, meinte der junge Techniker mit Kopfbehaarung ungerührt und wandte sich wieder seinem Tagesplan zu. Das leidende „Jaha, ich weiß doch“ seines Kollegen überging er. Tatsächlich war er schon wieder bei der Kontrolle eingesetzt. Die Einheit kontrollierte gemachte Arbeiten und nahm diese endgültig ab, bevor sie in Betrieb genommen werden durften. Und in letzter Zeit kam es sehr oft vor, dass er dort eingesetzt wurde. Für einen kleinen Crewman ungewöhnlich. Die meisten anderen Mitarbeiter der Einheit waren mindestens Chief Petty Officers, wenn nicht studierte Offiziere. Gedankenverloren mümmelte er weiter an seinem Toast und rief sich zur Ordnung, sich nicht zu viele Hoffnungen zu machen. Vermutlich eignete er sich nur gut für die leichten, wiederkehrenden Arbeiten, für die höherrangige Kräfte überqualifiziert waren.

„Und was planst du nach dem Dienst?“, fragte der zweite Techniker, der seine Trauerphase offensichtlich hinter sich gebracht hatte.

„Weiß noch nicht“, gestand der jüngere Techniker. „Wollte mal wieder zum Sport. Und du?“

„Sport klingt gut“, gab Dayo zurück. „Was dagegen, wenn ich mitkomme?“

Überrascht sah Caden auf. „Nein.“ Wie er die letzten Male auch nichts dagegen gehabt hatte. „Um sechs dann an der Halle?“

„Ja, sechs passt gut“, antwortete sein Kollege zwischen zwei Bissen. „Wenigstens kann mir dann keiner an den Haaren ziehen.“

Immer hackte er drauf rum. „Das war keine Absicht“, versicherte der Crewman ihm nicht zum ersten Mal.

„Weiß ich doch, so was passiert eben“, gestand sein Gegenüber gut gelaunt und lachte. „Wo bist du denn heute eingesetzt?“

Doofe Frage. „Bei der Kontrolle, weißt du doch.“ Schließlich hatte er ihn an die damit verbundenen beruflichen Möglichkeiten erinnert, die er nicht fokussieren wollte.

„Witzbold“, murrte Dayo. „Wo genau. Wo kontrolliert ihr?“

Dazu war er ja noch nicht gekommen. Er hatte sich bisher auch nur darüber gewundert, schon wieder von seiner eigenen Einheit abgezogen worden zu sein. Er überflog den Einsatzbefehl noch einmal und rief den Stationsplan auf, um sich die Örtlichkeit auf der Karte anzusehen. „Hafen. Reparaturen an einem der Docks.“

„So richtig draußen?“, fragte sein Kollege überrascht. „Dann viel Spaß. Da bist du sicher gut den Tag über beschäftigt.“

„Will ich hoffen“, murmelte Caden und nahm die Datendisk aus der Computereinheit. „Obwohl ich da auch schon zweimal war. Und während der Sicherheitseinweisung.“ So vollkommen neu wäre es also nicht für ihn. „Und so, wie ich das gesehen habe, prüfen wir nur die innenliegenden Komponenten.“

„Ach, na dann“, meinte sein Gegenüber, der entspannt abwinkte.

„Sieh lieber zu, dass du fertig wirst“, erinnerte der Jüngere ihn, mit Blick auf seinen Teller, der noch halb voll war. „Ich geh vor, wenn es dir nichts ausmacht.“

Dayo schüttelte den Kopf. „Nein, mach nur. Ich komm gleich nach.“
Mit einem Nicken verabschiedete er sich von dem jungen Petty Officer und brachte sein Tablett weg, ehe er sich auf den Weg zu den Umkleiden machte.

* * *

Der Raum bestand aus Reihen von Spinden und Bänken. Nichts, was man in einer Umkleide nicht erwartete. Wobei sich die Wenigsten hier umzogen, sondern sowieso in Arbeitskleidung hier auftauchten.

Es war noch sehr ruhig. Der junge Crewman lief an den einzelnen Spindbuchten vorbei und nickte im Vorbeigehen drei Kollegen zu, denen er über den Weg lief. Dann bog er ab und fand sich kurz darauf vor seinem eigenen Spind wieder. Nummer 153.

Der Griff erkannte seine Identität automatisch und so konnte er das Fach problemlos öffnen. Routiniert griff er sich seinen Helm, die Ohrschützer und holte seine Arbeitsschuhe hervor. Dann folgte der Arbeitsgürtel, an dem er Werkzeug befestigen konnte und an dem auch seine Handschuhe hingen. Zu guter Letzt schnappte Caden sich noch seinen Koffer.

Seit er die halbjährige Ausbildung zum Mechaniker vor fünf Monaten abgeschlossen hatte, besaß er nun endlich auch eigenes Werkzeug. Streng genommen gehörte es immer noch der Sternenflotte, aber es bestand nicht mehr aus zusammengewürfelten Altbeständen und die Kratzer, die darin zu finden waren, hatte er selbst zu verantworten.

Für einen Augenblick blieb sein Blick an der Innenwand des Spindes hängen. Ein Bild seiner Familie, das sie ihm vor einiger Zeit zugeschickt hatten. Das andere war ein Blatt Papier, welches er irgendwann im Unterricht vollgeschrieben hatte, mit einem Zitat von einem griechischen Physiker und Mathematiker, der das Hebelgesetz in seinen Augen gut veranschaulicht hatte.

„Gib mir einen Hebel, der lang genug ist, und ich hebe die Welt aus den Angeln.“
Archimedes von Syrakus, † 212 v. Chr.
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