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Der Gast

von werewolf

Kapitel 1

Ein buntes Volk war es, das über das Promenadendeck zog, Tag für Tag. Wechselnde Gestalten und Gesichter, die dem Betrachter Abwechslung boten und darüber hinwegtäuschten, wie nahe der Krieg war. Wie er schon seine Hände ausstreckte und nach ihnen allen griff. Wer wusste schon, wann er die Faust schließen würde und sie in einer eisernen Umklammerung ersticken ließ.

Das bedeutete nicht, dass nicht gelegentlich einer unter den Vielen auffiel. Sei es nun wegen einer selten anzutreffenden Rasse, auffallender Statur oder exotischer Kleidung.
Wegen eines raschen Lauftempos oder eines bedächtigen Schritts.
Ja, hier trafen sich Manche. Cardassianer und Klingonen, Romulaner und Bajoraner, Menschen und Vulkanier.
Soldaten und Vedeks, Forscher und einfache Arbeiter, Befehlshaber und Zivilisten.
Und dann gab es noch welche, die nirgends dazuzugehören schienen.
So dieser Eine. Wenn man den Blick schweifen ließ über die Gänge, dann blieb er stets haften an dieser recht zierlichen Gestalt, die eigentlich untergehen müsste zwischen den stämmigen Klingonen und Cardassianern in voller Rüstung. Dessen leichtfüßiger Gang unhörbar zu sein schien unter den schweren Tritten der Anderen.
Er schien auch kein Ziel zu haben, mit absoluter Ruhe wanderte er umher, sah nach rechts und blickte nach links, eilte nicht, verweilte aber auch nirgends wirklich. Es zog ihn offenbar weder ins Quarks noch in eines der verschiedenen Restaurants, auch die die anderen Geschäfte interessierten ihn augenscheinlich wenig.
Wo er ging, traten alle ein Stück zur Seite, denn er verströmte eine ruhige Autorität.
Er sprach mit Manchen, die vorübergingen, und tatsächlich hatte er eine Art an sich, dass sie sich ihm anvertrauten.


Als Miles O’Brien gerade eine Wandverkleidung im Maschinenraum wieder befestigte, stand plötzlich ein Mann hinter ihm. Eigenartig, er hatte ihn gar nicht gehört.
„Guten Tag. Suchen Sie etwas?“ Er war durchaus irritiert, begab sich doch nur höchst selten ein Zivilist hierher.
„Ja, Sie.“
„Und was möchten Sie von mir?“ Zudem war es nicht sehr häufig, dass jemand zu ihm wollte.
„Nun, ich möchte mich eigentlich nur mit Ihnen unterhalten. Über Ihre Familie zum Beispiel.“
„Was ist damit?“ Miles war deutlich alarmiert. In diesen Tagen musste man zu oft mit schlechten Nachrichten rechnen.
„Ich bin vorhin Ihrer Frau begegnet und habe mich sehr nett mit ihr unterhalten. Sie macht sich Sorgen um Sie, wissen Sie. Keiko befürchtet nämlich, dass Sie dem Druck nicht standhalten, den diese politischen Spannungen mit sich bringen.“
Reden oder nicht? Er wusste, dass der Fremde Recht hatte, aber warum sich jemandem anvertrauen, der gerade erst durch das Schott hereinspaziert war?
„Sie können Vertrauen zu mir haben. Ich möchte Ihnen nur helfen. Immerhin steht es deswegen auch in Ihrer Beziehung nicht zum Besten.“
„Ja, leider.“ Warum sprach er überhaupt mit dem Besucher? Er wusste es nicht, aber so verlockend war der Gedanke, endlich offen reden zu können. Endlich Schwäche zugeben zu können. Er war schließlich ein Offizier der Sternenflotte, die gaben nie nach, die waren immer stark und mutig.
„Aber eigentlich ist das alles gar nicht ihr Hauptproblem“, fuhr der Gast fort. „Sie ahnen, dass der Krieg naht, und fürchten um die Sicherheit Ihrer Familie.“
„Ja, allerdings. Die Zeiten sind nicht gut.“
„Deswegen sind Sie des Öfteren grüblerisch und entmutigt, oder?“
„Tatsächlich.“ Später würde er es vermutlich nicht beantworten können, warum er so viel erzählte. Aber er schwieg nun schon lange über das, was ihn belastete.
„Reden Sie nie darüber?“
„Nein. Ich kann meine Frau nicht damit belasten.“
„Darum streiten Sie sich lieber oder gehen sich aus dem Weg?“
„Ich möchte sie glauben lassen, dass Molly in Ruhe aufwachsen kann. Denn was bringt es, wenn sie sich auch noch Sorgen macht?“
„Im Moment macht sie sich auch Gedanken, Und zwar um Sie.“
Er erwiderte nichts darauf.
„Ich bin weit gereist. Darf ich Ihnen noch einen Rat geben, zum Abschluss?“
„Bitte.“
„Reden Sie mit Keiko. Für sie brauchen Sie kein Idealbild zu sein, sie möchte nur einen Partner, dem sie sich nahe fühlt. Schleppen Sie nicht alles allein mit sich herum. Zu zweit trägt es sich leichter.“
Miles dachte einen Moment nach. „Danke, Herr…wie heißen Sie eigentlich?“
„Sie kennen mich als den Frieden. Leben Sie wohl, Miles.“
Damit verschwand er durch die Tür.
Tatsächlich wollte er dem Rat des Fremden nicht folgen, obwohl er lange darüber überlegt hatte, aber das war nicht so leicht. Ja schwerer die Zeiten wurden, desto beharrlicher schwieg er, und als der Krieg zu Ende war, und seine Beziehung zu Keiko eigentlich nur noch aus der gemeinsamen Verantwortung für Molly und Kirayoshi bestand, da erkannte er, dass er es besser getan hätte. Auf der anderen Seite allerdings hatte es vielleicht so kommen müssen, und er war nicht einmal sehr unzufrieden damit.


Es ergab sich auch so, dass er eines Vormittags die Krankenstation betrat, wo Doktor Julian Bashir gerade am Schreibtisch saß und der eher traurigen Aufgabe nachkam, einen Obduktionsbericht zu schreiben.
„Guten Tag.“ Die freundliche Stimme lenkte die Aufmerksamkeit des Menschen auf den Besucher.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Sie sind sicher der Arzt?“
„Ja. Was fehlt Ihnen denn?“ Julians Miene zeigte die Professionalität, die man von einem Mediziner erwartete.
„Darf ich mich setzen?“ Auf Julians Nicken hin ließ er sich auf einem Stuhl nieder. „Mir fehlt nichts, danke der Nachfrage. Aber Ihnen.“
„Bitte?“
„Nun, ich habe Sie schon seit ein paar Tagen beobachtet. Tatsächlich fehlt Ihnen das, was man einen ruhigen Hafen nennen könnte. Verstehen Sie, was ich meine?“
Der Ausdruck des Arztes zeigte deutliches Misstrauen. „Was wollen Sie von mir?“ Immer wachsam sein, denn es gab Dinge, die niemand erfahren durfte.
„Ich möchte nichts von Ihnen. Aber in diesen Zeiten glaubt man das nicht, nicht wahr?“
Der Mensch schwankte deutlich in seinem Bestreben. Natürlich war er befremdet von diesem eigenartigen Gast, aber dieser hatte Recht, sprach das an, was ihn quälte, und er wollte sich einen Moment des Nachgebens gönnen.
„Es ist doch so, dass die momentane Lage immer etwas von einem verlangt. Stets muss man handeln, reagieren. Man darf sich keine Fehler erlauben.“
„Wollen Sie mit mir über mein Seelenleben reden oder was wird das hier?“ Der Unwille schien zu siegen, aber der Gast tat, als würde er das nicht bemerken.
„Wenn Sie das wünschen, durchaus.“
„Das tue ich aber überhaupt nicht.“ Nicht aus fehlender Notwendigkeit heraus, nein, sondern weil man in diesen Tagen nicht mehr offen sprach.
„Sie haben schnell gelernt. Ich bin sicher, vor einigen Jahren noch war das ganz anders.“
Vor Bashirs innerem Auge tauchte das Bild eines engagierten und idealistischen jungen Arztes auf, aber er schüttelte es schnell wieder ab. Vorbei.
„Gestatten Sie mir bitte eine Frage. Nein, eigentlich sind es zwei. Wie viele Geburten haben Sie im letzten Jahr begleitet?“
„Vierzehn. Weswegen?“ Durch sein verbessertes Gedächtnis vergaß er nicht viel, die Antwort erforderte kaum Nachdenken. Segen und Fluch.
„Und wie viele Obduktionen durchgeführt?“
Julians Schweigen war ihm Antwort genug.
„Es tut mir leid, dass ich zu einem Zeitpunkt gekommen bin, an dem Sie nicht mit mir reden können. Es ist auch schwer, ich verstehe das, gerade angesichts Ihrer Vergangenheit. Sie können nicht einfach jemandem vertrauen. Aber ich hoffe, dass sie bald jemandem finden, dem sie alle ihre Geheimnisse anvertrauen können. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“
Als er sich gerade zum Gehen erhob, stellte der Arzt noch eine Frage.
„Sagen Sie, wer sind Sie eigentlich?“ Nicht verächtlich, verwundert eher.
„Ich bin ein seltener Gast in diesen Tagen. Kein Wunder, dass Sie mich nicht erkennen. Ich bin der Frieden.“
Tatsächlich bereute es Bashir später, nicht mit ihm geredet zu haben, denn dann kam der Krieg, und Friede wurde nur noch ein Wort für ihn, ein Begriff ohne Substanz, ohne greifbaren Inhalt.


Als Quark hinter seinem Tresen stand und einige Gläser polierte, trat der Fremde ein und setzte sich auf einen der Hocker vor ihn, um ihn dann eingehend zu mustern. Der Ferengi hatte das Gefühl, dieser könne ihm bis in die Seele blicken. Unheimlich.
„Was kann ich Ihnen bringen?“
„Nichts, danke. Aber ich bitte Sie dennoch, den Platz nicht gleich an einen zahlenden Kunden zu vergeben.“
„Warum sollte ich darauf verzichten?“ Quarks Blick zeigte Verachtung. Was tat jemand hier, der nichts bestellen wollte?
„Weil ich Ihnen helfen möchte.“
„Geht es um ein Geschäft?“
„Nein, um etwas Wichtigeres.“
„Und was sollte das sein. Wenn Sie bitte so höflich wären, es mir zu verraten.“ Quarks Geduld neigte sich bereits zum Ende.
„Ich weiß davon, dass Sie ein wichtiges Waffengeschäft abschließen wollen.“
Quark traute den seinen Ohren nicht, denen, die ihm immer so zuverlässig dienten, wenn es um das Latinum ging. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, überspielte er sein Erschrecken.
„Doch, das tun Sie.“ Der Fremde hatte seine Stimme fast schon zu einem Flüstern gesenkt. „Belügen Sie Odo, belügen Sie Sisko, aber mir können Sie nichts vormachen.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Ich weiß es eben.“
„Also gut“, knurrte er. „Wie viel?“
„Wie viel was?“
„Stellen Sie sich nicht dumm. Was verlangen Sie für Ihr Schweigen?“
„Nichts. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass Sie Ihre Grundsätze untergraben. Nur ein lebender Gast kann bezahlen. Sie haben nichts davon, wenn es Tote gibt, auch wenn es kurzfristig so erscheinen mag.“
„Erzählen Sie mir nicht, wie ich Geschäfte machen soll.“
„Sie haben Angst. Das weiß ich.“
Quarks Kopfschütteln war etwas zu heftig. „Warum sollte ich?“
„Weil der Krieg kommt. Das wissen Sie ganz genau. Sie sind kein Soldat, Sie sind Händler. Und Sie können entscheiden, was Sie hier tun. Welche Rolle Sie spielen wollen. Henker oder Helfer. Sie wählen.“
Der Blick des Fremden hatte etwas Hartes bekommen, das aber sofort wieder verschwand, als dieser aufstand. „Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Richtige tun. Mögen Sie nicht irren.“
„Wer sind Sie?“ Der Ferengi hatte noch nie so eine Faszination empfunden für jemanden.
„Der Frieden.“


Auch vor Garaks Laden machte der geheimnisvolle Gast Halt und trat ein.
„Ich grüße Sie.“ Garak kannte seine Rolle, alles daran war wunderbar einstudiert, vom einladenden Lächeln bis hin zu dem kurzen Blickkontakt, dem angedeuteten Schritt rückwärts, der leichten Verbeugung.
„Lassen Sie uns gleich zum Wesentlichen kommen. Ich bin hier, um mit Ihnen über den Frieden zu reden.“
Der Cardassianer zeigte seine Verwirrung nicht. „Wie Sie wünschen. Beginnen Sie.“ Dabei wies er einladend auf eine Sitzgruppe, und sie ließen sich darauf nieder.
„Ich appelliere an Sie, zu überlegen, auf welcher Seite Sie stehen.“
„Ich bitte Sie. Was könnte ich schon daran ändern, wie sich die Dinge entwickeln? Ich bin ein einfacher Schneider.“ Die perfekt wirkende Maske verrutschte kein Stück.
„Das glauben vielleicht alle hier, vielleicht auch nicht. Aber mir machen Sie nichts vor. Kein einfacher Händler besitzt dieses Maß an Selbstbeherrschung, diese tadellos einstudierten Bewegungen und Gesten, bis ins kleinste Detail durchdacht.“
„Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.“ War das ein leichtes Zucken der Füße, das verriet, wie richtig er lag? Nur ein sehr aufmerksamer Beobachter würde das bemerken.
„O doch. Sie haben Fähigkeiten, von denen wohl keiner hier etwas ahnt. Auch nicht der Arzt.“
„Was hat Bashir damit zu tun?“ Das kurze Zögern vor dem Namen verriet ihn.
„Sie wollten sicher Julian sagen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich schweige.“
„Zu welchem Preis?“
„Ich verlange nichts. Das Einzige, was ich möchte, ist, dass Sie darüber nachdenken, was hier gerade passiert und was Sie daran tun können. Dieser Arzt, er ist Ihnen wichtig und Sie wollen ihn beschützen, richtig?“
Ein unwirsches Nicken, das zeigte, wie sehr Garak sich dagegen sträubte, dass es jemand geschafft hatte, ihn zu durchschauen. Wie? Er hatte jahrelanges Training erhalten von Experten, war durchaus hart bestraft worden, wenn er versagt hatte. Niemand schaffte es, hinter diese sorgsam konstruierte Fassade zu blicken.
„Dann stellen Sie sich nicht gegen ihn. Gehen Sie nicht zu denen, die den Krieg wollen, auch wenn diejenigen Sie rufen. Befragen Sie Ihr Gewissen, Sie sind intelligent und wissen, was vor sich geht. Sie haben eine Wahl. Sie allein entscheiden, was Sie tun.“
„Ich habe eine Menge rätselhafte Personen kennen gelernt, aber Sie…wer sind Sie?“
„Ich bin der Frieden. Viel Erfolg auf Ihrem Weg, Elim. Ich weiß, sie mögen es nicht, wenn man Sie so nennt, aber gewöhnen Sie sich daran. Wenn Sie jemanden an sich heranlassen wollen, müssen Sie das.“
Dann verließ der Fremde den Raum.


Zu Kadett Larsson kam der Besucher, als dieser gerade einen Stapel PADDs fallen gelassen hatte.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“ Kaum gesagt, sammelte dieser bereits mit ihm die Datenträger vom Boden auf.
„Sehr freundlich von Ihnen, dankeschön.“
„Kein Problem. Geben Sie mir doch die Hälfte, ich kann auch etwas tragen.“
„Tut mir leid, ich darf das nicht aus der Hand geben.“ Eine automatische Antwort.
„Ich verstehe. Kriegswichtige Unterlagen, oder?“
Der Terraner hatte sich erhoben und ging weiter, schien aber erfreut zu sein, dass der Fremde ihn begleitete.
„Ja, in der Tat.“
„Sie machen Ihren Dienst gut, auf Sie kann man sich verlassen.“
„Danke. Aber wie kommen Sie darauf?“
„Das sehe ich Ihnen an. Wissen Sie, wer so weit herumgekommen ist wie ich, der sieht Manches.“
„Sicherlich.“
„Haben Sie eine Familie?“
„Meine Eltern und zwei Schwestern, ja. Warum?“
„Und die Klingonin, mit der ich sie vorhin sah?“
Der Kadett zuckte zusammen. Davon sollte niemand erfahren.
„Sie befürchten, dass der Krieg Sie trennen könnte.“
Larsson blieb stehen und starrte ihn eher feindselig an. „Was wollen Sie von mir?“
„Ihnen helfen. Sonst nichts.“
Etwas in dessen Haltung veränderte sich. Der Mensch ließ die Schultern etwas sinken und senkte den Kopf fast unmerklich. „Wie können Sie mir da helfen?“
„Manchmal ist es schon eine Entlastung, einfach darüber zu sprechen.“
„Ich weiß, es ist komplett unvorsichtig, einfach mit jemandem zu reden, der genauso gut ein Spion sein könnte, aber…wollen Sie sich das wirklich anhören?“
„Sicher. Sie können jederzeit beginnen.“
Tatsächlich begann er zu erzählen und Kadett Larsson erinnerte sich auch noch an diese Unterhaltung, als er längst befördert worden war und sein eigenes Schiff kommandierte. Ohne Liara, die Klingonin, die er einst liebte.


Am Schluss seines Besuchs kam der Fremde zu Sisko, der über den taktischen Daten des bevorstehenden Krieges saß und darüber zu verzweifeln drohte.
„Störe ich?“
„Nein, kommen Sie doch herein, bitte. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Die Frage ist eher, wie ich Ihnen helfen kann.“
„Wie meinen Sie das?“ Siskos Ausdruck wurde plötzlich wieder hellwach.
„Sie tragen sehr viel Verantwortung.“
„Richtig. Das ist meine Aufgabe.“
„Alle hier zählen auf Sie. Auf Sie, den Kommandanten, den Abgesandten, den Beschützer, den Retter, den Vater.“
„Sie bauen auf mich. Dass ich eine Lösung finde.“
„Aber das ist unmöglich.“
„Was wollen Sie von mir hören?“
„Was Sie mir erzählen wollen.“
„Ich kann Ihnen nicht trauen.“ Ein neutraler Ausdruck, nicht feindselig.
„Natürlich kann ich Ihnen keine Garantie geben, aber ich weiß Manches, über das ich schweige. Selbst ein cardassianischer Gul hat schon mit mir gesprochen. Ich liefere niemanden aus.“
„Ich muss die schützen, die mir vertrauen. Ich kann nicht mit Ihnen reden. Es tut mir leid.“
„Das muss es nicht. Mir tut es leid, dass Sie eine solche Last tragen müssen.“
„Das ist schon in Ordnung. Ich tue es gern.“ Einstudiert, zum großen Teil. Der Gast bemerkte, dass Siskos Begeisterung für seinen Beruf schon lange verschüttet war unter der Bürde, die dieser damit trug.
Das sagte er auch, und fügte noch hinzu, dass verschüttet nicht verloren bedeutete.
„Sie haben Recht. Ich wünschte, es wäre anders.“ Überraschende Ehrlichkeit, von einem, der schweigen musste. Der am Tag vor seinen Untergebenen und Verbündeten seine Zweifel verbarg und am Abend vor Jake, seinem Sohn, der immer Rat wissen musste und nie zweifeln durfte. Der allein ging mit seiner Last und sie trug und trug und immerfort, der kein Ende absehen konnte und keinen ruhigen Moment mehr kannte. Der nicht schlief ohne Sorgen und nicht erwachte mit Ruhe.
Und der redete mit einem Fremden, der redete über seine Gefühle und Sorgen.
Der dankbar war für dieses Gespräch, das ihn entlasten würde für eine lange Zeit und an das er immer zurückdenken würde, auch als er schon längst ein alter Mann war.


Der seltsame Gast hatte mit vielen Personen gesprochen, hatte am Tisch gesessen mit cardassianischen Soldaten und mit Klingonen, man hatte ihn Dart spielen gesehen und wie er mit einem Kind ein Bild gemalt hatte.
Er hatte Respekt erfahren von einem vierjährigen Andorianer und einem langgedienten Gul, man hatte beobachtet, wie er die Messe eines Vedeks besuchte und wie er über die Lehren des Kahless sprach.
Nein, so recht wurde niemand schlau aus ihm, und erstaunlicherweise schien ihn jeder anders erlebt zu haben. Fordernd, stützend, fragend, bestimmend, einfühlsam und sachlich. Aber jeder fühlte sich von ihn verstanden, und jeder machte die Erfahrung, dass er auch über Vertrauliches schweigen konnte.
Und jeder hob grüßend die Hand, wenn er vorbeiging, und trat einen Schritt beiseite. Sah ihm einen kurzen Moment versonnen hinterher. Und jeder fühlte sich besser, wenn er mit ihm gesprochen hatte.


Irgendwann dann verließ der Fremde die Station so plötzlich und unbemerkt, wie er gekommen war. Er war einfach fort, und für einige Tagen vermissten sie es, ihn über die Gänge wandeln zu sehen. Sie alle fragten sich, ob er zurückkehren würde, und als er es nicht tat, waren sie durchaus traurig darum. Später allerdings sahen sie ein, dass er nicht zurückkehren musste, um bei ihnen zu sein. Dass er es immer war, wenn sie es wünschten, dass er lebte in ihrem Tun und Reden. Dass er keinen von ihnen allein ließ, und sie für ein paar Tage verbunden hatte in der Gemeinschaft der Ratsuchenden. Er hatte ihnen gezeigt, dass sie alle nur das Beste für die Ihren wollten, und auch, wenn er es nicht vermocht hatte, sie zu einen, so hatte er es vollbracht, dass sie sich etwas weniger fremd geworden waren.

Und das war es, was die Hoffnungslosigkeit ein Stück weit von ihren Schultern nahm, was sie ein wenig aufrechter gehen ließ und den Schatten von ihrer Sonne nahm.
Der Frieden, er würde sie nie verlassen, wenn sie es nicht zuließen.

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