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Catch a falling star

von SusanQ

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*Spielt es wirklich keine Rolle, daß das alles nur in meinem Kopf stattgefunden hat?*, fragte sich Hoshi Sato, Kommunikationsoffizier und anerkanntes Sprachgenie der Enterprise NX-01, zum wiederholten Mal. *Wenn das wahr ist, was haben dann meine Erlebnisse im Transporterpuffer tatsächlich zu bedeuten?*

Sie war sich inzwischen ganz und gar nicht mehr sicher, ob ihre anscheinend wachsenden und sich vermehrenden Phobien nicht doch schon an Wahnvorstellungen grenzten, denn ein erneutes *oder weiteres? oder erstes?* Gespräch mit Phlox – es fiel ihr immer noch schwer sich an ihre Transporterphantasie als nicht real zu erinnern – hat erbracht, daß Denobulaner derartige Halluzinationen keineswegs als heilsam erachten. Mittlerweile war zu ihrer Klaustrophobie, der Reisekrankheit, den Minderwertigkeitskomplexen und dem Gefühl der ständigen inneren Einsamkeit auch noch eine Transporterphobie hinzugekommen. Obwohl – zumindest letztere schien sie in ihrer Phantasie, also in ihrem Kopf, was wohl der wichtigere Aspekt dabei war, überwunden zu haben. Dennoch konnte sie getrost darauf verzichten demnächst nochmals in ihre einzelnen Molekühle zerlegt und wieder zusammengesetzt zu werden und Cmdr. Tuckers Erklärung, daß sie eigentlich auf subatomarer Ebene in ihre energetischen Muster aufgespaltet wurde, half dabei so gar nicht weiter.

Allerdings gab es auch einige wenige Sequenzen aus ihrer Phantasie, an welche sie sich gern erinnerte – das Gespräch mit Cmdr. Tucker im Trainingsraum und der Moment in dem Versorgungstunnel, als er still von ihr Abschied nehmen wollte. Nicht so gern erinnerte sie sich hingegen an die Sorgen, die sie sich um ihn und Travis, und zwar in eben dieser Reihenfolge, gemacht hatte, als diese gefangen genommen worden waren.

*Alles nur Einbildung*, mußte sie sich wieder ins Gedächtnis rufen.

Aber eine, in mancher Hinsicht, überaus angenehme Einbildung, wie sie sich eingestehen mußte, wie die Nähe, die sie zu dem Chefingenieur verspürt hatte, als sie zusammen, nur sie beide ganz allein, die Höhlen voller uralter Petroglyphen erkundet hatten.

*Nein, DAS war real*, überlegte sie und genau das machte alles nur noch viel komplizierter.

Hatte sie sich nun lediglich eingebildet, daß er um sie besorgt war oder war er es wirklich? Er hatte um sie getrauert und sich Selbstvorwürfe gemacht. Aber war dies vielleicht nicht nur ihr eigenes Wunschdenken? Und was war mit den Geschehnissen in den Felsenkammern? Hatte er da nicht so manches Mal unnötig dicht hinter ihr gestanden, um Fotos zu machen? Oder bildete sie sich das jetzt auch nur ein? Und fühlt es sich jetzt, in ihrer vielleicht etwas verzerrten Erinnerung nicht noch um ein vielfaches besser an, als vor dem Transporterzwischenfall?

Hoshi rollte sich, während sie so nachdachte, unter ihrer Decke zusammen und driftete langsam in einen unruhigen Schlaf hinüber.

Am nächsten Morgen hatte Hoshi Sato eine wenig erholsame Nacht hinter sich, in der ihr nie wirklich richtig klar war, ob sie gerade träumte oder wachte.

Am Ende hatte sie den logischen Schluß gezogen, das derart konfuses Zeug sich unmöglich in der Realität habe ereignen können, und sie somit geschlafen und geträumt haben mußte. Jedoch konnte sie der Vorstellung in den Armen Cmdr. Tuckers zu liegen zusehends mehr und mehr abgewinnen. Manchmal mußte sie sich sogar eingestehen, daß sie es sich anscheinend tief in ihrem Unterbewußtsein wünschte. *Siggi läßt grüßen*, dachte sie mit einem Schmunzeln, während sie sich für ihre Schicht auf der Brücke fertig machte.

Kaum hatte Hoshi ihren Platz an der Kommunikationskonsole auf der Brücke eingenommen und routiniert mit dem Algorithmus der wöchentlichen Updates der linguistischen Datenbank begonnen, tauchte Cmdr. Tucker neben ihrer Station auf.

„Na, unser gestriges Abenteuer muß Sie aber ganz schön mitgenommen haben, Ensign“, begrüßte er sie mit seinem gewohnt charmanten Augenzwinkern.

Etwas verwundert blickte Hoshi zu ihm auf und entgegnete: „Ich... ich verstehe nicht, was Sie meinen, Commander.“

„Wir hatten doch vereinbart, daß ich heute, gleich zu Beginn meiner Schicht, das Problem mit der Rückkopplung in Ihrem Lautsprechersystem beheben werde“, erinnerte er sie an den Reparaturplan.

„Das war heute?“

„Ganz recht.“

„Entschuldigen Sie, aber für mich ist es immer noch ein bißchen so, als hätte ich einen oder zwei Tage Vorsprung.“

„Kein Problem“, versicherte ihr der Chefingenieur und fuhr fort: „Wie ich sehe, haben Sie schon mit dem Update begonnen. Macht aber nichts, schließlich sind die beiden Systeme voneinander unabhängig.“

„Ja, aber ich kann jetzt hier nicht weg“, wand Hoshi halbherzig ein, in der Hoffnung, er würde die Reparatur verschieben und ihr nicht so angenehm nahe bleiben – doch weit gefehlt.

Tucker hatte sich bereits zusammen mit seinem Werkzeug auf den Boden gesetzt und kroch gerade rückwärts unter ihre Konsole. Einen Arm hinter ihren linken Unterschenkel führend entfernte er gerade die Abdeckung über einigen Schaltkreisen.

„Commander!“, stieß Hoshi hervor, woraufhin er aufmerksam zwischen ihren Beinen hindurch nach oben blickte.

„Ja?“

Völlig entgeistert schaute sie mit leicht geöffneten Lippen zu ihm hinab und dachte *Was für eine absurde Situation!* Sie riß sich zusammen, hoffte, er habe ihre Unsicherheit nicht bemerkt, und entgegnete: „Sie können doch nicht so daliegen… zwischen meinen Beinen.“

Tucker machte eine Bewegung mit dem Kopf und ein Geräusch, das wohl andeuten sollte, er müsse kurz darüber nachdenken, dann antwortete er: „Hm, ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.“

Nahm er sie gerade auf den Arm, oder flirtete er? Hoshi wußte seine Bemerkung nicht recht einzuordnen und erwiderte, mehr aus einem Reflex heraus: „Hamlet, 3. Akt, 2. Szene.“

Noch im selben Moment, als ihr die Worte aus dem Mund purzelten, hatte sie es auch schon bereut. *Könnte man dies als eine vorlaute Äußerung einem Offizier gegenüber auslegen?*

Doch Tucker steckte wieder seinen Kopf unter der Konsole hervor und fragte interessiert: „Tatsächlich?“

„Ja, Sir.“

Das strahlende, ein wenig anerkennende Lächeln, das er ihr daraufhin schenkte, war Hoshi jetzt einfach zu viel. Sie sprang von ihrem Sessel auf und sagte mit möglichst fester Stimme: „Ich breche das Update jetzt ab. Ich kann es ja später beenden.“

„Dann müssen Sie doch das gesamte System neu booten“, gab er zu bedenken.

„Egal.“

„Ich bin sowieso in ein paar Minuten fertig“, wand er ein.

„Egal“, wiederholte sie ihr überaus dürftiges Argument, während sie schon von der Brücke verschwand.

Als sich die Tür des Turboliftes hinter ihr geschlossen hatte, atmete sie erleichtert auf.

Der Rest der Alpha-Schicht verlief ohne nennenswerte Ereignisse, also ohne das sie einem Fremden Schiff begegneten oder eine chiffrierte beziehungsweise fremdsprachige Nachricht empfingen. Hoshi hatte demnach alle Zeit der Welt, um in Ruhe die Systemprogramme des Universaltranslators neu zu booten und die Datenbank fertig updaten zu können, während sie ein Packet privater Nachrichten an die Crewmitglieder über Echo Two empfing und speicherte.

Von ihrer Ablösung für die Mittagspause wurde sie mit den Worten Begrüßt: „Hat sich schon jemand aus der Technik um das Feedback-Problem gekümmert?“

„Ja, Cmdr. Tucker hat sich heute Morgen darum gekümmert. Wieso?“

„Na ja, ich habe den Bericht nicht gefunden und dachte, es sei noch nicht erledigt.“

„Gut, ich kümmere mich darum, Crewman“, versicherte Hoshi dem Techniker, der sie vertreten sollte, und fügte dem hinzu: „Sie müssen lediglich das Updaten überwachen.“

„Ja, Ma’am.“

Mit sich selber uneins, ob sie sich auf ein erneutes Treffen mit dem Chefingenieur freuen oder dem besser aus dem Weg gehen sollte, begab sich Hoshi Sato auf die Suche nach Cmdr. Tucker.

Sie fand ihn schließlich in der mittlerweile verwaisten Messe wo er etwas unentschlossen und mit nur geringer Begeisterung in seinem Dessert herumstocherte, denn als er wieder einmal viel zu spät zum essen kam, war der gedeckte Apfelkuchen schon lange alle und er mußte sich mit Götterspeise begnügen, wobei er sich zum wiederholten Male fragte, warum Götter ausgerechnet diesen Glibberkram mögen sollten.

Als Tucker bemerkte, daß Hoshi an seinen Tisch herangetreten war, hellte sich der Ausdruck in seinem Gesicht merklich auf. Er schien sich wirklich zu freuen sie zu sehen.

„Was kann ich für Sie tun, Ensign?“, wollte er nun wissen.

„Sie haben es versäumt den Wartungs- und Reparaturbericht abzuzeichnen, Sir. Ich bräuchte also eine Unterschrift von ihnen.“

Hoshi legte ihm das Datenpad neben seinen Teller und trat wieder einen halben Schritt zurück.

Er warf einen flüchtigen Blick darauf und erwiderte: „Hm, Papierkram… hätte ich das geahnt, wäre ich vermutlich nicht in die Sternenflotte eingetreten. – Obwohl… wahrscheinlich doch – trotzdem.“

„Ich habe alles soweit vorbereitet, Sie müssen nur noch unterzeichnen, Cmdr. Tucker.“

„Gern, aber mein Name ist Charles“, entgegnete er mit seinem umwerfenden Lächeln auf den Lippen und schob sich einen Löffel voll Götterspeise in den Mund.

*Was soll das denn jetzt?*, fragte sich Hoshi und sah den ranghöheren Offizier etwas verwirrt an, während sie antwortete: „Ich weiß, Sir.“

„Ja, mein Name ist Charles“, wiederholte er und sah sie mit einem seltsam erwartungsvollen Ausdruck in den Augen an.

*Was will er mir damit sagen?* Hoshi wurde immer verwirrter und nervöser. *Worauf will er bloß hinaus?*, überlegte sie weiter und sagte vorsichtig abwartend: „Ja? – Und?“

„Na da kann ich doch nicht meinen Friedrich-Wilhelm drunter setzten, sondern höchstens meinen Charles Tucker.“

Hoshi wußte nicht, ob er sie verarscht hatte oder mit ihr flirtete und ebensowenig konnte sie sich entscheiden, ob sie ihm an die Gurgel springen oder sich erleichtert fühlen sollte. Sie blieb natürlich stehen wo sie war, atmete aus und erwiderte: „Von mir aus können Sie auch drei Kreuze machen, Sir.“

Plötzlich schlug der Chefingenieur lachend mit der flachen Hand auf den Tisch, woraufhin Hoshi leicht zusammenzuckte, und sagte: „Der war gut.“

Offensichtlich dachte er, das diese Bemerkung einen Anspielung auf seinen Namen sein sollte – Charles Tucker III – doch Hoshi wurde die Situation zusehends peinlicher. Sie befürchtete schon, sichtbar rot anzulaufen und wollte nur noch hier raus.

Glücklicherweise nahm er, immer noch lächelnd leicht den Kopf schüttelnd, das Pad zur Hand und unterzeichnete den Bericht beiläufig und reichte ihn ihr dann zurück.

Etwas verlegen stammelte sie noch ein kurzes „Danke, Sir“ und verließ eilig die Messe.

Kurz vor Ende ihres Dienstes machte Hoshi ihre Runde, um die Post zu verteilen. Sie begann damit immer auf Deck B, lief zuerst den zentralen, dann den peripheren Ringkorridor ab, auf Deck C dann umgekehrt und so weiter.

Als sie in die Krankenstation zu Dr. Phlox kam, war sie durchaus froh, das er gerade keinen Patienten zu versorgen hatte. Ausnahmsweise fütterte er auch nicht gerade seine kleine Menagerie sondern betrachtete irgend etwas interessiert durch sein Mikroskop.

„Ähm, Doktor Phlox?“

„Einen kleinen Moment bitte, Ensign, ich bin gerade dabei eine Blutprobe zu analysieren.“

Auch aus dieser Entfernung war es unübersehbar, daß das Blut auf dem Objektträger grün war.

„Fehlt dem Subcommander irgend etwas?“, erkundigte sie sich besorgt.

Phlox blickte überrascht auf, drehte sich schnell zu Hoshi um und sah diese nun aufmerksam an. Jemand mißtrauisches hätte vielleicht gemutmaßt, daß er sich absichtlich so stellte, daß jeder Blick auf das Mikroskop unmöglich wurde, aber seine derzeitige Besucherin hatte keinen Grund zu so einer Annahme.

„Keineswegs, ich wollte nur sicherstellen, daß auch aus T’Pols Organismus das chemische Ungleichgewicht, daß sich aufgrund der Gravitation der Singularitäten bei uns allen ausgeprägt hatte, wieder verschwunden ist.“ Er grinste sie etwas überschwenglich an und fragte: „Haben Sie etwas für mich?“

„Ja, wieder einen Brief von ihrem Kollegen auf Denobula.“

„Seien Sie doch bitte so nett und legen ihn auf den Schreibtisch“, bat er sie.

„Selbstverständlich“, antwortete Hoshi und kam der Bitte umgehend nach.

Als sie das Speichermodul auf den Tisch gelegt hatte, drehte sie sich nochmals schweigsam zu Phlox um und sah ihn unentschlossen an, was er natürlich sofort bemerkte. „Kann ich irgend etwas für Sie tun?“

„Ich bin mir nicht sicher“, gab sie zu.

„Ob ich Ihnen helfen kann?“

„Das auch.“ Sie zögerte wieder merklich und fragte dann doch: „Wie kann man unterscheiden, ob etwas Fiktion oder Realität ist?“

„Ah“, machte Phlox, legte ihr einen Arm um die Schulter und führte sie fast unmerklich weiter von seinem Labortisch fort. „Die berühmte konfuzianistische Frage *Schlafe ich und träume dabei ein Schmetterling zu sein, oder bin ich ein Schmetterling, der träumt ein Mensch zu sein?*.“

Hoshi sah ihn überrascht an. „So in der Art, ja. Ich bin immer noch etwas verunsichert wegen des gestrigen Transporterzwischenfalls.“

„Soll ich Sie mal kneifen?“, bot Phlox ihr in halbprofessionellem Ton an ihr bei der Lösung ihres Problems auf die denkbar einfachste Weise zu helfen.

„Nein Danke, ich denke, im Moment bin ich wach“, wehrte Hoshi schnell ab.

„Ich könnte das jetzt bestätigen, aber sollte ich tatsächlich nur Teil Ihres Traumes sein…“

„Schon klar“, entgegnet sie ihm und fügte dem lächelnd hinzu: „Ich habe noch etwas Post auszutragen.“ Dann verließ sie die Krankenstation und setzte ihre Runde fort.

Sie hatte auch einen Brief für Cmdr. Tucker. *Für Charles…* bei dem Gedanken mußte sie verträumt vor sich hin lächeln. Eine angenehme Vorstellung, ihn mit diesem Namen anzusprechen. Das tat sonst niemand. Alle nannten ihn immer nur Trip.

Er war nicht im Maschinenraum und von einem der Techniker erhielt sie die Auskunft, er kalibriere gerade die Abschußvorrichtung für die Torpedos.

Charles war im Torpedoraum? Womöglich war er dort allein. – Und es würde die letzte Station auf ihrer Tour sein…

Sie freute sich schon jetzt auf das Treffen, denn irgendwie fühlte sie sich, trotz all ihrer Unsicherheit in seiner Nähe doch irgendwie sicher. Selbstverständlich war ihr vollkommen klar, daß diese zwiespältigen Gefühle völlig paradox waren, aber es fühlte sich dennoch ausgesprochen gut an.

Schon auf dem Weg zum Torpedoraum mahlte sie sich in allen Einzelheiten aus, wie das Gespräch ablaufen könnte und wußte doch zugleich, daß es ganz anders kommen würde als in ihrer Vorstellung. Er tat und sagte immer so absolut unerwartete Dinge.

Zögernd stand Hoshi nun vor dem Schott hinter dem er gerade war und sie mußte sich ins Gedächtnis zurückrufen, daß er da arbeitete und nicht auf sie wartete. Sie holte tief Luft, öffnete das Schott und trat ein.

Charles befand sich auf der unteren Ebene und hatte gerade einen der Torpedos von dessen Hülle befreit um einige Feineinstellungen vorzunehmen.

Hoshi stieg die Leiter hinab und trat hinter ihn. Vermutlich konnte er nur ihre Stiefel und einen Teil ihrer Uniform sehen, denn er hatte den Kopf tief gesenkt und blickte konzentriert auf die kompliziert aussehenden Schaltkreise im Inneren des Torpedos.

Jetzt streckte er den rechten Arm nach hinten und bat um ein Werkzeug: „Ich bräuchte mal den Mikrokalibrierer.“

Hoshi schaute etwas verwirrt in den Werkzeugkasten zu ihren Füßen und gestand dann ein: „Tut mir leid, ich weiß nicht, welches von diesen Geräten das ist.“

Als er sich nun überrascht aufrichtet und dabei umdrehte, stieß er sich empfindlich den Hinterkopf an der offenen Klappe des Torpedorohrs.

„Oh, Entschuldigung, ich dachte es währe Lt. Reed, der sich da so von hinten angeschlichen habe.“ Und wieder lächelte er eines dieser umwerfenden Lächeln, daß die winzigen Grübchen sichtbar machte und bei dem seine Augen immer noch etwas blauer zu leuchten schienen, während er sich versonnen die leicht schmerzende Stelle am Kopf rieb.

„Nein ich ähm, ich bringe nur die Post“, erwiderte sie und klang dabei etwas schüchtern.

„Danke“, sagte er und griff nach dem Speichermodul, daß sie ihm entgegenstreckte. Als er es ihr aus der Hand nahm, streiften seine Fingerspitzen sacht über ihren Handrücken. Er sah ihr in die Augen und Hoshi schien es, als sei die Zeit für sie stehen geblieben.

Selbst als er ihr den Chip bereits abgenommen hatte, spürte sie noch immer das leichte Kribbeln entlang der Spur, die seine Finger auf ihrem Handrücken gezeichnet hatten.

Plötzlich bekam sie doch Angst vor ihrer eigenen Courage, denn auf dem Weg hierher hatte sie sich vorgenommen, seine Nähe und die flirtenden Blicke und das strahlende Lächeln einfach zu genießen und vielleicht sogar darauf einzugehen. Es könnte so angenehm sein, die eigenen Emotionen zu und sich einfach gehen zu lassen.

Wieder fühlte sie sich hin und her gerissen. Auf ihn zugehen? Oder wegrennen? – Wegrennen!

Während er sie immer noch irgendwie abwartend ansah, ereilte sie ein leichter Anflug von Panik. Sie drehte sich wortlos um und lief eilig davon. Als sie die Leiter erreicht hatte, war er knapp hinter ihr und fragte etwas besorgt: „Was ist denn los?“

„Nichts“, antwortete sie nervös und stieg unterdessen die Leiter weiter hinauf.

„Aber…“, wollte er etwas einwenden, doch sie drehte sich bereits um, um zu beteuern, daß wirklich nichts sei, als sie eine Sprosse verfehlte und fiel.

Irgendwie schaffte er es, sie aufzufangen, doch ihr Schwung war zu groß und so bremste er zwar ihren Sturz, fiel aber selbst nach hinten und da er sie noch immer an der Taille fest hielt, sie mit ihm, so daß sie letztendlich auf ihm landete.

Ihr Herz raste bedenklich schnell, wie bei nach einem Marathon. Sie war ihm so unglaublich nah, konnte die Wärme seines Körpers unter sich fühlen, seinen Atem spüren und sah seinen überraschten Blick.

Sie hauchte seinen Namen: „Charles.“ Dann näherte sich ihr Gesicht unbewußt dem seinen und ihre Lippen berührten einander, vereinten ihre Münder zu einem unschuldigen Kuß.

Wieder dehnte sich für sie die Zeit und der Kuß wirkte länger, als er währte, wie zuvor seine Berührung.

Tucker ergriff ihre Schultern und schob sie von sich weg. Nun blickte er ihr ernst ins Gesicht und in seinen Augen, die keine Zärtlichkeit und keine Sehnsucht zeigten, erkannte sie sofort, was er ihr zu sagen gedachte. Sie wollte es nicht hören. Die Situation war für sie auch so schon peinlich genug.

Sie sprang auf und eilte wieder die Leiter hinauf und zur Tür hinaus, diesmal ohne sich umzudrehen. Wenn es hier Erde gegeben hätte, hätte sie sich gewünscht, das diese sich für sie auftäte und sie auf der Stelle verschlingen würde.

*Nichts wie weg hier!*, war ihr einziger Gedanke.

Auf ihrem Bett liegend weinte sie leise in ihr Kissen. Wie hatte sie sich nur so täuschen können? Hatte sie seine Gesten und Worte überinterpretiert? Womöglich sogar völlig falsch? – Offensichtlich.

*Boa, ich bin so blöde*, dachte sie und hätte es sogar in 40 verschiedenen Sprachen zu sich selbst sagen können.

Wie sollte es jetzt nur weiter gehen? Sie konnte sich unmöglich für den Rest der Reise in ihrem Quartier einschließen. Spätestens morgen würde sie Cmdr. Tucker unweigerlich irgendwo über den Weg laufen.

*Was ist bloß in mich gefahren?*, fragte sie sich zum hundertsten Mal.

Der Summer an ihrer Tür erklang.

Sie reagierte nicht.

Wieder ertönte der Summer und sie hätte schwören können, diesmal klang er eindringlicher, als zuvor, auch wenn das technisch gar nicht möglich war. Dennoch erwiderte sie nichts. Es konnte eigentlich nur einer sein…

Dann hörte sie Tuckers sanfte, doch ernst klingende Stimme gedämpft durch das Schott dringen: „Hoshi, wir müssen reden.“

Keine Antwort.

„Ich warte am Heckaussichtspunkt auf Deck D“, tat er nach einer kurzen Pause kund und begab sich gemessenen Schrittes und tief in Gedanken, denn eigentlich wußte er noch nicht so recht, was er sagen sollte, direkt dort hin.

Über eine Stunde lang wartete er vergebens auf sie und wollte, in der Annahme, daß sie wohl doch nicht käme, beinahe schon wieder gehen, als sie zögernd den winzigen Raum betrat.

Vielleicht war die Wahl gerade dieses Ortes für ihre Unterredung doch nicht so passend gewesen, denn hier mußten sie einander nah sein.

Gesenkten Hauptes stand sie vor ihm und war zumindest über eines froh – der Raum wurde nur von dem energetisch pulsierenden blauen Licht der Warpgondeln erhellt und so war die Wahrscheinlichkeit, daß er ihre vom Weinen verquollenen Augen sah, nicht sehr groß.

„Hoshi“, sagte er ihren Namen in die bedrückende Stille hinein. „Hoshi, sieh mich an“, bat er sie und als sie nicht dergleichen tat, umfaßte er vorsichtig ihr Kinn und hob sacht ihren Kopf an.

Sie senkte die Lieder und sprach noch immer nicht mit ihm. Sie hatte lange darüber nachgedacht und sich eher halbherzig entschlossen sich anzuhören, was er zu sagen hatte und dann wollte sie den ganzen leidigen Vorfall einfach vergessen.

„Es tut mir so wahnsinnig leid“, entschuldigte er sich bei ihr und das überraschte sie nicht wenig, so daß sie nun doch verwundert zu ihm aufblickte.

„Ich wollte Dir nicht wehtun. Ich Trottel habe nur einfach nicht bemerkt, was in Dir vorging.“

Sie sah ihm fragend in die strahlend blauen Augen, deren Farbe durch den Schein der Warpgondeln nur noch verstärkt wurde.

Er hob leicht verlegen etwas die Schultern und fuhr fort: „Vermutlich habe ich Dir unbewußt einige Signale gesendet, daß ich Dich mag, die Du dann fälschlicherweise für etwas anderes gehalten hast.“

Ein schwacher Schimmer voller Hoffnung blitzte in ihren Augen auf, doch Tucker bemerkte ihn und sprach vorsichtig weiter: „Ich mag Dich Hoshi, ich mag Dich wirklich sehr – wie eine Schwester. Und ich würde es zu tiefst bedauern, wenn unsere Freundschaft unter diesem… Mißverständnis leiden würde.“

Jetzt hob sie ihren Kopf doch ein bißchen höher und blickte ihm etwas fester in die Augen.

„Kannst Du mir verzeihen?“, fragte er sie nun.

Sie nickte vorsichtig.

Er lächelte leicht.

Tief durchatmend senkte sie nachdenklich den Kopf, biß die Zähne zusammen und nickte nochmals, diesmal deutlich entschiedener.

„Ich danke Dir“, flüsterte er und hauchte ihr einen flüchtigen Kuß auf die Stirn.

Nachdem Tucker die winzige Kuppel der Aussichtsplattform verlassen hatte, fühlte Hoshi sich so allein wie lange nicht mehr. Gedankenverloren betrachtete sie die beiden leuchtenden Zylinder, die Gondeln des Warptriebwerkes, das sie bis hier her gebracht hatte und noch weiter vorantrieb.

*Wohin soll das alles nur führen?

Realität – Imagination.

Wachen – träumen.

Vermutlich hat er recht. – Nein, er hat definitiv recht.* Und dennoch tat es weh.

*Wahrheit – Wunschdenken.*

Sie kniff sich energisch in den linken Oberarm und der Schmerz holte sie augenblicklich ins Hier und Jetzt zurück. Aber dieser Schmerz würde wieder vergehen, genauso wie der andere…
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