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Ein schwieriger Besuch

von Xella Sky

Kapitel 1

 

Ein schwieriger Besuch

 

Die Dämmerung war bereits vorangeschritten als Miral am Grundstück angelangte. Sie war von der öffentlichen Transporterstation in Zentral-Bloomington bis hierher gelaufen, weil sie die Ruhe und auch die Kälte genoss. Ihre Haut prickelte bereits und sie vermutete, dass die Nacht Frost bringen würde. Kurz bereute sie, dass sie sich nicht wärmer angezogen hatte, doch nun war es zu spät. Der Unterschied zu Vulkan, wo sie einen Zwischenstopp gemacht hatte, um ihre Tochter abzusetzen, war natürlich gewaltig, doch gerade das reizte sie auch. Sie straffte ihren Körper und nahm den mit Kies bestreuten Weg, der Richtung Haupteingang führte.

Während des Gehens hielt Miral Ausschau nach im Garten angebrachten Sensoren, die ihren Besuch für die Hausbewohnerin ankündigen würde, doch wie immer entdeckte sie keine. Der Janeway-Clan war, was das anbelangte, schon immer ein wenig altmodisch gewesen. Vor dem Eingang blieb sie stehen und betätigte schwungvoll einen mechanischen Türklopfer, der sich in Teilen Nordamerikas noch immer großer Beliebtheit erfreute. Sehr zu Mirals Unverständnis.

Sie lauschte, doch im Haus tat sich nichts. Die Beleuchtung vor und im Haus war zudem abgeschaltet, so dass ein unbedarfter Besucher zurecht auf die Idee kommen könnte, dass das Haus verwaist war, doch Miral wusste es besser. Sie kannte den Admiral.

Nachdem einige Momente verstrichen waren, ohne dass sich im Inneren des Hauses etwas regte, wiederholte Miral den Vorgang. Diesmal länger und noch kräftiger. Ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt. Sie sah, wie im Haus ein Licht anging und noch bevor jemand die Tür öffnen konnte, wurde sie auf einmal in strahlend helles Licht getaucht, das von der Lampe ausging, die über ihrem Kopf baumelte. Die Tür wurde geöffnet und zwei zusammengekniffene Augen starrten sie an.

„Ja, bitte?“

Miral zwang sich zu einem sanften Lächeln. „Hallo Tante Kathy. Ich bin es, Miral.“

„Du?!“ Die ältere Frau ihr gegenüber schien ehrlich überrascht zu sein. In einer etwas fahrig wirkenden Geste strich sie sich das weiß gewordene Haar aus dem Gesicht.

„Wirklich du?!“

Miral musste schmunzeln. „Ja, wirklich ich.“

„Was willst du?“, kam es barsch aus dem Mund des Admirals.

Mirals Lächeln verblasste. Sie wusste, dass es nicht so scharf gemeint war, wie es klang und dennoch wurde ihr mal wieder bewusst, wie belastet ihr Verhältnis zueinander war. Doch in welcher Familie gab es keine Schwierigkeiten, fragte sie sich still.

„Dich besuchen, was sonst!“, antwortete Miral daher nach außen hin unbekümmert.

Der Admiral schien über diese Worte nachzudenken. Miral nutzte die Chance und setzte nach: „Willst du mich nicht hereinbitten?“

Janeway zögerte noch einen Moment, doch schließlich trat sie einen Schritt zurück und signalisierte Miral damit, dass sie die Erlaubnis hatte einzutreten. „Kann’s ja doch nicht verhindern“, glaubte Miral sie murmeln zu hören, doch sie konnte sich auch getäuscht haben.

Der Admiral drehte sich um und nahm den Weg in Richtung Küche. Miral folgte ihr. In dem großen Raum, in dem schon so manches Voyager-Mitglied zum gemütlichen Plausch gesessen hatte, wirkte heute alles kalt und leer. Nur auf dem massiven Holztisch, der die Mitte des Raumes einnahm, stand ein Kerzenständer mit halb abgebrannten Kerzen – die einzige Lichtquelle im Zimmer. Das einzige Zeichen von Leben im Haus. Janeway nahm am Kopfende des Tisches Platz und Miral wählte die Seite links von ihr. Ihre Tasche ließ sie auf einen Stuhl neben sich gleiten.

Eine Zeitlang musterten sich die beiden ungleichen Frauen gegenseitig. Janeway war es schließlich, die das Schweigen als Erste durchbrach.

„Was hast du angestellt?“

Miral lachte auf. „Tante Kathy, ich bin 32 Jahre alt. Ich stelle nichts mehr an!“

Kathryn Janeway, die bis dahin nur ernst und unwillig gewirkt hatte, fühlte sich bemüßigt, ihren Mund zu einem spöttischen Lächeln zu verziehen. „Seit wann?!“

Miral beschloss, darauf nicht näher einzugehen. Stattdessen holte sie zur Gegenfrage aus.

„Wieso sitzt du hier allein im Dunkeln? Es ist Heiligabend.“

„Ich kann tun, was ich will“, meinte die ältere Dame.

Miral nickte versonnen. „Natürlich kannst du das. Dann stellt sich mir allerdings die Frage, warum willst du allein sein?“

„Von höflicher Konversation hast du noch nie was verstanden“, meinte Janeway und wich dadurch gekonnt Mirals eigentlicher Frage aus. Die Viertelsklingonin bemerkte es und doch ging sie auf den Köder ein, den Janeway ihr hingehalten hatte.

„Höflichkeit ist nicht alles. Ehrlichkeit ist viel wertvoller.“

Janeway schüttelte den Kopf. „Das sagt die Richtige. Im Übrigen, es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Ehrlichkeit und Unhöflichkeit. Das zu unterscheiden fiel dir schon als Kind nicht leicht.“

Miral kniff für einen Moment verärgert die Lippen zusammen. Jahrelang hatten sie sich nicht mehr persönlich gesehen und doch war es innerhalb von kürzester Zeit wie früher. Sie hatte versucht es zu verdrängen, doch sie wusste nun wieder, warum sie sich in den letzten Jahren so rar gemacht hatte.

„Irrtum Tante Kathy. Ich wusste es durchaus, aber es hat mich nicht gekümmert.“

Auf Janeway Stirn entstanden einige steile Falten. „Du warst schon immer intelligent, nur leider warst du von Anfang an ziemlich verzogen.“

„Tja, und wessen Verdienst war das?“

Janeway schnaubte, ging jedoch nicht direkt darauf ein. „Ich hatte schon deutlich angenehmeren Besuch.“

Und wer kann nun Ehrlichkeit von Unhöflichkeit nicht trennen, dachte Miral für sich.

„Dann ist es wirklich Pech für dich, dass heute nur der unangenehme Besuch Zeit für dich hat.“

„P’Takh!“

„Tante Kathy! Ich hab dich noch nie auf klingonisch fluchen gehört.“

„Es gibt für alles ein erstes Mal. Glaub ja nicht, dass ich dir einen Ordnen verleihe, nur weil dich eine spontane Laune hergetrieben hat! Woher weißt du überhaupt, dass ich hier bin?“

„Ich kenne dich eben. Wo sonst solltest du an Weihnachten sein? Außerdem habe ich meine Quellen auf Utopia Planitia.“

Janeway rieb sich die Schläfen. „Miral, was willst du hier?“

Statt einer Antwort begann die  jüngere der beiden in ihrer Tasche herumzukramen. Sie beförderte zwei Flaschen zu Tage.

„Ich möchte mit dir auf Weihnachten anstoßen.“

„Das hat mir gerade noch gefehlt“, stöhnte die ältere Frau. „Was ist das überhaupt für Zeug?“

„Eierpunsch und romulanisches Ale.“

Janeway schien irritiert zu sein. „Was für eine unheimliche Allianz!“

Miral ging nicht näher darauf ein, sondern stand auf, um zwei Gläser zu holen.

„Was davon willst du?“, fragte sie wenig später.

„Ich dachte romulanisches Ale sei verboten“, antwortete Janeway und betrachtete misstrauisch die blaue Flüssigkeit.

„Tante Kathy, du wirst alt. Jeder Kadett weiß, dass seit der Allianz mit den Romulanern während des Dominionkrieges dieses Ale legalisiert wurde.“

„Woher sollte ich das wissen? Bin ich ein Kadett?“, erwiderte der Admiral schnippisch. „Und überhaupt, sowas gehört bestimmt nicht zur Allgemeinbildung auf der Sternenflottenakademie.“

„In den Studentenbars aber schon!“, erwiderte Miral.

Sie goss sich selbst einen Fingerbreit voll in ihr Glas ein und bot es dann wortlos auch Janeway an. Diese schüttelte den Kopf. Miral ergriff daraufhin die andere Flasche und schenkte ihr von dem Eierpunsch ein.

„Es sollen schon Leute daran gestorben sein“, griff Janeway das Gespräch wieder auf und deutete auf die blaue Flüssigkeit.

„Alles ist gefährlich, wenn man es im Übermaß zu sich nimmt“, meinte Miral und erhob ihr Glas.

Widerwillig tat Janeway es ihr nach.

„Klassisch versus“, begann Miral.

„Leichtsinnig“, ergänzte Janeway und  stieß ihr Glas mit Mirals zusammen.

„Darauf trinke ich“, meinte Miral.

Beide Frauen leerten ihr Glas auf einen Zug. Ohne ihnen eine Pause zu gönnen, füllte Miral beide Gläser sogleich erneut.

Janeway beobachtete sie dabei. „Hast du eigentlich Kontakt mit deinem Vater?“

„Nächste Frage“, bat Miral, ohne den Blick von den Gläsern abzuwenden.

„Wann kommst du nach Hause?“

„Nächste Frage!“

„Wie alt ist deine Tochter jetzt?“

„Das weißt du doch! Schließlich schickst du ihr jedes Jahr ein Geschenk.“

„Sie sind also angekommen?“, gab sich Janeway überrascht.

„Ja, sie sind angekommen.“

„Erstaunlich! Schließlich reisen sie durch die halbe Galaxis, zu einem Ort, an dem ihr nicht lebt, zu einer Person, die ich nicht kenne. Und ich habe noch nie ein Dankeschön dafür erhalten. Weißt du überhaupt, was mich das kostest?“

Mirals Augenbraue wanderte nach oben, doch ihr Mund zeigte ein leichtes Schmunzeln.

„Wie viel kostet es dich?“

„Das willst du nicht wissen.“

Miral richtete ihren Blick versonnen auf die Tischplatte. Sie war voller Risse und Macken. Sie fand, dass Tante Kathy und sie Ähnlichkeiten mit diesem Tisch aufwiesen. So wie er hatten auch sie schon viel erlebt und ihr Leben war nicht spurlos an ihnen vorüber gegangen. Ein paar Schrammen und Macken hatten sie zurückbehalten. Psychisch, nicht physisch.

„Ich habe gehört, dass du dich mit der Sternenflotte gestritten hast. Es soll sogar das Wort Suspendierung gefallen sein“, wagte Miral sich schließlich in das Minenfeld vor, das Janeways Leben darstellte.

„Für jemand, der sich nur gelegentlich im Alpha-Quadranten aufhält und von der Sternenflotte nichts wissen will, bist du erstaunlich gut informiert.“

„Wie gesagt, ich habe meine Quellen auf Utopia.“

„Deinen Quellen taugen nichts! Die Gerüchte sind stark übertrieben.“

„Wenn du meinst…“ Miral gab sich nachgiebig, doch sie wusste, dass der Admiral bewusst untertrieb. Es hatte Probleme auf der Werft oberhalb des Mars gegeben und Janeway hatte sich mit ihrer sturen Art mehr als einen Feind innerhalb der Flotte geschaffen. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum sie sich diese Jahr allein hier verkroch.

„Ja, ich meine. Doch genug von mir, erzähl mir was aus deinem Leben. Was macht dein Job? Wie sieht es mit der Liebe aus? Geht es deiner Tochter gut?“

Miral seufzte. „Lass uns etwas vereinbaren. Es ist Heiligabend und es sind nur noch wenige Stunden bis Weihnachten. Du stellst mir keine privaten Fragen und ich dir nicht, dann ist keine von uns gezwungen, sich Lügen auszudenken. Lass uns einfach beisammen sitzen und ein bisschen Frieden miteinander teilen.“

Es war ein aufrichtiger Wunsch Mirals. Stärker als jeder Wunsch nach einem Geschenk.

Sie beide verband so viel, aber es trennte sie noch viel mehr. Durch das Schicksal waren sie zu einer Familie wider Willen zusammengeschweißt worden und doch machten ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten es schwer, miteinander auszukommen.

Weihnachten war Miral immer fremd gewesen, sie hatte es in ihrem ganzen Leben nur zwei bis dreimal wirklich gefeiert, doch von ihren Freunden wusste sie, dass es eine Zeit für die Familie war. Kathryn Janeway war für sie ein Teil ihrer Familie. Sie gab es nicht oft zu, doch Janeway war ihr mehr Mutter gewesen als B’Elanna oder später ihre Stiefmutter. Und sie selbst war für den Admiral wohl immer so etwas wie eine Tochter gewesen, die sie sonst nie gehabt hätte. Doch auch sie würde das öffentlich bestreiten.

„Einverstanden“, stimmte der Admiral Mirals Vorschlag zu und unterbrach damit Mirals Gedanken. Beide erhoben ihre Gläser.

 

 

Einige Stunden später war es still in der Küche geworden. Die Kerzen waren niedergebrannt und schließlich erloschen, die Flaschen fast leer und die Frauen, vom Alkohol und vom Leben ermüdet, mit dem Kopf auf der Tischplatte eingeschlafen. Nur ein zweistimmiges Schnarchen durchbrach die Stille.

Als Janeway ein besonders lautes Geräusch von sich gab, erwachte Miral und hatte für einige Augenblicke mit Desorientierung zu kämpfen. Als sie wieder wusste, wo sie war, stand sie auf und verließ den Raum. Mit einer Decke in der Hand kehrte sie aus dem Wohnzimmer zurück und legte diese vorsichtig über die Schultern des Admirals.

Ein letztes Mal kramte sie in ihrer Tasche und zauberte ein in Weihnachtspapier verpacktes Geschenk hervor, das sie vor Janeway auf den Tisch legte. Es enthielt ein Foto von ihr, zusammen mit ihrer Tochter Sascha.

„Frohe Weihnachten, Tante Kathy“, murmelte Miral leise und hauchte der älteren Frau einen sanften Kuss aufs Haar. Dann packte sie leise ihre Sachen zusammen und verließ das Haus. Sie wollte weg sein, bevor am nächsten Morgen der inzwischen unübersichtlich gewordene Voyager-Clan einfallen würde.

 

ENDE

 

 

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