TrekNation

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30 Stunden

von Mia, Tale Lara

Kapitel 1

Ungläubig sah Kathryn in Chakotays Gesicht. Dreißig Stunden? Wohl hatte sie Tuvoks Stimme durch ihren Kommunikator vernommen, der nun so lange geschwiegen hatte und fast schon eingestaubt auf der Kommode gelegen war. Doch glauben konnte sie das nicht. Ihnen blieben nur noch dreißig Stunden.

Ihr Blick schweifte von Chakotays Gesicht ab und blieb auf dem Inventar ihrer Behausung hängen. Gerade jetzt, als sie bereit war dies hier Zuhause zu nennen, gerade jetzt sollte sie all das aufgeben. Es schlugen zwei Seelen in ihrer Brust. Eine, die sich nichts sehnlicher wünschte, als wieder ihre Uniform anzuziehen und dem Piloten an der Conn ein "Beschleunigen" zuzuwerfen, und die andere, die bereits losgelassen hatte. Die Seite von ihr, die nicht mehr Captain war, sondern nur noch eine Frau, die vor der nicht immer sehr leichten Aufgabe stand, sich auf einem völlig fremden, unbewohnten Planeten ein neues Leben aufzubauen. Mit einem Mann an ihrer Seite, der nichts unversucht ließ, sie spüren zu lassen, dass dieses neue Leben kein Opfer, sondern eine Chance bedeutete.

Mit verklärtem Blick sah sie auf den Bildschirm vor ihr, auf dem die Skizze eines Bootes zu sehen war. Eines Bootes, das sie befähigen sollte, mehr von diesem Planeten zu erforschen, ihren eingeengten Horizont zu erweitern. Vor ihr schwebte ein Stück Freiheit, das sie nun vielleicht nicht mehr erleben durfte. Und neben ihr stand ein Mann, der sie ansah, als ob ihre anfängliche hartnäckige Weigerung, sich mit der neuen Situation abzufinden, schuld daran wäre, dass sie nun wieder zurück gerufen wurden, zurück zu ihren Pflichten.

Chakotay sah erst Kathryn an, und als sie ihren Blick schweifen ließ, sah er auf den Boden. Ihm war fast, als könnte er die Scherben seiner Träume sehen. Er war einerseits so froh, dass die Voyager ein Heilmittel gefunden hatte und er sein Zuhause wiedersehen würde, - oder zumindest die Chance hatte - aber er wusste auch was nun kommen würde. Gerade war Kathryn dabei gewesen, sich einzuleben, sich ihm zu öffnen. Er hatte alles für sie getan, und sie belohnte ihn, indem sie langsam auftaute. Doch jetzt würden sie wieder auf die Voyager zurückkehren. Und dann? Er ahnte wie es weitergehen würde. Und er wollte das nicht. Aber dazu gehörten immer zwei. Und sie hatte ihm klargemacht, dass es auf der Voyager keine Chance für sie geben würde. Jetzt blieben ihnen noch dreißig Stunden. Dreißig Stunden, um glücklich zu werden, oder das genaue Gegenteil.

Voll innerer Zerrissenheit legte Kathryn eine Hand auf Chakotays Schulter. So wie sie es auf der Voyager immer getan hatte, hier jedoch bislang nie. Sie wusste nichts zu sagen, wusste nicht einmal, ob diese Geste bedeutete, dass sie sich in ihr Schicksal fügen wollte. Es war bittere Ironie, und im Augenblick hatte sie das Gefühl, als würden die Weberinnen des Schicksals mit ihnen spielen, sie wie Marionetten an den Fäden halten und daran ziehen, gerade wie es ihnen passte. Sie sah in Chakotays Gesicht und sah Trauer. Trauer um das, was sie hier zurücklassen mussten. Und Kathryn wusste wohl, dass es dabei nicht um das Boot, das Haus oder die Badewanne ging. Was sie hier zurückließen, konnte nicht von einem Transporterpuffer erfasst werden. Und sie beide wussten, dass sie es auch nicht mitnehmen konnten. In Kathryns Augen bildeten sich Tränen, und sie versuchte sie wegzublinzeln. Traurig erinnerte sie sich an Chakotays Rede. Für ihn kamen ihre Bedürfnisse an erster Stelle, doch für sie hatten die Bedürfnisse der Crew höchste Priorität. Mehr vielleicht, als es die Pflicht eines Captains war. Mit gebrochener Stimme sagte sie: "Es bleibt nicht viel Zeit, Chakotay."

"Ich weiß", antwortete er rau. Er konnte nicht sprechen. Er wollte nichts sagen. Er war verzweifelt. Denn hier konnten sie leben. So sein, wie sie wollten. Und aus diesem Leben wurde er mit Gewalt herausgerissen. Er wollte es festhalten. Er wollte sie festhalten. Einmal im Leben wollte er das haben, was er mehr liebte als sein Leben. Nur ein einziger, kleiner Funken, der davon kündete, was er empfand, und wie er litt. Er seufzte tief und schluckte. Er konnte ihr nichts mehr sagen. Sein Hals war wie zugeschnürt. Er wollte sie nicht erneut verlieren, nicht bevor es begonnen hatte. Ohne zu wissen, was er tat, nahm er sie sanft in die Arme. Er wollte sie nur trösten, und ihre Nähe wissen. Es tat so gut.
Kathryn schreckte zurück und löste sich aus seiner Umarmung. Nun, da sie wussten, dass sie zurückkehren mussten, war diese Vertrautheit nicht richtig. Denn es würde ein Glück auf Zeit werden. Und wenn es jetzt schon weh tat, würde es später sehr viel mehr weh tun. Ihr und vor allem ihm. Ohne einen Blick zurück zu werfen, ging sie hinaus in den Garten und kümmerte sich um ihre Pflanzen. Als sie mit dreckigen Händen in der Erde grub, liefen ihr unzählige Tränen über das Gesicht. Sie würde nicht erfahren können, wie diese Setzlinge wuchsen und gediehen. Eine Sache mehr, die sie zurücklassen musste.

Enttäuscht drehte sich Chakotay um und ging in das Haus. Sie hatten nur eine Chance, und sie wollte sie nicht nutzen. Es ging ihm nicht darum, auf Biegen und Brechen etwas mit ihr zu erleben, sondern gemeinsam Abschied zu nehmen. Von all dem, was sie hier zurücklassen mussten. Und dazu gehörte auch eine wunderschöne Zeit zu zweit, in der zwar nichts Nennenswertes geschehen war, in der sich aber ihre Freundschaft vertieft hatte. Und sie verstand ihn nicht. Schon wieder. Sie war wieder der Captain. All das, was sie hier erlebt hatten, würde als Traum eingesiegelt werden und in Vergessenheit geraten. Und auf seine Gefühle nahm sie keine Rücksicht. Heute war der erste Tag in einer Zeit voller Schmerzen und Enttäuschungen, wurde ihm klar. Er sah nach draußen und sah sie über ihren Setzlingen. Er wusste, dass sie jetzt Abschied nahm, und sah an der Bewegung ihrer Schultern, dass sie weinte, aber er konnte ihr nicht helfen. Sie hatte ihm zu weh getan. Chakotay drehte sich in die andere Richtung und ging zu dem kleinen Fluss in der Nähe.

Vorsichtig drehte sich Kathryn um und sah, wie Chakotay einen anderen Weg einschlug. Sehr gut, nun Distanz zu wahren, würde sie beide vor Schmerzen bewahren, von denen sie nicht wusste, wie sie damit umgehen würden. Es war so das Beste, das redete sie sich wieder und wieder ein, während die Tränen auf ihrem Gesicht trockneten. Langsam ging sie zurück in das Haus, wo noch immer die Kommunikatoren auf dem Tisch lagen. Hasserfüllt starrte sie sie an, als ob sie damit irgendetwas rückgängig machen konnte. Daneben sah sie die Sandbilder liegen, die Chakotay in liebevoller Feinarbeit gestaltet hatte. Die Farben, die er verwendet hatten, strahlten eine Fröhlichkeit aus, die sie halbherzig lächeln ließ. Tatsächlich, er war die Zeit hier so gelöst gewesen, noch nie hatte sie so oft seine Grübchen gesehen wie in den letzten Wochen hier auf New Earth. Und in diesem Moment fiel ihr wieder seine alte indianische Legende ein, die er ihr erzählt hatte. Sanft strich sie mit zwei Fingern über das Bild und versuchte, sich sein Gesicht dabei vorzustellen.

Inzwischen war Chakotay an dem Bach angekommen. Er betrachtete sein Spiegelbild im Wasser. Sanft strich er mit der Hand über das kühle Nass, das sich sofort kräuselte. Seine Gedanken spielten ihm einen Streich, und er sah für einen Moment Kathryns Gesichts im Wasser. Er flüsterte: "Warum? Warum muss es so kommen?" Er wollte sich nicht damit abfinden, so kurz vor dem Ziel gescheitert zu sein. Nur weil die Voyager zurückkehren würde.

Einen Moment stellte er sich das stolze, weiße Schiff zwischen den Sternen vor und wollte es nie wieder sehen. Er war so weit gekommen hier auf New Earth. Er hatte eine ganz andere Kathryn kennen gelernt, die er nun einfach so vergessen sollte? Niemals würde er das tun! Und wenn sie sich es noch so sehr wünschte. Er seufzte leise und beschloss, wieder umzukehren. Langsam ging er den Weg zurück und genoss jeden Schritt, wohl wissend, dass er diesen Weg nie wieder gehen würde. Langsam kam der Bungalow in Sicht.

Kathryn forcierte sich zurück in die Realität. Es brachte nichts über Chancen nachzudenken, die lange verspielt waren. Hätte sie den Mut gefunden, sich Chakotay zu öffnen, so hätte dies in jener Nacht geschehen müssen. Damals, als er ihr völlig offen und verletzlich gegenüber saß und ihnen beiden eine Träne über die Wange rann. Hätte sie ihre eigenen Hemmungen überwunden, hätten nicht nur ihre Hände zueinander gefunden. Doch sie war zurück gegangen in ihr einsames Bett - und war noch lange, lange wach gelegen. Ein Ruck durchfuhr Kathryn, als sie merkte, dass ihre Gedanken sich schon wieder selbständig machten. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus, dass ihnen so viel Schutz geboten hatte. Es war Zeit, Abschied zu nehmen. Doch als sie im Türrahmen stand, sah sie Chakotay auf sich zukommen, und seine Gestalt im Sonnenlicht zu sehen, ließ sie wünschen damals nicht so dumm gewesen zu sein. Langsam tat sie ein paar Schritte auf ihn zu und stockte dann in ihrer Bewegung.

Er sah sie, wie sie ihm erst entgegen kam, dann jedoch plötzlich stehen blieb. Etwas enttäuscht weilten seine Blicke auf ihr. Warum stockte sie jetzt? War sie in Gedanken wieder auf der Voyager? Vermutlich wollte sie nichts tun, was sie später erklären müsste oder bedauern würde. Er presste die Kiefer aufeinander und ging weiter, immer weiter auf Kathryn zu. Als er kurz vor ihr stand, wehte der Wind ihre langen Haare in ihr Gesicht. Er unterdrückte den Reflex seine Hand zu heben und sie weg zu streichen, so dass er ihre Augen sehen konnte. Denn was er darin sehen würde, war nichts, was ihn trösten konnte, das wusste er. Er sprach leise: "Kathryn, es tut mir leid", er meinte die Umarmung, und als er sie ansah, wusste er, dass sein ehemaliger und zukünftiger Captain das wusste. Nicht die Tatsache, dass er sie umarmt hatte, tat ihm leid, sondern dass sie es missverstanden hatte. Aber was sollte er sonst sagen?

Suchend blickte Kathryn in das Gesicht ihres Gegenüber. Ihr war bewusst, dass sie nun mit dem Feuer spielte, doch Chakotays Verhalten verwirrte sie. Noch vorhin hätte sie schwören können, dass er sie um jeden Preis halten wollte - auf New Earth und in seinem Herzen - doch nun war sie sich nicht mehr sicher. Hatte sie in die letzten Wochen zu viel hinein interpretiert? Sie wollte es wissen, auch wenn sie damit Gefahr lief Wunden aufzureißen.

"Chakotay, wenn ich Ihnen die Chance gegeben hätte, Sie hätten mehr als eine Umarmung verlangt?" Es war eine Frage, doch es klang wie eine Feststellung.

Einen Moment sah er sie sprachlos an. Hatte er sie richtig verstanden? Ja, sicher hatte er das, aber das sah ihr so ganz und gar nicht ähnlich. Leise räusperte er sich. Dann sagte er: "Das hinge auch von Ihnen ab, Kathryn. Nur wenn Sie es gewollt hätten, hätte ich weitergehen können." Zu gerne hätte er mit einer anderen kleinen Legende geantwortet, aber ihm fiel auf diese offene Frage keine passende Antwort ein. Auch wenn er es nicht offen gesagt hatte, wusste er, dass seine Augen ihn verrieten, eigentlich lautete die Antwort: Ja. Er wollte mehr von ihr. Er wollte sie, nicht nur jetzt, auch auf der Voyager. Aber das musste wohl ein Traum bleiben.

Ihren Kopf schiefgelegt, sah Kathryn ihn an. Also hatte sie Recht. Auch wenn seine Antwort diplomatisch war, hätte sie 'nein' gelautet, hätte er andere Worte gewählt. Sie musste lächeln. So gut kannte sie ihn also, dass sie schon zwischen seinen Zeilen lesen konnte. Doch gleich darauf wurde sie wieder ernst. "Bin ich gerade dabei alles kaputt zu machen?", fragte sie, und wusste doch, dass die Antwort diesmal 'ja' war. Traurigkeit spiegelte sich in ihren Augen wider. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Es durfte nicht sein, und doch war das Verlangen so stark. Ihre moralische Seite gewann die Oberhand - wie eigentlich immer - und sie drehte sich zur Seite.

Etwas traurig sah er sie an. Ihre Frage brauchte keine Antwort. Er sah in ihren Augen, dass sie selbst wusste, dass sie auf dem besten Wege dazu war. Und er konnte es ihr nicht sagen. Sie litt unter der Situation genauso wie er. Zumindest glaubte er das aus ihren Augen zu lesen. Und er wollte, dass es ihr gut ging, dass sie lächeln konnte, unbeschwert, so wie jene Kathryn, die er hier kennen gelernt hat. Aber mit unsagbarer Müdigkeit stellte er fest, dass ihm das nie gelingen würde. Aber er wusste, was sie jetzt brauchte. Mit einem Lächeln fragte er sie: "Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen? Sie sehen so aus, als könnten Sie einen gebrauchen."

Gleichzeitig erleichtert und enttäuscht ging Kathryn auf sein Angebot ein. "Ja, gerne, Chakotay." Und nur kurze Zeit später saßen sie beide vor dem Haus, jeder eine Tasse Kaffee in der Hand. Gedankenverloren sah sie auf die braune Flüssigkeit. Glaubte er tatsächlich, sie würde versuchen ihre Probleme mit Kaffee zu lösen? Dachte er, damit wäre die Angelegenheit erledigt? Ein bisschen dieser organischen Aufschwemmung und sie könnten der Zukunft gelassen in die Augen blicken? Sie wollte, sie konnte es nicht auf sich beruhen lassen. Andererseits konnte sie auch nichts tun, solange sie nicht bereit war den letzten Schritt zu gehen. Und vor diesem stand eine Hürde, die selbst tapfere Sternenflottencaptains nicht zu nehmen wagten. Als sie aufblickte, sah sie die Umgebung plötzlich mit anderen Augen. Bislang war New Earth etwas gewesen, womit sie sich abfinden musste, nun war es etwas, das sie vermissen würde. "Es hätte unser Zuhause werden können", sprach sie resigniert in die dunkelgrünen Wälder.

Chakotay folgte ihrem Blick hinaus in die Wälder. Vor seinem inneren Auge sah er den ganzen Planeten. Sah Tage, die sie nie erleben würden. Gemeinsame Ausflüge, Lachen und Unbeschwertheit. Doch das würde nun niemals eintreffen. Leise antwortete er: "Ja, das hätte es werden können." Sein Blick glitt wieder zurück in das Innere des Bungalows. In Kathryns Augen. Einen Moment lang sah er sie an. Sehr leise sagte er: "Es liegt allein bei Ihnen." Er meinte natürlich nicht, dass sie hier bleiben würden. Er meinte ihr gemeinsames Leben. Den Schritt, vor dem sie sich scheute, ihn zu tun. Er hatte ihr seine Gefühle klargemacht. Hoffte er zumindest. Es hing alles von ihr ab. Sie konnte noch die restlichen Stunden gegen sich selbst kämpfen. Dann würde sie ein Leben lang mit der Entscheidung leben müssen. Und er wusste welche Konsequenzen das für sie beide ergeben würde. Er nahm noch einen Schluck Kaffee.

Es war eine Wahrheit in diesen Worten, über die Kathryn lieber nicht zu lange nachdenken wollte. Es lag allein bei ihr, das stimmte. Und sie hatte nur noch wenige Stunden Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die schon lange getroffen war. Mit einem Ruck setzte sie ihre Kaffeetasse ab. "Sie haben mir gesagt, für Sie kommen meine Bedürfnisse an erster Stelle. Ist das wahr?", fragte sie. Diese Worte hatten ihr so viel bedeutet, kamen doch sonst für niemanden ihre Bedürfnisse zuerst - nicht einmal für sie selbst.

"Ja, das ist wahr. Sie sind mir wichtiger als mein Leben", gestand er ihr offen und ehrlich. Er wusste, sie hatten nur eine Chance. Und sein größtes Bedürfnis war Kathryn glücklich zu sehen. Und momentan litt sie unter der Situation auf der Voyager ebenso sehr wie er. Es tat ihm unendlich weh, sie so zu sehen. Er würde alles tun, was nötig war, um sie vor einem Leben voller Zweifel und Sorgen zu bewahren. Sie war stark, aber auch sie brauchte jemanden, der sie liebte. Und er liebte sie über alles.

Mit einem seltsamen Blick sah Kathryn ihn an. "Wenn das wahr ist, Chakotay, dann fordern Sie nicht etwas von mir, das ich nicht tun kann." In gewohnter Geste legte sie ihm eine Hand auf die Brust. "Sie sind mein Freund und Vertrauter, und in den letzten Jahren sind Sie sogar noch etwas mehr geworden, aber Sie sind immer noch mein Erster Offizier." *Nicht, wenn die Voyager uns nicht wieder gefunden hätte*, fügte sie traurig in Gedanken hinzu. "Was erwarten Sie von mir, Chakotay?", fragte sie, so als ob er ihr die Lösung für alle Probleme präsentieren konnte. Sie hoffte es, ja, auch wenn sie es besser wusste.

"Was ich von Ihnen erwarte? Vielleicht nur etwas Ehrlichkeit gegenüber sich selbst", es klang hart, das wusste er. Aber es steckte einfach zu viel Wahrheit dahinter. Sie verleugnete sich, ihre Gefühle, und zu einem gewissen Teil auch ihn. Er trat einen Schritt zurück, so dass sie die Hand von seiner Brust nehmen musste. Er ertrug jetzt keine Captains-Berührung. Nicht hier, nicht jetzt, auf dieser Welt. Kathryn würde sie beide unglücklich machen. Das wusste er. Einen Moment ärgerte er sich über sich selbst. Über seine Unfähigkeit sie davon zu überzeugen, dass ein Leben mit ihm lebenswerter wäre. Er sah durch sie hindurch, als er sagte: "Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich werde nichts von Ihnen fordern."

Kathryns erster Impuls war sich umzudrehen und davon zu laufen. Sich wie ein kleines Kind unter dem Tisch zu verstecken und zu warten, dass das Gewitter vorbeizog. Doch sie war zu lange weggelaufen, hatte sich zu oft versteckt. Nun wurden die Karten auf den Tisch gelegt und dabei neu verteilt. Sie hätte wissen müssen, dass dieser besonnene und friedliebende Mann irgendwann genug von den Spielchen haben würde. Und dies war der Zeitpunkt, wo sie allein auf sich gestellt war. Hilflos ließ sie ihre Hand sinken, die noch immer in die Luft griff, wo vorhin Chakotay gestanden war. Vorhin hatte er sie in den Arm genommen, doch nun wich er von ihr, als ob alleine ihre Berührung ihn krank machen würde. Dies war mehr, als sie ertragen konnte. "Es tut mir leid, Chakotay", sagte sie nur, kaum hörbar.

Sein Blick kehrte wieder zu ihr zurück. Er strich eine Haarsträhne aus ihrer Stirn, ohne ihre Haut zu berühren. Sanft sagte er: "Vielleicht solltest du erst einmal eine Weile nachdenken. Du kämpfst schon viel zu lange gegen dich selbst", bewusst wechselte er zum Du, das sie ihm angeboten hatte, als sie auf New Earth gestrandet waren. Er fügte noch hinzu: "Hierbei kann ich dir leider nicht helfen. Das musst du alleine durchstehen."

Leise ging er nach draußen, und ließ Kathryn zurück. Langsam lief Chakotay zum Wald, um nach einem geeigneten Holzstück zu suchen, dass er bearbeiten konnte. Er wollte noch ein Andenken schnitzen. Natürlich für Kathryn.

Ohne, dass sie es beeinflussen konnte, liefen Kathryn Tränen über das Gesicht. Schon wieder einmal an diesem verfluchten Tag. Soviel Verständnis und Liebe hatte sie einfach nicht verdient. Da stieß sie diesen Mann weg, und er wusste nichts besseres, als mit sanften Worten auf sie einzureden. Sie fühlte Wut in sich aufsteigen. Hatte er denn nicht erkannt, dass sie ihre Entscheidung getroffen hatte? Musste er es ihr so schwer machen? Mit ihren Fäusten boxte Kathryn in die Luft, doch wusste sie nicht, wer der imaginäre Gegner war. Er oder sie selbst. Mit verschleiertem Blick und unbändigem Zorn in sich ging sie zurück in das Haus und packte ohne Ordnung alles zusammen, dessen sie habhaft werden konnte. Ausrüstungsgegenstände fanden ihren Weg in Container, für die sie nicht bestimmt waren. Doch ihr war es egal. Es wurde Zeit, dass sie hier wegkamen. Jede Minute früher sollte ihr recht sein. Erst als ihre angestaute Energie freigesetzt war, ließ sich Kathryn auf den Stuhl sinken und sah sich um. Was tat sie hier?

Inzwischen war Chakotay fündig geworden und suchte sich nur noch einen Platz für seine Schnitzarbeiten. Tief im Inneren wusste er, dass Kathryn ihre Entscheidung schon getroffen hatte. Aber er wollte es nicht wahrhaben. Er hoffte immer noch. Vielleicht umsonst, ziemlich sicher sogar umsonst. Aber er wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. Denn wenn ihre Entscheidung schon sicher gefallen wäre, dann hätte sie es ihm unmissverständlich klargemacht. Sie war sich noch nicht sicher. Erstaunt sah er sich um. Seine Schritte hatten ihn unbewusst wieder in die Nähe ihrer Behausung geführt. Er seufzte und ließ sich auf einem Baumstumpf nieder. Langsam begann er die Maserung des Holzes zu erfühlen, damit er es mit dem Messer nicht beschädigte, während er schnitzte.

Im Haus wischte Kathryn ihre Tränen weg und schalt sich selbst einen Narren. Sie verhielt sich tatsächlich wie ein kleines Kind und nicht wie eine erwachsene Frau, die bald wieder ihren Kommandoposten einnehmen musste. Es war absolut lächerlich und mit einem zynischen Lächeln betrachtete sie die Unordnung, die sie veranstaltet hatte.
Langsamen Schrittes ging sie Richtung Ausgang, und blieb dann im Türrahmen stehen, als sie Chakotay erblickte. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie sah, wie er mit sanften Bewegungen das Stück Holz bearbeitete. Wie er es ertastete, das war fast zärtlich. Für einen Moment ersehnte sie, noch einmal von ihm gehalten zu werden. Sie schritt auf ihn zu und reichte ihm die Hand. "Bastelst du noch etwas für unser Zuhause?", fragte sie lächelnd.

Etwas erschrocken sah Chakotay auf. Als er sie sah, bildeten auch seine Lippen ein kleines Lächeln. Er sah kurz auf das Holzstück, bevor er wieder in ihre Augen sah. "Ja, auch wenn es vielleicht sinnlos erscheint. Ich weiß noch nicht, was es werden soll. Auch wenn es angesichts der Situation eher ein Andenken werden könnte, als etwas für unser Zuhause." Er war froh, dass sie sich wieder etwas gefangen hatte. Er hasste Streitereien. Vor allem mit Kathryn. Er sah sie lieber lächeln als weinen. Aber manche Sachen mussten in gewissen Situationen einfach ausgesprochen werden. Ob es etwas brachte oder nicht, blieb dabei der Situation überlassen. Und dem Entscheidungsträger. Etwas wehmütig sah er sich um, besonders lange blieb sein Blick an der Badewanne hängen. Wie sehr hatte er sich bemüht, dass sie sich wohlfühlte! Und es war ihm zeitweise auch gelungen. Er wünschte sich, er hätte noch mehr machen können.

Kathryns Augen folgten Chakotays Blick. Als sie der Badewanne gewahr wurde, löste dies ein seltsames Gefühl in ihr aus. Diese hatte er gebaut, damit sie sich hier wohl fühlte. Diese und noch viele andere Sachen, die alle dazu dienten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Schauer von Wärme durchströmte sie. Langsam senkte sie ihre Hand, die sie ihm noch immer entgegengestreckt hielt, die er aber nicht ergriffen hatte, und kniete sich vor Chakotay nieder. "Ich danke dir für alles, was du hier für mich geschaffen hast. Doch du weißt so gut wie ich, dass unser Platz auf der Voyager ist. Lass uns die Erinnerungen an diesen Ort immer im Herzen tragen."

Er sah sie lange an. Dann sagte er leise, während er eine Hand auf ihre Schulter legte: "Ich wollte, dass es dir an nichts fehlt, auch wenn all das hier nicht unser Platz ist. Aber es war ein Traum, den ich gerne erlebt hätte", etwas wehmütig lächelte er. Im Gedanken schloss er langsam Frieden mit der Situation, die sich so grundlegend verändert hatte. Doch ein stummer Rest des Bedauerns blieb. Würde er jemals die Chance erhalten, die Frau seiner Träume doch noch zu erobern? Etwas resigniert sah er auf das Holzstück. Dann kehrte sein Blick zu ihr zurück und fand ihre Augen. All das, was er nie wieder aussprechen würde, nie wieder aussprechen durfte, lag in diesem Blick.

Kathryn durchfuhr es heißkalt, als Chakotays Augen ihr bis auf die Seele zu blicken schienen. Es lag so viel Sehnsucht darin, dass sie bedauerte, ihre Entscheidung nicht rückgängig machen zu können. Doch dahinter entdeckte sie noch etwas anders. War es Erleichterung oder Schmerz? Sie wusste es nicht zu sagen. Stattdessen sagte sie, kaum hörbar, "Ja, ein Traum, Chakotay. Das war es. Doch es ist Zeit aufzuwachen. Lassen Sie uns unsere Ausrüstung packen. Ich möchte bereit sein, wenn die Voyager hier eintrifft."

Mit diesen Worte nahm sie Chakotay, ohne zu Fragen bei der Hand und führte ihn zurück in das Haus. Es war Zeit.

Als sie im Haus angekommen waren, drückte er ihre Hand noch einmal kurz, bevor er sie mit Bedauern losließ. Es tat ihm leid, die Berührung zu lösen, aber ihre Entscheidung war gefallen. Er liebte sie und zweifelte nicht daran, dass er es für immer tun würde. Denn sie war die einzige Frau, die es jemals geschafft hatte, so intensive Gefühle in ihm zu erwecken. Jedoch hatte sie Recht: Es war ein Traum. Und es wurde Zeit aufzuwachen. Dennoch fühlte er sich so, als ob er das wichtigste in seinem Leben verloren hätte. Schweigend packte er seine Sachen und stellte sie vor das Haus. Er sah sich noch einmal um. Er hatte kurze Zeit ein Leben mit ihr gehabt. Vielleicht sollte er dafür dankbar sein. Tief in seinem Inneren war er das auch, aber er würde sie nicht so einfach aufgeben. Er sah auf die Uhr. In ein paar Minuten würde er wieder an Bord der Voyager sein. Dann war all dies wirklich nur noch ein Traum.

Den letzten Sternenflottencontainer anschleppend, stellte Janeway sich neben Chakotay. Sie warf ihm einen letzten Blick zu und zupfte etwas an ihrer Uniform. Vielleicht hatte sie zugenommen in ihrer Zeit auf New Earth, denn irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie heute etwas eng saß. Mit Trauer in der Stimme verabschiedete sie den Primaten, der sich für einen letzten Gruß eingefunden hatte. Sie war sich sicher, dass er sie beide vermissen würde. Und ihr erging es ähnlich. Es war nicht nur ein Planet, es war ein Leben, das sie zurücklassen musste.

Als Tuvoks Komruf sie ereilte, hielt sie ihren Blick starr nach vorne gerichtet. Nur so konnte sie vermeiden, dass sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel stahl. Nun war sie wieder Captain Kathryn Janeway, Kommandantin und Vorgesetzte. Die andere Kathryn, die Frau und Kind zugleich war, ließ sie zurück. Sie würde ihr auf der Voyager nur im Wege stehen.


E N D E
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