TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Now I know

von Gabi

Kapitel 1

I WOKE UP TO SEE YOUR FACE AGAIN ...

„Du bist noch da!“ Der feste Griff um seinen Unterarm lässt Hugh Culber aus dem Schlaf schrecken. Im ersten Augenblick ist das vorherrschende Gefühl Verwirrung. Die dämmrigen Umrisse, die sein Auge wahrnimmt, kommen ihm unbekannt vor. Nein, nicht unbekannt – unvertraut. Langsam kehrt die Erkenntnis zurück. Er ist schon einmal hier gewesen – in seiner früheren Existenz. Sein Körper erinnert sich an die weiche Textur der Decke, an das drängende Gefühl von Haut an seiner Haut, warm vom Schlaf, ein wenig verschwitzt und erfüllt mit ganz viel Bedürfnis.

Hier hat sein Leben geendet.

Seine Wahrnehmung hat sich an das Dämmerlicht gewöhnt, er blickt in Pauls große, ausdrucksvolle Augen und sieht einen Schmerz darin, der seinen eigenen zu ertränken droht.

Es gibt nichts, was er sich im Augenblick mehr ersehnt als Hoffnung.

Er will, dass sein Leben wieder beginnt – hier.

I WOKE UP TO SEE YOU HAD SPENT THE NIGHT AGAIN WITH ME. I'D NEVER THOUGHT WE WOULD BE LIKE THIS AGAIN ...

Nach der Entlassung aus der Krankenstation hatte er Paul in dessen Quartier begleitet. Der Moment war heikel gewesen. Keiner hatte gesprochen, sie beide wussten, dass ein falsches Wort alles zerstören würde. So hatten sie geschwiegen. Es war ungewohnt, Paul wortlos zu erleben. Er hatte nicht gewusst, dass der Wissenschaftler das konnte. Dafür, dass er seine Fähigkeiten zu sozialer Interaktion so mäßig ausgeprägt waren, war Paul extrem mitteilungsbedürftig. Er redete, er gestikulierte, doch er hörte selten zu.

Offensichtlich hatte nicht nur er selbst sich geändert.

Schweigend hatten sie sich ausgezogen, wortlos hatten sie sich auf das breite Bett gelegt. Paul hatte es auch nach Hughs Auszug nicht gegen ein Einzelbett ausgetauscht. Paul veränderte nie etwas, lieber riss er seine Wunden immer wieder mit Erinnerungen auf und suhlte sich in seinem Leid.

Ihre Finger hatten die Worte ersetzt. Berührungen waren ehrlicher, waren unmissverständlicher. Hugh hatte bis zu diesem Punkt nicht gewusst, wie sehr er den Körper des anderen vermisst hatte. Jede Kurve, jede Unebenheit, jede Kontur eines unterliegenden Knochens war vertraut, die kleinen rosaroten Brustwarzen, der weiche Bauch, der Penis, der im blutgefüllten Zustand einen so interessanten farblichen Kontrast zum Alabaster von Pauls schwach pigmentierter Haut darstellte. Der Wissenschaftler war sicherlich keine Schönheit im klassischen Sinn, doch in jeder anderen Hinsicht war er ätherisch.

Schweigend im Dämmerlicht des Zimmers, ohne Worte, die verletzen konnten, ohne Barrieren, die sie zwischen sich errichtet hatten, wusste Hugh wieder, warum er sich damals in diesen spröden Mann verliebt hatte. Nein, das drückte nicht die Wahrheit aus. Er hatte es die ganze Zeit gewusst. Das Wissen war nicht das Problem gewesen. Doch jetzt fühlte er zum ersten Mal wieder etwas, es war nur ein Funke, doch es war ein Anfang.

THEN YOU CAME BACK TO ME ...

Er hatte es bereits gespürt, als er die Enterprise betreten hatte. Alles war fremd gewesen. Nicht das Fremdsein, das darauf wartete, erkundet zu werden, um das eigene Wesen zu erweitern und zu bereichern. Es war eine bedrückende Fremdheit gewesen, eine plötzliche Erkenntnis, dass er einen Teil von sich amputierte, dass die Suche nach dem eigenen Weg unter Umständen eine Sackgasse sein konnte. Pike zu folgen hätte bedeutet, den Mann nie wieder zu sehen, der ihn gleichermaßen anzog und abstieß. Er hatte geglaubt, den Abstand zu benötigen, um sich selbst zu finden. Er hatte nicht bedacht, dass er sich auf dem Weg dorthin verlieren könnte.

All dies hatte er versucht, über die Fingerspitzen zu vermitteln. Er konnte nicht darüber reden, noch nicht, wollte nicht Entschuldigungen oder Verteidigungen von Paul hören. Und Paul hatte geschwiegen. Er hatte seine eigene Geschichte mit den Händen erzählt. Das sanfte Streicheln der Brust hatte Hugh vermittelt, wie sehr der Mann ihn liebte; das spielerische, federgleiche Reiben von Oberschenkel an Oberschenkel sprach von der Freude darüber, wieder diese Vertrautheit zwischen ihn zu spüren. Der feste Griff an der Taille schrie förmlich die Verzweiflung heraus, die den Mann in den letzten Monaten in ihren Klauen gehalten hatte.

Paul war noch nie so offen ihm gegenüber gewesen, noch nie so bloß gelegt und verletzlich. Und dieser Moment war es, der in Hugh den Glauben daran verwurzelt hatte, dass sie es schaffen konnten.

Gemeinsam.

Als sich ihre Lippen schließlich fanden, feucht von Pauls Tränen, war es ein Versprechen, bindender als  Worte.

AFTER ALL THIS TIME YOU PROBABLY FELT SAFER ON YOUR OWN ...

In der Hitze der Gefühle hatte Paul sich auf ihn gerollt und damit beinahe das fragile Gleichgewicht zerstört, das sie in dieser Nacht hielt. Das Gefühl plötzlicher Panik hatte so heftig von Hugh Besitz ergriffen, dass er alle Kraft aufwenden musste, um den anderen Mann nicht heftig von sich zu stoßen. Bedrohung, Kontrollverlust, Angst, nicht mehr atmen zu können. Seine Kehle war wie zugeschnürt, er spürte den kalten Schweiß deutlich an den Schläfen. Er konnte nicht die Führung einem anderen Menschen übergeben, er musste jederzeit die absolute Kontrolle über seine Handlung und Gefühle haben, er musste spüren, dass er agieren konnte – nicht hilflos reagieren. Das war der Grund, warum er gegangen war. Als Insel fühlte er sich sicherer.

Hastig hatte er sich aufgesetzt, war von Paul fortgerückt und erwartete die Enttäuschung aufgrund der Zurückweisung in dessen Augen zu erkennen.

Das Ende.

Doch es kam nicht.

Der Paul, den er glaubte zu kennen, hätte jetzt eine Diskussion begonnen, hätte ungeschickt alles zerstört. Doch nicht nur er selbst war ein anderer geworden. Für einen kurzen Moment war Erschrecken in den Zügen zu erkennen, dann hatte der Wissenschaftler sich, für dessen Verhältnisse geradezu meisterlich, im Griff. Ein Lächeln, so sanft und wärmend wie eine Decke breitete sich auf den schmalen Lippen aus und erreichte die Augen. Abermals fühlte Hugh, wie sich im die Kehle zuschnürte, nun jedoch aus gänzlich gegensätzlichem Grund. Die Finger reichten hinüber zu ihm, nicht auf die Schulter, wo sie den Eindruck vermitteln konnten, dass sie über ihm standen und er unter Paul. Sie legten sich auf seine Brust: gleichberechtigt, fragend, bereit, sich jederzeit zurückzuziehen, wenn er seine Privatsphäre benötigte.

Paul war sich des Versprechens, das seine Lippen gegeben hatten, in vollem Umfang bewusst. Ihr Verhältnis hatte schon immer eine Schräglage zugunsten von Paul besessen. In seinem früheren Leben hatte Hugh das nicht gestört. Er hatte den anderen Mann geliebt, und dafür dessen Macken hingenommen, die Abende, die er alleine verbrachte, weil der Wissenschaftler einmal mehr nicht aus dem Labor fortzubekommen war. Die rosarote Wolke, in der er gelebt hatte, hatte Hugh jede Unachtsamkeit seines Partners vergeben lassen. Doch seine Wiedergeburt hatte ihm eine Klarheit der Sinne verschafft, nach der er nie gebeten hatte, doch die er nun besaß. Sie hatte die verliebten Wolkenfetzen vertrieben und die klare Sicht auf ein Verhältnis beschert, von dem Hugh nicht mehr sicher war, ob er es in seinem Leben brauchte, oder gar wollte.

BUT I WAS NEVER BETTER OFF ALONE ...

Paul auf der anderen Seite war immer von seiner Hingabe abhängig gewesen, ohne sich bewusst zu sein, dass er selbst ebenfalls an der Beziehung arbeiten musste. Warum auch? Hugh war immer für ihn da gewesen, wenn er ein Ohr brauchte, einen Arm, der ihn hielt, oder einen Körper, um sein Verlangen nach Sex zu stillen.

Und so war der vermeintlich Stärkere aus ihrer Trennung als der Schwächere hervorgegangen. Während Hugh es schaffte, sein Leben schrittweise wieder in den Griff zu bekommen – alleine – war Paul in der Vergangenheit gefangen, nicht bereit, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Und er hatte gelernt – hatte lernen müssen. Er konnte nicht mehr darauf warten, dass Hugh auf ihn zu kam, er musste sich von sich aus bewegen.

AND NOW I KNOW I SHOULD HAVE NEVER LET YOU GO ...

Hugh griff nach der Hand, die noch immer auf seiner Brust lag. Dieses Mal war die Feuchtigkeit, die ihren Kuss begleitete, von seinen eigenen Tränen verursacht. Es war das erste Mal, dass er weinte – das erste Mal in diesem Leben. Er hatte zugelassen, dass ein Damm brach, ein kleiner vielleicht im Vergleich zu dem großen Stauwerk, das seine traumatisierte Seele immer noch umfangen hielt, doch es war ein Anfang, ein Rinnsal, das auf fruchtbaren Boden tropfen konnte und so viel mehr versprach.

Paul ließ sich langsam auf die Decke zurücksinken. Er zog Hughs Hand nicht mit sich, unterließ jede Bewegung oder Berührung, die als fordernd aufgefasst werden konnte. Mit einer unerwarteten verständigen Geduld bot er sich ihm dar, überließ Hugh die Führung, die Initiative, die Kontrolle.

Hugh hatte ihn mit einer Intensität geliebt, die an Schmerz grenzte, und gleichzeitig doch so heilsam war. Sein Körper forderte sein Recht, selbst wenn seine Seele noch nicht vollständig wusste, was sie wollte. Physisch völlig befriedigt war er schließlich neben seinem früheren Lebensgefährten eingeschlafen.

AND NOW I KNOW I'VE ALWAYS LOVED YOU ...

Pauls Hand berüht seinen Hals, seinen Kiefer, äußerst behutsam, so als ob die Möglichkeit besteht, dass er sich doch noch als Traumgebilde entpuppen könne. Der Schmerz weicht einem melancholischen Lächeln, jetzt kann Hugh vor allem Angst in den Zügen erkennen. Ihm ist nie aufgefallen, wie abgespannt Paul wirkt. Die Falten, die sich in sein Gesicht graben, sind sie vorher schon da gewesen? Vorher, in seinem anderen Leben. Er hat nie wie die Ende Vierzig ausgesehen, die er zählt – doch jetzt tut er es. Ist das Hughs neue Sicht auf alles, oder haben die letzten Monate den Wissenschaftler um Jahre altern lassen?

Hugh hebt seine eigene Hand und legt die Finger sanft über diejenigen Pauls an seine Wange. Er ist nicht deswegen vorsichtig, weil er sich nicht sicher ist, ob er träumt – seine Sicht auf das Leben ist noch nie klarer und kompromissloser gewesen als jetzt – nein, er ist vorsichtig, weil er um die Zerbrechlichkeit von Pauls Seele weiß. Er hat einen Schritt getan, den er nicht hat tun wollen, hat Verantwortung für einen anderen Menschen übernommen, wo er nicht einmal weiß, ob er mit sich selbst zurechtkommt.

Doch es war notwendig gewesen. Entgegen eigener ärztlicher Bedenken, weil Pauls schwere Verletzung noch zu frisch war. Entgegen psychologischer Bedenken, weil er selbst nicht wusste, ob er überhaupt schon bereit war.

Sie werden niemals dorthin zurückkehren können, wo sie gewesen sind, doch sie können versuchen etwas Neues zu beginnen.

AND YOU ARE SO MUCH MORE THAN I DESERVE ...

„Ich danke dir.“ Er kann in Pauls Augen erkennen, dass der andere es so meint, wirklich so meint.

Liebe ist eine Entscheidung. Und man trifft diese Entscheidung nicht nur einmal, man trifft sie wieder und wieder. Es liegt an ihm diese Entscheidung zu treffen, jeden Tag aufs Neue. Wie so viele andere Menschen, wird er die Frau, die ihm dies gesagt hat, nie wieder sehen. Niemals zuvor hat jemand die Brücken zur eigenen Vergangenheit dermaßen unwiederbringlich eingerissen, wie sie das getan haben. Ob ein neuer Weg der richtige ist, findet man nur heraus, wenn man ihn geht. Aber er weiß, dass er nicht alleine gehen muss.

„Ich werde auf dich aufpassen.“ Es ist als ob Paul seine Gedanken liest. Vielleicht ist das Band, das sie eint, doch stärker, als er gedacht hat.

Niemand kann auf ihn aufpassen. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie ein Leben im Hauch eines Atemzugs beendet werden kann, im achtlosen Knacken eines Wirbels. Er hat am eigenen Leib erfahren, wie es ist, die Ewigkeit im Fegefeuer zu verbringen, in nie versiegender, doch stets verneinender Hoffnung, nicht fähig loszulassen, nicht fähig zu gehen. Ihm ist klar, dass niemand auf ihn aufpassen kann, dass das Schicksal mächtiger ist als jedes Versprechen kraftloser Menschen, dass sie lediglich Figuren sind in dem großen Spiel, das vor ihnen liegt.

Doch das alles ist nicht wichtig.

Nicht hier.

Nicht jetzt.

„Ich weiß.“ Hugh rutscht ganz nah an seinen Partner heran, lässt zu, dass dieser den Arm um ihn legt. Sein Kopf kommt auf Pauls Schulter zu ruhen.

Und für den Moment

- nur für diesen einen Moment –

übergibt er ihm die Kontrolle.

I WANT YOU TO KNOW THAT NOW I KNOW.


Die kursiv gesetzten Passagen stammen aus der Folge "The Red Angel"

Rezensionen