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Ein großer Mann

von Laurie

Kapitel 1

Es war nie gut genug.

Was immer er tat, es reichte nie aus, um die Last auf seinen Schultern zu mindern, all den Druck, den er mit sich herumschleppte.

Da gab es vor allem den Druck von Seiten der anderen, von klein auf gewöhnt und doch im Laufe der Jahre nicht geringer geworden. (Jim Kirk? Der Sohn von George Kirk?)

Immer dieselbe Überraschung, wenn Fremde zum ersten Mal seinen Namen erfuhren, immer die Erwartungen, die mit diesem Namen einhergingen, den er manchmal am liebsten abgestreift hätte wie eine Schlange ihre Haut ... Wer hatte sie nicht gehört, die Geschichte der USS Kelvin?
Jeder schien sie zu kennen, jede einzelne Person auf diesem verdammten Planeten und darüber hinaus, zumindest kam es Jim manchmal so vor; und üblicherweise wurde im selben Atemzug mit ihrem Namen auch der Name ihres jungen Captains genannt. George Kirk, der Vorzeigeheld der Sternenflotte und ein höllisches Vorbild, sowohl als Vater als auch als Offizier.

Hand in Hand einher mit diesen Problemen ging der Druck, den Jim sich selbst machte – die Akademie mit Bestnoten abschließen, am besten schon nach nur drei Jahren, Großes erreichen, Christopher Pikes Vertrauen in ihn nicht enttäuschen, es verdammt noch mal besser machen als sein Vater ...

All diese Anforderungen hätten gereicht, um jeden normalen Menschen über kurz oder lang in die Knie zu zwingen. Man konnte zwar nicht behaupten, dass Jim Kirk jemals normal gewesen war – wieder einmal danke für alles, Dad –, aber manchmal fürchtete selbst er, dem Druck nicht länger standhalten zu können.

Und als wäre das alles nicht schon längst genug, war nun eine weitere Last hinzugekommen.

James T. Kirk galt als großer Mann. Aber das war ein anderes Leben.

Die Worte hatten sich hartnäckig in seinem Kopf festgesetzt. Neros Stimme in seinem Geist, kalt, höhnisch, unbarmherzig ... abgespielt in Endlosschleife trieb sie ihn voran, verspottete ihn, stellte selbst das Wenige infrage, was er bisher für sicher gehalten hatte.

Ein anderes Leben ... Ein Leben, das ich Ihnen rauben werde ...

Der letzte Teil zumindest war eine Lüge gewesen, und zwar nicht nur, weil Jim am Ende doch als zweifelhafter Sieger aus diesem Kampf hervorgegangen war. Nero hätte überhaupt nicht androhen müssen, ihm sein Leben zu rauben – er hatte das längst getan.

Mit einem bitteren Lächeln stützte Jim den Kopf in die Hand. Er wusste nicht, wie lange er schon an seinem Schreibtisch verharrte, verkrochen in seinem Zimmer und verborgen vor dem Rest der Welt. Es mussten Stunden vergangen sein, der Dunkelheit hinter den Fenstern und der Steifheit in seinen Gliedern nach zu schließen, aber es kümmerte ihn nicht. Sollte das Leben dort draußen ohne ihn weitergehen. Wen kümmerte es schon, wenn er kein Teil davon war? Im Grunde war er nie einer gewesen.

Ein anderes Leben ... Ein großer Mann ... Er wurde Captain der „Enterprise“ ...

Die Satzfetzen in seinem Geist jagten einander, ruhelos, stießen zusammen, ballten sich zu einem Gedankenknäul und zerfaserten sich im nächsten Moment wieder, und es wollte Jim nicht gelingen, Ordnung in das Wirrwarr zu bringen.

Es hatte in den letzten Wochen verräterische Momente gegeben, in denen nicht die Erleichterung darüber, lebend davongekommen und den Planeten gerettet zu haben, und auch nicht die Freude über seine plötzliche Beförderung überwogen hatten, sondern andere Gefühle, hässlichere, verräterischere.

James T. Kirk galt als großer Mann ...

Manchmal wünschte er sich, er hätte diesen anderen Spock in der Höhle auf Delta Vega nie getroffen und könnte einfach wieder in das Leben zurückschlüpfen, das er zuvor geführt hatte. Kein einfaches Leben, alles andere als frei von Sorgen und Problemen, aber immerhin sein Leben, ganz alleine seines. Und er wünschte sich, dass er einfach wieder Jim Kirk sein könnte.

Die anderen Kadetten und auch seine Vorgesetzten hatten bemerkt, dass er sich in den letzten Tagen seltsam still verhalten hatte, aber sie hatten dieses ungewohnte Benehmen auf die Nachwirkungen der schockierenden Ereignisse und den Schreck über den Karrieresprung geschoben. Niemand schien zu ahnen, was wirklich in Jim vorging, obwohl es durchaus Leute gab, die sich in einer ähnlichen Position befanden wie er. Geändertes Leben ... gestohlenes Leben ...

Wie war es verlaufen, das Leben dieses anderen James Kirk? Wie war er aufgewachsen – behütet im Kreis einer Familie, die Jim nie vergönnt gewesen war? Welchen Problemen hatte er sich stellen müssen, was hatte er erreicht? Was hatte er getan, was hatte er gefühlt?

Einerseits drängte es Jim, so viele Informationen wie möglich über sein anderes Ich zu sammeln, andererseits riet ihn eine innere Stimme davon ab. Selbst wenn der andere Spock sich nicht geweigert hätte, noch mehr preiszugeben – Ich darf dein Schicksal nicht beeinflussen. Der Weg, den du gehen musst, ist ganz alleine deiner –, hätte Jim ihn nicht darum gebeten, ihm Details über eine Zeitlinie zu verraten, die unwiderruflich geändert worden war. Vielleicht wäre die Unwissenheit besser.

Dein Leben, deines ganz alleine ... Und dennoch immer vorbelastet, der Weg eingefriedet durch die Taten eines verschwommenen, ungreifbaren James T. Kirk, ein weiteres Vorbild, dem es gerecht zu werden galt.

So ungefähr musste sich ein Klon fühlen, wenn er erfuhr, dass er nicht die eigenständige Persönlichkeit war, für die er sich immer gehalten hatte, sondern nur ein Abbild eines anderen Menschen. Eine billige Kopie ... Nie gut genug.

Irgendwann, nachdem das Chaos in seinem Inneren nur noch unübersichtlicher geworden war, wurde die Stille in seinem Zimmer durch ein lautes Summen unterbrochen, durchdringend, aber nicht genug, um seine Aufmerksamkeit zu erreichen.

Jim reagierte erst, als das Summen ein zweites Mal ertönte – das Signal dafür, dass irgendjemand vor seiner Zimmertür stand und nach Einlass verlangte.

Mit einem Stirnrunzeln legte er sein PADD beiseite, auf dessen Bildschirm eine Nachricht aufleuchtete, die er in den letzten Tagen so oft gelesen hatte, dass er sie längst auswendig kannte.

Aufgrund unschätzbarer Dienste für die Föderation und außergewöhnlicher Leistungen im Angesicht kritischer Situationen wurde nach eigehender Beratung beschlossen, James T. Kirk als Admiral Christopher Pikes Ablösung als Captain der „USS Enterprise“ einzusetzen.

Jim drehte den Kopf zur Tür, hin- und hergerissen zwischen Ärger und Neugierde. Wer zur Hölle hielt es für nötig, ihn an diesem trüben Abend zu belästigen? Er erwartete niemanden; die einzige Person, die ihn besuchen würde, war Bones, und Bones kannte den Zugangscode zu seinem Zimmer. Früher waren oft Besucher vorbeigekommen, meistens dann, wenn er auf eine wichtige Prüfung lernen musste, aber die meisten davon hatten zu seinem Zimmergenossen gewollt. Nun gab es niemanden mehr, der seinen Zimmergenossen besuchen könnte, denn er war bei dem Angriff der Narada auf die sekundäre Flotte der Föderation gestorben, eines von den vielen Opfern, die Nero in den viel zu frühen Tod geschickt hatte.

Überhaupt, was hieß schon Angriff – in Wahrheit war es ein Schlachtfest gewesen. So viele Tote ... Die Leben, die Jim auf der Enterprise gerettet hatte, waren im Vergleich dazu nicht mehr als der berüchtigte Tropfen auf dem heißen Stein. Nie genug ...

Ohne sich die Mühe zu machen, sein Seufzen zu unterdrücken, gab Jim dem Computer den Befehl, die Tür zu öffnen. Sobald sie mit einem Zischen aufgeglitten war, drehte er sich in seinem Stuhl herum; und der Anblick des unerwarteten Besuchers war genug, um ihn vorläufig seine Probleme vergessen zu lassen. Dort auf dem Gang saß in einem Rollstuhl und mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck ungefähr die letzte Person, mit der Jim gerechnet hätte.

Mit einer hastigen Bewegung, die sämtliche Glieder schmerzen ließ, sprang er auf die Füße.

„Captain Pike! Äh, ich meine, Admiral ...“, begann er, verwirrt und überrumpelt – eine Mischung an Gefühlen, die ihm ganz und gar nicht gefiel. „Kommen Sie rein.“

Die Einladung war im Grund überflüssig; Pike hatte seinen Rollstuhl längst in den Raum gesteuert, und die Tür schloss sie beide vom übrigen Campus ab. Was immer der Grund für Pikes Besuch war, was immer geschehen würde – es würde unter ihnen bleiben, hier zwischen diesen vier Wänden.

Hastig trat Jim seinem Vorgesetzten einige Schritte entgegen, dann hielt er inne, sich plötzlich bewusst werdend, dass er sein Zimmer seit Tage nicht aufgeräumt hatte. Es hatte dringendere Angelegenheiten gegeben als die überall im Raum verteilten, schmutzigen und zusammengeknüllten Kleidungsstücke.

Mit einem Anflug jener Verlegenheit, die ihn nur in Pikes Gegenwart befiel, machte Jim eine vage Handbewegung. „Entschuldigen Sie die Unordnung ...“

„Immer mit der Ruhe, Kirk“, schnitt Pike ihm das Wort ab; seine Miene war absolut unleserlich. „Das hier ist kein offizieller Besuch, also lassen wir es ganz entspannt angehen.“

Jim nickte, nicht sicher, ob er sich beruhigt oder womöglich noch misstrauischer fühlen sollte. Die letzten Wochen hatten ihn mit brutaler Endgültigkeit gelehrt, nichts mehr einfach so hinzunehmen, nicht einmal den kleinsten Zufall, die beiläufigste Begebenheit.

„Ja, Sir.“ Er zögerte kurz. „Wie geht es Ihnen?“

Die Frage entschlüpfte ihm, ehe er darüber nachdenken konnte; aber er meinte sie umso ernster. Seit der Konfrontation mit Nero hatte er Captain Pike – Admiral, verdammt, er ist jetzt Admiral – nur einmal flüchtig gesehen, gerade lange genug für einen kurzen, oberflächlichen Wortaustausch, doch längst nicht genug für all die Worte, die ungesagt zwischen ihnen lagen und sich im Laufe der letzten zwei Wochen zu einer unüberwindbar erscheinenden Mauer aufgebaut hatten.

Zeit, diese Mauer einzureißen.

Pike lächelte, etwas gequält, aber ehrlich.
„Abgesehen davon, dass ich mich wie ein Invalide fühle in diesem verdammten Ding?“
Mit der flachen Hand klopfte er auf die Armlehne seines Rollstuhls und fuhr, als er Jims Gesichtsausdruck bemerkte, etwas gelassener fort.: „Nein, Kirk, mir geht es gut. McCoy hat das Schlimmste verhindert. Ich bin ihm dankbar, und Ihnen auch.“

Jim nickte, minimal erleichtert. Immerhin diese Last war er los. Dennoch, so froh er darüber war, dass Pike die ganze Affäre ohne allzu große Schäden überstanden hatte, versetzte ihm der Anblick seines an den Rollstuhl gefesselten Vorgesetzten einen unverständlichen Stich, den er nicht näher bestimmen wollte. Christopher Pike war die Person, die in seinem gesamten Leben einem Vater am nächsten kam.

Langsam trat er zurück neben den Tisch und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. Pike folgte ihm, bis sie sich direkt gegenübersaßen; eine Konstellation, die weniger an ein förmliches Dienstgespräch zwischen Kadetten und Vorgesetzten erinnerte als mehr an eine vertraute Unterhaltung.

„Sie sind sicherlich nicht nur zu mir gekommen, um mir das zu sagen“, stellte Jim fest. „Und da Sie offenbar auch nicht als mein Ausbilder hier sind, wie kann ich Ihnen dann helfen?“

Pike zog die Augenbraue auf eine Art und Weise hoch, die Jim verdächtig an Bones erinnerte.

„Sie sehen sich immer noch als Kadetten an, nach allem, was geschehen ist? Ich bin erstaunt, Kirk.“

Pike klang beinahe beiläufig, sicherlich nicht berechnend oder gar vorwurfsvoll, doch irgendetwas in seiner Stimme sorgte dafür, dass sich Jims Schultern anspannten. In der Gegenwart dieses Mannes fühlte er sich aus unerfindlichen Gründen immer dazu gedrängt, sich zu rechtfertigen – denn ja, Christopher Pike war einer der wenigen Menschen, deren Meinung Jim tatsächlich etwas bedeutete.

„Das ist mein offizieller Rang, Sir. Noch“, sagte er, vielleicht ein klein wenig zu steif.

Pike schüttelte den Kopf.
„Nein, Jim. Sie sind seit langer Zeit viel mehr als ein Kadett, und Sie wissen das genauso gut wie ich. Die neuesten Ereignisse haben nur das Offensichtliche bestätigt.“

Pike schien es ehrlich zu meinen, und wahrscheinlich wollte er Jim mit diesen Worten beruhigen – Worte, die in jeder anderen Situation ihre Wirkung nicht verfehlt hätten, Anerkennung, nach der Jim sich immer gesehnt hatte ... heute allerdings erinnerten diese Worte ihn mit unbarmherziger Direktheit an das, was er verzweifelt zu verdrängen versuchte.

James T. Kirk galt als ein großer Mann.

Was hätte er in dieser Situation gemacht? Wie wäre er Nero gegenübergetreten? Hätte er die Handlungsweise seines anderen, jüngeren, unerfahreneren Ichs gutgeheißen?

„Ich habe nicht viel gemacht, nur meine Pflicht erfüllt“, erwiderte Jim hastig, um Neros Stimme aus seinem Geist zu verbannen. War es nicht das, was alle von einem erwarteten? Seine Pflicht erfüllen, sie über alle anderen Bedürfnisse stellen, alles dafür tun. Selbst, wenn das hieß, einen Kollisionskurs einzugeben und sein eigenes Schiff in ein feindliches zu rammen.

Pike stützte einen Ellenbogen auf die Armlehne seines Rollstuhls.
„Und das von dem überheblichen James Kirk, der sich noch vor zwei Wochen über alle Anordnungen hinweggesetzt und sich die Regeln so gebeugt hat, wie sie ihm passten“, bemerkte er. Eine unausgesprochene Frage schwang zwischen den Wörtern mit, und außerdem noch etwas anderes, das beinahe Unbehagen in Jim hervorrief, weil er es nicht gewöhnt war. Sorge.

„Ist es denn gegen die Regeln, wenn ich sie so interpretiere, dass ich einen Vorteil daraus gewinnen und gleichzeitig alle lebend aus einer Krise herausbringen kann?“, gab er zurück.

Offensichtlich war es die richtige Antwort. Ein Lächeln glitt über Pikes Gesicht.
„Nein, mein Junge. Das ist genau die Einstellung, die der Sternenflotte viel zu sehr verloren gegangen ist, und der Grund, weshalb ich Sie rekrutiert habe. Kaum ein anderer hätte die Situation, in der Sie sich befanden, so gut gemeistert, vor allem kein gewöhnlicher Kadett. Sie haben eine ausweglos erscheinende Lage in eine Möglichkeit zu leben verwandelt.“

Er lehnte sich nach vorne, Jim mit einer Intensität anblickend, die kaum jemand so gekonnt zu bündeln vermochte wie er.

„Sie sind so weit, Jim, und Sie wissen das. Wieso also erwecken Sie den Eindruck, als wollten Sie sich lieber weiterhin hinter Ihrem Lernmaterial verstecken, als den Platz einzunehmen, der Ihnen zusteht?“

Jim zuckte mit den Schultern. Der eine Teil von ihm, der freche, unbekümmerte, unverschämte Jim Kirk wollte Pike eine lapidare, wegwerfende Antwort geben, die das Thema möglichst schnell beendete und ihm die Kontrolle über die Situation verschaffte. Der andere Teil jedoch, meistens ignoriert, aber dadurch nicht weniger mächtig, sehnte sich danach, die verdammte Kontrolle einmal abzugeben, sich jemandem anzuvertrauen, ehrlich zu sein. Und irgendetwas an Pikes Blick bewirkte, dass dieser Teil den anderen zumindest für wenige Momente in die Ecke drängte und nach vorne trat.

„Ich schätze, ich muss mich erst mal an die neuen Aussichten gewöhnen. Vom Kadett zum Captain ... das ist ein ziemlich großer Sprung“, erwiderte Jim möglichst neutral.

Pikes Miene blieb undurchdringlich, doch etwas in seiner Haltung veränderte sich kaum wahrnehmbar; fast so, als gäbe er einen Teil seiner Autorität auf und übertrage ihn auf Jim.

„Ich hätte nichts Geringeres von Ihnen erwartet“, sagte er, und dann kehrte sein Lächeln zurück. „Und geben Sie es zu: Sie auch nicht.“

Jim konnte nicht anders, er musste das Lächeln erwidern. Genau deswegen mochte er Pike, deswegen verspürte er das Bedürfnis, die Erwartungen dieses Mannes immer zu übertreffen: Pike kannte ihn, und er respektierte ihn trotzdem.

Vielleicht setzte er sich auch gerade deswegen so sehr für Jim ein: weil er ihn kannte, und weil er mehr über Jims Zukunft zu wissen schien als Jim selbst, zumindest kam es ihm manchmal so vor. Auf jeden Fall hatte Pike immer gewusst, wie er mit ihm reden musste, schon am allerersten Abend. Niemand anderes hätte ihn mit nur wenigen Sätzen dazu überzeugen können, der Sternenflottenakademie beizutreten.

„Klingt es zu arrogant, wenn ich Ihnen jetzt zustimme?“, gab Jim leichthin zurück, in Gedanken irgendwo zwischen jenem schicksalsschweren Abend vor vier Jahren und einer Zukunft, die damals noch unberührt seine gewesen war und ihn nun auf Wege führen würde, von denen er nie wissen könnte, wie unbeschritten sie tatsächlich waren.

Trotzdem ... ein Teil dieser Zukunft gehörte immer noch uneingeschränkt ihm, und ein Schatten dieses Teils schien sich in Pikes Lächeln widerzuspiegeln.

„Heute dürfen Sie ausnahmsweise arrogant sein, mein Sohn“, sagte er, und Jim fühlte wieder die in ihrer Undefinierbarkeit einzigartige Mischung an Emotionen, die ihn jedes Mal überspülte, wenn Pike ihn mein Sohn nannte. „Aber nicht zu sehr ... nicht, dass das Verantwortungsbewusstsein darunter leidet. Davon werden Sie in den nächsten Monaten und Jahren eine ganze Menge brauchen.“

Es klang nicht tadelnd oder warnend; Pike stellte lediglich eine Tatsache fest, und Jim wusste das zu schätzen.

„Ich denke, damit werde ich klarkommen, Sir“, antwortete er, nicht voll jener überheblicher Selbstüberschätzung, die Bones regelmäßig an den Rand des Wahnsinns trieb, sondern völlig ehrlich und in bestem Wissen. Er würde damit klarkommen, in welchem Leben auch immer.

Auf seine Weise.

Pikes beinahe sanftes Lächeln belohnte ihn.
„Das bezweifele ich nicht. Wissen Sie, Jim, es gibt viele, die hinter vorgehaltener Hand tuscheln und Ihre Beförderung als voreilige Entscheidung ansehen ...“
Pike zögerte kurz. Als er weitersprach, sah er Jim direkt in die Augen; und die Entschlossenheit in seinem Blick, gemischt mit der festen Autorität eines Admirals, war nicht stark genug, um die sich dahinter versteckenden Emotionen vollständig zu verbergen.
„Aber meiner bescheidenen Meinung nach ist es eine gute Entscheidung. Ich könnte mir keinen besseren Captain für mein Schiff vorstellen.“

Jim gab sich alle Mühe, die Hitze, die ihn bei diesen Worten überkroch, zurückzudrängen. Jim Kirk errötete nicht.

„Ich fasse das als Kompliment auf“, sagte er vorsichtig.

„Das dürfen Sie ruhig“, sagte Pike freundlich. „Deshalb bin ich heute zu Ihnen gekommen. Um Ihnen das zu sagen.“

Erneut legte er eine kurze Pause ein, nur um danach einen geschäftsmäßigen Ton anzuschlagen, den Jim beinahe dankend hinnahm. Geschäftsmäßig war gut, sicher, weniger gefährlich und überfordernd als Vertrautheit – so gut sie ihm auch tat.

„Und nun möchte ich Ihre Zeit nicht mehr länger in Anspruch nehmen. Bereiten Sie sich schon einmal mental auf die morgige Zeremonie vor.“

„Ja, Sir. Danke.“ Er meinte es völlig ernst. Pike hatte ihm an diesem Abend mehr gegeben, als er in Worten ausdrücken könnte. Vielleicht unwissentlich. Vielleicht auch ganz bewusst.

„Wofür?“, fragte Pike mit nur einem Hauch jener schelmischen Leichtigkeit, die sich manchmal in sein Benehmen schlich und deutlicher als alles andere bewies, dass es nicht nur den harten, stets Bestleistungen erwartenden Admiral gab, sondern einen Führungsoffizier, der sich um das Wohl seiner Crew sorgte und versuchte, immer das Beste aus allen ans Licht zu bringen.

War Pike in dem anderen Leben auch so gewesen? Hatten seine Worte Jim dort auch so stark beeinflusst, wie es sonst kaum jemandem gelang?
Er verbot sich, weiter darüber nachzudenken.

Mit einer Bewegung, die seinen Widerwillen gegen den Rollstuhl verriet, drehte Pike diesen um und begann, sich langsam in Richtung der Tür zu bewegen. Automatisch erhob sich Jim und folgte ihm, nicht sicher, was er noch tun oder sagen sollte.

„Einen schönen Abend noch, Admiral“, wünschte er ihm schließlich, ob das nun unpassend war oder nicht.

„Danke“, sagte Pike; und dann, kurz bevor er die Tür erreicht hatte, hielt er inne und wandte sich in seinem Stuhl so weit um, dass er Jim ins Gesicht blicken konnte.

„Und, Jim?“

„Ja, Sir?“

„Ich bin stolz auf Sie.“

Jim starrte noch lange auf die Tür, nachdem sie sich hinter Pike geschlossen hatte. Als er sich schließlich abwandte, kam ihm ein Gedanke, der eine Spur des alten, überheblich-verspielten Lächelns auf seinem Gesicht erscheinen ließ.

Vielleicht stimmte es, dass James T. Kirk ein großer Mann gewesen war. Es stimmte allerdings auch, dass Jim Kirk nichts im Weg stand, selbst einmal einer zu werden.
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