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5x12 - Apotheosis #2

von Julian Wangler

Kapitel 2

Erde, San Francisco

Hoshi streckte sich in der randvollen Badewanne aus und versuchte, sich von Schaum und Hitze tragen zu lassen. Während sich die Verknotungen, die schier in jeder Faser ihres Körpers saßen, allmählich auflösten, ließ sie den vergangenen Tag Revue passieren.

Um ein neuerliches Mal hatte sie ein Treffen der Arbeitsgruppe veranlasst, diesmal nur mit Erickson, DiFalco, Emla und Nirvaag. Es war nicht viel dabei herumgekommen. Diesmal hatten sie es zwar geschafft, das Ganze nicht vorschnell in einen Kindergarten ausufern zu lassen, doch schienen ihr all diese Köpfe, die Gregor Casey ihr da an den Hals geworfen hatte, nicht geeignet, um das Problem um die romulanische Verschlüsselung zu lösen. Sie waren allesamt Spezialisten, zugegeben, doch nicht auf diesem Gebiet. Die Sternenflotte – ein institutioneller Koloss, der sich nur äußerst behäbig von Forschung und Versorgung auf Militarisierung verlagerte – hatte da eine handfeste Lücke aufzuweisen. So wenig es ihr auch gefiel, schienen die Einzigen, die ihr etwas bieten konnten, Soong und Maretha zu sein.

Soong hatte ihr in der zurückliegenden Nacht ein Angebot von wahrhaft fragwürdigem Charakter unterbreitet. Es war so gewagt, dass Hoshi es bislang unterlassen hatte, Casey deswegen aufzusuchen. Erst einmal musste sie darüber nachdenken. Am liebsten wäre es ihr gewesen, ganz ohne den Augment–Vater und seine sadistische Freundin zu einer Lösung zu gelangen. Doch das war nicht geschehen. Nun merkte Hoshi, wie sie immer mehr auf Soong zurückfiel, und damit zwangsläufig auf seine Offerte.

Ihn auf freien Fuß setzen… Nach allem, was er angestellt hat… Casey wäre damit sicherlich nie einverstanden gewesen, und selbst wenn, oblag ihm nicht das letzte Wort darüber. Man hatte Soong in einem umfangreichen juristischen Prozess verurteilt. Dieser Prozess war nach seinen jüngsten Taten wieder aufgerollt und triftig erweitert worden. Er galt als eines der kriminellsten Elemente, die die Erde jemals hervorgebracht hatte, wenn auch eines der genialsten. Sie ahnte, dass der Deal platzen würde, bevor er zustande gekommen war.

Allerdings fragte sich Hoshi, weshalb der Wissenschaftler sie dann aufgesucht hatte? Er mochte verrückt sein, trotzdem war er alles andere denn ein Utopist. Es war nicht seine Art, gedankliche Anwandlungen zu haben, die sich nicht an der Realität orientierten. Und doch war seine Forderung auf Sand gebaut. Scheinbar zumindest. Denn es mochte ja sein, dass er ein anderes Ziel verfolgte…

Wie könnte das aussehen? Während sie sich ein feuchtes, in Brennnesselöl getränktes Tuch aufs Gesicht legte und inhalierte, dachte sie über Soongs mögliche Absichten nach. Aber so richtig wollte sich ihr nichts erschließen. Irgendwann machte sie die angenehme Wärme, welche sie umgab, so müde, dass sie nicht mehr darüber nachdenken konnte.

Nachdem sie die Badewanne im Gefolge der nächsten halben Stunde verlassen hatte und im Bademantel durch die kleine Wohnung schritt, die sie seit einigen Jahren an der Bucht von San Francisco besaß, brannte es plötzlich hinter ihrer Stirn. Auch Schwindel erfasste sie für einige Sekunden. Hoshi arbeitete sich Richtung Bett vor und ließ sich langsam hinabsinken. Sie hatte sich schon vorher so eigenartig gefühlt, mulmig – was sie zum Anlass genommen hatte, ein ausgedehntes Entspannungsbad zu nehmen. Aber jetzt kehrte die eigenartige Benommenheit zurück. Vielleicht brüte ich ja ’was aus. Sie fragte sich, ob es an der Zeit war, einen Arzt zu konsultieren. Obgleich sie es in der Regel eher miet, Internisten aufzusuchen – mit Ausnahme von Phlox, dem ersten Arzt, dem sie vollends vertraute –, konnte sie es sich in der jetzigen Phase nicht leisten, auszufallen. Casey und die Sternenflotte bauten darauf, dass sie etwas Vorzeigbares in Bezug auf die romulanischen Chiffriersysteme zustande brachte. Außerdem war die Scheu groß, dass ihre Schwangerschaft aufflog.

Eigentlich glaubte sie ja von sich, eine eiserne Gesundheit zu besitzen. Zugegeben, gelegentlich funkte ihr ein latentes Hypochondertum dazwischen, aber alles in allem konnte sie die Erkältungen der vergangenen Jahre an einer Hand abzählen. Das letzte Mal, dass sie sich etwas eingefangen hatte, es musste gewesen sein, als Jonathan Archer sie erstmals in Brasilien besuchte. Es hatte eine Woche lang geregnet, und ein Bazillus hatte sie erwischt, eine hartnäckige tropische Bakterie. Sie war krank gewesen wie ein Hund, aber sie hatte einen guten Eindruck machen wollen. Genau wie jetzt.

Ein höllisches Stechen barst schlagartig durch ihren Leib. Sie wollte schreien, doch etwas schnürte ihr die Luft ab. Wie aus dem Nichts kommend, suchten sie unvorstellbare Schmerzen heim und erreichten binnen kürzester Zeit, diffus in ihrem Innern gleißend, den Level einer Agonie.

Zu spät ahnte Hoshi, dass es sich nicht um einen Bazillus handelte, der in ihr tobte, sondern um einen Parasiten. Einen, mit dem sie schon einmal infiziert worden war. Und gefoltert. Phlox hatte es damals diagnostiziert: Der reptilianische Parasit hatte niemals vollständig aus ihrem Kortex entfernt werden können. Er hatte nur geruht.

Und jetzt hatte ihn jemand aktiviert, um Kontrolle über sie zu erlangen.

– – –

Lunares Passagierschiff Armstrong

Phlox hatte sich nie als verwöhnt empfunden. Trotzdem war auch er der Meinung, dass es bequemere Wege gab, zu reisen. Aus einer Vielzahl von Gründen konnten sie nicht ein Schiff chartern, das übermäßig motorisiert war oder auffiel – abgesehen davon, dass es nicht gerade leicht geworden wäre, so etwas auf dem freien Markt kurzfristig zu finden. Jetzt begnügten sie sich mit einem betagten Sternenhüpfer, der etwa die doppelten Ausmaße eines Enterprise–Shuttles besaß, hin und wieder ein wenig ruckelte, aber alles in allem gut in Schuss war. Ein Schiffsverleih in New Berlin hatte es Phlox für eine bezahlbare Summe Credits ausgeliehen. Natürlich hatte der Denobulaner die Papiere gefälscht; er hatte gewiss nicht vor, nach Deneva zu fliegen und wieder zurück. Phlox bedauerte seine Lüge, glaubte jedoch, der gut situierte Händler konnte es wegstecken.

Jetzt huschten im Cockpit seine Finger über die Kontrollen des leicht heruntergekommenen Schiffes, um die Energiezufuhr des Antriebs zu erhöhen. Daraufhin nahmen die Vibrationen in den viel zu nahen Wänden und den unbequemen Armlehnen der Sitze zu. Das Gefährt ruckelte, und für einen Moment verließ Phlox die Zuversicht.

„Hm. Der Autopilot funktioniert und unsere Warpgeschwindigkeit ist konstant bei zwei Komma Null, so wie ich das sehe.“, vermeldete er kurz darauf zufrieden und drehte sich in seinem Stuhl zu Cutler. „Und ich soll wirklich Kurs setzen auf den tholianischen Raum?“

Sie hatte sich mittlerweile ihrer Burka entledigt und saß neben ihm. Ihr grünes, vernarbtes Gesicht ließ kaum mehr die Züge einer Person erkennen. Phlox musste sich bei ihrem Anblick zusammenreißen, und doch wusste er, dass es sich immer noch um seine Freundin handelte. Dieses ständige Erinnern half ihm. „Bitte tu es.“, sagte sie fast flehentlich. „Es gibt keinen anderen Weg. Da bin ich mir sicher.“

„Ich habe Dich hierher begleitet, ich werde auch weiter bei Dir sein, Elizabeth.“, klärte er. „Aber kannst Du Dir nicht erklären, warum Dich diese…Anomalie im tholianischen Sektor anzieht?“

Cutler überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Ich weiß nicht, warum sie das tut. Ich weiß nur, dass ich dorthin muss. Dass es sein muss. Seit einigen Wochen wurde dieses Gefühl immer stärker.“

„Welches Gefühl?“

„Dass es mich irgendwo hinzieht. Mich zieht ein Instinkt wie ein Magnet zu einem bestimmten Ort. Und zwar zu diesem Raumphänomen. Und ich weiß, dass meine ganze Existenz darauf hingearbeitet hat.“

Phlox nickte, gewahrte sich aber der Tatsache, dass er nichts Neues von ihr erfahren konnte. Er würde ihr einfach Glauben schenken müssen und sehen, was passierte. Es gab keine Sicherheit mehr, und möglicherweise war das auch gut so. „In Ordnung. Wegen der Tholianer… Sie scheinen eine recht territoriale Spezies zu sein. Man weiß kaum etwas über sie, nur dass sie Eindringlingen in ihrem Raum nicht gerade wohl gesonnen sind.“

„Mach Dir keine Sorgen, Phlox.“, versprach Cutler. „Wir werden eine Flugroute ausarbeiten. Glücklicherweise gibt es im Grenzbereich ihres Gebietes ziemlich viele Plasmastürme. Wir werden schon einen Schlupfwinkel finden. Und haben wir erst einmal die Grenze überschritten, wird auch deren Abwehr nicht mehr so stark sein. Das hoffe ich jedenfalls.“

„Wir stehen das gemeinsam durch. Was auch passiert.“ Phlox griff sich ein Hypospray aus dem Arztkoffer, den er mitgenommen hatte und legte es ihr an den Hals.

„Was ist das?“

Der Injektor in seiner Hand rauschte. „Nur etwas Torbomin zur Vorsorge. Das sollte Dir helfen, die Kohäsion zu halten, sollte der Prozess der zellularen Degeneration weiter fortschreiten.“

„Ich danke Dir. Momentan fühle ich mich noch relativ gut.“

Eine Weile schwiegen sie, als Phlox sich wieder umwandte, um den Autopiloten mit den neuen Zielkoordinaten zu füttern.

Dann hatte er plötzlich das eigenartige Gefühl, dass sie ihn anstarrte. „Wieso hast Du es mir nicht gesagt?“

„Was meinst Du?“, fragte er.

„Wir sind miteinander verbunden, weißt Du noch? Und ich habe nie aufgehört, Dich zu lieben. Ich bin mir darüber im Klaren, dass Du todkrank bist.“ Es war, als las sie in seinem Herzen. „Du hast Deine Selbstgewissheit verloren, Phlox.“

Er seufzte und schenkte ihr einen müden Blick. „Nicht nur das, Elizabeth. Es gibt jetzt…nur noch diese eine Sache, die ich unbedingt tun möchte. Für Dich, für uns. Was danach passiert, ist nicht mehr wichtig für mich.“
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