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Past Times

von Starcrossinggirl

Kapitel 1

Ich sitze in einer risianischen Bar und schaue mich um. Irgendwie komme ich mir fehl am Platz vor, ich hätte wohl doch nicht mit zwei Pärchen zum Landurlaub nach Risa fahren sollen, Andererseits, was wäre meine Alternative gewesen? Weiterhin auf der Salvation Dienst schieben? Nein, dann bin ich doch lieber hier. Corinna bemerkt meinen genervten Gesichtsausdruck und sagt etwas von wegen ich solle mir doch auch jemanden zulegen. Haha, wie komisch, sie muss schließlich nicht neben zwei turtelnden Pärchen am Tisch sitzen bei denen man das Gefühl hat, sie würden sich gleich auffressen. Geistesabwesend schaue ich zur Tür, genau in dem Moment, als ein neuer Gast eintritt. Eine ungefähr 30 Jahre junge, wirklich attraktive Frau. Sie trägt ein leicht fließendes Kleid, das ihre Beine hervorragend zur Geltung bringt. Aber irgendwie wirkt sie verloren, so wie sie sich an einen Tisch setzt. Etwas verkrampft, als sei sie es nicht gewohnt, unter Leute zu gehen. Und sie ist allein. Mein Interesse ist geweckt. Ich beschließe, erst noch ein wenig zu beobachten, doch Mike ist da offensichtlich andere Ansicht.
„Na los, worauf wartest du noch? Noch sitzt sie allein da, also nutz die Chance. Dann hast du wenigstens keinen Grund mehr, dich dauernd bei uns zu beschweren.“
Ich werfe ihm einen Blick zu, der ihn aus der nächsten Luftschleuse schmeißen würde, wenn es hier welche gäbe. Was für ein Glück für ihn, dass wir uns nicht im Weltraum befinden. Trotzdem stehe ich auf und gehe in Richtung ihres Tisches. Sie sitzt dort und blickt ein wenig traurig auf die Tischplatte.
„Eine so schöne Frau sollte niemals allein sitzen.“
Erstaunt blickt sie hoch und lächelt etwas schüchtern. Dieses Kompliment wirkt wirklich immer.
„Oh, danke.“
„Darf ich mich setzen, wenn ich ihnen einen Drink ausgebe?“ Diesmal lächele ich.
„Ich hätte auch ja gesagt, ohne dass sie mir etwas ausgeben, aber wenn sie unbedingt möchten...“ sie deutet auf den Stuhl vor ihr, „Bitte!“
Ich ziehe mir den Stuhl heran, drehe ihn um und setze mich drauf, die Arme auf den Tisch gestützt. Der Kellner kommt und sieht uns fragend an.
„Einen Martini, gerührt bitte. Und Sie?“ Sie blickt mich an.
„Das gleiche, danke.“ Ich bin fasziniert von ihren Augen. Sie sind so blau, dass sie fast, wie zwei klare Lagunen aussehen, aber dennoch so tief und unergründlich...
Die Drinks kommen augenblicklich – der Service hier ist wirklich der beste – und sie will von ihrem trinken. Ich halte sanft ihre Hand fest.
„Moment, es gibt eine Bedingung, wenn ich einer Dame einen Drink ausgebe.“
„Und der wäre?“ fragt sie überrascht.
„Sie verraten mir wie sie heißen!“
Eine Sekunde lang starrt sie mich an, dann bricht sie in Lachen aus.
„Und ich dachte schon, nein vergessen sie es, ich habe mir einfach zu viele Horrorgeschichten von meinen vorgesetzten Offizieren erzählen lassen. Kathryn, ich heiße Kathryn. Und Sie?“
„Nennen sie mich einfach Jack.“

***

Ich sehe ihn fasziniert an. Irgendetwas an diesem Mann zieht mich sofort magisch an, ich kann nicht sagen, was es ist. Vielleicht auch einfach nur die Tatsache, dass ich auf Risa bin? Nein.
„Und Kathryn, was macht eine so reizende Frau wie sie hier ganz alleine auf Risa? Das ist recht ungewöhnlich.“
„Ich mache Landurlaub. Mein Schiff macht circa eine Woche im Orion Cluster halt, um seine Systeme warten zu lassen und die gesamte Crew hat Landurlaub bekommen. Und da Risa in der Nähe lag und ich nicht wusste, wo ich sonst hinsollte – wieso nicht?“
„Keinerlei Begleitung?“
Schon wieder dieses Grinsen. Aber ich finde es überhaupt nicht beleidigend, im Gegenteil, ich hatte ganz vergessen, wie schön es ist so zu flirten.
„Nein.“
„Ist der glückliche Mann, der sich ihr Freund nennen darf, nicht auf ihrem Schiff stationiert, oder gibt es ihn nicht?“
„Ich wüsste zwar nicht, was Sie das angeht...,“ ich nehme einen Schluck von meinem Drink, „Aber nein, ich bin zurzeit nicht liiert. Und was ist mit Ihnen?“
„Was meinen Sie? Gehöre ich zu Starfleet, bin ich allein auf Risa, oder habe ich eine Beziehung?“
„Suchen Sie sich was aus!“
„Erstens: Ja, ich gehöre zu Starfleet und mache gerade zwei Wochen Landurlaub. Zweitens: Nein, ich bin hier mit vier Freuden von mir und drittens: Nein, ich suche noch.“
„Und nach was suchen Sie?“ Ich fühle mich wie ein Teenager, der Wissenschaftsoffizier ist vollständig von mir abgefallen.
„Der Idealfall wäre eine dunkelblonde Starfleet- Offizierin, die nachts alleine in risanische Bars kommt und die atemberaubendsten blauen Augen jenseits des Orion Nebels hat.“
Ich werde rot, ich spüre förmlich, wie die Wärme meinen Nacken heraufsteigt. Verdammt, ich bin es einfach nicht mehr gewohnt, derartige Komplimente zu bekommen, ich werde mich selbst noch alle Chancen nehmen. Chancen auf was? Ich glaube das weiß ich selbst nicht so genau. Hauptsache ich trinke nicht zuviel, das ist das einzige Risiko, was mir im Moment einfällt.
„Und, was ist ihre Aufgabe auf ihrem Schiff?“
„Ich bin Wissenschaftsoffizier. Ich war schon immer sehr interessiert in Mathematik und den Naturwissenschaften, meine Eltern gehörten beide zu Starfleet.
„Tochter zweier berühmter Admiräle.“ Er übertreibt absichtlich, meint es nicht ernst. Doch trotzdem fühle ich plötzlich einen Stich in der Herzgegend.

***

„So ähnlich, ja.“ Ich meine, einen Schatten über ihr Gesicht ziehen zu sehen. Autsch, da habe ich wohl einen wunden Punkt erwischt. Irgendetwas scheint da noch zu sein, aber sie versucht wohl, es zu vergessen. Die Band fängt an zu spielen, ich stehe auf, verbeuge mich leicht vor ihr.
„Darf ich die Dame zum Tanz bitten?“ Sie lacht schon wieder, lässt mich ihre Hand nehmen und folgt mir auf die Tanzfläche. Zuerst sind es ein paar schnelle Tänze, einmal stolpert sie und ich fange sie lachend auf, sie scheint sich ebenfalls prächtig zu amüsieren. Es folgt ein langsamer Tanz, ich weiß nicht wieso, aber ich ziehe sie an mich und sie scheint nichts dagegen zu haben, im Gegenteil, sie legt ihren Kopf an meine Schulter. Ihr warmer Körper schmiegt sich sanft an mich und eigenartigerweise fühlt sie sich gar nicht fremd an, sondern sehr vertraut, als würde ich sie schon ewig kennen. Ich sehe wie Jeff und und Mike mir den Daumen nach oben zeigen und verdrehe die Augen. Können die mich niemals in Ruhe lassen? Der Tanz ist zu Ende und sie blickt von unten hoch, lächelt mich an.
„Haben Sie heute Abend noch etwas anderes geplant?“
„Eigentlich nicht, wieso fragen Sie?“ erkundige ich mich so unschuldig wie möglich.
„Aber ich bin schon drei Tage hier, ich kenne ein paar sehr schöne Plätze, die ich Ihnen noch zeigen könnte...“
„Na dann los!“ unerwartet stürmisch zieht sie mich an der Hand aus dem Lokal. Ich kann so viel Spontaneität einfach nur süß finden und sehe gerade noch, wie meine vier Freunde mir hinterherwinken. Ich will ja nicht wissen, was die jetzt denken.

***

Drei Stunden später laufen wir Hand in Hand den Strand entlang, ich noch mein Champagnereis in der Hand, sie hat ihres bereits aufgegessen. Mittlerweile weiß ich etwas mehr über sie, sie will auf die Kommandolaufbahn umschwenken, behauptet von sich eine furchtbare Köchin zu sein, ist in Indiana aufgewachsen, war der Protegé von Admiral Paris, was mich persönlich extrem beeindruckt, und liebt Tiere. Und so weiter und so fort, ich komme gar nicht dazu, all diese Bruchstücke zusammenzulegen. Ich bin viel zu beschäftigt zuzusehen, wie sie barfuß neben mir den Strand entlangläuft. Das Licht der zwei Monde lässt ihr Haar leicht schimmern, der Wind bläst ihr zwischendurch ein paar Strähnen ins Gesicht und lässt das Kleid jede Kontur ihres Körpers nachformen. Ich bin so beschäftigt, mir ihr Bild einzuprägen, dass ich gar nicht mitbekomme, wie dieses Funkeln wieder in ihren Augen erscheint. Ohne Vorwarnung reißt sie mir plötzlich mein Eis aus der Hand und rennt kichernd davon, fordert mich geradezu heraus, sie zu verfolgen. Na warte, das gibt Rache. Ich stürme ihr hinterher, erreiche sie und einige Sekunden lang ringen wir spielerisch um das Eis, das jedoch dabei zu Boden geht und in den Sand fällt. Sie grinst nur und versucht wieder zu fliehen, doch diesmal bin ich schneller und packe ihr Kleid. Wir verlieren das Gleichgewicht, und ich finde mich im Sand wieder, sie unter mir liegend, mit leuchtenden Augen und schwer atmend. Auf einmal werden wir beide ganz still. Ich fühle mich Stück für Stück wie von einer unsichtbaren Macht zu ihr gezogen, will sie küssen. Ich bin über mich selbst erstaunt. Normalerweise geht das alles nicht so schnell bei mir. Ich verliebe mich nicht Hals über Kopf in eine Fremde, ich war immer vorsichtiger und zurückhaltender, aber bei ihr ist das anders. Schon jetzt fühlt es sich an als sei sie ein Teil von mir und ich weiß ich muss sie küssen und es nichts Falsches dabei. Sanft umrahmen meine Hände ihr Gesicht und meine Lippen berühren zärtlich ihre.

***

Ich liege unter ihm, schwer atmend vom Laufen, aber nicht nur deswegen. Ich weiß er wird mich küssen und seltsamerweise habe ich nichts dagegen. Ich verstehe mich selbst nicht mehr, ich war noch nie so schnell was Beziehungen betrifft, ich habe niemals kurze intensive Flirts gehabt, aber das hier fühlt sich auch nicht wie ein Flirt an. Die Situation ist absurd, ich liege an einem menschenverlassenen Strand in den Armen eines fremden Mannes und fühle nicht die geringste Angst er könne die Situation ausnutzen. Und das wo ich nach Justins Tod sowieso noch nicht wieder bereit war, eine Beziehung einzugehen, wo ich dachte ich würde Ewigkeiten brauchen, um mich wieder mit einem Mann einzulassen. Und hier liege ich und es fühlt sich in keinster Weise falsch an. Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß instinktiv ich gehöre zu ihm, werde immer zu ihm gehören, so unwahrscheinlich mir das selbst vorkommt. Ich fühle eine Sicherheit und Nähe, wie sie mir bisher fremd war. Er neigt seinen Kopf und seine Lippen kommen näher, und dann küsst er mich. Und ich küsse ihn zurück. Zunächst sanft und vorsichtig, dann intensiver und leidenschaftlicher. Meine Hände schlingen sich automatisch um seinen Nacken und ich ziehe ihn noch näher an mich heran. Der Kuss dauert eine Ewigkeit, ich will, dass er niemals aufhört, ich verliere mich völlig darin...

***

Mein Kopf dreht sich, ich fühle mich wie benebelt, küsse sie so lange, bis ich keine Luft mehr bekomme. Schließlich unterbreche ich den Kuss, streiche immer noch nach Atem ringend, über die Seiten ihres Gesichtes. Ich fühle, wie sich ihre Brust unter mir hebt und senkt, sehe Erstaunen aber auch Sehnsucht in ihren Augen. Mir wird bewusst, dass sie nicht nein sagen würde, wenn ich jetzt mehr von ihr verlangte. Aber das will ich gar nicht. Sie bedeutet mir viel zuviel dafür, ich hätte das Gefühl sie zu benutzen. Das Einzige was ich jetzt will, ist weiter hier in der warmen Brise des Meeres liegen und einfach nur ihre Nähe spüren. Ich drehe mich zur Seite, ziehe sie mit mir und lege sanft den Arm um sie. Sie protestiert nicht, sondern schmiegt sich vielmehr an mich heran, ihren Kopf an meine Schulter legend, während sie ihre Hand in meine legt.

***

Überwältigt liege ich neben ihm und starre in den klaren Sternenhimmel. Ich hätte mit ihm geschlafen, wenn er gewollt hätte, das spüre ich. Die Tatsache, dass er mich nicht in diese Richtung drängt, erfüllt mich mit einer lang vermissten Wärme. Meine Gefühle sind nicht einseitig, das weiß ich jetzt. Ich bedeute ihm mehr als nur ein Abenteuer. Die Idee, dass es nur Taktik sein könnte, ziehe ich gar nicht erst in Erwägung. Ich weiß so wenig von ihm, aber ich vertraue ihm fast mehr als ich Cheb jemals vertraut habe. Und ich sehne mich nicht einmal danach, den grund dafür zu wissen. Ich will einfach bis in alle Ewigkeit so liegenbleiben...
Wir zeigen uns gegenseitig die Sternbilder, die wir aus dieser Perspektive her kennen. Es ist irre romantisch. Irgendwann schlafe ich dann ein und wache erst am nächsten Morgen wieder auf, nur um von seinem Lächeln begrüßt zu werden.
„Guten morgen Sonnenschein.“
„Guten morgen.“ Ich gähne lächelnd. „Du hast mich doch nicht etwa beim Schlafen beobachtet?“
„Und wenn?“ Er küsst meine Hand und ich merke, wie ich wieder rot werde. Langsam setze ich mich auf und strecke mich. Meine Muskeln fühlen sich recht verspannt an, kein Wunder, ich habe lange nicht mehr auf einem Strand übernachtet.
„Ich denke ich gehe jetzt erstmal in meine Unterkunft, um zu duschen, mich umzuziehen und etwas zu essen.“ Er nickt.
„Das ist wohl die beste Idee. Und wann und wo treffen wir uns wieder?“
Mein Herz setzt einen Moment aus. Er will mich wiedersehen! Natürlich will er dich wiedersehen, du Dummkopf! ärgere ich mich über mich selbst. Aber ich bin trotzdem so glücklich wie seit langem nicht mehr.
„Sagen wir elf Uhr an der großen Brücke?“
Als Antwort lächelt er nur. Er bringt mich noch zu meinem Appartement und gibt mir einen Abschiedskuss. Zurückhaltender diesmal, aber trotzdem wundervoll. Ich gehe rückwärts bis zur Tür, will ihn nicht eine Sekunde länger aus den Augen lassen als nötig und schließe endlich mit einem zufriedenen Seufzer die Tür hinter mir.

***

Ich weiß schon auf was ich mich gefasst machen muss, als ich unser Appartement betrete. Aber das ist mir egal, ich war noch nie in meinem Leben so glücklich wie jetzt, wenigstens fühlt es sich so an. Vermutlich habe ich ein absolut idiotisches Grinsen auf meinem Gesicht, aber auch das stört mich nicht. Mir ist gestern ein Engel begegnet.
Kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen, steht auch schon Corinna vor mir und grinst mich an.
„Ts ts ts, weiß du wie spät es ist, Chak? Wo hast du dich die ganze Nacht herumgetrieben, hmm?“ Natürlich spricht sie in einer Lautstärke, dass die anderen drei ungefähr zehn Sekunden später ebenfalls neben mir stehen und ihre Bemerkungen ablassen.
„Na, die muss ja was ganz Besonderes gewesen sein, wenn du die ganze Nacht nicht nach Hause kommst...“ Warum habe ich nur wieder das Bedürfnis, Mike zu erwürgen?
„Es ist nicht so wie ihr denkt...“ versuche ich abzulenken, aber Samira kontert sofort.
„Ach, und was denken wir?“ bei den Gesichtern, die sie machen ist das nicht sonderlich schwer zu erraten. Ich lasse mich auf die Couch fallen und lege den Kopf in den Nacken.
„Es ist nichts passiert, ok?“
„Und das sollen wir dir allen Ernstes glauben? So wie die auf dich abgefahren ist?“ Können die auch an was anderes als Sex denken? Ich setze zu einer Antwort an, komme aber gar nicht dazu, denn schon wieder ist Jeff schneller.
„Und wo warst du bitte schön heute Nacht, wenn nicht in ihrem Bett?“ die vier scheinen sich köstlich zu amüsieren.
„Wenn es euch so brennend interessiert, wir waren am Strand.“ Aua, das war unklug. Die Rache folgt auf den Fuß.
„Am Strand?“ Corinna verdreht theatralisch die Augen. „So einen Sinn für romantische Abenteuer solltest du auch mal haben, Mike.“
Das reicht mir. Vollends. Diesmal rede ich wirklich lauter, damit mich auch garantiert alle verstehen.
„Verdammt noch mal ist das denn so schwer zu verstehen, wir haben am Strand geschlafen, ja, aber nur geschlafen. Wir haben nicht miteinander geschlafen, ok? Wir haben uns unterhalten, ich habe sie besser kennengelernt, und das ist alles!! Und wenn ihr mich noch weiter so nervt, werde ich noch zu unserem zweiten Treffen zu spät kommen, und sie verpassen. Also lasst mich in Ruhe, oder ihr werdet das ernsthaft bereuen!“ Jetzt gucken sie mich alle recht kleinlaut an.
„Ach, verdammt, ihr wisst, dass ich das nicht so meine. Ihr könntet bloß eure absurden Fantasien für euch behalten und anderen Leuten ihre Privatsphäre lassen. Danke.“ Damit drehe ich mich um und gehe ins Badezimmer.

***

Ungefähr eine Stunde später komme ich bei der Brücke an. Zunächst sehe ich sie nicht, eine leichte Unsicherheit breitet sich in mir aus, vielleicht will sie mich doch nicht mehr sehen? Ich bin gerade dabei mich suchend umzusehen, da spüre ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Ich drehe mich um.
„Hi.“
Sie lächelt ein wenig schüchtern und das steht ihr unglaublich gut. Sanft fahre ich ihr mit einer Hand durch die Haare.
„Ich hatte schon Angst du hättest es dir anders überlegt.“
„Wie kommst du auf die Idee?“ eine Sekunde lang starrt sich mich entgeistert an.
„Keine Ahnung. Das ist ja auch nicht mehr wichtig. Wichtig ist nur, dass du da bist.“
Ich betrachte sie fasziniert. Sie trägt einen Bikini (natürlich, was trägt man denn sonst auf Risa) aus dem Blau, das auch ihre Augen haben, dazu einen passenden Pareo. Ich biete ihr meinen Arm an und mit einem Lächeln hakt sie sich ein. So schlendern wir eine Weile in einträchtiger Stille die Promenade entlang. Sie bricht das Schweigen als erste, indem sie mich mit diesem amüsierten Funkeln in den Augen fragt:
„Also, was ist mit den Plätzen, die du mir zeigen wolltest?“
„Du hast die Wahl. Ich kenne da einen wunderschönen, ruhigen Strand mit warmem, kristallklarem Wasser... oder...“
Bevor ich weiterreden kann, unterbricht sie mich bereits.
„Das ist ideal. Schließlich bin ich zum Schwimmen nach Risa gekommen, oder? Es soll keinen anderen Planeten geben, der so wundervolles Meerwasser hat. Und, wo liegt dieser Strand?“
„Etwas abseits, wir werden einen Transporter nehmen müssen, es ist eine kleine abgelegene Bucht... ich habe sie durch Zufall entdeckt.“ Wir gehen in Richtung der nächsten Transporterplattform und ich lege ihr leicht den Arm um die Hüfte. Ich muss sie einfach nah bei mir haben, ich habe immer noch das Gefühl, das alles ist nur ein Traum aus dem ich jeden Moment aufwachen könnte.

***

Wir materialisieren an einem hellweißen Sandstrand, der völlig menschenleer ist. Wunderschön, so stelle ich mir das Paradies vor, mit einem umwerfenden Mann an meiner Seite, Sonne, Ruhe...
„Und?“ Er blickt mich erwartungsvoll an.
„Es ist perfekt. Wie kann man so etwas durch Zufall entdecken???“ frage ich, während ich mein Badetuch auf dem Boden ausbreite und mich bequem darauf niederlasse.
„Ich wandere gerne. Besonders wenn meine Freunde, naja wie soll ich sagen,“ er grinst und mir fällt auf, dass er die süßesten Grübchen der Welt hat, „anderweitig beschäftigt sind. Da habe ich mich dann doch lieber in die Natur zurückgezogen.“
„Das ist wohl das ungewöhnlichste, das ich je gehört habe. Ein gutaussehender junger Mann, der sich auf Risa in die Natur zurückzieht...“ Ich kann einfach nicht anders als lachen, woraufhin er etwas gekränkt guckt.
„Nicht, dass ich das in irgendeiner Weise störend fände...“ raune ich ihm ins Ohr, während ich ihn zu mir ziehe.
„Im Gegenteil...“ Ich neige meinen Kopf und unsere Lippen treffen sich unendlich sanft. Unser Kuss wird intensiver, leidenschaftlicher, bleibt aber trotzdem die ganze Zeit zärtlich und spielerisch. Ich bin noch nie so geküsst worden, kenne keinen Mann, der mich je auf diese Weise verrückt gemacht hat. Meine Küsse werden fordernder, ich kann nicht aufhören, es ist wie in einem Sog... ich bekomme nur halb mit, wie er den Kuss unterbricht. Mir ist schwindelig, ich kann nicht klar denken, sehe seine tiefbraunen Augen, die mich besorgt anblicken.
„Alles in Ordnung?“
Ich ringe immer noch schwer nach Luft, nicke jedoch.
„Ja, ich bin nur etwas außer Atem, der Sauerstoffmangel.... Wow, wo hast du gelernt, so zu küssen? Vergiss es, das war eine rhetorische Frage, ich will es gar nicht wissen...“
Er haucht mir einen Kuss in meinen Nacken.
„Danke für das Kompliment. Hey,“ seine Hand fährt zu meinem Nacken, „du bist ja völlig verspannt!“
Da hat er allerdings Recht. Meine Schultern fühlen sich an wie aus Stein.
„Ich bin es wohl nicht gewohnt, auf harten Sandstränden zu schlafen...“
„Lass mich dir helfen.“
Ich blicke ihn fragend an.
„Leg dich auf den Bauch und entspanne dich.“ Ich fühle, wie seine Hände meine langen Haare zur Seite streichen, so dass sie über meine Schultern nach vorn fallen. Vorsichtig beginnt er, mich zu massieren, zunächst streicht er nur mit den Handflächen über meine Haut, dann übt er etwas mehr Druck aus. Ich spüre förmlich wie die Verspannungen sich lösen und seufze leise.
„Oh, du kannst das wirklich gut.“
„Ich habe sehr viel Übung darin. Meine Mutter hatte dauernd einen verspannten Nacken und ich war der einzige, dem sie zutraute, es nicht noch schlimmer zu machen.“

***

Ich kann ihr Lächeln praktisch fühlen, obwohl ich sie nicht sehe.
„Klingt als hatte sie sehr viel Vertrauen in dich.“
„Ja.“ Ich streiche weiter über ihre warme glatte Haut.
„Sie war eine außergewöhnliche Frau.“
„Erzähl mir von ihr.“
Ich lächele.
„Wieso?“
„Ich möchte gerne mehr über dich wissen. Und sie ist ein Teil von dir, hat dich zu dem gemacht, was du bist, darf ich mich da etwa nicht für interessieren?“
„Doch, natürlich.“ Ich verstehe ihr Bedürfnis. Auch ich will mehr über sie erfahren, will wissen, wer sie ist, woher sie kommt und wohin sie geht, will jede Information über sie in mich aufsaugen, weil es ein Teil von ihr ist. Und weil sie die fesselndste Frau ist, die ich je getroffen habe.
„Also, wie ist sie?“ reißt sie mich aus meinen Gedanken.
„Meine Mutter war Wissenschaftlerin. Sie hat mich dazu angeleitet, alles in Frage zu stellen und mich für meine Umwelt zu interessieren, sie war unglaublich gebildet. Und sie hatte die schönsten Hände des ganzen Quadranten, zumindest erinnere ich mich so daran. Sie hat immer gemalt, Landschaftsbilder oder Stillleben und ich fand die Bilder wunderschön. Außerdem hat sie den besten Gemüseeintopf des ganzen Universums gemacht, und ich übertreibe nicht.“ Sie lacht und ich muss mitlachen. „Naja, vielleicht ein wenig. Auf jeden Fall hätte sie dir sicherlich gefallen.“
„Hätte?“
„Sie ist bei der Geburt meiner jüngsten Schwester gestorben, als ich zwanzig war.“ Und mittlerweile bei Starfleet, und deshalb nicht an ihrem Totenbett, vollende ich für mich selbst. Ich bereue das immer noch, mache mir immer noch Vorwürfe, dass ich nicht dagewesen bin. Ich hätte es verhindern können, wir hätten bloß einen vernünftig ausgestatteten Arzt gebraucht, aber in der entmilitarisierten Zone...
Kathryn setzt sich auf und dreht sich um. Ich spüre, wie sie meine Hand in ihre nimmt.
„Es tut mir leid.“ Das Mitgefühl in ihren Augen ist deutlich zu sehen. Ich will mich bedanken, fühle aber im Inneren eine weitere Angst. Bitte frag nicht nach meinem Vater. Ich will nicht darüber reden. Will seine und, wie er ja immer meint, meine Kultur vergessen. Für mich ist sie teilweise mitverantwortlich für den Tod meiner Mutter. Ich will diese alten Wunden nicht weiter aufreißen.
„Ist schon okay.“ flüstere ich und merke, wie schwach meine Stimme klingt. Glücklicherweise wechselt sie das Thema, bzw. springt auf rennt in Richtung des Wassers.
„Mir ist jetzt nach Schwimmen zumute. Kommst du mit?“ Dabei dreht sie sich zu mir um und lächelt mich verführerisch an. Diese Frau kann meine schlimmsten Erinnerungen wie Nichtigkeiten aussehen lassen. Wichtig ist jetzt nur sie, die Tatsache, dass ich mit ihr zusammen bin, so fremd mir Kathryn auch sein mag, ich weiß, dass uns etwas verbindet, das unbeschreiblich ist. Und das, wo ich normalerweise nicht an Seelenverwandtschaft glaube...

***

Ich war kurz davor, es zu tun. Ich war kurz davor, ihm von Justin und Dad zu erzählen. Aber irgendetwas hat mich davon abgehalten. Ich kenne ihn einfach nicht gut genug und im schlimmsten Fall könnte er denken, dass er nur ein Ersatz für meinen toten Verlobten für mich ist. Und das Risiko will ich auf keinen Fall eingehen. Später, wenn wir uns länger kennen, werde ich ihm alles erzählen. Späte. Ich fühle mich, als hätte ich alle Zeit der Welt als ich mich im Wasser treiben lasse, nur um kurz darauf wieder in seinen Armen zu liegen... Es ist alles so unwichtig. Sämtliche Protokolle, die ich sonst befolgen muss, sind unwichtig. Ich bin seit einem Dreivierteljahr endlich mal wieder ich selbst.

***

Lachend und einander umarmend stolpern wir in mein Appartement. Mittlerweile ist es Mitternacht, wir waren essen in einem absolut schicken Restaurant mit Champagner, Kerzenlicht und allem Drum und dran. Irgendwie kann ich das alles noch nicht so ganz glauben.
„Ich hoffe dies ist nicht nur ein wunderschöner Traum, aus dem ich morgen aufwache. Das Gefühl habe ich nämlich...“
„Wie kommst du denn auf diese Idee?“ Er sieht mich lange und intensiv an, dann zieht er mich an sich.
„Fühlt sich das etwa wie ein Traum an?“ Wir küssen uns wieder, doch diesmal ist es anders. Es liegt so viel Zärtlichkeit in diesem Kuss, dass ich fast weinen möchte. Als wir uns wieder in die Augen sehen, fühlen wir es beide. Ich sehe die Sehnsucht und Leidenschaft in seinen Augen und sicher blicke ich genauso. Ich habe keine Angst, vor nichts mehr und auch wenn heute erst der zweite Tag ist, weiß ich, dass ich nicht länger warten will. Ich will ihn fühlen, will eins mit ihm werden. Seine Augen halten die unausgesprochene Frage und ich antworte mit einem stürmischen Kuss. Als nächstes spüre ich, wie ich den Boden unter den Füßen verliere, er mich sanft hochhebt und in seinen Armen ins Schlafzimmer trägt. Ich spüre seine Wärme, seine Berührungen... Ich verliere mich darin, vergesse die Welt um mich herum. Das Einzige was jetzt zählt ist er.

***

Noch immer atemlos liege ich neben ihr, den Arm um sie gelegt. Und komischerweise habe ich das Gefühl, ich war noch nie zuvor einem anderen Menschen so nah. Wir brauchen jetzt keine Worte, um uns zu verständigen, denn wir fühlen und denken beide das Gleiche. Oder zumindest denke ich das. Denn auf einmal, spüre ich wie sie weint. Leicht hebe ich ihren Kopf hoch und blicke ihr in die Augen.
„Kathryn? Was ist los?“
Sie lächelt und schüttelt den Kopf.
„Nichts. Ich habe nur noch nie... so etwas... Einzigartiges erlebt. Womit habe ich dich nur verdient?“
Ich sage nichts, sondern fange an ihr zärtlich die Tränen vom Gesicht zu küssen. Langsam beruhigt sie sich und schläft in meinen Armen ein. Ich kann nicht anders, als ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streichen, so dass ich sie besser sehen kann.
„Damit, dass du bist, wie du bist...“

***

Die nächsten zwei Tage vergehen wie im Flug. Ich verbringe jede einzelne Stunde mit ihm und mir graut vor dem Tag, an dem ich auf mein Schiff zurückmuss. Ich könnte ewig hier bleiben, es gibt kaum einen anderen Ort im Universum, an dem ich je so glücklich gewesen bin.
Ich will ihn gerade lachend aus seinem Zimmer ziehen, da piept sein Computerterminal. Genervt verziehe ich das Gesicht.
„Du hast schon wieder Post?“
„Was heißt hier schon wieder – das ist erst der zweite Brief, den ich erhalten habe, seit du mich kennst. Ich beeile mich.“
„Du hast doch keine anderen heimlichen Verehrerinnen, oder?“ sage ich scherzhaft, als er zum Terminal geht und die Botschaft aktiviert. Es kommt keine Antwort. War der Witz so schlecht? Ich gehe auf ihn zu, sehe, dass er immer noch auf den Bildschirm starrt, obwohl der mittlerweile schwarz ist. Ich kann deutlich die Gefühle sehen, die sich in ihm abspielen, seine Mimik ist wie ein Buch. Schmerz. Unglauben. Panik. Wut. Was um Himmels Willen ist passiert? Ich lege ihm zögernd meine Hand auf die Schulter.
„Jack?“
Er dreht sich zu mir um, aber er sieht mich nicht, sondern scheint durch mich hindurchzublicken.
„Jack, was ist passiert?“
Er kämpft noch immer mit seinen Gefühlen. Und das was zuletzt übrigbleibt, schockt mich total. Hass. Ich weiß nicht auf wen. Und ich weiß nicht, warum.
„Was ist passiert?“
„Ich denke es ist besser, wenn du jetzt gehst. Bitte.“ Jetzt sieht er mich wirklich an, aber diesmal ohne die Zuneigung, welche die letzten Tage in seinen Augen gestanden hat.
„Aber wieso? Ich will doch nur...“
„Ich muss jetzt allein sein.“ unterbricht er mich. „Ich melde mich bei dir.“
Ich weiß nicht, wieso ich nicht kämpfe. Aber langsam drehe ich mich und gehe hinaus. Ich liege die ganze Nacht wach. Kann nicht schlafen, muss immerzu nachdenken, was passiert ist.

***

Natürlich meldet er sich nicht. Ich schaffe es, zwei volle Tage zu warten. Dann halte ich es nicht mehr aus. Ich gehe zu seinem Appartement. Aber weder er, noch seine Freunde sind noch da. Auch keine Nachricht. Zuerst glaube ich, ich kann den Schmerz nicht aushalten. Die letzten beiden Tage verbringe ich damit, weinend auf meinem Bett zu liegen, und mich zu fragen warum. Warum ist er einfach so weggegangen? Warum muss ich schon wieder so verletzt werden? Es ergibt alles keinen Sinn, hat er denn nie wirklich etwas für mich empfunden? Ich verstehe das nicht. Am dritten Tag fasse ich einen Entschluss. Ich werde mich nicht noch einmal in einen seelischen Abgrund stürzen, wie nach Justins Tod. Ich werde es vergessen. Jede einzelne Sekunde dieser vier wundervollen Tage werde ich verdrängen, ich muss sie vergessen. Denn wenn ich das nicht tue, dann zerbreche ich und dieses Risiko gehe ich auf keinen Fall ein. Und mit diesem Beschluss kehre ich wieder auf mein Schiff zurück. Mit der Zeit heilen die Wunden und ich vergesse es tatsächlich. Und mein Leben geht weiter...

***

Fünfzehn Jahre später


Nachdem ich auf den Planeten gebeamt habe, sehe ich mich erstmal um, um mich zu orientieren. Glücklicherweise ist Kathryns Ferienhaus nicht weit von hier entfernt, ich habe nur einige hundert Meter zu gehen. Es tut mir leid, dass ich sie so spät noch stören muss, schließlich ist es schon fast dunkel. Aber Tuvok musste ja unbedingt darauf bestehen, ihr den Bericht über die Warpkernreparatur noch zukommen zu lassen. Und das, wo sie endlich Landurlaub hat. Typisch Vulkanier. Naja, allerdings hatte sie ja auch darum gebeten. Mittlerweile bin ich bei der Tür angelangt und klopfe. Keine Antwort. Ich versuche es ein zweites Mal, aber da sie noch immer nicht kommt, gehe ich selbst hinein. Die Tür ist nicht verschlossen.
„Kathryn?“
Offensichtlich scheint sie mich nicht zu hören, also wird sie wohl nicht im Haus sein. Sondern vermutlich am Strand. Der schließt ja gleich hinter der Terrasse an. Ich gehe über die Veranda in Richtung stand und sehe Kathryn langsam am Wasser entlanggehen. Ihre Silhouette zeichnet sich deutlich vor dem Licht der zwei Monde ab und je näher ich komme, desto besser kann ich sie sehen. Der Wind weht ihr sanft einige Strähnen ihres langen Haares ins Gesicht und sorgt dafür, dass sich ihr Kleid eng an ihren Körper anschmiegt. Ich bleibe stehen. Irgendwie kommt mir diese Szenerie so bekannt vor; ich kann mich nur nicht erinnern, wann ich das schonmal gesehen habe. Kathryn ist meiner noch nicht gewahr geworden und schlendert weiter barfuß den Strand entlang. Plötzlich trifft es mich wie ein Schlag. Das Padd fällt mir aus der Hand, aber ich bemerke es kaum. Risa. Nein, das ist doch völlig unmöglich! Ich bin wie erstarrt. Durch das Geräusch des fallenden Padds aufgeschreckt dreht sie sich in meine Richtung. Blickt erst ein wenig erschrocken, lächelt, als sie mich erkennt, dann bemerkt sie allerdings meinen Gesichtsausdruck und kommt besorgt auf mich zu. Ich spüre, wie sie mir eine Hand auf die Schulter legt.
„Chakotay?“
Es ist kein Traum. Die Erinnerungen kommen zurück, Stück für Stück. Wie konnte ich es nur vergessen? Wie konnte ich sie nicht wiedererkennen? Wie konnte ich sie überhaupt je verlassen?
„Chakotay, ist alles in Ordnung?“
Ich weiß nicht, wieso ich so reagiere. Aber ich gebe dem Bedürfnis nach, sie in meine Arme zu schließen und küsse sie. Intensiv und leidenschaftlich, ich will sie niemals wieder loslassen. Nie wieder denselben Fehler begehen, das ist das Einzige, an das ich jetzt noch denken kann.

***

Ich bin völlig überrumpelt. Von der einen Sekunde zur nächsten liege ich plötzlich in seinen Armen und er küsst mich. Ich bin zu überrascht, um mich zu wehren, und ich will es, glaube ich, auch gar nicht, denn es hat sich noch nie etwas so gut angefühlt. Wir sinken zu Boden, küssen uns noch immer, bis uns der Atem ausgeht. Als ich meine Augen wieder öffne, liegt er über mir, die Hände in meinen Haaren und starrt mich an. Ich fühle den Sand unter mir und auf einmal habe ich das Gefühl ich hätte das hier schon einmal erlebt. Schlagartig kommt die Erinnerung wieder, die Erinnerung, die ich jahrelang verdrängt und fast vergessen habe. Jetzt weiß ich auch, wieso er eben so geschockt geguckt hat. Er hat sich auch erinnert. Tausend Fragen rasen durch meinen Kopf. Und mit ihnen kommt der Schmerz, denn viele von ihnen habe ich mir so oft gestellt, dass ich es nicht mehr zählen kann. Energisch drücke ich ihn von mir weg und springe auf. Wut macht sich in mir breit. Ich will das nicht noch einmal durchmachen müssen!
„Und was zum Teufel sollte das?“ brülle ich ihn an.
„Kathryn, bitte erinnere dich, wir...“ er legt mir seine Hand auf die Schulter, doch ich stoße sie weg.
„Ich habe mich soeben erinnert und du wirst es nicht wagen, mich anzufassen! Was denkst du, wer du bist?! Meinst du, du hast ein Anrecht auf mich, nur weil wir zufälligerweise früher so etwas wie eine Beziehung hatten?“
Ich drehe mich um und renne weg, doch er packt mich am Arm und dreht mich zu sich.
„Deswegen habe ich dich nicht geküsst.“ Seine Stimme ist erstaunlich ruhig und beherrscht.
„Sondern?“
„Weil ich dich liebe.“
„Du hast mich angelogen. Du hast mich im Stich gelassen, du hast mich einfach verlassen, ohne ein Wort des Abschieds, wie kann ich dir da noch trauen?“
Etwas von meiner Wut ist durch sein Geständnis schon verraucht, aber so leicht lasse ich mich nicht überzeugen.
„Ich habe dich schon damals auf Risa geliebt. Es war mir nur noch nicht bewusst. Und ja, ich habe betreffs meines Namens gelogen. Ich war in einer Phase, in der ich meine Herkunft verleugnete. Und Chakotay ist kein gewöhnlicher menschlicher Name, wie du wohl unschwer erkennen kannst.“
„Das ändert nichts an der Tatsache, dass du gegangen bist, ohne mich zu kontaktieren. Es hat mir fast...“
„Das ist wohl die Sache in meinem Leben, die ich am meisten bereue. Aber ich war vor Schmerz und Wut zu betäubt, um an irgendetwas anderes zu denken. Dieses Communiqué, das ich erhielt – es war die Nachricht von der Zerstörung meiner Heimatwelt durch die Cardassianer. Die Nachricht von Tod meines Vaters und meiner Geschwister. Ich wollte nur noch weg, konnte es zunächst gar nicht glauben. Ich bin noch am selben Abend geflogen. Nachdem ich mein Offizierspatent bei der Sternenflotte niedergelegt hatte, flog ich noch einmal nach Risa. Der Gedanke an dich ließ mich nicht los, aber du warst natürlich nicht mehr dort und keiner konnte mir Auskunft über dich geben. Ich wusste nichts über dich, wie hätte ich dich finden sollen? Das bestärkte meinen Entschluss, dem Maquis beizutreten. Hätte ich dich gefunden hätte ich es mir vermutlich noch einmal überlegt. Aber dem war nicht so, also verdrängte ich meine Erinnerungen. Und wie du siehst, hat das bis heute sehr gut geklappt.“
Ich kann ihm nicht mehr böse sein. Wie denn auch? Ich lege meine Stirn an seine, atme tief ein.
„Als du gegangen bist, da wäre ich fast zerbrochen. Ich hatte gerade Justins Tod einigermaßen verkraftet, und da wurde ich schon wieder so enttäuscht. Hätte ich es nicht verdrängt...“
Sein Finger streicht die Seite meines Gesichtes entlang und ich meine ein „Es tut mir leid.“ zu hören.
„Versprich mir eins:“ Ich ziehe ihn noch näher an mich heran.
„Lass mich nie wieder allein. Das könnte ich nicht verkraften. Dazu liebe ich dich viel zu sehr.“
Als Antwort küsst er mich erneut und trägt mich ins Haus. Dort lieben wir uns so leidenschaftlich wie nie zuvor.

***

Ich habe mein Zeitgefühl verloren. Kathryn liegt in meinen Armen und ich fahre sanft durch ihre Haare. Es ist mir noch immer fast unbegreiflich, dass sie auf einmal ihre früheren Bedenken so einfach wegschieben kann.
„Und was ist mit dem Protokoll?“ flüstere ich.
„Es ist mir egal. Ich habe mich schon viel zu lange davon einschränken lassen. und die Crew wird es auch überleben. Tom macht vermutlich sowieso einen Luftsprung, wenn er es erfährt, und Tuvok wird es schließlich und letztendlich auch akzeptieren, wenn er auch...“
„Verdammt, Tuvok!“ Jetzt fällt mir siedend heiß ein, warum ich eigentlich hier bin.
„Wie bitte?“
„Irgendwo da unten am Strand liegt ein Padd über die Warpkerndaten, die ich dir eigentlich geben sollte und Tuvok kann sich jede Sekunde melden, um sich darüber zu beschweren, dass er noch keine Rückmeldung erhalten hat.“
Wie auf Kommando zirpt mein Kommunikator.
„Tuvok an Chakotay.“
“Chakotay hier."
“Commander, ich warte seit drei Stunden auf ihre Rückkehr. Was ist mit dem Bericht?“
„Tuvok, hier spricht der Captain. Der Commander wird im Moment für wichtigere Dinge benötigt, sie haben das Kommando über die Voyager. Und den Bericht bekommen sie morgen zurück. So lange kann es ja wohl noch warten, oder? Janeway Ende.“
Ich kann es nicht fassen. Hat das eben tatsächlich Kathryn Janeway gesagt? Ich muss grinsen.
„Ich hoffe dir ist bewusst, dass sich Tuvok zurzeit höchstwahrscheinlich auf der Brücke aufhält.“
„Ja.“
„Und dass sich Tom Paris ebenfalls dort befindet.“
„Ja.“ Sie grinst.
„Aber ich denke ich habe jetzt Wichtigeres zu erledigen, als darüber nachzudenken. Es sei denn... du möchtest jetzt das Padd suchen gehen?“
„Nie im Leben!“

***

Menschen sind so extrem unlogisch und unpräzise. Mir ist immer noch nicht klar, wozu der Captain den Commander jetzt „benötigt“. Zur Bearbeitung des Berichtes müsste sie eigentlich selbst in der Lage sein. Und warum hört Mr. Paris nicht auf, wie ein Verrückter vor seiner Konsole herumzuspringen?

E N D E
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