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Was zusammen gehört

von Laurie

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Für gewöhnlich schätzt Spock seinen Captain sehr. Er schätzt Pikes Einfallsreichtum, seine Aufgeschlossenheit, seine Fairness und die einfühlsame Art, wie er mit seiner Besatzung umgeht. Einen besseren Captain für seine ersten längeren Missionen in der Sternenflotte hätte Spock sich nicht wünschen können. 

Dass Pike ihn dazu verpflichtet hat, einen Trainingskurs für neue Rekruten zu leiten, schätzt er dagegen weniger. 

„Es wird Ihnen guttun, mal ein bisschen rauszukommen“, hat Pike behauptet und ihm auf jene verschmitzte Art zugelächelt, die Spock inzwischen als ehrlichen Beweis der Zuneigung erkennt. „Zeigen Sie denen ruhig, wo es langgeht. Ich weiß immer noch nicht, ob ich es für eine gute Idee halte, Leute mit minimalem Training auf unsere Schiffe zu packen.“

Dem kann Spock nur zustimmen. Während eine reguläre Ausbildung an der Akademie vier Jahre dauert, sind die Kurse für die neuesten Rekruten gerade einmal auf vier Monate ausgelegt. Es handelt sich dabei zwar um Personal, das bereits über ausreichende Vorkenntnisse in den Gebieten besitzt, in denen es später tätig sein wird, und deshalb nur in die Grundlagen des Lebens und Arbeitens im Raum sowie in die wichtigsten Regelungen der Sternenflotte eingewiesen werden soll, aber Spock hält vier Monate dennoch für zu kurz.

Natürlich hat die Sternenflotte ihre Gründe. Der Klingonische Krieg hat viele Opfer gefordert, so dass es zu personellen Engpässen auf zahlreichen Schiffen und Stationen kommt, und um diese Lücken zu schließen, ist das Oberkommando bereit, gewisse Abstriche zu machen. Besonders medizinisches Personal wird benötigt; viele Ärzte sind nicht mehr aus den Krisengebieten zurückgekehrt, und viele derer, die überlebten, beschlossen, sich weniger riskante Tätigkeitsfelder zu suchen. In dem Bestreben, wieder Ärzte in den Weltraum zu locken, hat die Flotte ihnen attraktive Angebote gemacht: Sie werden nach ihrer kurzen Ausbildung sofort höhere Ränge und ein besseres Gehalt erhalten, als ein Absolvent der Akademie es für gewöhnlich tut. 

Zu den verpflichtenden Kursen für diese Anwärter gehört auch ein Überlebenstraining – und genau dafür hat Pike ihn eingeplant, ungeachtet der Tatsache, dass Spock Wissenschaftler ist und kein Überlebenstrainer. 

„Sie kennen die gesamten Kurse auswendig und sind mindestens ebenso gut für diese Aufgabe geeignet wie jeder andere Offizier auch. Außerdem ist es auch für Sie sinnvoll – Sie brauchen mehr Erfahrung darin, größere Gruppen zu befehligen“, hat Pike gesagt, und damit war das Gespräch beendet. 

Widerwillig musste Spock zugeben, dass sein Captain vermutlich wie so oft recht hat, und genau deshalb befindet er sich jetzt auf dem Planeten Zeta Tragelaph II und mustert mit einem Anflug von Resignation seine Gruppe, die sich zum Großteil auf dem Boden der Verwaltungsstation niedergelassen hat, um ihre Mittagsmahlzeit zu verzehren. Er kann nicht anders, als sich zu fragen, wie viele dieser Rekruten sich von der Aussicht auf Ruhm und Reichtum leiten ließen – und wie viele von ihnen letztendlich wirklich für die Sternenflotte geeignet sind. 

Commander Mijailovic , eine resolute menschliche Frau in ihren Fünfzigern, die die andere Gruppe beaufsichtigt, tritt zu ihm. Die letzte Aufgabe ist für beide Gruppen gleich und Spock ist nicht traurig darüber, Mijailovic die Einführung übernehmen zu lassen. „Dann wollen wir die müde Truppe mal wieder hochhetzen, oder?“

Spock nickt. Je eher sie mit dem Programm fertig sind, desto besser. Es ist der dritte und letzte Tag des Trainings und obwohl Spock vermutlich nicht so empfinden sollte, kann er nicht anders, als sich den Abend herbeizusehnen und damit den Zeitpunkt, an dem er die Verantwortung für seine angehenden Offiziere wieder abgibt. Die meisten von ihnen mögen in ihren Gebieten kompetent sein, aber dass sich kaum einer von ihnen je mit einfachen Überlebensstrategien beschäftigt hat, wurde schnell offensichtlich. Zudem sind sie sehr viel weniger von scheuer Ehrfurcht ergriffen als der durchschnittliche Kadett an der Akademie. Permanent darauf aufzupassen, dass niemand unerwünschte Eigeninitiative entwickelt, ist ... anstrengend. 

Mijailovic hat ähnliche Gedanken. „Einer von meinen hat sich vorhin beim Feuermachen die Augenbrauen weggesengt“, sagt sie.

Widerwillig fasziniert zieht Spock seine eigene Augenbraue hoch. „Ein Mitglied meiner Gruppe hat versehentlich einen seiner Kollegen mit einem Phaser betäubt, den er nicht einmal mit sich hätte führen dürfen. Der Betäubte ist fast in eine Schlucht gestürzt.“

Humoristische Anekdoten auszutauschen – gerne auch solche, die Missgeschicke anderer thematisieren –, ist ein geschätztes menschliches Ritual, wie er gelernt hat, darum ist es nur logisch, sich daran zu beteiligen. Offensichtlich war seine Umsetzung korrekt, denn Mijailovic lacht auf. „Wär ja langweilig, wenn nichts passieren würde.“

Dieser Einschätzung stimmt Spock nicht zu, doch er behält seine Meinung für sich, um die unerwartet kameradschaftliche Stimmung nicht zu zerstören. Wenigstens sind die Rekruten für diesen letzten Nachmittag vornehmlich auf sich alleine gestellt. Vorgesehen ist, dass sie sich in Zweiergruppen zusammenfinden, sich auf dem Gelände verteilen und innerhalb einer Stunde einen annehmbaren Unterschlupf konstruieren. Spocks Aufgabe wird darin bestehen, ab und an nach seinen Schützlingen zu schauen und gegebenenfalls Tipps zu geben; aber im Großen und Ganzen sind die Rekruten nicht ständig überwacht. Spock kann nur hoffen, dass nicht noch jemand fast in die – zugegebenermaßen sehr kleine – Schlucht fällt. Das Gelände um die Station herum ist waldig und felsig und nicht besonders vertrauenserweckend und er hat keine Lust, seine Erste-Hilfe-Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Immerhin, denkt er, kennen sich die meisten der Rekruten in dieser Hinsicht besser aus als er. 

„Na dann!“ Energisch klatscht Mijailovic in die Hände. „Alle mal herhören!“ 

Nach und nach erhebt sich die Schar, manche von ihnen nur unter Protest. 

„Das hier ist ein Überlebenstraining und kein Wellnessaufenthalt, also weiter jetzt!“, ruft Mijailovic; sie klingt amüsierter, als Spock es für angemessen hält. Eine derartige mangelnde Motivation rechtfertigt seiner Meinung nach eine schärfere Reaktion. 

Weil Mijailovic ranghöher ist als er, verkneift er sich jeden Kommentar, lauscht ebenso wie die Rekruten auf ihre Anweisungen und mustert dabei die bunt gewürfelte Schar. Einer der Rekruten, ein noch relativ junger Mensch mit dunklen Haaren und Augen, die so durchdringend blau sind, dass es Spock selbst auf die Entfernung hin sofort auffällt, verlagert unwillig das Gewicht. 

„Ich bin Arzt und kein Pfadfinder“, murmelt er leise genug, dass Mijailovic es nicht mitbekommt – jedoch nicht leise genug für Spocks feines vulkanisches Gehör. 

Der Mann gehört nicht zu Spocks Gruppe, weshalb es nicht an ihm liegt, ihn zu maßregeln. Er beschränkt sich darauf, ihn streng zu mustern, und zu seiner Befriedigung weicht der Mann seinem Blick aus.

„Wir schauen ab und an nach Ihnen“, sagt Mijailovic zum Abschluss ihrer Einweisung. „Wenn was ist, benutzen Sie Ihre Kommunikatoren. Versuchen Sie einfach, sich nicht versehentlich selbst umzubringen, dann ist alles in Ordnung.“

Wieder wanderte Spocks Augenbraue ein Stück nach oben. Menschlicher Humor ist etwas, was er häufig noch immer nicht versteht. Auf die Rekruten hat die in Spocks Augen unangemessene Bemerkung dagegen eine andere Wirkung; sie grinsen einander an und wirken deutlich motivierter als zuvor. 

Spock gesellt sich wieder zu seiner Gruppe, gibt ihr noch letzte Anweisungen und entlässt sie dann nach draußen in der Hoffnung, dass es tatsächlich keinem von ihnen gelingen wird, sich versehentlich umzubringen. 

~°~

Die erste halbe Stunde verläuft ereignislos. Spock wandert gemäßigten Schrittes durch das Areal, beobachtet seine Rekruten, gibt ab und an Hinweise und hält sich ansonsten zurück. Nach der Hälfte der Zeit beschließt er, dass er sich kurz zurückziehen kann, und tritt in den Vorraum der Station. Mijailovic sitzt in einer Ecke auf dem Boden, nippt an einem Kaffee und starrt auf ein PADD. 

„Ah, Lieutenant Commander Spock.“ Auf ihre auffordernde Geste hin gesellt er sich zu ihr. „Ich hab hier grad gesehen, dass einer von Ihrer Meute sich aus dem vorgegebenen Gebiet entfernt hat.“ 

Sie hält ihm das PADD hin und da sie keine Anstalten dazu macht, sich zu erheben, bleibt ihm nichts anderes übrig, als vor ihr in die Hocke zu gehen. Sie hat recht: Einer der Kommunikatoren, die Spocks Gruppe zugeordnet sind, befindet sich deutlich außerhalb des gestatteten Radius. 

Spock unterdrückt ein sehr menschliches Aufwallen von Frustration – teils weil einer der Anwärter so offensichtlich die Regeln verletzt, teils weil Mijailovic es vor ihm bemerkt hat. 

„Das ist Viktor Hones“, stellt er fest. Hones ist einer der jüngsten Rekruten und im Gegensatz zu den meisten anderen ist er kein Arzt, sondern Softwareingenieur. Er ist außerdem einer der Rekruten, die in dieser Trainingseinheit bislang am schlechtesten abgeschnitten haben. Der Phaserunfall ging auf ihn zurück. „Ich werde versuchen, ihn zu erreichen.“

Genau das tut er; und als die Reaktion lediglich aus einem hartnäckigen Rauschen besteht, mischt sich Sorge in seinen Ärger. Er will ungern als der Offizier in die Annalen der Sternenflotte eingehen, der bei einem harmlosen Überlebenstraining einen Mann verloren hat. Nummer Eins würde ihn bis ans Ende ihrer gemeinsamen Dienstzeit damit aufziehen. 

Innerhalb weniger Sekundenbruchteile trifft Spock eine Entscheidung. „Ich werde mich dorthin beamen lassen.“

Mijailovic widerspricht nicht. Die Transporter der Station sind nur für Notfälle gedacht, aber solange sie nicht wissen, was Hones an einer Antwort hindert, ist es sicherer, sich die Lage vor Ort anzusehen, anstatt das Signal seines Kommunikators anzupeilen und zu versuchen, ihn herzubeamen. Sollte es nötig sein, kann Spock sie beide immer noch sofort wieder zur Station transportieren lassen.

 „Geben Sie Bescheid, falls Sie Hilfe brauchen“, sagt Mijailovic. „Ich behalte solange Ihre Truppe ein bisschen im Auge.“

Mit einem knappen, aber dankbaren Nicken entfernt Spock sich. Die Angelegenheit wird sich hoffentlich bald erledigt haben. Vielleicht hat Hones seinen Kommunikator einfach nur verloren? So ungeschickt, wie er sich bislang angestellt hat, ist das eine durchaus valide Hypothese.

Die Befürchtung, dass etwas Schlimmeres geschehen ist, zerstreut sich schon wenige Momente, nachdem Spock an der Stelle angekommen ist, der Hones‘ Kommunikatorsignal entstammt. Hones befindet sich zwar in einer misslichen Lage, aber soweit Spock das auf den ersten Blick beurteilen kann, ist sie eher unangenehm als gefährlich. 

Der Transporterstrahl hat ihn am Rand des Abhangs abgesetzt, der zuvor einem seiner Rekruten beinahe zum Verhängnis geworden ist. Was auch immer Hones so weit außerhalb des vorgegebenen Areals zu suchen hatte, er hat die metaphorische Rechnung dafür bereits erhalten.

„Lieutenant Commander Spock!“, ruft er ihm zu, als er ihn bemerkt. „Ich stecke fest.“

Spock verkneift sich ein Seufzen. Wieso neigen Menschen dazu, das Offensichtliche auszusprechen? 

Vorsichtig nähert er sich Hones. Der Mann hat versucht, sich direkt am Rand des Abhangs zwischen einem Felsen und einem Baum hindurchzuzwängen – wieso, weiß nur Surak –, und hängt nun mit einem Fuß in einem Felsspalt fest. Er scheint unverletzt zu sein, ist allerdings verdächtig rot im Gesicht – ob vor Anstrengung oder vor Scham, kann Spock nicht beurteilen. 

„Ich bin gestolpert und hab versehentlich meinen Kommunikator fallengelassen“, beantwortet Hones die unausgesprochene Frage. „Das verfluchte Ding liegt jetzt wahrscheinlich irgendwo da unten.“

Ein weiteres Seufzen versucht, sich einen Weg in die Freiheit zu bahnen. Captain Pike wird zweifellos unermessliches Amüsement aus Spocks Missionsbericht ziehen.

„Und wieso“, erkundigt er sich, „befinden Sie sich überhaupt hier? Diese Gegend gehört nicht zum vorgegebenen Areal.“

Hones starrt ihn aus großen Augen an. „Echt?“

Zum ersten Mal in seinem Leben verspürt Spock den unlogischen menschlichen Drang, den Kopf gegen die nächstbeste harte Oberfläche zu schlagen. Er atmet kontrolliert ein und wieder aus und beschließt, die restlichen Angelegenheiten – beispielsweise die Frage, wo Hones‘ Partner ist – erst zu klären, wenn sie sich wieder in der Station befinden.

„Bewegen Sie sich möglichst wenig“, weist er den glücklosen Rekruten an. „Ich werde Sie befreien.“

Weder der Felsen noch der Baum erwecken einen instabilen Eindruck, doch Spock will nichts riskieren, das zu einem Sturz führen könnte. Selbst ein so inkompetenter Rekrut hat es nicht verdient, in eine Schlucht zu fallen. 

Hones zu befreien, ist eine Sache von wenigen Augenblicken. Spock muss lediglich ein wenig ziehen und ein wenig drücken und schon kommt der Fuß des Mannes frei. Damit wäre die Sache erledigt, wäre Hones nicht dermaßen ungeschickt, dass er damit innerhalb der Flotte einen neuen Rekord aufstellen muss. 

Er ist schon aus dem Schlitz zwischen Felsen und Baum geklettert, als er das Gleichgewicht verliert, instinktiv nach Spocks Arm greift und sie damit beide ins Wanken bringt. Nicht einmal vulkanische Reflexe reichen aus, um die Situation zu entschärfen. Während Spock noch versucht, sie beide zu stabilisieren, gibt ein loser Erdbrocken unter seinen Füßen nach – und das nächste, was er wahrnimmt, ist ein Gefühl des Fallens. Das nächste, was er danach wahrnimmt, ist Hones‘ Schrei, und die wiederum nächste Empfindung ist Schmerz; und Spocks erster klarer Gedanke bewegt sich irgendwo im Bereich von Ich kann das nicht glauben.

Er liegt am Fuße des Abhangs, seine Arme sind zerkratzt und er verspürt ein dumpfes Pochen im Kopf, aber das ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist der offene Bruch in seinem rechten Bein. Fasziniert starrt Spock einige Momente lang auf den deutlich sichtbaren Knochen, bevor langsam die Realisation dessen, was soeben geschehen ist, einsetzt, und er den Blick nach oben wandern lässt. 

Hones lehnt sich besorgniserregend weit über den Rand der Schlucht, um auf ihn herab zu spähen, und selbst auf die Entfernung entgeht Spock nicht, wie blass der Mann geworden ist. „Lieutenant Commander Spock! Oh mein Gott!“

„Ich bin in stabilem Zustand“, ruft Spock zurück. Er kann seinen Körper gut genug einschätzen, um das zu wissen. Ja, er ist verletzt und benötigt Hilfe, aber sein Zustand ist nicht kritisch. Selbst die Schmerzen lassen sich ertragen, wenn er sich darauf konzentriert, sie zurückzudrängen; und das ist etwas, was ihm als Vulkanier deutlich leichter gelingt als einem Menschen. Seine Frustration hilft ebenfalls, ihn fest in der Realität zu verankern. 

„Heilige Scheiße“, japst Hones wenig hilfreich. „Oh mein Gott, es tut mir so leid – warten Sie, ich helfe Ihnen!“

„Sie bleiben, wo Sie sind!“ Spock gibt sich keine Mühe, die Schärfe aus seiner Stimme zu verbannen. Das Letzte, was er gebrauchen kann, ist, dass Hones ebenfalls stürzt und bei seinem Glück noch auf Spock landet. 

Dankenswerterweise verharrt Hones folgsam an Ort und Stelle. „Okay, ähm ... Wo ist Ihr Kommunikator?“

Es ist das einzig Sinnvolle, das er bislang von sich gegeben hat. So behutsam wie möglich tastet Spock seine Uniform ab, doch das einzige Ergebnis besteht in der Feststellung, dass er sich vermutlich auch die Rippen verletzt hat. Der Kommunikator befindet sich weder bei ihm noch in seiner näheren Umgebung.

„Ich scheine ihn verloren zu haben“, teilt er Hones mit, nach wie vor in betont kühlem Tonfall. Seine Geduld mit diesem Mann ist restlos aufgebraucht – und es wird nicht besser, als Hones zögerlich vom Abhang zurückweicht. 

„Okay, dann ... ich geh mal Hilfe holen. Sie, äh, bleiben einfach ruhig sitzen, ja?“

Und bevor Spock reagieren kann, ist Hones aus seinem Blickfeld verschwunden. Selbst von seiner Position am Fuß des Hangs hört Spock, wie er durch das Unterholz stolpert und dabei so viel Lärm verursacht, dass es eigentlich jedes Lebewesen im Umkreis von mehreren Kilometern alarmieren müsste. 

In der Gewissheit, unbeobachtet zu sein, gibt Spock sich seiner Frustration hin, stößt erst einen Seufzer aus und schließt dann die Augen. Nummer Eins wird ihn eindeutig wochenlang aufziehen. 

Um die Schmerzen weiterhin zu regulieren, konzentriert er sich auf seine Atmung und beginnt eine leichte Meditation. Bald wird Hilfe kommen, und wenn er Glück hat, kann er die Leitung seiner Gruppe an Mijailovic abgeben, diesen Planeten verlassen, in die Sicherheit der Enterprise zurückkehren und nie wieder an dieses Überlebenstraining denken.

Genau fünf Minuten sind vergangen, nur angefüllt von Spocks langsamen Atemzügen und den Geräuschen kleiner Waldtiere, als Spock ein Knacken über sich hört. Ein Blick nach oben enthüllt eine Gestalt am Rand des Abhangs; es ist nicht Hones, sondern der Mann, der vor Beginn dieser Trainingseinheit angegeben hat, kein Pfadfinder zu sein. 

„Hey, Sie da unten! Alles in Ordnung?“

Spock nimmt an, dass es sich dabei um eine rhetorische Frage handelt, denn selbst auf die Entfernung müsste ersichtlich sein, dass nicht alles in Ordnung ist. „Ich bin nicht lebensbedrohlich verletzt“, gibt er zurück. 

Das hätte als Versicherung genügen sollen, doch aus irgendeinem Grund lehnt der Mann sich weiter über den Abgrund. „Eine Sekunde, ich komm runter!“

„Bleiben Sie, wo Sie sind! Wir benötigen keinen weiteren Verletzten!“, ruft Spock ihm zu, doch bevor er „Das ist ein Befehl!“ hinzufügen kann, hat der Mann sich bereits an den Abstieg gemacht. Behutsam, aber erstaunlich leichtfüßig bahnt er sich einen Weg nach unten, verliert dabei kein einziges Mal das Gleichgewicht und geht schließlich nur leicht außer Atem neben Spock in die Hocke. Spock weiß nicht, ob er beeindruckt oder nur noch frustrierter sein soll. 

„Mein Heimatstaat ist zu zwei Dritteln von Wald bedeckt“, sagt der Mann, Spocks erhobene Augenbraue richtig interpretierend. „Ich mach’s zwar nicht gern, aber es ist nicht das erste Mal, dass ich in irgendwelchen Waldtälern herumklettere. Mir ist gerade dieser junge Software-Kerl ziemlich hysterisch entgegengekommen. Hab nicht ganz verstanden, was er wollte, aber ich dachte, ich schau mal nach.“

„Und Ihr Partner?“, fragt Spock, um sich von den Schmerzen abzulenken, die nun, da er sich weniger auf seine Atmung konzentriert, deutlicher zu spüren sind. Hat sich denn niemand an die Anweisungen gehalten?

Der Mann mit den durchdringenden blauen Augen zuckt mit den Schultern. „Hat am Anfang der Übung darauf bestanden, dass es sinnvoller ist, wenn wir getrennt voneinander Materialien sammeln. Seitdem hab ich sie nicht mehr gesehen.“ 

Die Missbilligung hilft Spock, seine unangenehme Lage ein wenig zu ignorieren. Wenn er zurück in der Station ist, wird er Einiges mit Mijailovic zu besprechen haben.

„Also, lassen Sie mal sehen.“ Eindringlich mustert der Mann ihn, sieht ihm aus unangenehmer Nähe in die Augen und zieht dann einen medizinischen Scanner hervor. Erneut hebt sich Spocks Augenbraue. Alle Geräte außer den Kommunikatoren hätten zu Beginn der Übung abgegeben werden sollen; es ist schmerzlich offensichtlich, dass einige der Rekruten noch einmal eine Auffrischung bezüglich des Befolgens von Befehlen benötigen.

Der Mann sieht nicht im Geringsten schuldbewusst aus. „Ich muss den Scanner erst noch für Sie kalibrieren, er ist auf Menschen eingestellt“, murmelt er. „Dauert einen Moment ... Würde mich aber nicht wundern, wenn Sie nicht mindestens ein paar geprellte Rippen und eine leichte Gehirnerschütterung haben. Und Ihr Bein sieht zwar unschön aus, aber das ist nichts, was ich nicht wieder hinbekomme.“

Er setzt dazu an, eine Hand nach Spock auszustrecken, hält allerdings inne, als Spock unwillkürlich zusammenzuckt. Sofort protestiert sein Körper mit einer erneuten Welle des Schmerzes. 

„Vulkanier sind Berührungstelepathen, oder?“

„Korrekt. Und ich würde es begrüßen, wenn Sie mich nicht anfassen.“ 

Es ist ohnehin schwer genug, seine mentalen Schilde gegen den Schmerz aufrechtzuerhalten; die Berührungen eines Fremden, selbst wenn sie gut gemeint sind, würden alles noch verschlimmern. 

Der Mann schnaubt, seine Frustration im Gegensatz zu Spock offen zeigend. „Hören Sie, ich verstehe, dass das unangenehm für Sie ist, aber ich muss Sie anfassen, wenn ich Ihnen helfen soll.“

„Ihre Hilfe ist nicht nötig“, erwidert Spock vielleicht ein wenig barscher, als angemessen ist; aber zu seiner Verteidigung ist heute nicht sein Tag, wie es die Menschen ausdrücken. 

Glücklicherweise reagiert der Mann nicht verärgert, sondern lediglich ungläubig. „Ach, Sie wollen lieber mit einem offenen Bruch hier sitzen bleiben?“ 

„Ich zweifele nicht an Ihren Fähigkeiten. Allerdings kann ich in der Station adäquater versorgt werden und Sie können Ihr Training fortsetzen – was der eigentliche Grund ist, wieso Sie hier sind. Sie haben Ihren Kommunikator bei sich?“

Es ist die naheliegende Lösung und im Grunde hätte der Mann selbst darauf kommen können. Wenigstens sieht er die Logik hinter Spocks Vorschlag sofort ein und verzichtet darauf, weiter zu diskutieren oder ihn mit seinem Scanner zu traktieren. Mit einer Grimasse zieht er den Kommunikator hervor und reicht ihn Spock. 

„Sie werden sicher wieder aus dieser Schlucht gelangen?“

Der Mann nickt. „Klar, kein Problem, da drüben ist ein Pfad. Ich hab zwar nicht wirklich Lust auf ein Workout, aber was soll’s.“

Spock ignoriert die Bemerkung. „Und ich nehme an, Ihr medizinischer Scanner lässt sich orten? Wir werden Ihnen einen neuen Kommunikator zukommen lassen. Bitte versuchen Sie solange, sich nicht in Schwierigkeiten zu bringen.“ 

Wieder sieht er sich einem ungläubigen Blick ausgesetzt, und er würde nie zugeben, dass diese durchdringenden blauen Augen Unbehagen in ihm auslösen. Es sind die Augen eines Mannes, der mühelos hinter jede Ausrede blickt und mehr sieht, als Spock recht ist. „Sie sind hier derjenige, der in eine Schlucht gefallen ist!“

Spock beschließt, seine Würde zu wahren, indem er nicht antwortet. Stattdessen öffnet er den Kommunikator, informiert den Transporterchef über seine Situation und bittet ihn darum, ein medizinisches Team zu alarmieren. Danach wendet er sich wieder dem Menschen an seiner Seite zu. „Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz, auch wenn er unnötig war. Ich bitte Sie, in Zukunft die Anweisungen Ihrer Vorgesetzten zu beachten.“

Er hat den Satz kaum beendet, als der Transporterstrahl ihn erfasst; und das Letzte, was er hört, bevor sich der Wald vor seinen Augen auflöst, ist ein gemurmeltes „grünblütige Aushilfselfe“. 

Faszinierend, denkt Spock. Trotz seiner offensichtlich geringen Meinung von Spock hat dieser Mann sein eigenes Wohlbefinden riskiert, um ihm zu helfen; und obwohl er anfangs so wenig begeistert von dem Training war, hat er sich dabei geschickt angestellt und trotz seines Hangs zu unnötigen Bemerkungen souverän reagiert. 

Im nächsten Moment umschließt ihn die klimatisierte Luft der Station, medizinisches Personal eilt auf ihn zu, Befehle werden gerufen und Instrumente vorbereitet, und Spock denkt nicht mehr über den außergewöhnlichen Mann nach. Er gehört nicht zu seiner Gruppe und unterliegt damit nicht Spocks Verantwortung. Wie und ob Mijailovic ihn für seine Missachtung der Trainingsparameter zur Rechenschaft zieht, geht ihn nichts an. Weiter über die Angelegenheit zu sinnieren, ist müßig, darum ergibt er sich der Behandlung und denkt an angenehmere Dinge wie seine Forschungsprojekte auf der Enterprise und die Aussicht auf baldige Heimkehr.

Immerhin ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Spock in Zukunft eng mit diesem ganz speziellen Arzt zusammenarbeiten wird. 

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