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Neujahr in zwei Jahren

von Thilo

Shiva und Voyager

Diese Geschichte ist zwar ein Sequel zu Rettung in der Zukunft aus Starship Shiva, aber sie ist trotzdem wie alle meine Geschichten eigenständig lesbar und verständlich. Die ursprüngliche Idee für diese beiden Crossover basiert auf dem Youtube-Video The definitive Voyager torpedo inventory log. Von 38 unersetzlichen Photonentorpedos hat die Voyager im Verlauf ihrer Odyssee weit über 150 verschossen. Nun mit den beiden Crossovern von mir passt es wieder.

 

Das ist als zweiter Anlauf mein Beitrag zum Neujahrswettbewerb auf Treknation. Wobei ich wieder festgestellt habe, dass ich nicht gut darin bin, auf Befehl eine Geschichte zu einem bestimmten Thema zu schreiben. 

Ich wünsche allen Lesenden schöne Feiertage und ein gutes (ruhiges) Neues Jahr!


Im Jahr 2270

Sternenschiff USS Shiva NCC-1602


Ineiau lehnte sich in ihrem Bürosessel zurück und musterte dabei ihren Ersten Offizier skeptisch. „Ein Feuerwerk?“

„Es ist auf weiten Teilen der Erde ein übliches Ritual zur Begrüßung des neuen Jahres, Skipper“, antwortete Commander Eddie Holland vorsichtig.

„Und Glühwein und Sekt?“

„Sie können selbstverständlich auch etwas anderes trinken. Außerdem gibt es Sekt und Glühwein auch in alkoholfrei für Sie und alle anderen, für die Alkohol giftig ist, und für jene, die ihn zwar vertragen, aber nicht konsumieren möchten. Und es soll ja auf keinen Fall in ein Besäufnis ausarten“, verteidigte Holland weiter seine Idee. „Meines Wissens feiern Sie doch ebenfalls den Jahresanfang auf Areka.“

„Ja, aber wir richten uns dafür weiterhin nach dem traditionellen Kirchenkalender. Unser Jahresanfang ist erst in acht Standardmonaten. Und wir haben nie Bomben geworfen, um diesen zu feiern.“

„Wir werfen keine … Bomben, Ineiau“, widersprach Holland energisch. „Es sind nur kleine harmlose Knall- und Leuchtkörper, um die bösen Geister zu vertreiben und das neue Jahr zu begrüßen.“

„Und das neue Jahr ergreift dabei nicht zusammen mit den verschreckten Tieren die Flucht?“, fragte Ineiau trocken.

Der große breitschultrige Mann wirkte nun langsam frustriert.

Ineiau entschied sich, ihm entgegenzukommen. Sie stieß einen Stoßseufzer aus, der von beiden Herzen kam. „Also gut, bitte bereiten Sie die Neujahrsfeier vor, Eddie. Aber es wird kein Feuerwerk geben. Selbst wenn wir damit nicht das automatische Feuerlöschprogramm auslösen würden, dürfte das Knallen nicht wenigen unangenehm sein oder sogar körperliche Schmerzen bereiten. Und es wird kein Pflichtprogramm sein! Weder für Menschen noch für andere!“

„Danke, obwohl es damit wahrscheinlich weitgehend den bisherigen Neujahrsfeiern auf der Shiva entsprechen dürfte und fast nur Menschen anwesend sein werden. Aber ich möchte ebenfalls auf keinen Fall eine Anwesenheitspflicht haben. Das habe ich zur Genüge auf der Arromanches erlebt.“

Ineiau sah ihn überrascht an. „Captain Arnold hat mit seiner Besatzung Neujahr gefeiert?“

„Feiern würde ich es weniger nennen. Er hat es wie alles andere streng reglementiert. Ohne ein Wort ein Feuerwerk durch die Fenster des großen Freizeitdecks zu beobachten und nach einer trockenen höchst langweiligen und endlosen Ansprache von Captain Arnold auf Befehl mit einem Glas Sekt auf die Sekunde genau zum Jahreswechsel anzustoßen, dürfte kaum jemanden gefallen haben.“ Er überlegte kurz. „Tatsächlich hat es die meisten Versetzungsanträge weg von der Arromanches jedes Jahr nach Weihnachten und Neujahr gegeben.“

Jetzt konnte sich Ineiau doch ein Grinsen nicht verkneifen. „Gut, das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie von mir keine Ansprache erwarten.“

Holland stellte hastig seinen Kaffeebecher auf den Schreibtisch ab, bevor er dessen Inhalt vor Lachen verschüttete. „Würden Sie zur Feier kommen?“

Ineiau breitete entschuldigend die Arme aus. „Ich schaue bei allen traditionellen Festen zumindest kurz rein. Alles andere würde mir als Kommandantin sehr unhöflich vorkommen.“

„Stimmt, Sie waren auch auf der Weihnachtsfeier dabei. Und es hat weit über die Hälfte der Besatzung der Shiva mitgefeiert, obwohl Menschen gerade eben ein Viertel von uns ausmachen und ein noch mal sehr viel kleinerer Anteil christlichen Glauben ist“, sagte Holland nachdenklich.

„Ja, aber wie bei der letzten Neujahrsfeier war ich nur kurz da, weil es mir einfach zu voll in den beiden Cafeterien war.“ Sie lächelte. „Ich bin eben keine Partyperson und es wird mir schnell zu viel.“

Holland suchte schnell einen Eintrag auf seinem Datenpad. Er pfiff leise. „Ebenfalls rund dreihundert Personen? Das sind zwei Drittel der Besatzung und sehr viel mehr, als ich erwartet hätte. Kein Wunder, dass es Weihnachten in der Cafeteria so eng wurde. Sie ist doch deutlich kleiner als die vordere Cafeteria oder das Hauptfreizeitdeck auf einer Connie. Aber allen Anschein nach, werden die … ich sage mal … irdischen Festtage zumindest von einem Teil der Anderen mitgefeiert.“

Ineiau lächelte. „Ebenso wie die Feiertage der Anderen. Sie waren doch selbst zuletzt beim andorianischen Shora’noKufe dabei gewesen, Eddie.“

„Deren Wintersonnenwende? Ja, und ich habe mir fast den Hintern abgefroren. Mir war vorher nicht bewusst gewesen, dass sich die Umweltkontrollen soweit runter regeln lassen. Es hat in der Cafeteria geschneit!“

Sie wurden vom Interkom unterbrochen, bevor Ineiau antworten konnte.

Die Kommunikationsoffizierin Lieutenant T’Lin meldete sich: „Skipper, Colonel Villa von der Abteilung für Temporäre Ermittlungen möchte Sie sprechen.“

„Bitte stellen Sie ihn durch, T’Lin“, befahl Ineiau.

Auf dem Wandbildschirm ihres Büros erschien Colonel Hernandez Villa. „Captain Ineiau, und Sie sind dann mit angehender Wahrscheinlichkeit Commander Holland. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei den Vorbereitungen für das Neujahrsfest?“, begrüßte der alte Mann sie auf seine großväterliche Art.

„Nein, Sir. Ich habe diese gerade wieder an meinem Ersten Offizier delegiert“, antwortete Ineiau mit einem schalkhaften Lächeln.

Holland warf ihr einen überraschten Seitenblick zu, als ihm erst jetzt kam, dass Ineiau ihn die ganze Zeit gezwiebelt hatte.

„Damit dürften die Vorbereitungen weiterhin in sicheren Händen sein“, erwiderte Villa ebenfalls mit einem Lächeln. „Obgleich Sie mit großer Wahrscheinlichkeit ein anderes Jahr feiern werden, als Sie erwarten.“ Er wurde wieder ernst. „Wir werden Sie erneut zu einer Versorgungsmission ausschicken. Die Versorgungsgüter erhalten Sie an den von mir übermittelten Koordinaten von dem Flottenversorger Cassini. Ich denke, dass ich nicht betonen muss, dass auch dieser Einsatz wieder äußerst vertraulich ist.“

Ineiau zögerte, bevor sie fragte: „Die Voyager?“

Holland bemühte sich sichtbar, seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Zwar war er inzwischen von Ineiau über die Dienste der Shiva für die Temporären Ermittlungen eingeweiht worden, aber von den bisherigen zwei streng geheimen Versorgungsaufträgen für die Voyager, die ein Jahrhundert in der Zukunft im Delta-Quadranten gestrandet war, wusste er noch nichts. Ineiau würde ihm nach dem Gespräch mit Villa auf den laufenden Stand der Dinge bringen müssen.

Villa nickte ernst. „Sie werden sich zum Jahreswechsel 2377/2378 mit ihr treffen.“

„Dürfen wir sie diesmal nach Hause bringen?“, fragte Ineiau.

Der alte Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, das bedeutende Ereignis in der Zeitlinie hängt direkt mit Captain Janeways Rückkehr zur Erde zurück. Wir dürfen da nicht nachhelfen, sonst riskieren wir das Ende der Föderation und sämtlicher anderen Zivilisationen im Alpha-Quadranten, Captain.“

„Das klingt mit Verlaub wieder sehr theatralisch, Sir.“

„Ich bin mir dessen bewusst, Captain.“ Villa lächelte freundlich. „Aber Ihre Mission wird die weitere Reise für Captain Janeway und ihre Besatzung leichter und weniger entbehrungsreich machen.“

In Ineiaus Mundwinkel zuckte es. „Mit anderen Worten: Die Hälfte unserer Fracht besteht aus Kaffee.“


Im Jahr 2377

Sternenschiff USS Voyager - NCC-74656


Captain Kathryn Janeway saß unzufrieden in ihrem dunklen Bereitschaftsraum auf der Voyager und studierte auf dem Computerterminal die letzten Berichte der Astrokartographie. Sie wollte einen Schluck Kaffee nehmen und stellte zu ihrem weiteren Unmut fest, dass der Becher leer war.

Wegen ihrer derzeitigen katastrophalen Energieknappheit waren die Replikatoren abgeschaltet. Und von den Kaffeevorräten, die sie vor über zwei Jahren von der Shiva erhalten hatten, war ebenso so gut wie nichts mehr übrig.

Aber der Kaffeemangel war noch ihr geringstes Problem. Woher hätten sie auch ahnen können, dass die photonischen Lebensformen beim Abschied ihre gesamten Antimaterievorräte mitgehen lassen würden. Selbst die Photonentorpedos waren entleert und damit nutzlos.

Und nur mit dem Impulsreaktor würden sie selbst bei niedriger Warpgeschwindigkeit nicht weit kommen, bevor sich ihre Treibstoffvorräte endgültig erschöpften.

Sie benötigten dringend eine stellare Nebelwolke, die genug Deuterium enthielt, damit sie nicht nur ihre Tanks für den Impulsreaktor auffüllen, sondern auch daraus neue Antimaterie für den Warpkern produzieren konnten.

Aber weit und breit gab es nichts Passendes. Als wäre dieser Sektor bereits von anderen sehr viel gierigeren Mächten leer gesaugt worden. Was natürlich auch mit den photonischen Wesen zusammenhängen konnte.

Wieder fiel Janeways Blick auf das Sonnensystem Patra 3444. Es lag gerade eben noch in ihrer zusammengeschrumpften Reichweite. Und es gab laut den Berichten von anderen Reisenden dort eine unbewohnte, aber erdähnliche Welt. Ihr Magen verkrampfte sich angesichts der Vorstellung, dass nach fast sechs Jahren ihre Heimreise hier auf halber Strecke enden würde.

Aber Captain Ineiau hatte bei ihrer ersten Versorgungsmission ihr doch gesagt, dass die Abteilung für Temporäre Ermittlungen sie nicht zurückbringen würde, weil noch ein wichtiges Ereignis eintreten würde, die ihre Anwesenheit im Delta-Quadranten extrem wichtig machte. Oder war damit womöglich als grausame Ironie die Besiedlung von Patra 3444-III gemeint? Oder würde die Shiva abermals aus der Vergangenheit zu ihnen ausgesandt werden?

Janeway schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht blind auf Hilfe verlassen. Ansonsten wären sie schon sehr viel früher gescheitert.

Jemand klopfte gegen die Tür. Selbst die Türsummer hatten sie außer Betrieb genommen, um Energie zu sparen. Auf ihre Bestätigung hin schoben Seven of Nine und Lieutenant B’Elanna Torres von Hand die Tür auf und traten in den Bereitschaftsraum. Sevens Gefühle waren wie immer schwer zu deuten, aber B’Elannas Gesicht sprach Bände.

Die Halbklingoninen ließ sich sichtbar entmutigt auf einen Besuchersessel plumpsen. „Der zweite Hauptplasmainjektor ist durchgebrannt. Ich kann nicht sagen, ob es die Photonenbiester waren, als sie unsere Antimaterie geklaut haben oder die jahrelange Überlastung als einziger verbliebener Plasmainjektor für den Warpkern.“

Janeway lehnte sich mit einer Hand an der Stirn zurück. „Können Sie ihn noch einmal reparieren, B’Elanna?“

Die beiden so ungleichen Frauen sahen sich kurz gegenseitig an, bevor B’Elanna verbittert den Kopf schüttelte.

Seven blieb weiter ruhig wie eine Statue stehen, als sie antwortete: „Nein, und wir haben bereits für eine der vorherigen Reparaturen und dem Bau der Delta Flyer die entsprechenden nicht replizierbaren Bauteile aus dem anderen Injektor entnommen, als dieser sich als irreparabel erwiesen hatte. Und ohne zumindest einen der beiden Plasmainjektoren können wir den Warpkern nicht wieder in Betrieb nehmen, selbst wenn wir Zugriff auf Antimaterie hätten.“

„Reicht die Energie bis Patra 3444?“, fragte Janeway leise.

„Ja, und Seven hat eine Borgmethode vorgeschlagen mit der wir Deuterium aus den Ozeanen von Patra 3444-III gewinnen können, aus der wir wiederum mit dem Impulsreaktor Antimaterie herstellen können. Damit sollten wir zumindest den Delta Flyer und die Shuttles in paar Monaten wieder einsatzfähig haben. Wir könnten mit diesen die umliegenden Handelsplätze anfliegen“, erwiderte B’Elanna.“

„Die Chancen passende Ersatzteile oder auch nur aufgearbeitete Materialien auf einen Handelsplatz zu einem akzeptablen oder überhaupt bezahlbaren Preis erwerben, dürfte verschwindend gering sein“, machte Seven den Hoffnungsschimmer mit den Begleitfahrzeugen zunichte.

„Abgesehen davon könnten Plünderer angelockt werden, wenn bekannt wird, wie wehrlos wir sind“, ergänzte Janeway bitter.

„Es dürfte welche geben, die gezielt auf Opfer der Photonenwesen lauern wie historische Strandräuber“, stimmte Seven ihr zu.

„Was ist mit der Shiva? Sie kam bisher im Abstand von zwei Jahren zu uns“, fragte B’Elanna ohne viel Hoffnung.

„Ihre beiden Zeitreisen zu uns lagen zwei Jahre auseinander. Ein zeitliches Muster lässt sich aus dem einmaligen Abstand nicht vorhersagen“, berichtigte Janeway resigniert ihre Chefingenieurin. „Und die zweite Reise liegt inzwischen aus unserer Sicht zweieinhalb Jahre zurück. Davon abgesehen können wir nicht einfach deren Plasmainjektoren ausbauen, selbst wenn diese für die Voyager passen würden.“

„Sie würden nicht passen“, stellte B’Elanna leise fest.

Kathrin blickte verbittert erneut in ihrem leeren Kaffeebecher. Das würde ja nach der wegen der Photonenwesen gescheiterten Weihnachtsfeier ein ganz besonderer Jahreswechsel werden.


Ensign Harry Kim musterte die Situation auf dem Schlachtfeld. Bisher hatten beide Seiten einen direkten Schlagabtausch vermieden. Und offenbar versuchte jetzt sein Gegner ihn in die Wälder und Schluchten zu locken, um Kims Reichweitenvorteil auszugleichen. Sollte er nur zum Schein darauf eingehen?

Die Tür der gemeinsamen Kabine von Tom Paris und B’Elanna Torres wurde aufgeschoben. B’Elanna trat sichtbar bedrückt ein und zog die Schiebetür wieder soweit zu, dass die Magneten sie ganz schlossen. Sie betrachtete das BattleTech-Spielfeld auf dem Teppich. „Kann es sein, dass ihr beiden euch nur gegenseitig umkreist?“

„Das nennt sich Taktik, meine Liebe“, antwortete Tom Paris, stand auf und küsste seine Ehegattin auf die Wange.

„Ah ja … Taktik, von der ich nichts verstehe. Deshalb spielst du auch gegen Harry statt gegen mich.“ B’Elanna musste jetzt trotz ihrer Niedergeschlagenheit grinsen. „Nachdem ich dich beide Male vom Feld gefegt hatte, als du mir das Spiel noch am erklären warst.“

„Du bist einfach vorgestürmt und hast dabei aus allen Rohren gefeuert“, antwortete Paris.

„Richtig, das ist die einzige und beste Taktik für mich. Und auch in diesem Spiel. Das ist ein Fantasyspiel mit riesigen Kampfrobotern. Was erwartest du da anderes?“ Gleichzeitig nahm sie den Pappaufsteller eines Attentäter-BattleMechs aus der Schachtel und betrachtete ihn. Möglicherweise war sie am Überlegen, wie sie den acht Meter hohen und 40 Tonnen schweren BattleMech in echt nachbauen könnte.

Paris seufzte und setzte sich wieder auf das Sitzkissen beim Spielfeld. Sichtbar irritiert hob er seine Augenbrauen, als er das Ergebnis von Kims Bewegungsphase sah. „Was wird das, Harry?“

Kim lehnte sich zufrieden zurück. „Taktik!“

„Dann sage Adieu zu deiner Spinne.“

Seit Beginn der aktuellen Energiekrise konnten sie die meisten normalen Freizeitaktivitäten nicht mehr betreiben. Und nachdem die anderen Besatzungsmitglieder herausfanden, dass Tom Paris seit Jahren alte Brett- und Tabletopspiele aus der Prä-Computerzeit sammelte und inzwischen überwiegend ausgedruckt, beziehungsweise repliziert im Schrank stehen hatte, war eben diese Sammlung jetzt im ganzen Schiff im Umlauf. Paris selbst trug es mit Fassung. Immerhin konnte er sie jetzt endlich erstmals selbst spielen.

Mit deutlich weniger Fassung ertrug er es, dass ihn anscheinend jeder andere in BattleTech und anderen Strategie- und Taktikspielen schlug. Bisher war die einzig Ausnahme davon Harry Kim, wobei dieser entschlossen war, dieses hier und jetzt zu ändern.

Er hatte seine kleine schnelle Spinne als Köder vorgeschickt, um Paris’ Mechs wiederum aus ihrer Deckung zu locken.

Und tatsächlich versuchte sein Freund prompt, die Spinne mit seinen eigenen schnellen Jenner und Clint in die Zange zu nehmen. Wodurch diese beiden leicht gepanzerten Mechs wiederum in Reichweite von Kims langsameren schlagkräftigeren Mechs mit deren Langstreckenwaffen kamen.

Nach der folgenden Waffeneinsatzphase war Kim durchaus zufrieden mit dem Resultat. Seine Spinne war zwar nur noch ein wandelndes Wrack, aber Paris hatte seinen Jenner durch eine Munitionsexplosion verloren und der Clint war in einen noch erbärmlicheren Zustand als der kleinere Lockvogel.

Womit Paris im Prinzip nur noch seine beiden mittelschweren Vollstrecker und Quasimodo gegen Kims Drachen, Verteidiger und Panther verblieben.

„Das war eine ziemlich eindeutige Falle, in die du getappt bist, mein Meistertaktiker“, zog B’Elanna ihren Ehemann auf.

„Ich hoffe nur, dass wir bald normale Energie haben, damit wir wieder die Holodecks benutzten können.“ Paris prüfte seine Datenbögen. „Und meine beiden letzten Mechs haben kaum noch Munition für ihre Autokanonen.“

„Dann hättest du nicht ständig trotz der geringen Trefferwahrscheinlichkeit rumballern dürfen“, stellte Kim immer noch zufrieden fest.

„Warte nur, Harry. Ich habe in meiner Holosammlung Mechwarrior XV.“

„Ich fürchte, wir werden nicht so schnell wieder Energie für die Holodecks haben“, erklärte B’Elanna wieder niedergeschlagen.

„Warum nicht?“, fragte Kim alarmiert und vergaß das Spielfeld mit seinem bevorstehenden Sieg.

„Der zweite Plasmainjektor ist jetzt ebenfalls durchgebrannt. Und wenn es uns nicht gelingt, irgendwo zumindest die notwendigen Materialien aufzutreiben, wird die Voyager Patra 3444 nicht mehr verlassen können. Und selbst wenn wir ihn reparieren können, wird dieses Monate oder womöglich Jahre dauern“, antwortete B’Elanna leise.

„Shit!“, sagte Paris nur leise.


„Neelix, wir haben keine Energie dafür“, wiederholte Chakotay inzwischen hörbar genervt.

„Aber auf dem Planeten gibt es viele schöne und sichere Ecken, wo wir feiern können, ohne dabei die Energiereserven anzurühren. Wie zum Beispiel dieser Meeresstrand, der durchaus denen der Karibik auf der Erde ähnelt. Und es gibt dort diesmal wirklich keine gefährlichen Tiere oder Pflanzen.“ Der Talaxianer zeigte auf dem Kartenabschnitt auf dem Display seines Datenpads.

„Wir haben nicht die Energie, um einen Großteil der Besatzung für eine Neujahrsfeier auf dem Planeten beamen zu können. Es wird schon knapp die Arbeitsteams und die Ausrüstung für Sevens Deuteriumgewinnung dort abzusetzen“, widersprach jetzt auch Kathryn Janeway inzwischen vom Koffeinmangel gereizt.

„Nachdem die Weihnachtsfeier schon von den Photonenwesen verhindert wurde, ist die Neujahrsfeier wichtig, um die Stimmung …“, begann erneut Neelix.

„Das wissen wir ebenfalls, Neelix. Aber wir können es einfach nicht tun. Wir müssen erst einen Deuteriumvorrat anlegen, bevor wir irgendetwas anderes machen können“, unterbrach Janeway ihn. Sanfter ergänzte sie: „Wir holen es in ein paar Monaten nach, wenn alles klappt.“

Neelix sah sie sichtbar bedrückt mit seinem Dackelblick an.


Im Jahr 2270

Sternenschiff USS Shiva NCC-1602


„Vielleicht sollten wir einfach die Cassini in die Zukunft mitnehmen“, schlug die Wissenschaftsoffizierin Lieutenant Commander Airiam vor und las abermals die Frachtliste auf dem großen Wandbildschirm des Besprechungsraumes.

„Wir dürfen Commander James Wolff und seine Besatzung nicht über unsere Mission für die Temporären Ermittlungen einweihen“, erinnerte Ineiau die Cyborgfrau. „Wir müssen irgendwie die für Voyager vorgesehene Fracht auf der Shiva verstauen. Und ich bin mir darüber im Klaren, dass dieses angesichts unserer bescheidenen Frachtkapazität schwierig wird. Das ist fast die doppelte Menge wie bei den bisherigen Einsätzen. Und die Shiva ist ursprünglich als Kriegsschiff und nicht als Milchkuh gebaut worden.“ Sie blickte sich im Konferenzraum um und erwartete Vorschläge.

„Ich nehme an, dass wir nicht den ganzen Frachtcontainer mit dem Traktorstrahl schleppen können?“, fragte Commander Eddie Holland.

Der caitianische Chefingenieur Commander S’Rana schüttelte den Kopf mit seiner schwarzen Löwenmähne. „Nur mit niedriger Warpgeschwindigkeit und wir würden ihn außerdem mit ziemlicher Sicherheit im Zeitriss verlieren.“

„Wenn wir den rechten Hangar leerräumen und die Vampire-Jäger in den Frachtcontainer der Cassini auslagern, sollte zusammen mit den normalen Laderäumen und den Sporthallen der Platz für die gesamte Fracht beinahe ausreichen“, merkte Lieutenant T’Lin an.

Ineiau sah die Vulkanierin an. „Beinahe?“

Airiam sprang jetzt ebenfalls auf die Idee der Kommunikationsoffizierin an. Sie blickte auf T’Lins Datenpad. „Die übrige Fracht könnten wir in den linken Hangar zwischen den Fähren und Beibooten verstauen. Allerdings werden wir damit bis auf vielleicht zwei diese damit blockieren.“

„Gut, tun Sie es. Dann müssen wir eben unsere Raumjäger nach der Mission von Starbase 80 wieder abholen. Gibt es sonst etwas zu beachten?“

Die Androidin Ensign Rebecca Fisher antwortete: „Nur die Plasmainjektoren. Da wir sie nicht beamen können, sollten sie in einem von außen leicht zugänglichen Raum verladen werden. Da uns jetzt der rechte Hangar dafür komplett zur Verfügung steht, dürfte sich das Problem erledigt haben. Die Photonentorpedos und die Magnetflaschen mit der Antimaterie werden wir ebenfalls ohne Hilfe der Transporter in das Torpedomagazin verladen müssen. Dafür werden wir die Beiboote benötigen. Wir sollten den linken Hangar also zuletzt beladen.“

„Ich kümmere mich zusammen mit Rebecca um den entsprechenden Verladeplan“, erklärte Airiam.

„Wie lange werden Sie benötigen, Airiam?“, fragte Ineiau.

Die wie ein Roboter aussehende Cyborgfrau überlegte nicht lange. „Ein bis zwei Stunden. Wir werden ihn fertig haben, bevor wir uns mit der Cassini treffen, Ineiau.

„Ausgezeichnet, dann los“, erwiderte Ineiau und erhob sich von ihrem Stuhl. Sie lächelte, als sie bemerkte, dass Fisher nahezu abwesend wirkte. „Obwohl Rebecca anscheinend schon dabei ist.“

Airiam knuffte die Androidin freundlich gegen den Oberarm. „Hey, lass mir auch etwas zu tun übrig.“

Die als graziöse aschblonde Frau gestaltete Androidin zeigte ein kurzes flüchtiges Lächeln. „Sie werden sich nicht über mangelnde Beschäftigung beklagen können, Airiam.“


Im Jahr 2377

Sternenschiff USS Voyager - NCC-74656


„Seven, sind Sie okay?“, fragte Kathryn Janeway die ehemalige Borgdrohne in ihrem Bereitschaftsraum.

„Meine Leistungsfähigkeit ist reduziert. Wir haben ungenügend Energie, um meinem Regenerationsalkoven optimal zu betreiben“, antwortete Seven of Nine gewohnt ruhig.

Janeway setzte sich hinter ihrem Schreibtisch. „Sie sehen mies aus. Und müde. Ich werde B’Elanna anweisen, Ihren Alkoven mit voller Stärke betreiben.“

„Davon möchte ich abraten, Captain. Der Alkoven wird normalerweise vom Warpkern versorgt und hat einen größeren Einfluss auf den Treibstoffverbrauch des Impulsreaktors, als ich eigentlich zugeben möchte.“

„Verdammt!“ Janeway lehnte sich in ihren Sessel zurück. „Gibt noch eine andere Möglichkeit? Ich möchte nicht, dass Sie leiden. Oder womöglich zusammenbrechen.“

„Ich schaffe es. Ich bin Borg. Und wir alle bringen Opfer.“ Seven deutete lakonisch auf den leeren Kaffeebecher, der neben einem halbvollen Becher mit Neelix’ Ersatzkaffee stand. „Ensign Kim schlägt vor, dass wir nach unserer Ankunft im Orbit von Patra 3444-III das Solarsegel ausbringen. Wir können damit dauerhaft die wichtigsten Schiffsfunktionen erhalten, wenngleich nur auf einem suboptimalen Level.“

„Das ist eine gute Idee.“ Janeway fiel erschrocken etwas ein und sie fluchte still. „Aber wir haben kein Solarsegel! Unser Notfallsegel hatten wir vor Jahren gegen dringend benötigte Ressourcen eingetauscht.“

Seven prüfte kurz die Einträge auf ihrem Datenpad. „Es ist ein älteres Modell und stammt offenbar von der Shiva, obwohl es darüber keinen Eintrag im Frachtmanifest von deren Versorgungsflügen gibt.“

Janeway nickte erleichtert. „Wir haben zusätzlich einiges aus deren normalen Schiffsbeständen erhalten. Wahrscheinlich hat jemand festgestellt, dass unser Solarsegel nicht mehr da ist, und hat es durch das der Shiva ersetzt. Immerhin konnten sie nach ihrer Rückkehr in die Vergangenheit einfach einen Ersatz bestellen.“

„Das stimmt natürlich. Ich hatte mitgehört, als sich Captain Ineiau darüber beklagte, dass Sie erneut deren privaten Kaffeevorrat geplündert hatten.“

„Es waren nur ein paar Päckchen von der guten Sorte aus Kenia“, verteidigte Janeway sich.


Langsam schwenkte die Voyager im Standardorbit um den dritten Planeten von Patra 3444 ein.

Kathryn Janeway betrachtete die erdähnliche Welt. Dann sah sie sich auf der im Halbdunkel liegenden Brücke um.

„Wir haben einen optimalen Orbit für den Einsatz des Solarsegels erreicht“, meldete Tom Paris von der Pilotenkonsole.

„Gut, Mr Paris. Mr Kim, Mrs Torres, bereit machen zum Segelsetzen“, befahl Janeway. Unwillkürlich musste sie trotz ihrer düsteren Situation über ihre eigene Wortwahl lächeln.

„Captain, es ist ein weiteres Raumschiff aus dem Warp gekommen. Es hält direkt auf uns zu“, unterbrach Tuvok ihre Vorbereitungen.

„Auf dem Bildschirm!“

Mit nur halber Leuchtstärke erwachte der Hauptbildschirm und zeigte ein größeres unförmiges Raumschiff, welches aussah, als wäre es aus zahlreichen verschiedenen Teilen zusammengepuzzelt worden.

„Wir werden von ihnen gerufen“, meldete erneut Tuvok.

Janeway nickte knapp zur Bestätigung.

Vor ihr erschien der Kontrollraum des anderen Schiffes, der ebenso aus den verschiedensten Bauteilen zusammengeworfen schien. Ein grob humanoid wirkender, grünhäutiger Mann mit je drei Augen und Armen lächelte sie an und erinnerte Janeway dabei unwillkürlich an einem Gebrauchtwagenhändler.

„Ich bin Captain Janeway vom Sternenschiff Voyager der Föderation der Vereinigten Planeten. Wir kommen in Frieden.“

„Groblex, Eigentümer von Groblex’ Markt für gebrauchte Raumschiffe und Raumschiffteile“, antwortete der Fremde mit einem scheinbar freundlichen Grinsen, welches bei Janeway alle Alarmglocken ringen ließ.

„Was kann ich für Sie tun, Mr Groblex“, fragte Kathryn Janeway. Dass ausgerechnet hier ein Händler mit den von ihnen benötigten Teilen erschien, konnte sie nicht recht glauben. Das wäre ein zu glücklicher Zufall, um wahr zu sein.

„Nichts, Captain Janeway. Ich bin hier um ein herrenloses Raumschiff zu bergen und gemäß des Vertrags von SurraSurra als mein Eigentum zu beanspruchen.“

„Ich kann in unserer Sensorenreichweite kein herrenloses Raumschiff entdecken“, stellte Janeway jetzt erst recht argwöhnisch fest.

„Sie befinden sich noch an Bord meines beanspruchten Schiffes. Ich schlage vor, dass Sie Ihre Sachen packen und auf dem Planeten ansiedeln. Bestimmt kommt irgendwann ein anderes ihrer Raumschiffe, um sie abzuholen“, bestätigte Groblex mit einem breiten Grinsen ihren Verdacht.

„Die Voyager ist nicht herrenlos und wir treten sie nicht einfach an Sie ab“, widersprach Janeway scharf. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Tuvok auf Alarmstufe Rot ging und die Schilde hochfuhr.

„Was wollen Sie sonst tun? Sie haben keine andere Option als das Schiff aufzugeben, nachdem Sie durch das Raumgebiet der Antimaterie-Fresser geflogen sind“, antwortete Groblex und klang dabei weiterhin erstaunlich jovial. Er stützte sich mit zwei Händen auf den Armlehnen ab, beugte sich in seinem Sessel nach vorne und fuhr ernster, aber immer noch scheinbar freundlich fort, während er mit der dritten Hand gestikulierte: „Es wäre unerfreulich, wenn ich mein Eigentum mit unserem Materietransporter räumen müsste. Es könnte dann womöglich passieren, dass einige von Ihnen nicht auf den Planeten, sondern in das Weltall gebeamt werden. Und mit ihren kümmerlichen Energieresten können Sie uns nicht lange widerstehen, bis wir Ihre Schilde gebrochen haben und Sie vom Schiff beamen. Und ich würde höchst ungern mein Eigentum dabei womöglich beschädigen. Es ist wirklich in Ihrem eigenen Interesse, dass Sie …“

Mit einer Geste forderte Janeway Tuvok auf, die Verbindung zu unterbrechen. „Mr Paris, bringen Sie uns auf Abstand zu dem Piratenschiff.“

„B‘Elanna, was haben wir noch?“, fragte Chakotay.

Behäbig entfernte sich die Voyager von Groblex’ Schiff.

„Normal bei sparsamem Verbrauch würde unser Treibstoff für zwei bis drei Tage reichen. Bei einer Schießerei sind es bei voller Leistung des Impulsreaktors allenfalls vier Stunden. Danach haben wir nur noch die Batterien“, antwortete B’Elanna aufgebracht.

Die Voyager erschauerte unter Beschuss.

„Schilde auf 60 Prozent“, meldete Tuvok ruhig.

„Ein neuer Warpkontakt“, warf Seven of Nine ebenso ruhig ein.

Über die Lautsprecher erklang Groblex’ Stimme voller falscher Freundlichkeit: „Captain Janeway, machen Sie es doch nicht schwerer als es schon ist. Denken Sie an Ihre Mannschaft. Wir können …“

Er wurde durch ein lautes Knistern und Knacken unterbrochen, bevor eine andere Stimme dazwischen schrie: „Unsere Schilde sind fast komplett weg! Wer ist das Arschloch?“

Janeway und Chakotay wechselten irritierte Blicke. Eine weitere Piratenfraktion?

„Der neue Kontakt ist die Shiva. Sie hat nach ihrer Ankunft das Feuer auf Groblex’ Schiff eröffnet“, berichtete Seven in einem Tonfall, als würde sie über das Wetter sprechen.

„Wir und Groblex werden von der Shiva gerufen“, sagte nun Tuvok mit einem ebenso betont unbeteiligten Ton. Inzwischen war es fast eine Art Wettbewerb zwischen den beiden geworden, wer von beiden unbeteiligter und ruhiger in einer Krise wirken konnte.

Janeway konnte hingegen ein erleichtertes Grinsen nicht unterdrücken. „Die Kavallerie ist da. Wieder unerwartet, aber höchst willkommen. Auf dem Bildschirm, Mr Tuvok.“

Vor ihr erschienen nebeneinander die Abbilder von Groblex und Captain Ineiau.

Ineiau stand vor ihrem Kommandosessel und blickte höchst missbilligend nach rechts, wo wahrscheinlich für sie Groblex auf ihrem eigenen Bildschirm war. „Was ist hier passiert?“, fragte sie mit eisiger Stimme.

Groblex plusterte sich auf. „Eine Bergungsaktion meines rechtmäßigen Eigentums. Sie haben kein Recht sich einzumischen. Wer sind Sie eigentlich?“

„Ich bin Captain Ineiau Cher-kira-Ke vom Sternenschiff Shiva der Föderation der Vereinigten Planeten. Und ich bezweifele sehr Ihren Eigentumsanspruch auf eines unserer Sternenschiffe an.“

Groblex grüne Haut verfärbte sich gelb, als ihm die Bedeutung der Worte bewusst wurde. Offenbar hatte er aufgrund der altersbedingten Bauunterschiede der beiden Sternenschiffe und der unterschiedlichen Uniformen und Spezies von Janeway und Ineiau dies überhaupt nicht in Betracht gezogen.

„Es ist schön, dass Sie endlich da sind, Captain Ineiau. Obwohl Sie sich reichlich verspätet haben. Wo sind die anderen Sternenschiffe“, begrüßte Kathrin die hochgewachsene Ani. Gleichzeitig hoffte sie, dass Ineiau ihren Bluff erkannte und mitspielte.

„Freier Himmel, Captain Janeway. Wir wurden etwas aufgehalten. Ich hielt es für ausreichend, erst einmal nur selbst hier nach dem rechten zu sehen. Spirit und Curiosity können jederzeit auf mein Zeichen erscheinen. Perseverance und Opportunity benötigen bedauerlicherweise etwas länger“, ging jedoch Ineiau auf das Spiel ein.

Janeway erkannte die Namen von Shivas Shuttles. Es gelang ihr gerade eben noch, ein verräterisches Grinsen darüber zu unterdrücken. Und Ineiau dürfte sogar für ihren Teil des Bluffs komplett bei der Wahrheit geblieben sein.

Groblex’ Gesicht verfärbte sich noch gelber. Trotzdem versuchte er, Ineiau zu widersprechen. „Das Raumschiff ist ohne Energie und gemäß dem Vertrag von SurraSurra habe ich …“

Ineiau unterbrach ihn, ohne ihre Stimme zu erheben. „Wissen Sie, was in der Föderation mit Piraten geschieht?“ Gleichzeitig verfärbten sich ihre Tribalzeichnungen weiß und ihre Augen rot. Aus ihrer Stirn wuchsen zwei gefährlich aussehende Hörner.

„Öhm … Nein“, antwortete Groblex jetzt sichtbar ängstlich angesichts der möglichen Überlegenheit der Shiva mit voller Energie und einsatzfähigen Waffen, dem angekündigten Eintreffen von vier weiteren Sternenschiffen und Ineiaus wahrlich dämonischer Erscheinung.

Janeway lächelte bösartig. „Dann würde ich Ihnen empfehlen, nicht länger hier zu bleiben, bevor Sie es herausfinden, Mr Groblex.“

Das Abbild von Groblex auf dem Hauptbildschirm verschwand.

„Groblex’ Raumschiff wendet. Sie beschleunigen auf Warp“, erstattete Seven Bericht hörbar zufrieden.

Shiva wechselt das Gespräch auf Kommunikationslaser“, meldete Tuvok, während vor ihnen bereits das Abbild von Ineiau grobpixeliger wurde durch den Wechsel auf die abhörsichere Verbindung.

Janeway ließ sich mit einem Stoßseufzer auf ihrem Kommandosessel fallen. „Danke, das war Rettung in letzter Minute, Ineiau. Wussten Sie vorab von dem Überfall?“

Ineiau setzte sich ebenfalls wieder. Ihre Tribalzeichnungen nahmen wieder ihre normale schwarze Färbung an. „Nein, aber da das andere Raumschiff, wer immer das überhaupt war, die Voyager ohne Gegenwehr beschoss, erschien es mir angebracht, ebenfalls erst zu schießen und danach Fragen zu stellen, Kathryn.“ Sie blickte nach rechts hinter sich. „Obwohl ich einen Warnschuss befohlen hatte!“

„Hey, ich habe nur ihre Schilde weggebrannt. Sie haben es überlebt und waren dadurch gewarnt, Skipper“, erklang eine mädchenhafte Stimme.

Janeway erkannte sie als die der Taktischen Offizierin Lieutenant Mateka. Tom Paris hatte die blutrünstige kleine Ani zurecht bei ihrer letzten Begegnung als äußerst triggerhappy bezeichnet.

„Ich beklage mich nicht über das Ergebnis, obwohl ich ebenfalls einen Warnschuss anders definieren würde. Ich nehme an, dass die Abteilung für Temporäre Ermittlungen Sie wieder zu uns geschickt hat?“, fragte Janeway.

Ineiau machte eine bestätigende Geste. „Ja, wobei Sie uns wieder einmal nicht vorgewarnt haben, wo wir eigentlich hineinstolpern. Aber ich würde empfehlen, dass wir uns absetzen und irgendwo in einer stillen Ecke des Weltraums weiterreden, bevor das Piratenpack womöglich mit Verstärkung wiederkommt.“

Janeway grinste. „Ich glaube nicht, dass Groblex zurückkommt. Dafür haben Sie ihm viel zu viel Angst eingejagt. Sie sehen aber auch grauslich aus. Ich wusste gar nicht, dass Sie Hörner bilden können.“

Ineiau stutzte kurz und berührte eines ihrer Hörner, welches entgegen seiner Optik weich nachgab, bevor sie die roten Augen und die Hörner wieder verschwinden ließ. Sie lächelte entschuldigend. „Trotzdem würde ich lieber auf Nummer sicher gehen und woanders sein. Da wir nur eine Impulskurve bei Ihnen orten können, gehe ich davon aus, dass Ihr Warpantrieb nicht einsatzfähig ist?“

„Wir können für allerhöchstens zwei Stunden noch ein statisches Warpfeld erzeugen, um die Shiva beim Abschleppen zu entlasten“, bestätigte B’Elanna. „Aber ohne Ersatzteile ist unser Warpkern nicht mehr zu reparieren. Ich hoffe, dass S’Rana und ich zusammen eine Lösung finden.“

Der caitianische Chefingenieur der Shiva erschien im Bild „Die Lösung sollte in der Form von zwei Plasmainjektoren in unserem Hangar lagern. Was haben Sie mit Ihrem Schiff gemacht, B’Elanna?“

„Zwei! Das ist ja wie Weihnachten“, frohlockte die Halbklingonin, ohne auf die vorwurfsvolle Frage ihres Gegenstücks einzugehen.

„Die Weihnachtstage sind vorbei, B’Elanna“, berichtigte Chakotay sie mit einem breiten Grinsen.

„Dann sehen wir es eben als Neujahrsgeschenk an“, sagte ein breitschultriger menschlicher Mann mit markanten Gesichtszügen und ergrauten kurzen Haaren, der neben Ineiau ins Bild trat.

Janeway kannte ihn noch nicht. Ein neuer Erster Offizier als Nachfolger von Commander Stiles? „Und dabei hatten wir eigentlich nach der geplatzten Weihnachtsfeier auch die Neujahrsparty schon abgeschrieben“, antwortete sie.

Ineiau lächelte. „Das sollte Commander Eddie Holland, meiner neuen Nummer Eins, in den Plan passen. Er hat bereits unsere Party vorbereitet. Ein paar zusätzliche Gästinnen sollten da nicht das Problem sein.“ Sie wandte sich an den Mann neben ihr. „Das stimmt doch? Oder, Eddie?“

„Sie lieben es wirklich, meine Pläne ständig auf neue umzuwerfen, Skipper?“, antwortete der Erste Offizier der Shiva im gespielten Ärger mit einem schmalen Lächeln.

„Das dürfte sie mit meinem Captain gemeinsam haben“, schlug Chakotay mit einem Grinsen in die gleiche Kerbe.

„Das ist Ineiaus und mein Privileg als Captain, Mr Chakotay“, erklärte Janeway zufrieden über ihre so unerwartet verbesserten Zukunftsaussichten.


Sternenschiff USS Shiva - NCC-1602


Ineiau und Kathryn Janeway gingen auf Deck 6 der Shiva zum rechten Arboretum.

„Ich reiße Neelix den Kopf ab und fülle ihn mit giftigen Skorpionen“, machte Ineiau sich Luft. Trotzdem konnte sie ein Grinsen nicht ganz unterdrücken.

Die beiden Schiffskommandantinnen hatten jetzt nacheinander die beiden Cafeterien, das rechte Arboretum und die kleine Schwimmhalle des alten Dreadnoughts besucht, auf denen die dezentralisierte Neujahrsfeier 2271/2378 der beiden Besatzungen verteilt war. Ihr letztes Ziel unmittelbar vor dem Jahreswechsel war nun das linke Arboretum.

„Er wollte ursprünglich eine Strandparty auf dem Planeten organisieren. Da dürfte er die Schwimmhalle als adäquaten Ersatz angesehen haben“, antwortete Janeway hörbar amüsiert. „Wobei ich mich aber doch frage, wo er den Sand herbekommen hat?“

Ineiau schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung“, gab sie zu.

„Und wo haben Sie eigentlich ihre Raumjäger gelassen?“, fragte Janeway angesichts des mit Versorgungsgütern und Ersatzteilen gefüllten rechten Hangars.

„Die sind auf Starbase 80. Wir holen Sie nach …“

„Verdammt! Starbase 80?“, entfuhr es Janeway hörbar entsetzt.

Ineiau sah Janeway überrascht an. „Ja, warum? Habe ich irgendetwas verpasst?“

„Nein … nein, es ist alles in Ordnung“, wich Janeway betont unbeteiligt aus.

„Warum beruhigt mich diese Antwort nur minimal?“, erwiderte Ineiau weiterhin irritiert.

Beim Eingang zum Arboretum stutzte sie und las laut den auf einer Magnetfolie angeschriebenen Warnhinweis vor, der offenbar für die Ani auf der Shiva bestimmt war: „Holografischer Doktor anwesend!“ Sie warf ihrer menschlichen Begleiterin einen neuerlich irritierten Blick zu. „Wie ist das möglich? Hat jemand aus Ihrer Besatzung Holoemitter im Arboretum eingerichtet?“

„Der Doktor hat inzwischen einen mobilen Emitter“, erklärte Janeway.

„Bei meinen letzten Gesprächen mit ihm war er noch auf die Krankenstation der Voyager beschränkt“, sagte Ineiau.

„Der Emitter stammt auch aus unserer Sicht aus der Zukunft“, gab Janeway zu.

„Dann bedaure ich, dass ich nie erfahren werde, wie sie dieses den Temporären Ermittlungen erklären werden“, sagte Ineiau mit einem breiten Grinsen. Trotz des Warnhinweises betätigte sie den Türöffner. Sie traten ein und blickten sich um.

Ineiau erkannte wirklich bei dem Tisch mit Getränken und Knabbereien den unscharfen doppelten Schemen des Medizinischen Notfallhologramms, der sich mit Doktor T’Ra von der Shiva unterhielt. Ineiaus Lebensgefährtin Hekari stand mit dem Rücken zu dem für ihre Augen unangenehmen Hologramm und unterhielt sich angeregt ihrerseits mit Tom Paris und B’Elanna Torres. Paris errötete, während seine beiden Gesprächspartnerinnen kicherten.

Etwas abseits standen unter einem der alten Bäumen neben der Piranha-Bank Seven of Nine und Rebecca Fisher und sprachen ebenfalls miteinander. Ineiau wurde jetzt erstmals bewusst, wie ähnlich sich die Androidin und die ehemalige Borgdrohne vom Aussehen und Wesen waren. Ein blondes Mädchen spielte daneben zusammen mit zwei Wüstenknäulen und dem Kater Makarov Haschen im Unterholz.

Jemand reichte ihr und Janeway jeweils ein Sektglas mit Orangensaft.

„Es sind nur noch acht Minuten bis Mitternacht“, sagte Chakotay. Gleichzeitig lächelte er, als würde ihm etwas auffallen.

Hekari trat ebenfalls zu ihnen und zog Ineiau vom mit Kieseln befestigten Weg auf den Rasen unter einem der Bäume.

Tom Paris sah es und grinste breit.

„Jetzt müssen Sie sich küssen“, erklärte B’Elanna sichtlich zufrieden.

Ineiau blickte hoch. „Oh nein!“

„Oh doch, meine Liebe“, widersprach Hekari und umarmte sie.

Sie küssten sich unter dem Mistelzweig.

Die anderen Anwesenden klatschten und jubelten.

Als Ineiau und Hekari von dem Mistelzweig wegtraten, konnten sie sehen, dass Seven dem holografischen Doktor eine Frage stellte. Nach der Antwort des EMH der Voyager kam Seven offenbar zu einer Entscheidung und sagte etwas zu Rebecca Fisher.

„Seven!“, protestierte Janeway, als diese sie dann einfach kommentarlos unter dem Baum schubste.

Ein sichtbar überraschter Chakotay wurde sehr viel schwungvoller von Fisher dazu gestoßen.

„Oh nein!“, wiederholte Janeway die Worte von Ineiau im beinahe gleichen Tonfall, während sie nach oben blickte.

„Folgen wir der Tradition, Kathryn?“, fragte Chakotay jetzt doch amüsiert.

„Ausnahmsweise nur dieses eine Mal, Chakotay“, gab Janeway mit einem Lächeln nach und legte ihre Arme um den größeren Mann.

Sie küssten sich unter dem Mistelzweig.


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