Kapitel 1
I.
Der Raum war spärlich eingerichtet. Die Wände in einem hellen Blau gehalten, der Boden mit einem roséfarbenen Teppich belegt. Es hingen zwei Bilder an den Wänden, die beide eine Landschaftsidylle mit Wasserfall und Wald zeigten. Eine Pflanze stand in der Ecke neben den beiden Sofas die schräg zu einander standen, davor ein kleiner, runder Tisch mit einem Schächtelchen aus dem Taschentücher herausstanden. Als die Patientin, gestützt auf einem Gehstock den Raum betrat, saß die Counsellorin bereits auf einem der beiden Sofas und erhob sich, um ihren Gast zu begrüßen. „Ich freue mich, dass sie gekommen sind. Ich bin Counsellor Deanna Troi, bitte nehmen sie Platz. Möchten sie etwas trinken?“ Bot die Therapeutin an und zeigte dabei auf die beiden Sitzgelegenheiten.
„Vielen Dank, ein Glas Wasser wäre gut.“ Sagte die junge Frau, die durch Wunden und blauen Flecken im Gesicht und an den Armen der letzten Tage noch gezeichnet war. Sie setzte sich aufrecht auf das rechte Sofa, ihre Hände ruhten auf ihrem Schoß, den Rücken durchgedrückt und den Blick erst das Zimmer musternd und dann die Frau, die ihr das Wasserglas reichte. Höflich nahm sie einen Schluck und hielt dann das Glas mit beiden Händen fest, als läge darin ein kostbares Stück ihrer verletzten Seele. Nachdem sie sich ihr Notepad nahm, setzte sich nun auch Troi. Sie zog ihre Beine hoch auf das Polster, um zu signalisieren, dass es sich ihre Patientin ruhig auch bequem machen könnte. „Miss T’llor, wie fühlen sie sich? Ich hoffe, sie konnten sich ein wenig erholen?“
„Mir geht es gut. Danke, der Nachfrage.“ Antworte sie knapp und beobachtete dabei den Blick der Therapeutin. Ihre Augen strahlten, trotz der totalen Schwärze ihrer Iris Zuversicht, Vertrauen und eine angenehme Weichheit aus.
„Ihr Vorname ist Lana?“ Wollte die Counsellorin zur Bestätigung wissen und ein Nicken der jungen Frau stimmte zu. Dann fuhr sie fort: „Miss T’llor, ich muss sie informieren, dass ich halbe Betazoidin bin. Ich kann ihre Gedanken nicht lesen, aber ich nehme Emotionen wahr. Wenn ihnen dies unangenehm ist, kann ich einen Kollegen bitten, die Therapiesitzungen zu übernehmen.“
Lana schüttelte ihren Kopf: „Nein, das ist in Ordnung.“ Und sie nahm einen weiteren Schluck. Dies bedeutete für sie, eine hohe Disziplin zu halten. Doch genau für solche Fälle wurde Lana ihr Leben lang gedrillt.
Jedes Gespräch mit einem neuen Patienten begann zäh. Um zu beginnen, spürte Troi die Gefühle der Person gegenüber und sprach diese Empfindung an, -warum sind sie nervös, sie sind ängstlich, ich spüre ihre Trauer-. Aber bei Lana T’llor verhielt es sich anders. Sie schien gänzlich ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Nur als sie den Raum betrat spürte sie eine leichtes Gemisch aus Frustration und Wut. „Sie fragen sich bestimmt, warum sie heute mit mir sprechen sollen?“ Troi zog aus diesem kurzen Moment der Gefühlspreisgabe den Schluss, dass diese Emotionen aus der bevorstehenden Therapiesitzung herausresultieren. Mit einem leichten Unverständnis im Unterton stellte Lana fest: „Ich verstehe nicht, warum ich immer noch hier an Board der Enterprise festgehalten werde. Meine Verletzungen wurden behandelt, wofür ich sehr dankbar bin, aber ich würde gerne wieder zurück auf die Station kehren und meine Abreise nach Hause arrangieren.“ Dabei rutschte sie ein Stück auf das Sofa zurück und lehnte sich an das Polster. Wieder musterte sie die Reaktion ihrer Gesprächspartnerin. Sie zeigte sich führsorglich und wollte Verständnis für ihre Situation übermitteln, aber Lana war in der Lage hinter einer solchen Fassade zu sehen. Troi hatte nichts Böses im Sinn, was sie antrieb war reine Neugierde auf diese besondere Frau, die in einem Verließ auf Deep Space 9 nach der Übergabe der Cardassianer an die Föderation und Bajor gefunden wurde. Sie lag schwer verletzt, nackt und gefesselt in ihrem eigenem Blut. Ein Trupp bajoranischer Techniker hatte sie entdeckt, als sie die Energieleitungen überprüfen wollten. Eine der vielen Zellen, in dem das Militär seine Befragungen durchführte war noch verschlossen. Als einer der Techniker den Raum aufbrach, war er von dem vorherrschendem Gestank von geronnenem Blut, Exkrementen und Erbrochenem beinahe wie betäubt.
„Major, das müssen sie sich ansehen.“ Rief er seiner Vorgesetzten, als er sah, dass dort ein lebloser Körper lag. Der Anblick war für den Major nichts Ungewöhnliches, hatte sie zur Zeit der Besatzung weitaus schlimmeres gesehen, als eine geschundene Leiche und sie musste tot sein dem Geruch nach zu urteilen. Dennoch durchlief ihr jedes Mal ein Schauer, der ihre Gliedmaßen kurz lähmte, wenn sie dem Tod begegnete. Sie kniete sich nieder, um nach etwas zur Identifikation zu suchen, als eine Hand in ihre Richtung zeigte und ihr mit rauer, kaum hörbarer Stimme ein „Hilfe“ entgegen krächzte.
„Sie lebt noch. Wir brauchen hier eine Trage und bringt eine Decke mit.“ Rief sie ihren Technikern zu, dann wandte sich der Major an die Frau, deren Blut sich bereits an ihrem Körper verkrustet hatte. „Ich bin hier, ich helfe ihnen. Bitte bleiben sie wach, es wird alles gut.“ Versuchte sie die Frau zu beruhigen, als sie sie leicht anhob und ihren Arm unter ihren Rücken schob. Lana wurde mit Absprache des Föderations-Commanders, der die Station zukünftig leiten sollte auf die Enterprise gebeamt, da die Krankenstation auf DS9 noch in Trümmern lag und der angeforderte Arzt erst am Dienstag eintreffen würde.
***
Da war sie nun, auf dem Flaggschiff der Sternenflotte, an Bord des legendären Captain Jean Luc Picard, von dem sogar sie schon einmal gehört hatte. Und wäre Lana nicht in Gefangenschaft des cardassianischen Militärgeheimdienstes geraten, wäre die Föderation nie auf sie aufmerksam geworden. Eine Menschenfrau, die auf Terok Nor lebte. Die Neugierde von Counsellor Troi war berechtigt, warum war sie an Bord der Station, war sie eine Gefangene, eine Zwangsarbeiterin?
„Sie werden hier nicht festgehalten. Sie sind unser Gast und wir wollen nur sicherstellen, dass es ihnen wirklich wieder gut geht. Ich möchte ihnen dabei helfen, die Ereignisse der letzten Tage zu begreifen und zu verarbeiten.“ Erklärte Counsellor Troi auf eine angenehm ruhige Art.
Die Betazoidin war erstaunt über die Selbstdisziplin die Lana T’llor an den Tag legte, sie spürte keine Regung, es war, als säße ihr eine Vulkanierin gegenüber und sie fragte sich, ob sie sich diese Verschleierung ihrer Emotionen in ihrer Gefangenschaft angeeignet hatte.
„Entschuldigen sie die direkte Frage, aber ich bin neugierig.“ Begann Troi erneut das Gespräch: „Darf ich fragen, wie lange sie in cardassianischer Gefangenschaft lebten?“
Lana überlegte, tatsächlich hatte sie keine Ahnung, wie lange sie in der Zelle lag: „Ich schätze, so ein oder zwei Tage. Andernfalls wäre ich wohl verdurstet.“
Diese trockene Antwort überraschte die Counsellorin. An dem wechselnden Gesichtsausdruck merkte Lana, dass die Therapeutin eine andere Antwort erwartet hatte. Daher hakte sie an ihre Antwort nochmal ein: „Oder meinen sie, wie lange ich schon bei den Cardassianern lebe?“ Der Wandel in ein versteckt-verlegenes Lächeln bestätigte Lanas Annahme und sie gab ihrer eigenen Frage die Antwort: „Mein Bruder rettete mich vor 22 Jahren. Ich war noch ein Kleinkind, und um ihre Frage zu beantworten, ich erinnere mich weder an meine menschlichen Eltern, oder irgendetwas davor.“
„Und sie lebten zusammen mit ihren Bruder bei den Cardassianern?“ Fragte Troi verwundert.
„Nein,“ gab Lana zur Antwort, „Mein Bruder war Cardassianer, sein Name war Dal Dragan T’llor, er diente auf einem Kriegsschiff. Da hatte ein Kind nichts verloren.“
„Wie ging es dann weiter?“ Animierte sie Troi zu erzählen.
Lana fuhr fort, „Wir flogen nach Celtris III. Mein Vater, Legat Goran T’llor war der Kommandant eines Gefangenenlagers dort, er nahm mich bei sich auf. Das war ungefähr einen Zyklus, bevor er nach Cardassia Prime zurückbeordert wurde. Dann zogen wir um.“
Das Erstaunen der Counsellorin war nicht so groß, wie die Sorge, die sie nach dieser Aussage in ihrem Blick erkennen ließ. Sie wusste, wie in cardassianischen Lagern mit Gefangenen umgegangen wurde: „Das muss eine furchtbare Erfahrung für ein kleines Kind gewesen sein. Ich meine, sie wurden aus ihrer Familie gerissen und zu einem fremden Ort mit fremden Personen gebracht, dazu noch in ein cardassianisches Gefangenenlager.“
„Sie befürchten das Schlimmste, Counsellor Troi. Aber mein menschliches Zuhause war nicht mehr existent, ich wurde in einer liebevollen neuen Familie aufgenommen, sie behandelten mich immer wie ihr eigenes Kind. Ich weiß, um die Geschichten, die sich über mein Volk verbreitet haben. Dass alle Cardassianer grausam mit ihren Gefangen sind, besonders zu Frauen. Aber glauben sie mir, mein Vater war ein sehr liebevoller Mann, er las mir Geschichten vor und lehrte mich lesen und schreiben, damit ich meine menschlichen Defizite ausgleichen konnte, um mit den anderen Kindern in meinem Alter mitzuhalten. Ich wurde von meiner Familie stehts beschützt.“
„Erzählen sie mir von ihrer Familie, ich möchte gerne mehr über die cardassianische Art der Kindererziehung wissen.“ Troi lächelte sie mit echtem Interesse an.
„Wir lebten zusammen mit meinem Onkel in einem großen Haus in der Hauptstadt. Ich hatte ein schönes Zimmer, einen großen Garten, ein Kindermädchen und jede Menge Spielzeug und Kuscheltiere. Mein Vater hat mich verwöhnt, er hat mir fast jeden Abend, wenn er aus dem Zentralkommando nach Hause kam, etwas mitgebracht.“ Lana hielt kurz inne: „Er starb vor zehn Jahren.“ Troi spürte, wie in Lana Trauer aufstieg, als sie den letzten Satz beendete.
„Sie haben noch gar nichts über ihre Mutter erzählt. Wie war sie?“ Wollte die Therapeutin wissen.
Lana blickte kurz an sich herunter und sah ihr dann tief in die Augen: „Die Frau meines Vaters starb im Kindsbett. Mein Bruder musste ohne Mutter aufgewachsen, so wie seine Kinder ohne Vater. Das Schiff auf dem Dragan diente, wurde vor gar nicht allzu langer Zeit von ihrer Phoenix zerstört.“
Kurz stockte Troi, einen Angehörigen zu begegnen des unglücklichen Vorfalls hätte sie nicht erwartet, zudem wurde sie mit einem Mal von Wut- und Hassgefühlen bombardiert: „Ich bedaure ihren Verlust und ich versichere ihnen, Captain Picard hat alles in seiner Macht Stehende getan, um den unberechtigten Angriff der Phoenix…“
Lana unterbrach sie barsch: „Sie brauchen sich nicht bei mir entschuldigen, ich kenne die Geschichte.“
Für einen Moment verharrten beide Frauen in Stille, Lana konzentrierte sich wieder auf ihre Willensstärke, während Troi ihr Unbehagen überdeckte, dann versuchte sie einen erneuten Ansatz: „Wenn sie nach Cardassia zurückkehren, wo werden sie wohnen?“
Lana war ein wenig irritiert von dieser Frage: „Ich werde bei meinem Onkel wohnen.“
„Natürlich.“ Sagte Troi.
„Wir Cardassianer haben ein sehr enges Familienleben. Es gibt Häuser in denen drei oder mehr Generationen zusammenleben. Und man kümmert sich gegenseitig um einander.“ Erklärte Lana.
„Sie identifizieren sich als Cardassianerin?“ Stellte sie erstaunt fest.
„Aber natürlich bin ich eine Cardassianerin. Ich habe nicht meine menschliche Identität verloren, sondern meine cardassianische gefunden. Und ich würde nun gerne wieder nach Hause gehen.“ Beharrte Lana auf ihren Wunsch. Die Therapeutin rutschte auf ihrem Sofa in eine andere Position, um ihr Unbehagen über die letzte Aussage zu verbergen. Ihre Auftrag lautete, sich Lana T’llor zu nähern, aber sie spürte, wie sich ihre Patientin immer weiter entfernte. „Ich muss dies mit Captain Picard besprechen, bis dahin können sie sich auf dem Schiff frei bewegen.“ Damit beendete sie die Therapiesitzung und stand von ihrem Platz auf. Vor der Türe stand ein Wachposten. „Natürlich,“ dachte sich Lana, „frei bewegen. Die Föderation ist so scheinheilig.“ Und dies ließ sie der Betazoidin auch spüren.
Zurück in ihrem Quartier, studierte Lana die Schiffskarte soweit sie mit ihrem Gastzugang Zugriff hatte. Allerdings war die Sternenflotte recht freizügig mit ihren Informationen. Sie las über die Mannstärke des Schiffes, sie beherbergte tatsächlich auch Familien, wo sich welche Einrichtungen, wie der Maschinenraum, oder die Shuttelrampe befand. Die Teile des Schiffes auf die sie keinen Zugriff hatte, mussten dann wohl taktische Bereiche, wie die Waffenkammer sein. „So leicht zu durchschauen,“ war ihr Gedanke dabei. Sie stellte sich die Frage, ob es je einem Cardassianer gelungen war, so detailreiche Informationen über das Flaggschiff der Sternenflotte zu erhalten. Sie suchte auf der schematischen Karte des Schiffes das so genannte „Zehn-Vorne“. Dr. Crusher bot ihr an, sich dort hin zu begeben, wenn sie sich mit anderen Leuten mal unterhalten wollte und Lana war gespannt, was diese Leute so zu erzählen hatten. Vor ihrem Quartier stand immer noch der Wachposten, der sie von Counsellor Trois Behandlungsraum zurück eskortierte. „Ach bitte verzeihen sie,“ Sprach sie den jungen Mann an, „würden sie mir bitte den Weg nach Zehn-Vorne erklären?“
„Ich werde sie dorthin begleiten, Miss T’llor.“ Sagte er in einer nicht unfreundlichen Weise. Als sie den Gemeinschaftsraum erreichte, war sie verblüfft. Das Zehn-Vorne war wohl der einzige Raum auf dem Schiff, in dem es nicht so grell war wie auf dem Rest des Schiffes, ein sogar angenehm gedämpftes Licht tauchte diesen großen Raum in eine heimelige Atmosphäre, wenn es nur wärmer wäre. Lana sah zu ihrem Aufpasser und nickte ihm dankend zu. Er blieb mit Abstand hinter ihr und ließ sie nicht mehr aus den Augen. Lana musterte mit einem Blick die illustre Gesellschaft aus Menschen, Bolianer und anderen Föderationsvölkern. Sie ordnete die einzelnen Personen ihren Rängen und Aufgabenbereichen zu, beobachtete die Interaktionen der verschiedenen Leuten, bis sich ihr Blick an einer Bajoranerin festhaftete. Sie saß alleine an der Bar und sprach mit einer kleinen Frau mit einem immens großen Hut. Es stellte sich die Frage, ob sie sich mit der Bajoranerin unterhalten, oder besser auf Abstand gehen sollte. Ein Versuch war es wert. So ging sie zur Bar und stellte sich neben die Frau, ohne groß Notiz von ihr zu nehmen. Nichts an Lana erinnerte daran, dass sie von Cardassia stammt, ihre langen gold-blonden Haare trug sie ungewohnt offen und sie hatte von der Föderation Kleidung gestellt bekommen. Sie mochte diese fröhlichen Farben und diesen zweckmäßigen Schnitt nicht sonderlich und freute sich darauf, wieder in normale Kleidung zu schlüpfen, wenn sie hier jemals wieder wegkommt. Als die kleine Barkeeperin mit dem großen Hut sie nach ihrem Wunsch fragte, wäre Lana beinahe „Kanar“ rausgerutscht, dies hätte sie aber sofort verraten. „Haben sie Dekattee?“ Fragte sie, wohlwissend, dass dies ein typisch bajoranischer Tee war, um die Aufmerksamkeit der des jungen Fähnrichs zu gewinnen.
Als sie ihr Getränk serviert bekam, sagte die kleine Frau ganz unverhohlen: „Ich habe mich schon gefragt, wann sie ihren Weg ins Zehn-Vorne finden. Ich dachte, dass sie sich bis zur Abreise in ihrem Quartier vor uns verstecken wollten.“
Lana sah sich um, sie wurde von der Bajoranerin missgünstig betrachtet, ebenso von anderen Besuchern dieser Bar. Sie schienen alle zu wissen wer sie war.
„Obwohl hier alle sehr höflich sind, fühle ich mich nicht sonderlich wohl.“ Sie rührte in ihrem Tee. „Mal schauen, ob es das Getränk meine Situation etwas angenehmer gestaltet.“ Lana spürte, dass die Barkeeperin alles über sie wusste, ihr war aufgefallen, dass die Föderationsleute sehr mitteilsam waren. „Fähnrich Ro Laren,“ sie nickte der Bajoranerin zu, „hat es hier Anfangs auch nicht sonderlich gefallen.“ Sie versuchte offensichtlich, Lana und Laren zu einem gemeinsamen Gespräch zu animieren. Lana setzte sich auf einen Barhocker und nahm einen Schluck ihres Getränks, dann erklärte sie: „Ich denke nicht, dass Fähnrich Ro und ich noch viel mehr als unser Unbehagen gemeinsam haben.“
„Was wissen sie schon über mein Unbehagen?“ Erwiderte die Bajoranerin schnippisch. Was ihre Annahme nur bestätigte, sie ist eine verbitterte junge Frau, die in der Sternenflotte ein vorübergehendes Domizil gefunden hatte. Lana betrachtete sie und meinte: „Sie sitzen hier in ihrer Freizeit an einer Bar in dem Schiff, auf dem sie dienen, anstatt ihre Heimatwelt zu besuchen, die nur ein Transporterstrahl weit weg ist.“
„Meine Heimatwelt liegt in Trümmern. Was soll ich ihrer Meinung nach dort unten machen?“ Wieder diese schnippische Art. Lana sah darüber hinweg, stattdessen bot sie ihr an: „Ich habe auf Terok Nor in der Personalverwaltung gearbeitet, ich habe Zugriff auf die cardassianischen Datenbanken der Station und kann ihnen helfen Verwandte zu finden, die sie dort besuchen können.“
Ro drehte sich zur Theke und blickte in ihr leeres Glas: „Ich glaube nicht, dass ich noch lebende Verwandte habe. Die Cardassianer sind sehr gründlich gewesen.“
„Aber wäre es dann nicht auch gut zu wissen, wo sie begraben liegen, um Abschied zu nehmen?“ Das brachte Lana einen traurigen Blick ein.
„Versuchen sie etwa Wiedergutmachung für die Leiden meines Volkes zu leisten? Da sind sie bei mir an der falschen Stelle.“ Schimpfte Ro und verließ das Zehn-Vorne.
Lana trank ihren Tee aus, nahm ihren Gehstock und verabschiedete sich wieder von der Barkeeperin: „Es war ein Fehler herzukommen.“ Im Vorbeigehen sagte sie zu ihrem Aufpasser: „Komm, mein unerschrockener Krieger, lass uns gehen.“ Und langsam dämmerte es ihr, dass der Wachposten womöglich zu ihrem Schutz da war.
Am nächsten Tag hatte Lana wieder einen Termin beim Counsellor. Es amüsierte sie ein wenig, denn sonst hatte sie ja nichts zu tun. Also setzte sie sich wieder auf das Sofa, trank von ihrem Wasser und wartete, bis Troi mit belanglosem Smalltalk begann, um das Gespräch in eine Richtung zu lenken, dass Lana etwas von sich preisgeben würde. Aber in dieser Sitzung saßen sich beide sprachlos gegenüber, bis Lana die Stille durchbrach: „Haben sie meine Frage an den Captain weiterleiten können? Ich befürchte, dass die Enterprise bald weiterfliegen wird und ich hier festsitzen werde.“
Troi erklärte: „Ja, ich habe gestern mit dem Captain gesprochen. Er möchte, das Gleiche wie ich und auch wie Dr. Crusher. Dass es ihnen gut geht. Er denk, nachdem was sie erlebt haben und hier stimme ich dem Captain zu, dass sie ein tiefgreifendes Trauma haben, das erst noch verarbeitet werden muss.“
„Ein Trauma?“ Jetzt war Lana neugierig, was sie darunter verstehen würde. „In wie weit wurde ich traumatisiert, denken sie?“
Die Therapeutin begann zu analysieren: „Sie wurden als Kind von den Cardassianern entführt und wurden von ihnen ohne Achtung auf ihre Herkunft zu einer von ihnen herangezogen. Man raubte ihnen ihre Identität und zwang ihnen eine neue auf. Und letztlich wurden sie von diesen Leuten gefangen gehalten und gefoltert. Das muss alles sehr beunruhigend für sie sein und ich möchte ihnen helfen, dies alles zu verarbeiten und zu überwinden.“
Lana verspürte, dass sie hier nicht eher wegkommt, bis sie die Counsellorin davon überzeugte, dass es hier kein Trauma gab, das zu bewältigen wäre. Und die Ereignisse der letzten Tage, wie sie es nannte, waren zwar schmerzvoll, aber Lana hatte sich auf solche Situationen eingestellt und besondere Trainingsszenarien absolviert. So begann sie zum wiederholten Mal zu erklären, dass sie ihre Familie liebe, sie wieder nach Hause möchte und um die Therapeutin zu beruhigen fügte sie noch hinzu: „Auf Cardassia werde ich die psychologische Hilfe erhalten, die ich für ein solches Ereignis benötige. Das versichere ich ihnen.“
Mit einem Nicken versuchte Troi Verständnis für ihre Lage zu signalisieren und Lana setzte nochmal an: „Meine Familie hat sich immer um mich gekümmert und obwohl ich erwachsen bin, wird sie es noch genauso machen, wie damals als ich noch zur Schule ging.“
Von diesem Satz war Troi erstaunt und sie versuchte ein erneutes Mal mehr über die Kindheit ihrer Patientin zu erfahren: „Sie sind auf eine cardassianische Schule gegangen? Wie war das für sie als Menschenkind?“
Lana musste sich beherrschen, ihre Schulzeit war nicht die glücklichste in ihrem Leben: „Ich war die Außenseiterin. Die Lehrer waren sehr bemüht mich zu integrieren, da mein Vater und auch mein Onkel sehr angesehen im, sagen wir Staatsapparat waren und sie nicht in Missgunst fallen wollten. Aber Kinder können grausam sein. Ich war die meiste Zeit allein, oder wurde gemobbt. Mein Onkel lehrte mir, wie ich die Schwächen der anderen Kinder herauslesen konnte, um sie im Falle einer Konfrontation gegen sie zu verwenden. Es gab aber einen Jungen, an den ich nicht rankam. Dieser hat mir über zwei Jahre lang jeden Tag aufgelauert und mich als Missgeburt beschimpft. Später folgten Tritte, dann schlossen sich mehr Kinder an und einmal verprügelten sie mich auf dem Nachhauseweg.“ Lana schnaufte und setzte ein süffisantes Lächeln auf: „Am nächsten Tag kam der Junge nicht mehr in die Schule, mein Onkel sorgte dafür. Ab da hielten die anderen Kinder Distanz zu mir. So konnte ich mich auf den Unterricht besser konzentrieren und ich schloss die Schule als Jahrgangsbeste ab.“
„Was war ihr Onkel von Beruf, war er auch beim Zentralkommando?“ Dies war eine Frage, die Lana mit einem nichtssagendem Lächeln beantwortete. Troi begriff, dass sie diese Frage nicht beantwortet bekommen würde. „Wie lange geht ein cardassianisches Kind in die Schule?“ Wechselte sie ihr Interesse.
Lana erklärte weiter: „Die Schule dauert sechs Jahre, anschließend tritt man seinen Übergang an. Das bedeutet, dass man als Erwachsener anerkannt wird und die Reife für eine Hochschule erlangt hat auf dem man für sein Berufsleben ausgebildet wird. Es gibt verschiedene, für Militärwesen, oder Politik. Ich wurde in Thekla aufgenommen, es gehörte nicht zu einem der Elite-Einrichtungen, aber war dennoch hoch angesehen und nur für weibliche Studentinnen.“
„War es für sie an dieser Hochschule einfacher als auf der Schule?“ Versuchte Troi mehr Informationen aus sie herauszukitzeln.
„Anfangs nicht,“ erklärte Lana, „ich war wieder die Außenseiterin, aber ich konnte damit umgehen. Ich wusste, wie ich mich verteidigen konnte, ich verstand meine Schwächen auszugleichen und die meiner Feinde zu finden. Ich hatte einen brennenden Ehrgeiz, mich Ebene für Ebene an die Spitze hochzuarbeiten. Sie müssen verstehen, man legte beim Eintritt seinen Namen ab, damit niemand wusste, wer zu welcher Familie gehört, um Bevorzugung oder Abneigung zu vermeiden. Allerdings wurde man von Eins bis Zehn durchnummeriert. Und wie sie sich denken können, wurde diejenige die Eins, die mit den besten Voraussetzungen für eine Führungsposition kam und somit aus einer der besseren Familien stammte. Und obwohl ich aus einer angesehen Familie kam und den besten Abschluss hatte, war ich doch die Zehn, Zehn Mekra der letzten Sektion. Dies wurde noch durch meinem Sitzplatz im großen Speisesaal verdeutlicht. Ich hatte den letzten Sitzplatz an der langen Bank und es durfte sich mir keiner gegenübersetzten.“
Lana versank kurz in Erinnerung an die große Halle, sie saß so weit hinten, dass sie beinahe nicht bis ganz nach vorne sehen konnte. Die Professoren saßen auf einer Empore an einer langen Tafel den Studenten zugewandt, diese saßen auf Bänken die auf die Empore zuliefen. In den ersten Reihen saßen die Praktikantinnen der dritten Ebene, es waren knapp dreißig Studentinnen die bald ihren Abschluss machen würden, dahinter die der zweiten Ebene, mit noch etwa vierzig Frauen. Dann kamen die „Frischlinge“, wie sie genannt wurden.
***
„Haben sie wieder den gleichen Ehrgeiz wie auf der Schule entwickeln können?“ Wurde Lana von Troi aus ihren Gedanken gerissen.
„Was denken Sie?“ Beantwortete sie die Frage mit einer rhetorischen Gegenfrage; „Die ersten drei Jahre waren hart. Aber ich biss mich durch. Wir hatten am Vormittag fünf Stunden Unterricht, dann war eine Stunde Pause, am Nachmittag hatten wir nochmal vier Stunden. Danach war Zeit für Selbststudien bis zum Abendessen geläutet wurde. Nach diesem hatten wir zwei Stunden, die wir frei gestalten konnten, bis wir auf den Sektionstuben sein mussten. Ich erhielt recht schnell einen Zugangs-Chip für die große Bibliothek, da ich mich in allen Fächern von meinen Mitstudentinnen durch meine Leistungen abhob. Ich verbrachte zwei Tage in der Bibliothek und dann einen Tag auf dem Trainingsplatz. Immer im Wechsel.“
Lana beugte sich zu ihrem Glas vor und nahm noch einen Schluck. Sie fürchtete, zu viel zu erzählen, aber sie hatte noch kein Wort über den Unterricht an sich verloren, oder für welches Gebiet sie sich damals spezialisierte. Nach der kurzen Pause fuhr sie fort: „Repressalien hatte ich natürlich auch dort. Niemand konnte verstehen, dass ein Mensch Zutritt zu einer der ältesten Hochschulen erhielt, alle meine Kommilitoninnen hielten mich für einen Störenfried, ein Geschwür, dass entfernt werden musste. Es gab aus der zweiten Ebene eine Clique von vier Frauen, die es auf mich abgesehen hatten…“ Wieder hielt sie inne und dachte an die Prügelei.
„Hach,“ fuhr sie fort und Troi spürte auf einmal einen Schwall Vergnügen: „ich weiß noch, ich hatte damals Putzdienst und war gerade dabei die Duschen zu reinigen, als die Vier in den Waschraum kamen. Ihre Beschimpfungen und ihre Provokationen ließ ich an mir abblitzen. Dann hielt mich eine fest und die Anführerin begann auf mich einzuschlagen. Als sie nahe genug an mein Gesicht kam, um mir wieder eine Beleidigung an den Kopf zu werfen, verpasste ich ihr eine Kopfnuss und sie taumelte mit blutender Nase davon. Während die anderen einen Moment unachtsam waren, fädelte ich mit meinem Fuß im Henkel des Putzeimers ein und schleuderte ihn gegen eine der anderen. Das Putzwasser ergoss sich über sie, dann über den Boden. Dadurch, dass es nun rutschig war, konnte ich mich mit einer Drehung aus dem Griff lösen und schlug dem Mädchen hinter mir gleich die Beine weg, dass sie stürzte. In großer Raserei begann die Jüngste der Angreiferinnen auf mich einzustürmen. Das Gebrüll drang natürlich nach draußen und Professor Grokal kam in den Waschraum und beendete den Kampf. Er zitierte uns auch gleich zum Unterpräfekten der Hochschule. Was eigentlich total unüblich war. Dazu müssen sie wissen, dass es immer zu Rangkämpfen kam, aber normalerweise fanden die in den Sandgruben auf den Trainingsplätzen und nicht in den Waschräumen statt. Wir erhielten nur eine Rüge und keinen Eintrag, weil wir zusammen geschwiegen hatten und wir uns nicht Gegenseitig beschuldigten, obwohl es offensichtlich war, dass ich als erste die Schläge einstecken musste.“
Wieder verstummte sie und erinnerte sich an das folgende Gespräch mit Professor Grokal. Er war ein junger Cardassianer, schloss erst selber vor zwei Jahren an seiner Hochschule ab und kam zu Thekla um dort Kampfsport zu lehren. „Zehn Mekra,“ Rief er ihr hinterher, als sie wieder auf dem Gang waren. Die anderen vier liefen schnell weiter und drehten sich noch kurz kichernd um. „Ja, Professor Grokal.“ Blieb sie vor ihm stehen und senkte ihren Blick. Niemand sah je einen Professor direkt in die Augen, dies war so ziemlich das Unhöflichste, was man machen konnte. Grokal klopfte ihr auf die Schulter: „Gut gemacht.“ Als er den Waschraum betreten hatte, analysierte er die Situation und erkannte, dass sich seine Studentin gegen vier ältere und trainierte Angreifer wehren konnte. Hätte er das Treiben weiterlaufen lassen, war er sich sicher, dass sie alle vier geschlagen hätte. „Wirklich gut gemacht.“ Verleite er seinem Lob noch etwas Nachdruck. Lana konnte ein Lächeln nicht mehr verbergen, daran musste sie noch arbeiten.
***
Lana atmete einmal tief ein und sperrte ihre Gefühle wieder, dann fuhr sie mit ihrer Ausbildungszeit fort: „Ich schloss die erste Ebene als beste meines Sektors ab und wurde in der zweiten Ebene zu Vier Kelvas. Ich rückte nicht nur sechs Plätze auf, sondern auch drei Sektoren vor. Das war eine große Ehre und hoffte, niemanden zu enttäuschen. Daher trainierte und lernte ich noch härter. Die freie Zeit am Abend, die andere mit müßigen Spaziergängen auf der Anlage begingen, verbrachte ich mit Büchern, Computerprogrammen, oder auf dem Trainingsplatz, um meine mentalen und kognitiven Fähigkeiten und meine Physis auf ein hohes Level zu bringen.“ Erzählte Lana weiter und war von sich selber erschrocken, dass sie unaufhörlich so freigiebig über ihre Vergangenheit sprach. Das musste der Einfluss der Freizügigkeit der Föderation sein.
Die Counsellorin, die bisher schweigend zuhörte wollte wissen: „Wie hat sich das auf das Zusammenleben mit ihren cardassianischen Kommilitoninnen ausgewirkt? Wurden sie weiter belangt?“
„Nein,“ schüttelte sie den Kopf, „im Gegenteil, ich wurde von da an respektiert und als eine von ihnen angesehen. Ab da wusste ich, dass ich eine Cardassianerin bin… Bei Teamaufgaben wurde ich immer zu Rat gezogen und ich sorgte dafür, dass unser Team immer als bestes abschloss.“
Counsellor Troi war das ganze Gespräch über erstaunt, dass, obwohl Lana T’llor so ungezwungen aus ihrer Jugend erzählte, sie keinerlei Emotionen zeigte. Nur, als sie Professor Grokal erwähnte, spürte sie eine kaum merkbare wärme, die sich in Lana ausbreitete. „Die Stunde ist nun um. Ich hoffe, dass wir uns morgen zu gleichen Zeit weiter unterhalten können.“ Sagte die Therapeutin und entließ Lana.
Ohne Umwege kehrte sie in ihr Quartier zurück und begann mit ihren Atemübungen, um sich wieder zu beruhigen. Sie spürte eine tiefe Schuld, dass sie so viel von sich preisgab, dass sie ihre Schwäche, ihren menschlichen Körper so offen präsentierte. Aber dies war wahrscheinlich der einzige Ort in der ganzen Galaxie, wo sie nicht in den Fängen ihrer Familie war und dies war genauso befreiend wie beängstigend. Sie wusste, dass sie immer überwacht wurde, auch wenn es zu ihrem Schutz war. Die Erinnerung an Grokal drang wieder durch. Sie hatte das Ereignis tief im Inneren begraben, lenkte es sie doch von ihren Aufgaben stehts ab.
An jedem dritten Tag der Woche hatten sie in den Nachmittagsstunden Kampfsporttraining. Lana blieb immer im Anschluss in der Sandgrube zurück und festigte das Gelernte, indem sie Schrittabfolge wiederholte, bis sie diese intuitiv abrufen konnte. Meistens blieb eine Kommilitonin und sie trainierten zu zweit, aber am diesen Tag war sie alleine. Nach der Unterrichtsstunde begab sie sich wie jedes Mal zu ihrer kleinen Tasche, die am Rand der Grube lag. Darin war eine Flasche Wasser und ein kleines Handtuch. Sie trocknete den Schweiß der Unterrichtsstunde ab und nahm einen Schluck. Natürlich merkte sie dabei, dass Professor Grokal auf dem Rückweg zum Hauptgebäude stehen geblieben war und sie beobachtete. Aus dem Augenwinkel hielt sie Kontakt zu ihm. Während der ersten Übung im Sand, merkte sie, dass er sich ihr näherte. Als sie ihn direkt hinter sich spürte, drehte sie sich blitzartig um und wehrte seinen Angriff ab. „Gut.“ Kommentierte er. Dann begann ein Schlagabtausch aus Angriff und Verteidigung. Der Meister hatte eine ebenbürtige Gegnerin herangezogen. Nun wollte er testen, ob sie sich aus einer misslichen Lage befreien könnte. Mit einem unvorhersehbaren Manöver brachte er Lana zu Fall und setzte sich auf ihr Becken. Gekonnt ergriff er ihre Hände und drückte sie über ihren Kopf in den Sand. Lana versuchte durch Aufstemmen der Beine ihren Angreifer von sich runter zu drücken, aber er hatte zu viel Kraft und der Winkel stimmte nicht, um sich hoch zu hebeln. Sie spürte, wie er sie immer fester und Tiefer in den Sand presste, welche Kraft er plötzlich hatte, dass es ihr nicht gelang, sich von ihrem Angreifer zu befreien. Dann drückte er beide Füße zwischen ihre Knie und begann ihre Beine auseinander zu spreizen, so konnte er sich in ihren Schoß pressen. Nun lag sein ganzes Gewicht auf ihr, was sie wiederum lähmte. Sie versuchte durch ruckartige Bewegung etwas Freiheit zu erlangen, bohrte sich aber dadurch nur tiefer in den Sand. Es war aussichtslos. In einer realen Situation wäre sie ihm nun ausgeliefert. Beide waren schwer am Atmen. Lana fixierte seine Augen, sie konnte darin seinen Sieg erkennen und dass er auf ihre Kapitulation wartete. Aber wenn sie es schaffen könnte, dass er sein Gewicht ein wenig tiefer verlagerte, wäre sie in der Lage sich zu befreien. Dann sah sie auf seinen Mund, er war leicht geöffnet und ließ seinen heißen Atem an die Luft, sie wechselte wieder den Blick zu seinen Augen und wieder zurück auf seine Lippen. Er folgte ihren Augen und auch er sah auf ihre Lippen, die sie kurz als er hin sah befeuchtete und leicht geöffnet hielt. Er verstand ihre Signale und beugte sich zu einem Kuss vor. Erst ein kleiner, um ihre Reaktion zu prüfen. Bereitwillig und mit einem leichten Lächeln erwiderte sie seinen Blick, dann folgte ein längerer Kuss. Grokal spürte, wie sich seine Energie in die Lenden bewegten und wie Lana ihre Anspannung löste. In seiner Erregung rutschte er noch ein Stück tiefer mit seiner Hüfte zwischen ihre Schenkel. Dies war der Moment, auf den sie gehofft hatte, die Falle schnappte zu. Ruckartig zog sie ihre Knie hoch und nahm ihren Angreifer zwischen seinen Rippen und dem Becken in einen Zangengriff, den sie noch verstärkte, in dem sie ihre Füße verschränkte und feste zudrückte. Leicht begann sie ihr Opfer zur Seite zu drehen, damit er das Gleichgewicht verliert und eine Hand freigeben müsste. Ihr Plan ging auf, er löste den Griff der linken Hand um sich abzustützen. Da schlug sie blitzschnell gegen seinen Kehlkopf, nicht so stark, dass er eine ernsthafte Verletzung davontrug, aber doch so, dass ihm der Atem stockte. Dann war der Rest nur noch Formsache. Sie warf Professor Grokal zu ihrer Rechten in den Sand und stand mit einem Satz wieder auf und begab sich in ihre Ausgangsposition zurück.
„Ich kapituliere.“ Röchelte der Meister zutiefst beeindruckt von seiner Schülerin und japste immer noch nach Luft. Er wollte sie durch die Andeutung eines Missbrauchs aus der Fassung bringen und dabei war es er, der die Kontrolle über sich verlor, in dem er auf ihre weiblichen Reize reinfiel. „Gut gekämpft, Vier Kelvas.“ Lobte er sie.
Lana verneigte sich vor ihm: „Ich hatte einen guten Professor.“ Nun kannte sie seine Schwäche, sie war es. Sie spürte, dass er von dem Kuss sichtlich erregt wurde und Lana konnte es nicht leugnen, sie fand Gefallen, an dem was er tat. Aber sie musste es in ihrem innersten verbergen, die Konsequenzen, sich der Leidenschaft hinzugeben wären fatal.
Vor dem Abendessen, als sich Lana gerade an ihren Platz setzen wollte, kam Grokal nochmal auf sie zu: „Vier Kelvas, kommen sie nach dem Abendessen zu mir ins Büro!“
„Ja, Professor.“ Bestätigte sie die Aufforderung.
Lana bemerkte während des Essens, dass er sie ständig beobachtete und als er seinen Platz verließ, folgte sie ihm ein paar Minuten später. Die Türe zu seinem Büro stand offen, sie klopfte dennoch höflicherweise an. „Kommen sie rein, Vier Kelvas.“ Seine Stimme klang ruhig wie immer, „und schließen sie die Türe.“
Lana befand mit gesenktem Blick in der Mitte des Raumes. Ihr Professor stand hinter seinem Schreibtisch und tat so, als ob er Papiere sortieren wollte. „Das war eine beeindruckende Leistung heute Nachmittag. Ich trainiere eine Fortgeschrittenen Gruppe jeden vierten Tag nach den Nachmittagsstunden. Ich möchte, dass sie daran teilnehmen.“
Überrascht sah sie zu ihm auf: „Das ist eine große Ehre, ich danke ihnen und werde gerne teilnehmen.“ Antwortete Sie.
„Dann möchte ich mich,“ Grokal räusperte sich, „ich möchte mich für den Kuss heute Nachmittag entschuldigen. Das war unangebracht.“
Lana konnte nicht anders als wieder zu ihm aufzusehen, dann ging sie einen Schritt auf ihn zu: „Aber es war ein schöner Kuss.“ Gab sie zu, als sich die Blicke wieder trafen. Jetzt hatte sie eindeutig die Kontrolle über sich verloren. Mit dem Kopf voller Sorgen verließ sie nach einiger Zeit das Büro wieder. Sie durfte nicht mehr an das Geschehene denken. Alleine die Gedanken daran, ließ ihren Vater Verdacht schöpfen.
***
„Und wie er Verdacht schöpfte.“ Sagte Lana zu sich selbst, als sie aus dem Fenster in ihrem Quartier sah. Ihr Blick blieb auf der Raumstation haften, die in Deep Space 9 umbenannt wurde. Es hatte sich ein Wechsel in ihrem Leben vollzogen. Sie war auf sich allein gestellt. Die Cardassianer waren fort, jetzt herrschte die Föderation über Terok Nor.
Mit einem wehmütigen Gefühl im Bauch erinnerte sie sich an ihren letzten Tag in Thekla. Neun Jahre studierte sie dort und sie hatte sich auf diesen einen, letzten Tag auf alles vorbereitet. An diesem Tag sollte Lana ihre Abschlusspräsentation vor dem Hochschulgremium vorstellen und im Anschluss noch eine Fragerunde durchstehen. Sie war auf alles eingestellt, wirklich auf alles. Jeden Abend rekapitulierte sie von ihren Träumen der letzten Nacht angefangen, bis sie sich wieder ins Bett legte den gesamten Tag. Vertiefte nochmal Gelerntes und prägte sich markante Sätze und Bilder ein, die ihr auffielen. Sie konnte alles beantworten, was ihr vorgesetzt wurde. Nur mit einem hatte sie nicht gerechnet. Als sie ihr Projekt vorgestellt hatte, murmelten die Professoren unter einander, tauschten ihre Meinungen aus und gaben dem Präfekten der Hochschule ein Pad, als sie ohne Worte den Raum verließen. Eine Person war Lana die ganze Zeit über aufgefallen. Diese saß auf einem Stuhl im Hintergrund, der Raum wurde so ausgeleuchtet, dass sie im Schein der Lampen stand und nicht hinter ihre Prüfer sehen konnte, aber sie nahm dennoch die Aura des versteckten Zuhörers wahr. Dieser erhob sich von seinem Platz und trat aus dem Schatten. Als hätte sie es nicht vorausgesehen, setzte sich ihr Vater neben dem Präfekten und nickte diesem zu.
„Zwei Kelvas,“ Begann der Vorstehende, „das war eine beeindruckende Präsentation. Wie auch sonst alles, was sie in den Jahren hier geleistet haben. Ich habe da nur noch eine Frage, die sich mir nicht erschließt. Man wollte sie zu Beginn der dritten Ebene von Vier zur Eins befördern. Warum haben sie das abgelehnt?“
Mit verschränkten Händen hinter dem Rücken, stand Lana stramm: „Präfekt, ich habe diese Ehre nicht verdient. Und aus dem gleichen Grund missfiel es mir, dass ein Mensch an der Spitze einer Sektion dieser ehrwürdigen Hochschule stehen würde.“
„Sie sehen sich als Mensch?“ Stellte er fragend fest.
„Nein, Sir.“ Antwortete sie: „Ich bin Cardassianerin, nur mein Äußeres ist menschlich. Ich habe in der Zeit, die ich hier verbringen durfte, durch harte Arbeit alle menschlichen Defizite eliminiert. Meine Erscheinung mag darüber hinwegtäuschen, aber ich denke, handle und lebe die cardassianischen Werte, Traditionen und Tugenden. Es wird für mich nie eine andere Lebensart geben.“
Der Präfekt nickte und warf dem älteren Mann neben ihm einen Blick zu. Dieser richtete sich nun an den Prüfling: „Lana, wie schön dich wieder zu sehen und wie schön zu sehen, wie gut du dich entwickelt hast.“
„Ich freu mich auch sie wieder zu sehen.“ Entgegnete sie.
„Lana, was war das damals auf dem Trainingsplatz mit Professor Grokal?“ Forderte er eine Erklärung. Sie hatte auch damit gerechnet, zwar nicht, dass die Frage von ihrem Vater kam, sein Auftreten war tatsächlich eine Überraschung, aber sie wusste genau, dass das Geschehen nicht unbeobachtet blieb. Daher erzählte sie ihm Detailgetreu, was sich in der Sandgrube abgespielt hat, dass sie seinen Schwachpunkt fand und ihn so überlisten konnte. Ihr Vater zog nach dieser Erläuterung den rechten Mundwinkel hoch und signalisierte sein Gefallen an ihrer Lösung des Problems, dann hakte er weiter nach: „Hattet ihr noch weiteren derartigen Kontakt?“
Ohne mit der Wimper zu zucken gab Lana zu, denn sie war sich sicher, er wusste alles und er hasste Lügen: „Ja, Sir. Wir haben uns am Abend nach dem Training in seinem Büro getroffen und hatten Sex. Hier bin ich in seine Falle getappt, ich habe mich von meinen Gefühlen steuern lassen. Aber Gefühle sind der Pflicht Tod. Ich konnte dieses Defizit auf andere Aufgaben kanalisieren und habe kein Bedürfnis an Sentimentalitäten, oder der Gleichen.“
Der alte Mann nickte, als die Türe geöffnet wurde und sich eine Assistentin hineinschlich. Sie lief direkt auf den Präfekten zu und versuchte ruhig zu flüstern, war aber sichtlich schockiert. Jedoch konnte jeder hören was sie zu sagen hatte: „Präfekt, es hat einen Unfall gegeben. Es geht um Professor Grokal.“ Ihre Erschütterung darüber spiegelte sich nicht nur in ihrer zittrigen Stimme wider. Jedoch nickte der Präfekt nur gelassen auf diese beunruhigende Info. Als das Fräulein den Raum wieder verlassen hatte wandte sich der Vorstehende noch ein letztes Mal an Lana: „Lana Tain, sie sind hiermit entlassen, ich gratuliere zu ihrer herausragenden Leistungen hier bei uns.“ Dann packte er seine Tasche und folgte der Assistentin.
„Lass uns gehen Lana.“ Sagte der alte Herr und erhob sich von seinem Stuhl. Beide gingen gemeinsam auf den Gang hinaus und sahen aus dem Fenster. Auf einer Trage wurde der tote Professor in den Krankenflügel gebracht. „Es musste sein.“ Sagte ihr Vater.
„Ich weiß, ich wusste es von dem Moment an, als wir uns nicht mehr beherrschten.“ Antwortete Lana und seufzte. „Schade, er war so gutaussehend. Gutaussehend und genauso ahnungslos.“
„Hol deine Sachen, ich warte vor dem Haupttor auf dich.“
***
Ende Kapitel 1