1.
Es war tiefe Nacht auf Terok Nor.
Der Präfekt schritt langsam durch die dunklen Gänge der Raumstation welche ihm in den letzten
Jahren so vertraut geworden war, wie sein Haus auf Cardassia.
Er fand keinen Schlaf, denn er stand vor einer schweren Entscheidung vielleicht der schwersten in
seinem Leben. Längst waren die Gerüchte des bevorstehenden Abzugs inoffiziell bestätigt
worden, es war nur noch eine Frage der Zeit. Die Ressourcen auf Bajor neigten sich dem Ende zu,
der Einsatz und die Verpflegung der Soldaten, die Kosten der Waffen und Schiffe überstiegen
schon die Einnahmen. Außerdem wuchsen die Verluste durch Terroranschläge der
Widerstandsgruppen stetig an, Cardassia sah längst keinen Gewinn mehr in der Besetzung und
plante den Rückzug.
Gul Dukat blieb am Aussichtsfenster stehen und sah hinaus ins All. Eine Aura der Traurigkeit
umgab ihn, denn er wusste es gab nur eine Möglichkeit, er musste Abschied nehmen von seiner
Geliebten und dem gemeinsamen Kind. Zuhause auf Cardassia erwartete ihn eine Ehefrau aus
einem mächtigen Haus und 7 legitime Kinder denen er nicht so einfach den Rücken kehren durfte,
der jüngste Sohn Mekor war gerade 5 Jahre geworden. Gerüchte seiner Beziehung zu einer
Bajoranerin waren ohnehin schon nach Cardassia gelangt und er hatte sich schon mehr als einmal
geschickt vor den Vorwürfen seiner Frau und seiner Verwandten verteidigt.
Naprems schönes Gesicht umrahmt von blondem, langem Haar tauchte in seinem Geist auf.
Das gütigste und liebevollste Wesen welches er je bei einer Frau kennengelernt hatte. Eine Frau
für die man alles aufgeben konnte und trotzdem war er nicht gewillt, gerade dies zu tun. Sie hatte
für ihn alles geopfert, als sie sich ihrer Liebe bewusst geworden waren und als sie das Kind, dass sie
erwartete behalten wollte, wandten sich ihre Familie, ihre Freunde vollständig von ihr ab.
Sie hatte größeren Mut und Liebe bewiesen, als er es ihr je vergelten konnte, das erkannte er in
diesem Moment deutlicher als je zuvor. Seine Hände umklammerte das Geländer und ein tiefer
Seufzer wich von seinen Lippen und von seiner Seele.
Er konnte sie nicht mit nach Cardassia nehmen, weder Mutter noch Tochter würden dort jemals
willkommen sein. Und auf Bajor konnten sie auch nicht bleiben, Naprems eigenes Volk hatte sich
von ihr abgewandt. Er hatte sich entschieden, er musste sie fortschicken, soweit fort als
irgend möglich.
Er schloss die Augen und dachte an den Tag vor 15 Jahren, als sie sich zum ersten Mal begegnet
waren...
Es war ein heißer Sommer Tag auf Bajor und die junge, blonde Frau wischte sich mit dem Ärmel des ohnehin schon fleckigen Kleides über die Stirn. Dann sah sie nach der Sonne um die Zeit abzuschätzen, aber es war noch nicht zu spät für ein Bad. Vorsichtig sah sie sich nach allen Seiten um, stellte dann den schweren Korb mit Obst und Gemüse in den Schatten und lief zum Ufer des kleinen Sees hinunter. Hastig zog sie das Kleid aus und sprang ins kühle Nass. Nach ein paar Runden kam sie wieder ans Ufer und warf sich das Kleid über.
In dem Moment sah sie den jungen Cardassianer der pfeifend daher schlenderte. Reaktionsschnell
versteckte sie sich hinter dem Gebüsch und beobachtete, wie er sich näherte. Sie erkannte ihn, er war der Präfekt von Terok Nor, Kommandant auf Bajor und sie war in seinem Haus auf Bajor als Küchenhilfe
angestellt. Sie hatte ihn schon ein paar Mal von Weitem beobachten können. Meistens weilte der Präfekt auf der orbitalen Raumstation, aber nutzte auch einige freie Tage um auf Bajor zu verweilen.
Gerade als sie sich überlegte, wie sie sich möglichst leise rückwärts durchs Ufergebüsch entfernen
konnte, erschrak sie ein wenig. Der Mann hatte nach einer Frucht gegriffen, welche an einem der
Büsche hing und machte Anstalten, diese zu verzehren. Ohne zu überlegen sprang sie vor und rief:
"Essen Sie die lieber nicht, Johaala sind giftig!"
Insgeheim schalt sie sich eine Närrin. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen, einen der
führenden Cardassianer loszuwerden. Aber sie hatte die Besatzer trotz allem was sie mit
angesehen und erlebt hatte, nie hassen können, es lag nicht in ihrer Natur. Selbst als sie vor 2
Jahren miterlebt hatte, wie eine Horde betrunkener Soldaten das Kloster, in dem sie sich auf ihre
Prüfung als Vedec vorbereitete, niederbrannten, die Männer töteten oder gefangen nahmen, einige
der Frauen vergewaltigten und andere darunter sie verschleppten, war kein Hass in ihr. Sie
empfand Trauer, Mitleid mit den Gefangenen und Angst vor der Zukunft.
Der junge Cardassianer hatte die Frucht erschrocken fallengelassen und starrte die schöne Frau
an. Sie schätzte ihn auf ungefähr 30, 185 groß, eher mittelgroß für einen Cardassianer, aber muskulös
und sehr schlank, fast schon hager. Er ist äußerst attraktiv... für einen Cardassianer, fügte sie schnell in ihren
Gedanken hinzu. Seine Überlegungen zur gleichen Zeit waren: Verdammt hübsch, besonders die
großen, grünen Augen. Und das Haar glänzt fast wie Gold. Schlank, aber nicht mager, wie viele
Frauen in den Lagern. Sie wird eine Hausangestellte sein, oder dergleichen...
"Ich danke...Ihnen." Er hatte eine Weile überlegt, bevor er sie siezte. Aber es schien ihm
irgendwie unangemessen, diese seltsame Frau zu duzen. "Warum haben Sie mich gewarnt? Sie
hätten sich still und leise verdrücken können. Sie aber warnen einen Feind? Wäre ich daran
gestorben? Wie heißen Sie?"
Sie lächelte. "Ja, höchst wahrscheinlich wären Sie gestorben, nach schlimmen Darmkoliken, es sei
denn, Sie hätten dieses Kraut hier innerhalb 10 Minuten gegessen, es ist ein Gegenmittel." Sie
zeigte auf ein unscheinbares Gewächs zu ihren Füßen. "Und zu Ihrer Frage, warum ich Sie
gewarnt habe: Ich achte kein Leben geringer als ein anderes, nur weil Sie zu meinen Feinden
gehören. Persönlich haben Sie mir nichts getan, darum habe ich Sie gewarnt. Es wäre nicht im
Sinne der Propheten gewesen, Sie dafür sterben zu lassen. Und mein Name ist Tora Naprem."
Sie sah ihn lächelnd, mit unschuldigen und ernsten Augen an und er war der erste, der den Blick
niederschlug.
Er sah sich um. Die Landschaft gefiel ihm und das Haus, welches er und einige Soldaten besetzt
hielten, lag nicht weit weg. Er betrachtete wieder die Büsche mit den schönen, aber giftigen
Früchten. Dann drehte er sich wieder nach ihr um und meinte: "Gar nicht zu glauben, dass diese
schönen...” Aber sie war verschwunden. Suchend sah er sich um, aber da war keine Spur von ihr
zu sehen.
2.
Eine Woche später erst sah Dukat sie wieder unter weniger schönen Umständen. Die ältere, bajoranische Köchin sprach vor und erzählte, dass man ihre Küchenhilfe entführt hätte. Erst als er den Namen des Mädchens erfuhr, war seine Langeweile wie weggeblasen und er nahm selbst an der Suche Teil. Ein paar seiner Soldaten hatten immer auf der Suche nach hübschen Mädchen Naprem entführt und in ein Haus nicht weit weg gebracht um sich mit ihr zu vergnügen. Dukat und seine Männer stürmten das Haus und als er sie dort halb nackt, mit einem geschwollenen Auge, blutenden Lippen, aber dennoch mit stolzem Blick liegen sah, wusste er, dass er sie liebte. Unerschütterlich und ohne Kompromisse... Kurze Zeit nach der Rettung schliefen sie miteinander, aber er gestand sich seine Gefühle noch lange nicht ein. Auch ihre Motive schienen ihm zu Anfang unklar, es konnte immerhin sein, dass sie es nur aus Dankbarkeit tat oder um der Küche zu entfliehen...aber dass Naprem ihn auch lieben könnte, daran wagte er lange nicht zu glauben. Erst an dem Tag, als sie ihm verriet, dass sie ein Kind erwartete und es behalten wollte, wusste er, dass sie ihn ebenfalls liebte. Sie erzählte es ihm an dem See, an dem sie sich kennengelernt hatten und sie liebten sich im Wasser und kurze Zeit waren sie glücklich. Es folgten schwere Jahre für die Beiden. Dukat musste hohe Bestechungsgelder dafür zahlen, dass so wenig wie möglich nach Cardassia durchsickerte. Und Naprem verlor ihr Volk endgültig, kein Bajoraner wollte mehr etwas mit ihr zu tun haben. Die Jahre vergingen, er verbrachte so viel Zeit als Möglich mit seiner Geliebten und dem Kind. Dann forderte ihn der Posten als Präfekt auf Terok Nor immer mehr. Seine Karriere ging vor, er kam nur noch wenig in das Haus auf Bajor. Das bedeutete aber, dass er Naprem und Ziyal nur noch selten sah, auf die Station konnte er sie nicht holen, das Risiko eines Skandals war zu groß. Aber er hörte nie ein Wort der Klage der Beiden. Dukat öffnete die Augen, unterbrach seine Gedanken an die Vergangenheit und dachte mit Unbehagen und Trauer an das, was vor ihm lag. Aber er hatte keine Wahl.
Er umarmte seine 13-jährige Tochter lange. Dukat spürte, dass sie mit den Tränen kämpfte und sich doch tapfer zurückhielt. Ihm war ebenfalls elend zu Mute. Er schickte die beiden Wesen, welche er am meisten liebte in eine ungewisse Zukunft auf einen fernen Planeten aber es gab keine andere Möglichkeit. "Wir werden uns doch wiedersehen, Vater?" raunte das Mädchen und sah ihn bang an. Er wünschte sich, dies mit Zuversicht bejahen zu können, aber er konnte sie nicht belügen...so wich er aus. "Wenn es in meiner Macht steht, sehen wir uns wieder." Sie rang sich ein Lächeln ab und er küsste sie. Ziyal wusste, er wollte sich von ihrer Mutter ungestört verabschieden, drückte ihn noch einmal an sich und verließ mit einem leisen "Jer'ev" den Raum. Naprem hatte am Fenster gestanden, jetzt drehte sie sich um. Im Gegensatz zu ihrer Tochter hielt sie die Tränen nicht zurück. Er wusste nicht was er sagen sollte, etwas schnürte ihm die Kehle zu, so sprach sie: "Ich wusste, dass dieser Tag einmal kommen würde. Ich werde dir keine Vorwürfe machen, nicht klagen, es nicht noch schwerer machen...Du kannst nicht anders handeln, ich weiß es."
Er trat auf sie zu und wischte mit seiner rechten die Tränen von ihrem Gesicht. Dann umarmten sie sich und schwiegen eine Weile. Schließlich fanden sich ihre Lippen zu einem letzten, langen Kuss. Dann löste sie sich aus seinen Armen, ging ein paar Schritte und sah noch einmal zurück. Er
hob halb die Arme wie um sie zurückzuhalten, aber sie wussten Beide, es gab keine Zukunft für sie. Sie glaubte nicht an ein Wiedersehen, so kam das cardassianische Abschiedswort nicht über ihre Lippen. Langsam verließ sie das Quartier, in dem sie so glücklich waren. Er schauderte ein wenig, ihm war schwindlig, es war ein Gefühl, als hätte er sie getötet. Tränen liefen über seine graue Haut und er schämte sich ihrer nicht.
Er ging zum Fenster und sah auf die schöne Natur hinaus, es war wieder Sommer, wie zu der Zeit, als er sie kennengelernt hatte. Die Natur prangte in allen schönen Farben aber er konnte sich nicht daran erfreuen. Am liebsten wäre er ihr nachgegangen und mit ihr und Ziyal fortgelaufen, fort von Cardassia, seiner anderen Familie, seiner Karriere...aber er konnte es nicht tun, nicht in diesem Leben.
ENDE