Kapitel 1 - Neuer Freund
Die provisorische Regierung bestand aus Bajoranern und wurde nun zusätzlich unter den Schutz der Föderation gestellt. Dies galt sowohl für den Heimatplaneten Bajor als auch für die im Alpha Quadranten stationierte Raumstation Deep Space Nine, welche sich unweit von Bajor befand. Der vorige Name der Station war Terrok Nor gewesen, wie die Cardassianer sie ursprünglich nannten, da diese sie zuvor noch genutzt hatten. Cardassia hatte Krieg gegen Bajor geführt auf dessen Planeten bis es schließlich ein Friedensabkommen gab, was auch mit dem Eingreifen der Föderation in den Krieg zu tun hatte.
Alles befand sich noch in einem Neuanfang, auch auf der Station selbst. Bis auf einen einzigen Cardassianer hielt sich keiner dieses Volkes mehr hier auf. Ansonsten liefen unterschiedliche Spezies von Aliens rum: Bajoraner, Romulaner, Vulkanier, Klingonen, Ferengi, Trill, Menschen, ein Wechselbalg und weitere Wesen, die der Cardassianer noch nicht kannte. Was das anging, kamen nicht wenige der Spezies von der Föderation.
Für Elim Garak bedeutete es, das Beste aus seiner Situation zu machen. Zurück konnte er nicht gehen, also zurück nach Hause. Man hatte ihn ins Exil verbannt.
Die Bajoraner hatten nicht viel für ihn übrig aus nachvollziehbaren Gründen, doch selbst andere Stationsbewohner meideten ihn. Sicherlich käme weggehen von hier in Frage, doch wohin sollte Elim gehen, selbst wenn man ihm eine Fähre zur Verfügung stellen würde oder ein anderes Raumschiff ihn mitnähme?
Durch den brutalen Krieg der Cardassianer bzw. deren Niederlage machten sie sich nicht gerade Freunde. Auch die Föderation verteilte sich im Quadranten und es würde sicherlich lange dauern in einen anderen Quadranten zu gelangen. Wenn er zu weit weg reiste, würde er dort niemanden kennen.
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Dr. Julian Bashir trat die Stelle als leitender Chefarzt auf der Raumstation Deep Space Nine an. Als noch junger Arzt kam er mit abgeschlossenem Studium und viel Tatendrang zu ihnen. Gespannt freute Julian sich auf die Besatzungsmitglieder mit denen er zusammenarbeiten würde, auf die Patienten und natürlich auf spannende, medizinische Erkenntnisse verbunden mit Forschung. Gleichzeitig verspürte er eine leichte Nervosität, welche er durch seinen Rededrang wettzumachen versuchte. Dies wirkte auf so manchen etwas anstrengend.
Obwohl der Doktor gut aussehend war, besaß er ein eher schüchternes Wesen, besonders im Umgang mit Frauen. Seine letzte Freundin hätte Julian sicherlich später geheiratet, wenn er sich nicht für eine Karriere bei der Sternenflotte entschieden hätte. So manches Mal fragte er sich, ob diese Entscheidung richtig gewesen ist. Die erste große Liebe aufzugeben tat weh. Er versuchte nicht daran zu denken.
Einige seiner Kollegen lernte Julian gerade erst kennen, wodurch sie noch nicht gut einschätzbar waren. Alle schienen sich jedenfalls zu respektieren nach seiner Ansicht. Der Commander namens Benjamin Sisko, Chief O’Brien und der Wechselbalg Odo kamen ihm wie Männer mit Erfahrung vor. Wenngleich beim letzteren unklar war, ob er einem Geschlecht zugeordnet werden konnte.
Zu den weiblichen Offizieren auf der Ops, dem Kommando Operationszentrum der Station, vergleichbar mit der Brücke eines Raumschiffes, gehörten Major Kira Nerys (eine Bajoranerin) sowie die Wissenschaftsoffizierin Jadzia Dax (eine weibliche Trill). Bereits bei seiner ersten Begegnung mit ihr fühlte er sich von ihr angezogen. Jedoch bescherten seine Flirtversuche ihm bislang keinen Erfolg. So musste er es wohl auf der freundschaftlichen Ebene belassen.
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Der Cardassianer betrieb ein Bekleidungsgeschäft auf Deep Space Nine (Garaks Kleider) und ging dort dem Beruf des Schneiders nach. Von irgendetwas musste er ja leben und eine Arbeit verrichten, die zwar verglichen mit seinen Vorgängertätigkeiten nicht sehr fordernd erschien, doch zumindest brachte er dadurch seine Kunden zum Plaudern, was ihm noch nützlich sein konnte.
Hin und wieder verließ er die Geschäftsräume und sein eigenes Quartier um etwas zu essen und sich unter die Leute zu mischen. Zu viel Selbstisolation tat ihm nicht gut; zudem musste er sich auf dem Laufenden darüber halten, was auf der Station vorging.
Freunde hatte Elim hier keine gefunden, in seiner Heimatwelt hielten sich aber welche auf. Die Fremden auf der Station meideten ihn überwiegend aus Furcht oder Verachtung, was ihn zum Außenseiter machte. Aushalten konnte er das nur durch die Wirkung einer Substanz, die ein Implantat in seinem Gehirn freisetzte, wenn er sie aktivierte.
Beim Betreten der Bar „Quarks” auf dem Promenadendeck überlegte Elim, was er essen wollte, als er jemand Neues erblickte, den er zuvor noch nie gesehen hatte: einen männlichen Menschen, jung, sehr attraktiv, in Offiziersuniform.
Der Teint des Menschen war dunkler, kurze, braune, gepflegte Haare und braune Augen mit einem Hauch olivgrün. „Welch eine Augenweide!”, schoss es ihm durch den Kopf. Erregung umfasste ihn, die jedoch unter der großzügig geschnittenen Kleidung des Schneiders niemandem auffallen würde.
Sogleich begab er sich in dessen Richtung zu einem Tisch, an dem der junge Mann allein saß. Elim sprach ihn an und stellte sich als Garak vor, während dieser ihn überrascht musterte. Julian kannte den Mann zwar nicht, doch wurden ihm im Vorfeld diverse Gerüchte zugetragen, nach denen es genau einen Cardassianer auf Deep Space Nine gab, der die Station als Einziger nicht verließ.
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Höflich nannte Julian ihm ebenfalls seinen Namen. Gerüchte hin oder her, vielleicht sollte er ihn einfach direkt fragen, ob diese stimmten.
„Es heißt, Sie seien ein auf die Raumstation eingeschleuster Spion, der für Cardassia tätig ist. Ist das wahr?” Die unerwartete Direktheit des Menschen amüsierte Elim. Seine hellblauen Augen leuchteten vor Vergnügen auf.
„Das sagt man also. Interessant. Also falls ich wirklich ein Spion wäre, dann müsste man mich ja wohl längst enttarnt und zurückgeführt bzw. inhaftiert haben. Tatsächlich bin ich nur ein einfacher Schneider der hier ein Bekleidungsgeschäft betreibt.”
Nun fragte der Doktor sich, ob er sich über ihn lustig machte. Wieso tat er das gerade ausgerechnet an diesem Ort? Als Schneider tätig sein - dies könnte er genauso gut auf Cardassia tun. „Und das soll ich Ihnen abkaufen?”, lautete Julians rhetorische Erwiderung, die nicht sehr überzeugt klang. „Als nächstes behaupten Sie noch, Sie hätten keine Alternative gehabt.”
Elims Gesicht verzog keine Miene, das Lächeln blieb bestehen. „Es ist eine Tatsache, ich bin Schneider und mir bleibt auch nichts Anderes übrig. Ich kann hier nicht weg.”
Seine Schlussfolgerung aus dessen Aussage hieß wohl, dass der Cardassianer verstoßen worden sein musste. Er überlegte kurz und sagte dann: „Demnach sind Sie also ein Ausgestoßener oder doch eher ein Spion, vielleicht sogar beides.”
Die Antwort erfolgte sogleich. „Ich habe nie behauptet, irgendetwas davon zu sein.” Ihm entfuhr ein leises Lachen, auf das Elim einstimmte.
„Wie ist es mit Ihnen? Welchen Beruf üben Sie aus?”, wollte er wissen.
„Ich bin Doktor und der medizinische Leiter auf der Station.”
Der Ton des Cardassianers wirkte verzückt. „Oh, wie schön! Dann habe ich jetzt einen neuen Freund gefunden und wir werden uns öfters sehen!” Beim Wort „Freund” trat er hinter Julians Rückseite und legte die Hände auf dessen Schultern, was den Doktor unwillkürlich zusammenzucken ließ ob der unerwarteten Berührung.
„Wir könnten das nächste Mal zusammen Mittagessen”, schlug Elim vor und trat wieder vor Julians Vorderseite. Etwas verblüfft und noch immer irritiert erklärte er sich damit einverstanden und konnte gar nicht sagen, warum er seinem Angebot zustimmte.