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Ins Schwarze

von MariaMagdalena

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Verkrampft hielt Hoshi die Waffe in der Hand. Dieses widerspenstige Stück Metall und Kunststoff, gegen das sie mittlerweile eine aufrichtige Abneigung entwickelt hatte. Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und zuckte zusammen.

„Noch einmal: Konzentrieren Sie sich! Es ist kein Wunder, dass Sie den Schuss verziehen, wenn Sie keine ordentliche Standfestigkeit haben.“ Lieutenant Reeds Stimme war immer noch ruhig, doch eine gewisse Gereiztheit konnte er nicht mehr verbergen.

Sie lernte ihm zu langsam, das wusste sie. Dabei gab sie sich doch alle erdenkliche Mühe! Sie wollte ihn nicht enttäuschen - wo er doch so viel Zeit investierte, um ihr die Grundlagen des Schießens und der Selbstverteidigung beizubringen. Aber es schien, als sei sie einfach nicht dazu geboren, mit einer Waffe umzugehen. Sie wusste, dass es an ihr lag. Trotzdem hätte sie das Teil am liebsten auf den Boden gepfeffert. Sie war kurz davor, vor Enttäuschung zu weinen. Ihr gelang doch sonst alles, was sie anpackte! Niederlagen war sie nicht gewohnt. Und Waffen noch weniger.

Reed deutete die richtige Position für ihre Füße an und richtete ihre Arme aus. Wäre sie nicht so frustriert gewesen, hätte sie sich sicher über diesen seltenen Moment des Körperkontakts gefreut. Seit ihrem ersten Tag an Bord der Enterprise hegte Hoshi eine gewisse… Faszination für den zurückhaltenden Sicherheitsoffizier. Umso schlimmer, dass sie ihm die simple Freude, das Ziel zu treffen, nicht machen konnte.

Noch einmal versuchte sie sich auf das projizierte Ziel zu konzentrieren, obwohl sie wusste, dass sie längst zu überspannt war. Entgegen Reeds Instruktionen hielt sie die Luft an, zielte und schoss - einen halben Meter daneben.

=A=

Malcolm seufzte. „Schluss für heute“, kommandierte er. Ensign Sato verließ eilig mit hängenden Schultern den Raum. Er wusste, dass sie sich Mühe gab, aber das war nicht genug. Sie schoss miserabel. Als Sicherheitsoffizier oblag ihm das Waffentraining der Crew, und damit die Ausbildung des Grünschnabels Sato. Möglich, dass sie die Beste für den Posten des Kommunikationsoffiziers war. Er würde die Entscheidungen seines Captains niemals in Frage stellen. Aber Malcolm hielt es doch für sehr… problematisch, einen in militärischen Dingen derart unerfahrenen Ensign mit in den Weltraum zu nehmen. Zwar musste die Frau das normale Training der Sternenflotte durchlaufen haben, doch in ihren praktischen Übungen ließ sich wenig davon vermuten. Nun, er würde es der Linguistin schon beibringen. So lautete schließlich sein Dienstauftrag, und Malcolm erfüllte seine Aufträge stets.

=A=

Eilig flogen ihre Finger über die Konsole. Ihre Schicht war vorbei, und der Dienstplan hatte ihr soeben bestätigt, dass die von Lieutenant Reed noch andauerte. Mit einem Nicken verabschiedete sie sich von ihm und den anderen Kollegen und verließ die Brücke. Im Turbolift wählte sie das D-Deck an. Kurz darauf betrat sie das Waffendeck. Den jungen Ensign, der dort Dienst hatte, bat sie um eine Waffe und eine Übungssimulation. Er folgte ihr in den benachbarten Frachtraum, den sie zu Schießübungen nutzten, vertiefte sich dann jedoch in ein Padd, statt ihr beim Training zuzusehen. Sie kam nicht zum ersten Mal hierher. Ihre miserable Trefferquote kannte er.

Nachdem sie die Simulation beendet hatte, blickte sie fast zufrieden auf den Bildschirm, der ihr die Zusammenfassung zeigte. Sie war immer noch schlecht, ja, aber sie wurde besser. Fast schon freute sie sich auf die nächste Übungsstunde mit Reed. Obwohl sie seinen Ansprüchen natürlich längst noch nicht genügte…

=A=

Gedankenverloren starrte Malcolm Sato hinterher, als sie die Messe verließ. Sein Freund Trip Tucker sah in dieselbe Richtung. „Netter Hintern, eh?“ fragte er mit einem anzüglichen Grinsen.

„Was?“ Malcolms Blick fixierte den Commander, ging dann zurück zu Sato, die gerade aus seinem Blickfeld verschwand. „Sicher“, sagte er dann zerstreut.

„Und ich dachte schon, du hättest tatsächlich einmal einer Frau hinterher geguckt“, seufzte Trip kopfschüttelnd.

„Archer will, dass Sato mit auf Außenmissionen geht“, berichtete Malcolm, mindestens ebenso resigniert wie sein Freund. „Aber im Training mit der Waffe ist sie verdammt schlecht...“

Beide Männer seufzten tief.

„Deine Sorgen möchte ich haben“, sagte Trip.

=A=

Wieder stand sie breitbeinig auf dem Waffendeck, die verhasste Phasenpistole im Anschlag. Die Ruhe, die sie mittlerweile während ihrer außerplanmäßigen Übungsstunden verspürte, wollte sich heute nicht einstellen. Sie atmete tief ein und aus. Mittlerweile wusste sie, dass sie den kleinen Punkt in der Mitte der Zielscheibe treffen konnte. Es war möglich. Aber nicht, wenn Lieutenant Reed ihr dabei zusah.

„Sie müssen Ihre Füße in einen leichten Ausfallschritt setzen“, korrigierte er. Sein Ton war absolut korrekt und angemessen, doch sie fuhr zusammen, als hätte sie ein Peitschenhieb getroffen. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie es diesmal richtig machte!

„Die Pistole höher! Sie muss mit Ihren Augen eine Linie bilden“, erinnerte er sie. Unsicher hob sie die Arme und verlagerte dabei ihr Gewicht.

„Nein, jetzt ist Ihr Schwerpunkt zu weit vorn.“ Sie hatte noch nicht einen einzigen Schuss abgegeben und fühlte sich bereits als völliger Versager. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so nervös machte und sie um jedes Selbstvertrauen brachte?

Nachdem er ihren Körper in vielen kleinen Schritten in die richtige Position kommandiert hatte, gab Reed endlich den Schießbefehl. Sie traf die Scheibe am äußersten Rand.

=A=

„Na sehen Sie, das ist doch schon mal etwas“, sagte Malcolm. Am liebsten hätte er vor Frust den Kopf gegen die Wand geschlagen. Diese Frau lernte es einfach nicht! Er zwang sich, ruhig zu bleiben und dachte an die Fortschritte, die seine Experimente mit den Photonen-Torpedos machten. Sofort hatte er dieses warme Gefühl in der Bauchgegend, und ein unverhofftes Lächeln schlich sich in sein Gesicht.

=A=

„Was halten Sie davon, wenn Sie uns begleiten, Ensign?“ fragte Captain Archer gutgelaunt. „Es wird ganz harmlos. Wir sehen uns bloß den Planeten ein wenig an. Scheint, als wäre das ein hübsches Plätzchen dort unten.“

Hoshi willigte ein. Gemeinsam mit ihrem Captain, dem Subcommander und dem Sicherheitschef bestieg sie das Shuttle.

=A=

Malcolm behielt pflichtbewusst alle Richtungen im Auge, während er an Satos Seite durch den dichten Wald des Planeten stapfte. Das Team hatte sich aufgeteilt, um die nähere Umgebung zu erkunden. Währenddessen dachte er jedoch ununterbrochen und mit großer Hingabe an die phänomenale Explosion, die der Torpedo im jüngsten Freiversuch produziert hatte. Er war sich sicher, dass seine Feinabstimmungen und Updates in der Steuerungsmatrix das Zerstörungspotenzial um 10 bis 15 Prozent steigern könnten. Wie stolz würde Captain Archer auf ihn sein, wenn er ihm sein Baby vorführte!

=A=

Hoshi watete bis zu den Knöcheln in Selbstmitleid. Da stapfte sie hier neben einem fantastisch aussehenden Mann her, auf einem einsamen, idyllischen Planeten. Eigentlich hatte sie nun ihre große Chance, dem introvertierten Briten näher zu kommen. Wenigstens über Dinge wie seine Lieblingsmusik, seine Essgewohnheiten, seine Camping-Erinnerungen hätten sie sich unterhalten können. Aber Reed redete mit ihr nicht einmal über das Wetter. Sie traute sich nicht, von sich aus ein Gespräch in Gang zu bringen. Wahrscheinlich wollte er einfach nicht mit ihr sprechen. Möglicherweise waren Menschen, die auf 20 Meter Entfernung nicht ins Schwarze treffen konnten, keine angemessenen Gesprächspartner für den Lieutenant. Sie seufzte. Womöglich war sie der Wahrheit damit erschreckend nahe gekommen.

=A=

Ein Knacken im Geäst ließ ihn aufhorchen. Ein Schatten kam auf ihn zugesprungen und gab ein Furcht erregendes Fauchen von sich. Mit voller Wucht traf er ihn am Oberkörper und ließ ihn zu Boden prallen. Sein Kopf schlug gegen einen Ast. Kurz bevor er das Bewusstsein verlor, hörte er den Strahl einer Phasenpistole. Er registrierte, wie das enorme Gewicht von seinem Körper gerissen wurde und sank in eine verlockende Schwärze.

=A=

Hoshi zitterte am ganzen Körper. Die Kreatur, die Malcolm Reed angegriffen hatte, lag schlaff neben ihm auf dem lehmigen Waldboden. Sie glich einem Tiger, schien jedoch keinen Hals zu besitzen. Der breite Kopf hob sich kaum von dem massigen, schwarz-grau-weiß gestreiften Körper ab. An seiner Seite qualmte das versengte Fell, wo die Pistole ihn getroffen hatte.

Sie versicherte sich, dass das Tier wirklich tot war. Dann kniete sie neben dem Sicherheitsoffizier nieder. Eigentlich konnte er nicht schlimm verletzt sein. Der Tiger hatte ihn lediglich mit seiner Masse umgestoßen. „Lieutenant“, flüsterte sie und rüttelte sanft an seinem Arm.

=A=

Malcolm schlug die Augen auf. Er blickte in Ensign Satos besorgtes Gesicht. Vorsichtig richtete sie ihn auf. Ihre Hände an seinem Körper verunsicherten ihn. Dann fiel sein Blick auf den toten Tiger neben ihm. „Haben Sie… Sie haben… tatsächlich…“ stammelte er, als er die Todesursache der Kreatur erkannte. Seine Augen wanderten zurück zu seiner Kollegin. Eine Welle aus Stolz und Entzücken spülte über ihn hinweg.

„Ich habe einfach geschossen“, erklärte sie. „Ich weiß nicht, ob meine Körperhaltung perfekt war, aber ich habe getroffen.“

Anerkennend klopfte er ihr auf die Schulter. „Das haben Sie hervorragend gemacht“, lobte er. Erstaunt stellte er fest, dass er beinahe ebenso viel Stolz auf sie empfand wie auf seine Torpedo-Updates. Er hatte es geschafft!

=A=

Das Lächeln, das Reed ihr schenkte, entschädigte sie für vieles. Es war ein so ehrliches, aufrichtiges Lächeln, ein so anerkennender Blick, dass sie sich fast fragte, ob sie sich nicht doch noch Hoffnungen machen könnte. Wenn sie das Schießen noch ein bisschen perfektionierte… Vielleicht würde es ihr eines Tages sogar Spaß machen.

ENDE
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