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Unterwegs

von MariaMagdalena

Kapitel 1

Hoshi hatte das Gefühl, jemand drücke ihr mit Macht die Augen zu. Ihre Akkus waren leer, und ihr Hirn stellte einfach seine Arbeit ein. Es hätte nicht viel gefehlt, und ihr Kopf wäre auf der Konsole aufgeschlagen, so unsagbar müde war sie. „Ich weiß gar nicht, warum ich in letzter Zeit so schnell schlapp mache“, murmelte sie halblaut zu sich selbst. „Ich hab doch neun Stunden geschlafen, und das wie ein Stein.“

Subcommander T’Pol blickte zu der Linguistin herüber. „Wenn Sie sich nicht wohl fühlen, sollten Sie die Krankenstation aufsuchen“, befahl sie.

„Das werde ich, Ma’am“, versprach Hoshi. „Nach meiner Schicht.“ Sie fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn und massierte sich dann mit Daumen und Mittelfinger die Schläfen. Kopfschmerzen hatte sie auch. Wahrscheinlich hatte sie sich wirklich einen Infekt eingefangen. Die ganze letzte Woche über waren die Beschwerden heraufgezogen. Na ja, was hieß Beschwerden: Diese bleierne Müdigkeit eben, oft gepaart mit dumpfen Kopfschmerzen und hin und wieder einer leichten Übelkeit. Außerdem kündigte sich ihre Periode an, mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen, die sie zu bieten hatte. Mit Leidensmiene legte sie nun beide Hände in die Nierengegend und wünschte sich, sie hätte eine Wärmflasche hier.

„Gehen Sie ruhig jetzt, Ensign.“ Captain Archer hatte den Wortwechsel mit angehört und blickte gutmütig-besorgt auf seinen Kommunikationsoffizier. „Je eher Phlox Sie wieder herstellt, desto besser. Lassen Sie sich etwas gegen die Grippe geben und legen Sie sich hin. Wir kommen schon ohne Sie klar.“

Erst wollte sie widersprechen, doch das machte keinen Sinn. Sie brauchte Schlaf. So konnte sie ohnehin nicht vernünftig arbeiten. Sie nickte ihrem Captain dankbar zu und verließ die Brücke.

~*~

Dr. Phlox untersuchte sie mit seinem medizinischen Scanner. „Keine Erkrankungen aufgrund von Viren oder Bakterien“, stellte er fest. „Ich werde Ihnen ein wenig Blut abnehmen. Vielleicht haben Sie eine Mangelerkrankung oder eine hormonelle Störung.“

Hoshi ließ die Prozedur mit ausdrucksloser Miene über sich ergehen. Egal, was es war, Hauptsache, sie könnte sich bald in ihrem Bett ausstrecken und die Augen zumachen.

„Einen Moment, ich werde den Computer einige Tests mit der Blutprobe durchführen lassen“, kündigte der Doktor an. Ehe das Programm auch nur hochgefahren war, war Hoshi bereits eingeschlafen.

~*~

Sie erwachte und spürte sofort, dass sie mehrere Stunden geschlafen hatte. Sie sah sich um und stellte fest, dass sie sich immer noch auf der Krankenstation befand. Dr. Phlox hatte einen Vorhang um ihre Liege gezogen. Sie vergewisserte sich, dass sie an keinerlei Infusionen oder ähnlichem angeschlossen war und setzte sich auf. Ein bisschen schwindelig war ihr, sonst ging es ihr gut. Sie stand auf und schob den Vorhang beiseite.

„Doktor?“ fragte sie.

Der Denobulaner blickte von seinem Schreibtisch auf. „Ah, Sie sind wach“, bemerkte er.

„Bin ich krank? Was fehlt mir?“ fragte sie. Zwar fühlte sie sich nun okay, doch dass sie so lange geschlafen hatte, verunsicherte sie.

„Setzen Sie sich, Ensign“, schlug Phlox vor und deutete auf einen Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch. „Ich habe eine gute Nachricht für Sie“, begann er. „Sie sind völlig gesund.“

Sie wusste sofort, dass das nicht alles war. Das dicke Ende kam erst noch. „Aber?“ hakte sie also nach.

Phlox grinste von einem Ohr zum anderen. „Aber es gibt einen Grund, Ihnen zu gratulieren: Sie sind schwanger!“

Hoshi hatte das Gefühl, einen Schlag in die Magengrube zu bekommen. „Bitte was?“ fragte sie mit ungläubigem Gesicht.

~*~

Es dauerte eine ganze Weile, bis sie Phlox glaubte, dass er sich keinen Scherz erlaubte. Sie bestand darauf, den Bluttest zu wiederholen, und als auch der ein positives Ergebnis brachte, führte der Arzt einen Ultraschall-Scan durch und zeigte ihr einen winzigen Punkt in ihrer Gebärmutter, aus dem sich wirklich und wahrhaftig ein Baby entwickeln sollte.

„Das ist wirklich unglaublich“, sagte Hoshi, als sie es beim besten Willen nicht mehr leugnen konnte. „Ich kann mir nicht erklären, woher das Kind kommen sollte.“

Phlox warf ihr einen taxierenden Blick zu. Für einen Moment fürchtete sie, er würde ihr die Geschichte von den Bienchen und den Blümchen erzählen. Dann fragte er: „Sie haben also in der letzten Zeit keinen Geschlechtsverkehr gehabt?“

Hoshi errötete, sagte aber: „Nein.“ Auf den zweifelnden Blick des Doktors hin ergänzte sie: „Zumindest nicht in den vergangenen fünf Monaten.“

„In den vergangenen – oh, ich verstehe: Risa“, schlussfolgerte der Denobulaner amüsiert. „Gehörte Ihr Partner einer anderen Spezies an?“

Hoshi nickte und dachte an Ravis. Sie hatte ihn nicht sonderlich vermisst. Nun, schließlich hatte sie ihn in den zwei Tagen auf Risa auch kaum kennen lernen können.

„Dann kann es sein, dass die Spermien deutlich langlebiger sind und in Ihrem Körper überdauern konnten. War es ein Risaianer?“

Sie sah ihrem Arzt an, dass die medizinische Seite ihres Problems ihn zu fesseln begann. Sie selbst war sich nicht sicher, ob sie die nötige Faszination aufbringen konnte. „Nein. Er kam aus dem Polyx-System, von einem Planeten, dessen Namen nicht einmal ich aussprechen konnte.“

„Dann wundert es mich nicht, dass Sie sich von ihm angezogen fühlten“, witzelte Phlox. „Ich hoffe, Sie können den Namen wenigstens buchstabieren, damit ich etwas über diese Rasse in der vulkanischen Datenbank herausfinden kann.“

„Doktor“, unterbrach Hoshi ihn. „Ich habe darauf bestanden, dass wir geschützten Geschlechtsverkehr hatten.“ Sie dachte an Ravis’ Gesicht, als sie ihm das Kondom übergezogen hatte. Er hatte es für eine menschliche Sex-Praktik gehalten, sich jedoch zum Glück nicht beschwert.

„Wir sollten trotzdem nicht ausschließen, dass dieser Mann als Vater Ihres Kindes in Frage kommt. Selbst wenn kein sichtbarer Schaden an dem Verhütungsmittel entstanden ist. Oder haben Sie eine andere Idee?“

Nein, die hatte sie nicht.

~*~

Hoshi ging in ihr Quartier, wie der Captain und auch Phlox ihr geraten hatten. Sie musste nachdenken. Doch ihre Gedanken schwappten immer wieder zu alltäglichen Dingen zurück. Irgendwie schien sich ihr Kopf noch zu weigern, diese Neuigkeit zu realisieren: Sie war schwanger.

Wie lächerlich!

Natürlich wollte sie irgendwann Kinder haben. Das war für sie keine Frage. Aber jetzt doch noch nicht! Sie war jung, sie hatte einen Traumjob – und sie hatte *keinen* Mann. Sie hielt sich nicht für übermäßig konservativ, aber sie hatte immer angenommen, dass sie, wenn es soweit war, die übliche Reihenfolge einhalten würde. Ein Vater gehörte doch einfach dazu!

Es wäre unmöglich, Ravis zu kontaktieren. Sie hatten bewusst keinerlei Kontaktadressen ausgetauscht. Es war schließlich nichts anderes gewesen als ein One Night Stand. Sicher, sie hatten eine wunderschöne Zeit verbracht – aber als Vater ihres Kindes konnte sie sich den ernsten Fremden beim besten Willen nicht vorstellen.

Und wie sollte es überhaupt mit ihr weitergehen? Sie musste den Captain benachrichtigen. Daran führte kein Weg vorbei. Phlox hatte ihr jedoch geraten, damit bis morgen zu warten. Bis dahin wollte er sehen, ob er etwas über Ravis’ Spezies herausfinden konnte und allerhand gynäkologische Untersuchungen an ihr vornehmen. Da Hoshi keinerlei Euphorie über die Schwangerschaft zeigte, scheute sich der Arzt nicht, ihr den Grund dafür zu nennen: Es war eher selten, dass unterschiedliche Spezies ohne weiteres genetisch kompatibel waren. Dass ihre Schwangerschaft ein unglückliches Ende nehmen würde, war also nicht nur zu befürchten, sondern sogar ziemlich wahrscheinlich. Wenn Ravis der Vater war.

Und wer sollte es sonst sein? Vor der Begegnung mit ihm hatte Hoshi ihr Weltraumleben enthaltsam verbracht. Und danach auch. Zwar gab es unter der Besatzung einige, die sie attraktiv fand – allen voran Commander Tucker, der wohl keine fühlende Frau kalt ließ, und auch der geheimnisvolle Lieutenant Reed war auf seine Weise anziehend – doch war ihr Verhalten zu professionell und ihre Stellung zu arbeitsintensiv, als dass sich jemals etwas anderes als ein unverbindlicher Flirt ergeben hätte.

Die Türglocke ertönte. „Herein“, beschied Hoshi, auch wenn ihr momentan wirklich nicht nach Gesellschaft zumute war.

Travis Mayweather trat in ihr Quartier. „Ich wollte nur nachsehen, wie es dir geht“, erklärte er. „Alles in Ordnung mit dir?“

Sie nickte. Der sympathische, unkomplizierte Pilot war mit der Zeit zu einem guten Freund geworden. Doch soweit, sich ihm mit ihrem Problem völlig anzuvertrauen, ging ihre Freundschaft nicht. „Wird schon wieder“, sagte sie daher unverbindlich.

„Hat Phlox dich vom Dienst freigestellt?“ fragte Travis. Da Hoshi ihn nicht gebeten hatte, Platz zu nehmen, stand er unentschlossen an der Tür.

„Darüber haben wir gar nicht gesprochen“, fiel ihr auf. „Nein, ich nehme an, dass ich meine Pflichten wie üblich erfüllen kann.“

„Ich hoffe, du hast nichts Schlimmes?“ Seine Stimme war besorgt, aber völlig arglos.

„Nein, nichts Lebensbedrohliches.“ Sie versuchte ein Lächeln, sah aber an seinem Gesicht, dass ihn das nicht abspeiste. „Es ist etwas… Gynäkologisches“, redete sie sich daher heraus.

Travis nickte verständnisvoll und vertiefte das Thema nicht weiter. Da er unbedingt etwas für sie tun wollte, bat sie ihn, ihr eine Wärmflasche zu bringen, bevor er sie allein ließ. Sie fühlte sich immer noch, als würde jeden Augenblick ihre Periode einsetzen. Vielleicht erledigte sich ihr Problem schneller als gedacht, überlegte Hoshi, milde erstaunt über ihre eigene Kaltschnäuzigkeit.

~*~

Am nächsten Morgen nach dem Duschen bekam sie leichte Unterleibskrämpfe. Sie benachrichtigte die Brücke über Interkomm, dass sich ihr Dienstantritt verzögern würde, und machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zur Krankenstation.

Dr. Phlox untersuchte sie gründlich. Dann sagte er: „Die Krämpfe sind nicht weiter besorgniserregend, das ist völlig normal. Die Gebärmutter dehnt sich aus, um für die Schwangerschaft gerüstet zu sein. Etwas Magnesium wird die Beschwerden lindern.“ Er fuhr noch eine ganze Weile fort mit seiner Rede, erklärte Hoshi, welche Vorgänge in ihrem Körper gerade stattfanden. Obwohl sie sich immer wieder vor Augen hielt, dass ihr Zustand vermutlich nicht von Dauer war, bemerkte sie fast widerwillig, dass sie ein Interesse dafür entwickelte.

„Leider können wir zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen, ob Sie das Kind austragen können werden“, schloss Phlox. „Bedauerlicherweise konnte ich nichts über die Genetik Ihres Sexualpartners in Erfahrung bringen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als abzuwarten, wie sich die Sache entwickelt. Wenn die Schwangerschaft stabil bleibt, können wir in einigen Wochen eine Fruchtwasseruntersuchung durchführen, die uns weitere Erkenntnisse bringen sollte.“

„Dann muss ich es gleich also dem Captain sagen?“ fragte sie mit einer großen Portion Unwohlsein in der Stimme.

„Vielleicht sollten wir noch ein oder zwei Wochen warten. Ich kann Sie solange krankschreiben, wenn Sie möchten“, bot Phlox an. „Dann müsste Captain Archer nichts davon wissen, da es Ihren Dienst nicht wirklich betrifft.“

Hoshi nahm das Angebot dankbar an. Der Gedanke, dem Captain ihre Schwangerschaft beichten zu müssen, obwohl sie sie selbst nicht verstand, war ihr äußerst unangenehm. Außerdem war da schon wieder diese furchtbare Müdigkeit…

~*~

Am Nachmittag kam Archer persönlich vorbei, um sich nach dem Gesundheitszustand seines Kommunikationsoffiziers zu erkundigen. Hoshi war das furchtbar peinlich. Sie wollte ihn nicht anlügen, aber sie brachte es auch nicht über sich, ihm die Wahrheit zu erzählen. Sie murmelte etwas von „Abwarten“ und „Erledigt sich bestimmt von selbst“ und trug dabei ein so errötetes Gesicht zur Schau, dass Archer wahrscheinlich eine Geschlechtskrankheit vermutete, doch das war ihr egal. Er schien aufrichtig besorgt genug, um ihr seinen persönlichen Steward zu überlassen, der ihr ihre Mahlzeiten im Quartier servierte und ihr als Schachpartner die Zeit zu vertreiben half.

Sie ließ sich auch einigen Papierkram bringen, Übersetzungen von Protokollen, die sie anfertigen sollte, doch die Arbeit fiel ihr schwer. Viel Zeit verbrachte sie mit Schlafen, und ehe sie sich versah, waren die zwei Wochen um, die Dr. Phlox ihr gewährt hatte.

Und sie war immer noch schwanger. In den letzten Tagen hatte sie kaum daran gedacht, denn abgesehen von der Müdigkeit spürte sie nur noch wenig davon. Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen, und auch die Krämpfe waren verschwunden.

~*~

Dr. Phlox bestätigte, dass es dem kleinen Punkt auf dem Ultraschall-Bildschirm bestens ging. Seine moderne Technik konnte schon jetzt einen Herzschlag erkennen. Für die Fruchtwasseruntersuchung war es immer noch zu früh, wie er ihr erklärte. Alles entwickelte sich jedoch soweit zeitgerecht wie bei einer ganz normalen menschlichen Schwangerschaft. – Wobei, wie Dr. Phlox wortreich erklärte, ein menschlicher Embryo sich in diesem Stadium in nichts von dem der meisten anderen Säugetiere unterschied. –

„Momentan sehe ich keinen Grund, warum Sie nicht wieder auf der Brücke arbeiten sollten, wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen“, fasste er zusammen.

Hoshi biss sich auf die Lippen. Also käme nun die Stunde der Wahrheit. In das kleine Geheimnis, das sie und Phlox teilten, würde nun zumindest eine weitere Person eingeweiht werden müssen.

~*~

„Hey, Hoshi!“ rief Travis begeistert, als sie die Brücke betrat, und auch Captain Archer klatschte freudig in die Hände. „Schön, dass Sie wieder bei uns sind“, sagte er. Sogar Lieutenant Reed begrüßte sie mit einem halben Lächeln, und T’Pol nickte ihr – emotionslos wie eh und je – zu.

Hoshi lächelte dankbar in die Runde und bat dann den Captain: „Könnte ich Sie bitte kurz sprechen, Sir?“ Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie ihm in seinen Bereitschaftsraum folgte. In die Höhle des Löwen.

~*~

„Na, das sind ja Neuigkeiten“, war Archers erster Kommentar. Sie sah ihm an, dass er beim besten Willen nicht wusste, was er von ihrer Eröffnung halten sollte. „Und wer…?“ fragte er schließlich.

„Dazu möchte ich nichts sagen, Sir.“ Sie hatte beschlossen, Archer nur das Allernötigste zu erzählen. Ihr Vorgesetzter war nicht jemand, mit dem sie intime Details zu besprechen wünschte.

Archer massierte sein Kinn mit Daumen und Zeigefinger. Dann nickte er. Solange es die Effizienz seiner Crew nicht betraf, gingen ihn die privaten Verbindungen seiner Leute nichts an. Er schien jedoch trotzdem enttäuscht zu sein.

„Keine Außenmissionen mehr“, ordnete er an. Damit hatte sie gerechnet, doch es traf sie hart. „Keine Nachtschichten. Keine Zwölf-Stunden-Schichten. Wenn Sie sich nicht wohl fühlen, melden Sie sich sofort auf der Krankenstation.“

Sie nickte bei jedem Punkt, bestätigte schließlich: „Ja, Sir.“

„Und Hoshi“, er nahm ihre Hand in seine, „Alles Gute!“

~*~

Ihr Leben ging weitgehend seinen geordneten Gang. Die Nachtschichten vermisste sie nicht, auch die leicht verkürzten Tagschichten empfand sie als angenehm. Zum Glück fragte niemand nach dem Grund. Ihre Kollegen schienen zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die Veränderungen auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Sie selbst verhielt sich wie immer und fühlte sich auch nicht großartig anders. Die Müdigkeit ließ nach und wurde ersetzt durch Geruchsempfindlichkeit. Diese versetzte sogar T’Pol in Erstaunen, als Hoshi sie zur Messe begleitete und schon beim Öffnen des Turbolifts mit verzogenem Gesicht verkündete, dass heute offenbar Schmalzgebackenes serviert wurde. Einmal in der Woche ließ sie sich von Phlox untersuchen, der ihr die zeitgerechte Entwicklung einer Bilderbuchschwangerschaft bestätigte. Den Rest der Zeit verdrängte sie den Gedanken recht erfolgreich und erledigte ihre Pflicht wie gewöhnlich. Sie sprach mit niemandem darüber. Captain Archer warf ihr anfangs hin und wieder schwer zu deutende Blicke zu, doch auch das legte sich mit der Zeit.

Verunsichert wurde Hoshi von einer Fülle von erotischen Träumen, in denen nicht nur Ravis, sondern so ziemlich alle männlichen Crewmitglieder vorkamen. Sogar Travis erschien ihr auf diese Weise, mit seinem knackigen schokoladenbraunen Hintern, und das mehr als einmal. Verrückt, dachte sie, als sie wieder einmal aus einem solchen Traum erwachte. Mit Travis, das ginge ja *gar nicht*! Ihr Unterbewusstsein belohnte sie für diesen Gedanken mit einem Traum vom Captain.

~*~

Zwei Wochen später teilte Dr. Phlox ihr mit, dass nun gefahrlos eine Fruchtwasseruntersuchung vorgenommen werden könne. „Für weitere Erkenntnisse benötigen wir eine DNA-Probe des Embryos“, erklärte er. „Natürlich wäre es in diesem frühen Entwicklungsstadium nicht ratsam, diese direkt dem Kind zu entnehmen. Im Fruchtwasser, das es umgibt, befinden sich jedoch genügend abgestorbene Zellen, und zu diesem Zeitpunkt kann ich mit minimalem Risiko mit dem geeigneten medizinischen Gerät in die Fruchtblase eindringen, um eine Probe zu nehmen.“

„Was heißt ‚minimales Risiko’, Doktor?“ fragte Hoshi.

Phlox lächelte. „Vor hundert Jahren hätte die Gefahr einer Fehlgeburt bei diesem Eingriff zu dieser Zeit bei guten 20 Prozent gelegen. Heute ist die Medizin jedoch viel weiter. Das Risiko liegt im Promille-Bereich.“

Sie versuchte, sich zu entspannen und ließ den unangenehmen Eingriff über sich ergehen. Phlox begann sofort, an der Auswertung zu arbeiten.

„Das ist ja interessant“, sagte er schließlich. Er klang enttäuscht.

„Was ist?“ fragte Hoshi, die auf sein Anraten noch auf der Liege lag, wenn sie es vor Aufregung auch kaum in der Horizontalen aushielt.

Der Arzt winkte sie heran und zeigte ihr auf seinem Bildschirm verschiedene Grafiken und Datenkolonnen. Als sie nichts verstand, erklärte er: „Sie erwarten einen gesunden Jungen. Ein ganz normales menschliches Baby, wie es scheint.“

Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit verspürte Hoshi diesen gedanklichen Schlag in die Magengrube. „Das kann nicht sein“, flüsterte sie erneut.

~*~

Nun hockte sie wieder auf dem Bett in ihrem Quartier, die Knie an den Leib gezogen. Wie war das möglich? Wie konnte es sein, dass sie schwanger war, wo sie doch mit niemandem geschlafen hatte?

Aber das hatte sie. Zumindest behauptete das Dr. Phlox. Er sagte, nichts deute darauf hin, dass an dieser Schwangerschaft irgendetwas nicht stimme. Alles lief so normal wie nur vorstellbar. Das Erbgut zweier Menschen hatte sich auf natürlichem Wege zu neuem Leben verbunden.

Phlox war viel zu professionell, um sie der Lüge zu bezichtigen. Doch er hatte angedeutet, dass sie vielleicht psychologische Hilfe benötigte, um sich an den Vorfall – den Sex – zu erinnern. Litt sie unter Amnesie? Es schien fast so.

In Gedanken ging sie den Ablauf der fraglichen Tage durch. Sie konnte sich an alles erinnern, da war sie sich sicher. Keine Gedächtnislücken, nichts. Dr. Phlox hatte die Befruchtung datiert. Sie stand in auffälligem zeitlichem Zusammenhang mit einer Außenmission. Das war ein Planet ohne intelligente Lebensformen gewesen. Sie hatten ein bisschen geforscht, ein bisschen auf festem Boden ausgespannt. Sie hatten tollpatschig anmutende Tiere, die aussahen wie eine gutmütige Kreuzung zwischen Bären und Riesenkängurus, bei der Paarung beobachtet. Das hatte wirklich sehr wenig erotisch gewirkt, und sie hatten sich köstlich darüber amüsiert. Und das war – da war sie sich absolut sicher – das nächste, das an Sex heranreichte an diesem Tag. Captain Archer hatte seine Führungsoffiziere zu einem „Spaziergang“ um einen See überredet, der sich als größer als angenommen herausstellte. Als sie wieder am Shuttle waren, war sie so müde und von Insekten zerstochen, dass sie auf die Nacht im Zelt verzichtete und sich zum Schiff zurückbringen ließ. Es hatte keine romantischen Szenen gegeben – soweit sie wusste.

Woher kam dieses Kind?

„Sie haben doch jetzt eine genetische Probe“, hatte sie zu Dr. Phlox gesagt. „Dann können Sie die Daten doch einfach mit denen der Crew vergleichen. Sagen Sie mir, wer der Vater ist!“

Doch der Arzt hatte nur bedauernd mit den Schultern gezuckt. „Auf Vaterschaftstests ist die medizinische Kartei nicht ausgelegt. Die gespeicherten Informationen sind dazu nicht ausreichend. Außerdem ist das eine ethische Frage. Wenn Sie darauf bestehen, können wir sämtliche Männer an Bord zu einem Speicheltest bitten. Ich bezweifele jedoch, dass das in Ihrem Interesse ist.“

Nein, das war wirklich das letzte, was sie wollte. Sie legte den Kopf auf die Knie und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Wie sollte sie das ihrer Familie erklären?

~*~

Endlich verschwand auch die Müdigkeit zum großen Teil. Hoshi konnte nun die zusätzliche Freizeit genießen. An die Zukunft dachte sie nie. Es reichte ihr, dass der Doktor Fragen stellte, die in ihrer Vergangenheit nach verschütteten Erinnerungen wühlten. Sie *konnte* sich an nichts erinnern und wusste nicht einmal, ob sie das wirklich wollte. Dr. Phlox’ Vorschlag, eine Meditationstechnik von T’Pol zu erlernen, um ihrem Gedächtnis auf den Grund zu gehen, lehnte sie ab. Sie wünschte nicht, dass mehr Leute als nötig von ihrer Situation erfuhren. Sie wollte, dass ihr Leben wie gewohnt weiterging. An ihr Kind – oder besser: an die Schwangerschaft – dachte sie nur einmal in der Woche, wenn Dr. Phlox nach dem Rechten sah. Kaum hatte sie die Krankenstation verlassen, verschloss sie auch schon wieder die Augen vor dem, was da auf sie zukam.

Die einzige vorausschauende Entscheidung, die sie traf, war eine Umstellung ihrer Gewohnheiten. Sehr viel mehr Zeit als früher verbrachte sie nun im Trainingsraum. Der Doktor hatte sportliche Aktivitäten in Maßen erlaubt, und Hoshi schöpfte dieses Maß völlig aus. Sie wollte sich so spät wie möglich den unausweichlichen entsetzten Gesichtern ihrer Freunde und Kollegen aussetzen und ihren Zustand so lange wie möglich verheimlichen. Also hielt sie ihren Bauch flach, so lange das noch ging. Die anderen Offiziere, die mit ihr trainierten, machten nur wenige Sprüche über ihren gesteigerten Ehrgeiz. Es war fast ein bisschen traurig, dachte Hoshi einmal in einem Anflug aufwallenden Selbstmitleids, dass niemandem auffiel, dass mit ihr etwas Fundamentales nicht stimmte.

~*~

Eines Abends fand sie den Trainingsraum verlassen vor. Es kam selten vor, dass sie nach Dienstschluss die einzige dort war. Eigentlich sollte sie das freuen, doch sie seufzte unwillkürlich. Nun kam zu ihrer emotionalen Einsamkeit auch noch die wirkliche dazu.

Nichtsdestotrotz schaltete sie das Laufband ein, um sich warm zu machen. Als sie gerade in ihren gewohnten Rhythmus gefallen war, öffnete sich die Tür, und der Captain trat ein. Sie stöhnte innerlich auf. Captain Archer war ein fähiger, fairer Vorgesetzter und ein gut aussehender Mann, doch kam Hoshi sich in seiner Gegenwart immer so erniedrigt und Mitleid erregend vor, seit sie sich ihm hatte anvertrauen müssen. Und es würde sich kaum vermeiden lassen, über das Thema zu sprechen, wenn sie jetzt allein miteinander waren.

Archer nickte ihr freundlich zu und bestieg das Laufband neben ihr. Sein erster Kommentar ließ nicht lange auf sich warten: „Ist das eigentlich gut für das Baby?“

Hoshi biss die Zähne zusammen. „Dr. Phlox hat nichts dagegen einzuwenden.“

„Fühlen Sie schon, wie es tritt?“ Er schien ernsthaft interessiert zu sein, wenn er sich auf diesem Gebiet auch ganz offensichtlich nicht besser auskannte als Hoshi selbst.

Sie schüttelte den Kopf und gab einen verneinenden Laut von sich. Sie hatte kein Interesse, das Thema zu vertiefen.

„Hören Sie, Hoshi, es tut mir leid, dass ich mich in den vergangenen Wochen nicht mit der Gründlichkeit mit Ihrer Angelegenheit befassen konnte, die Sie verdienen“, sagte er.

Sie sah ihn an. „Ich bitte Sie, es ist doch nicht Ihre Aufgabe, sich damit zu beschäftigen.“

„Natürlich ist es das“, widersprach er sanft. Dann strafften sich seine Gesichtszüge. „Admiral Forrest wünscht, dass die Enterprise den Xindi im Konflikt mit den Sphärenbauern beisteht“, eröffnete er ihr.

Hoshi nickte. Das war nahe liegend. Vor einigen Wochen hatte eine aufgeregte diplomatische Abordnung der Xindi die Erde kontaktiert und um Unterstützung gegen eine fremdartige Spezies ersucht, die ihren Lebensraum zerstörte. Als die Bewohner einer anderen Dimension versucht hatten, sie gegen die Menschen aufzuhetzen, hatten die Xindi das Täuschungsmanöver erkannt und durchschauten, dass diese Wesen die Menschen und ihre Technologie fürchteten. Es war ein langer Weg bis zum Heimatplaneten ihrer neuen Verbündeten, doch es war keine Frage, dass die Menschen ihnen helfen würden. Auf lange Sicht bedrohten diese seltsamen Fremden auch sie.

„In drei Wochen werden wir die Erde erreichen, um uns für die Mission zu rüsten. Sie werden dann von Bord gehen“, fuhr Archer fort.

„Sir!“ rief Hoshi schockiert. „Wir befinden uns bereits auf halber Strecke von der Erde zur Ausdehnung, wo die Heimatwelt der Xindi sich befindet. Es wäre unsinnig, den ganzen Weg doppelt zurückzulegen, nur um mich auf der Erde abzuliefern!“

„Das Schiff sollte ohnehin vorher überholt werden. Und ein Raumschiff ist nicht der geeignete Ort für eine werdende Mutter“, entgegnete Archer bestimmt. „Diese Mission ist viel zu gefährlich. Meine Entscheidung steht nicht zur Diskussion.“

„Sir“, bettelte Hoshi und konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Diese ganzen Schwangerschaftshormone machten sie unberechenbar, und sie hasste es! Verärgert über ihren Gefühlsausbruch sprang sie vom Laufband.

Archer griff nach ihrem Arm und hielt sie zurück. Er hatte etwas sagen wollen, doch als er in ihre überlaufenden Augen blickte, sah er sie nur einen langen Moment an und ließ sie dann gehen.
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