TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Besuchstag

von Juergen Baumgarten

1/1

Captain Benjamin Sisko ging mit unbewegtem Gesicht durch den Scanner.

"Tut mir leid, Sir, aber das ist so Vorschrift", sagte der Sergeant mit einstudiertem Bedauern auf.

Sisko nickte nur aus Höflichkeit. Sein Blick war auf die schwere Sicherheitstür vor ihm geheftet, und seine Gedanken kreisten um das, was nun vor ihm lag. Er hatte die Situation so oft durchdacht, sich immer wieder die Worte zurechtgelegt, die er sagen wollte - und von denen er doch wusste, dass er sie nicht sagen würde. Ein leichtes Zucken in einem Mundwinkel und ein kurzer Atemstoß waren die einzigen Anzeichen dafür, dass er sich über diese immer wiederkehrende Ironie amüsierte. Niemals erschienen die Worte, die man sich zurechtgelegt hatte, in dem Moment passend, wenn man sie aussprechen wollte. Und obwohl jeder das wusste, verschwendete man doch viel Zeit darauf, die nie benötigten Sätze zu üben.

Nun, warum sollte er besser sein, als alle anderen, dachte er sich und atmete tief ein, als sich in diesem Moment die Tür öffnete.

Der Raum war viel zu groß und viel zu dunkel. Nur in seiner Mitte beleuchtete ein kalter und harter Lichtstrahl den einfachen Tisch und die Stühle um ihn herum, die schon von weitem unbequem wirkten. Auf einem dieser Stühle wartete sie.

Ben trat einen Schritt vor, und die Tür schloss sich hinter ihm wieder mit einem Zischen.

Er blieb weiter stehen und blickte zu ihr herüber. Ihr Gesicht war genauso unbewegt wie seines, und wie er bemühte sie sich, die starken Emotionen zurückzuhalten. Doch ihre Augen konnten nichts verbergen. Bedauern und Sehnsucht las er dort, genau wie Angst. Angst, dass dieses Treffen, das sie so herbeigesehnt hatte, einen anderen Verlauf nehmen würde, als sie es sich erhoffte. Angst, dass sich etwas in ihm verändert hatte. Dass er sie nicht mehr liebte.

Er las diese Gefühle und er verstand sie, denn ihm ging es genauso. Wortlos ging er auf sie zu, blieb aber am Tisch stehen. Sie trat zu ihm, und einen langen Moment lang sahen sie sich nur tief in die Augen. Als beide sahen, was sie zu sehen erhofft hatten, hielten sie sich nicht länger zurück. Sie umarmten sich mit einer Heftigkeit, dass ein Teil von ihnen fürchtete, der andere könnte zerdrückt werden. Sie standen eine Weile einfach nur so da, genossen das Gefühl, dass der andere da war, sogen seinen Duft gierig ein.

"Oh, Ben, ich habe Dich so vermisst", durchbrach sie schließlich das Schweigen.

"Ja, Cassidy, ich Dich auch!"

Ben schloss die tränenden Augen und versuchte sich vorzustellen, dass sie jetzt irgendwo anders wären, vielleicht zuhause auf Deep Space Nine in seinem Quartier. Sie war gerade von einem längeren Flug zurückgekommen und jetzt würden sie ein paar gemeinsame Tage haben, bis sie wieder los musste. Doch die Realität ließ sich nicht so einfach aus seinen Gedanken verdrängen. Sie waren nicht auf DS9, sondern auf Gaurataror, wo die Förderation eine Strafanstalt unterhielt. Und dies war einer der Besucherräume, den sie für zwei Stunden für sich allein hatten.

Cassidy Yates war verurteilt worden, weil sie Waren zu den Marquis geschmuggelt hatte. Es waren nur Medikamente und Lebensmittel gewesen, und man hatte ihr auch nur zwei Flüge nachweisen können, denn als sie sich gestellt hatte, waren sämtliche Daten aus dem Navigationscomputer ihres Schiffes gelöscht gewesen. So lautete ihre Strafe nur auf ein halbes Jahr milde Haft. Doch sechs Monate konnten sehr lang sein, wenn man von dem Menschen getrennt war, den man liebte.

Endlich lösten sich die beiden aus der heftigen Umarmung.

"Ich wollte Dir so viel sagen, aber nun ist alles weg", sagte sie mit leicht gequältem Lächeln.

"Hey, das war mein Text", schalt Ben sie sanft und strich ihr zärtlich durch das Haar.

Sie nahm seine Hand und drückte sie fest. Wieder sahen sie sich lange an.

"Ich liebe Dich", sagte er nach einer langen Pause.

"Ich liebe Dich auch", antwortete sie. Vorsichtig, als sei alles nur eine zerbrechliche Illusion, näherten sich ihre Lippen einander. Die erste, zarte Berührung war wie eine Erlösung von dieser Angst. In den nächsten Kuss legten sie all ihre Sehnsucht, die sie mit Worten niemals ausdrücken könnten.

"Und was machen wir jetzt", scherzte Sisko schließlich, um die Situation aufzulockern. "Wo wir doch vergessen haben, was wir sagen wollten."

"Hier herrscht milder Strafvollzug", antwortete Cassidy und deutete mit dem Kopf zur Seite. "Man hat an alles gedacht."

Im Halbdunkel sah Ben ein breites Bett, dessen Zweck unzweideutig war. Sie sahen einander an.

"Nein", sagten sie im selben Moment und lachten wegen der Gleichzeitigkeit kurz auf. Obwohl niemand sonst im Raum war, gab es dennoch keine absolute Privatsphäre. Denn alles, was sie taten und sagten, wurde überwacht und aufgezeichnet. Auch wenn es nur ein Computer war, der sie beobachtete, war das doch schon entschieden zu viel.

"Ich glaube, ich warte doch lieber noch die restlichen Monate", meinte Cassidy.

"Nicht, dass Du Dir hier jemand anderen suchst", versuchte Sisko zu scherzen.

"Keine Angst, ich bewahre mich für Dich auf", antwortete sie im selben Tonfall, "Obwohl ein oder zwei von den Reinigungsrobotern hier mir gar nicht schlecht gefallen würden."

"Was haben die denn, was ich nicht habe", fragte Ben grinsend.

"Nun", sagte sie lang gezogen, "die sind zum Beispiel sehr zuverlässig..."

Er wurde schlagartig ernst und trat einen halben Schritt zurück.

"Wir hatten da einige verdammt große Probleme auf DS9. Ich konnte nicht früher kommen!" Er drehte sich weg und starrte auf die Tischkante.

"Oh, Ben, so habe ich das nicht gemeint", sagte sie aufrichtig und umarmte ihn von hinten. Sie schmiegte ihren Kopf an seinen Rücken.

"Ich weiß, was los war. Und es tut mir so leid, dass ich nicht da sein konnte, um Dir ein wenig Kraft zu geben."

Er blinzelte mehrfach und atmete dann tief durch. "Ich habe mir selbst solche Vorwürfe gemacht, dass ich nicht früher kommen konnte."

Lächelnd trat sie vor ihn. "Das ist wieder typisch Ben Sisko. Macht sich Vorwürfe für Dinge, für die er nichts kann."

"Und so einen Mann liebst Du", seufzte er.

"Mehr als alles andere."

Sie streckte sich zu ihm hoch. Der Kuss war warm und innig. Sie wussten nun, dass zwischen ihnen noch alles in Ordnung war.

***

Den Rest der Zeit verbrachten sie doch im Bett. Eng aneinander gekuschelt lagen sie einfach nur still da und genossen die gemeinsame Zeit. Es war nicht klar, wann Benjamin wieder die Gelegenheit haben würde, die Station zu verlassen. So versuchten sie beide, sich den Moment tief in das Gedächtnis einzuprägen um die nächsten Monate von der Erinnerung zehren zu können.

Viel zu früh zerschnitt die Stimme des Sergeants die gedankenvolle Stille.

"Tut mir leid, aber die Zeit ist gleich abgelaufen. Sie haben noch fünf Minuten!"

Cassidy und Ben sahen sich traurig an. Mit einem Seufzen standen sie gleichzeitig auf. Beide wussten, dass ein schneller Abschied nun das Beste war. Denn die nächsten Minuten würden eine einzige Qual werden, wenn sie das Unvermeidliche hinauszuzögern versuchen würden.

"Ich hätte gerne einen Auberginen-Auflauf, wenn ich zurückkomme", sagte sie.

Er lächelte sie strahlend an. "Es wird der beste Auberginen-Auflauf sein, den Du je gegessen hast", versprach er ihr.

Den Abschiedskuss sparten sie sich, um die Trennung nicht noch schwerer zu machen. Sie beide wussten, dass der nächste Begrüßungskuss dafür umso ausgiebiger sein würde.

Ben Sisko sah nicht zurück, nachdem er sich umgedreht hatte. Als sich die Sicherheitstür wieder schloss, hatte er den Vorraum schon durchmessen. Er ließ sich in das Runabout beamen, wo Lieutenant Dumas auf ihn wartete.

"Alles in Ordnung, Sir", fragte die zierliche Frau ihn, als er sich in den Copilotensitz fallen ließ.

Ben ertappte sich dabei, wie er sie beneidete. Sie lebte mit einem bajoranischen Techniker zusammen und war im zweiten Monat von ihm schwanger. Nun, das Glück würde bald zu Ben zurückkommen. Und er war fest entschlossen, es nicht mehr loszulassen. Komme, was will.

"Ja, alles in Ordnung", antwortete er. "Fliegen wir heim!"

Obwohl es ein unvollständiges Heim war ohne Cassidy. Und während draußen die Sterne zu langen Lichtbändern wurden, schloss er die Augen und lebte in Erinnerungen. Die Erinnerungen an Jennifer hatten ihn damals fast gelähmt. Doch die Erinnerungen an Cassidy gaben ihm jetzt Kraft. Kraft zum Weiterleben. Kraft zum Warten. Und er wollte verdammt sein, wenn es sich nicht lohnte, auf diese Frau zu warten.

Und Benjamin Sisko lächelte sanft.

Ende
Rezensionen