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Angel

von Brigitte

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Das medizinisch holographische Notfallprogramm der Voyager klappte seinen Tricorder zusammen und blickte auf Captain Janeway, die ihn erwartungsvoll ansah.
"Wie ich schon gestern und vorgestern sagte, Captain, es ist alles in Ordnung. Ihrem Baby geht es ausgezeichnet. In spätestens zwei Wochen werden Sie stolze Mutter eines kleinen Sohnes sein."
Erleichtert lächelte Kathryn den Arzt an und erhob sich aus dem Bio-Bett. Sie schwang die Füße über die Kante, hielt sich mit einer Hand stützend den Rücken und rutschte dann langsam mit beiden Beinen auf den Boden. Ihr Bauch hatte bereits beträchtlichen Umfang angenommen, den die Umstandsuniform nicht mehr kaschieren konnte. Sanft strich sie über ihren Babybauch und konnte zaghafte Bewegungen des Ungeborenen verspüren. Es war ihre erste Schwangerschaft und sie machte sich entsprechende Sorgen. Sie wusste, dass sie nicht mit die jüngste war und gewisse Risiken nicht ausschließen konnte. Dementsprechend oft suchte sie, gerade jetzt, da die Geburt nahte, den Doctor auf.
"Ich danke Ihnen", antwortete sie glücklich dem MHN, "aber ich werde morgen wiederkommen", Janeway lächelte schief, "man kann ja nie wissen."
Der Arzt, der sich kurz umgedreht hatte, um seine Instrumente abzulegen, verdrehte leicht entnervt die Augen. Ihr immer noch den Rücken zugewandt, begann er zu sprechen. "Captain, das ist wirklich nicht nötig, entspannen Sie sich. Es reicht vollkommen, wenn ich in drei Tagen wieder nach Ihnen und Ihrem Kind sehe." Er musste sich fortwährend über sie wundern, früher ging sie jeder medizinischen Untersuchung tunlichst aus dem Weg, jetzt würde sie die Krankenstation am liebsten nicht mehr verlassen. Der Doctor der Voyager verstand natürlich ihre Befürchtungen und beschloss, ihr noch einen beruhigenden Rat mit auf dem Weg zu geben. "Ruhen Sie sich aus, Sie werden auf der Brücke ja bestens durch Commander Chakotay vertreten, dann kann Ihnen und Ihrem Kind nichts passieren." Er hielt kurz inne und drehte sich zu Kathryn wieder um. "Selbstverständlich dürfen Sie mich konsultieren, wenn Sie besorgniserregende Veränderungen feststellen, aber ansonsten sehen wir uns erst in drei Tagen wieder."
"Gut", diese Anordnung des Arztes gefiel Janeway zwar überhaupt nicht, aber sie wollte sich fügen, "dann suche ich jetzt wieder unser Quartier auf." Sie ging langsam, immer noch mit einer Hand ihren Rücken stützend, dem Ausgang der Krankenstation entgegen.
"Und grüßen Sie den Commander von mir", rief ihr das MHN noch hinterher, "seine jährliche Vorsorgeuntersuchung ist längst überfällig."



Einige Stunden später lag Kathryn, in den Arme ihres Ehemannes gekuschelt, in ihrem Bett und genoss seine sanften, tastenden Hände, die ihren Bauch erkundeten. Glücklich, die Augen geschlossen, dachte sie an die Zukunft. Schon bald würde ihr kleiner Sohn das Licht der Welt erblicken, dann wären sie endlich eine richtige kleine Familie. Das Kinderzimmer in ihrem gemeinsamen Quartier war vollständig eingerichtet. Liebevoll hatten beide zusammen ein Kinderbettchen, Babyausstattung und die ersten Spielsachen ausgewählt und dann repliziert. Sie konnte es kaum noch erwarten, endlich Eltern zu werden.
"Woran denkst du?", fragte Chakotay seine Frau.
"Wir haben uns noch immer nicht für Namen entschieden. Ich denke, jetzt wird es langsam Zeit." Kathryn hob den Kopf und blickte dem Indianer, mit dem sie seit beinahe einem Jahr verheiratet war, in die Augen.
"Du hast recht", antwortete er und überlegte kurz, "also mir würde ein einfacher Name gefallen, nichts kompliziertes. Außerdem mag ich keine Abkürzungen, wie Jim, oder Tom oder Bob. Ein Name soll in seiner vollen Länge ausgesprochen werden, das müssten wir bei unserer Wahl berücksichtigen."
"Hmm", sinnierte Janeway, "was hältst du von 'Patrick' oder 'Michael'?" Bei der Erwähnung des zweiten Namens konnte sie sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen.
"Also letzteren kannst du getrost vergessen", ein Schatten war über sein Gesicht gefallen, als er an Kathryns Liebschaft mit dem Hologramm aus dem irischen Dorf dachte, "aber Patrick würde mir gut gefallen."
Der Captain der Voyager hatte natürlich seinen Stimmungsumschwung sofort bemerkt, beschwichtigend strich sie mit zärtlichen Fingern über sein Gesicht und hauchte ihm dann einen Kuss auf die Lippen. "Das sollte doch nur ein Scherz sein", erneut küsste sie ihn, "ich hatte nur 'Patrick' im Sinn."
Chakotays Gesichtszüge entspannten sich wieder, "Gut, dann wird unser Kleiner 'Patrick Janeway' heißen. Der Name gefällt mir." Er schloss seine Frau fester in die Arme, um ihr Gesicht mit zarten Küssen zu bedecken.



Am nächsten Morgen lag Kathryn noch im Bett, Chakotay hatte längst seinen Dienst auf der Brücke angetreten, und streichelte sanft über ihren gewölbten Bauch. Sie wunderte sich, dass sie noch keine Tritte verspürt hatte. Normalerweise ließ der Kleine sie ab sechs Uhr früh nicht mehr richtig schlafen, sondern traktierte sie mit seinen kleinen Beinchen. Heute war das jedoch nicht der Fall. Sollte sie sich Sorgen machen? Sie entschied sich dagegen, denn ihr war klar, dass sie und ihr Kind eine anstrengende Nacht hinter sich hatten. Die ersten Senkwehen, die ihr der Doctor bereits angekündigt hatte, hatten dafür gesorgt, dass sie seit zwei Uhr früh wach lag. Endlich gegen Morgen hatte das Ziehen in ihrem Rücken und Unterleib nachgelassen. Offensichtlich war auch ihr Kind froh, dass wieder Ruhe eingekehrt war und es schlief jetzt.
Sie stand auf, um sich ein leichtes Frühstück zu replizieren, danach würde der Kleine sich bestimmt wieder melden. Leise Musik! Kathryn beschloss, ihr Kind etwas zu unterhalten. "Computer", befahl sie, "spiele aus der musikalischen Datenbank Beethovens Klavierstück 'Für Elise'."
Sekunden darauf ertönten aus nicht sichtbaren Lautsprechern diese sanften Klänge, träumerisch summte Janeway die Melodie mit und hoffte im Stillen, ihr Baby würde eines Tages ihre Vorliebe für Musik teilen. Sie beschloss, ihn später, falls er den Willen dazu hatte, ein Instrument lernen zu lassen.
Stunden später hatte sie immer noch keine Bewegung in ihrem Bauch vernehmen können, langsam wurde sie unruhig und beschloss, Fähnrich Wildman aufzusuchen, die als einzige an Bord Erfahrungen vorweisen konnte.



"Captain", Samantha Wildman versuchte ihre Worte mit Bedacht zu wählen, "ich denke nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen. Babys bewegen sich am Ende der Schwangerschaft nicht mehr viel, da ihnen wenig Platz zur Verfügung steht. Außerdem ruhen sie sich aus und bereiten sich auf die anstrengende Geburt vor."
"Aber", wagte Janeway einen Einwand, "ich spüre den Kleinen überhaupt nicht mehr, schon seit Stunden keine Bewegung." Sorgenvoll blickte der Captain die junge Mutter, die ihr gegenüber saß, an.
Überlegend runzelte der Fähnrich die Stirn. "Ich weiß es natürlich auch nicht mehr so genau, meine Schwangerschaft liegt schließlich schon ein paar Jahre zurück. Ich glaube, ich habe damals gar nicht so richtig darauf geachtet, ich wartete nur noch auf die Entbindung, um endlich meinen dicken Bauch wieder loszuwerden."
Beiden Frauen lachten und Janeway antwortete. "Das kann ich jetzt bestens nachfühlen, ich fühle mich, als würde ich eine Tonne wiegen. Dann diese Unbeweglichkeit, das macht mich verrückt. Außerdem bin ich froh, endlich wieder meine alte Uniform anziehen zu können, dieser Kittel", theatralisch zupfte sie an ihrem weiten Oberteil, "sieht unmöglich aus."
Schnell wurden die beiden Frauen jedoch wieder ernst und sinnierten eine Weile schweigend vor sich hin.
"Captain, warum suchen Sie nicht den Doctor auf, um sicher zu gehen?"
"Ich war jetzt beinahe jeden Tag bei ihm", antwortete Janeway, "langsam gehe ich ihm mit meiner Übervorsicht auf die Nerven. Die nächste Untersuchung ist übermorgen. So lange werde ich auch warten. Gestern war ich dort und er meinte, es wäre alles in Ordnung und dem Baby geht es gut."
"Vertrauen Sie ihm, er hat ja bereits Erfahrung." Samanthas Blick schweifte ab zu ihrer Tochter Naomi, die am Tisch nebenan mit ihrem Computer beschäftigt war.



Endlich konnte Captain Janeway wieder zum Arzt auf die Krankenstation gehen. Inzwischen war sie halb verrückt vor Sorge, das Baby hatte sich in den letzten beiden Tagen nicht mehr bewegt. So lange konnte es doch nicht schlafen. Geflissentlich hatte sie vermieden, Chakotay von ihrem Problem zu erzählen. Er hatte sie wegen ihrer Übervorsicht sowieso schon einige Male belächelt, sie jedoch gewähren lassen, wenn sie zum wiederholten Male den Doctor aufgesucht und mit tausenden Fragen gelöchert hatte. Irgendwie schien er aber zu spüren, dass sie sich Sorgen machte, allerdings war sie seinen Fragen geschickt ausgewichen und hatte jedes Mal das Thema gewechselt.
Nervös betrat Kathryn die medizinische Station der Voyager, sie hatte Angst, etwas könnte nicht in Ordnung sein und ihre kleine, heile Welt zusammenbrechen.
"Ah, Captain, das sind Sie ja", begrüßte der Arzt sie freundlich, "ich habe Sie bereits erwartet. Bitte legen Sie sich gleich auf das Diagnosebett."
"Danke, Doctor", antwortete Kathryn und handelte gemäß seinen Anweisungen, "ich weiß, Sie werden mich langsam für verrückt halten, aber ich spüre keine Kindsbewegungen mehr."
"Wir werden das gleich überprüfen." Das MHN schloss das Diagnosemodul über ihr und nahm zusätzlich seinen medizinischen Tricorder zur Hand. Bevor er mit den Untersuchungen begann fragte er sie noch. "Wie lange schon?"
"Seit zwei Tagen ungefähr, aber ich weiß natürlich, ich soll mir keine Sorgen machen. Babys bewegen sich kurz vor der Geburt nicht mehr viel." Sie versuchte ein Lachen, was aber kläglich scheiterte.
Schweigend führte der Arzt seine Scans durch, die Janeway wie eine Ewigkeit vorkamen. Warum sagte er denn nichts? Sie wagte nicht zu fragen, denn sie hatte das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Doctor runzelte die Stirn und holte weitere medizinische Gerätschaften zur Hand. Noch immer kam kein Wort über seine Lippen. Kathryn hielt es nicht mehr aus.
"Irgendetwas stimmt doch nicht, habe ich Recht?" Das Gesicht des MHNs wurde immer ernster. "Doctor, bitte, lebt mein Kind überhaupt noch?" Ihre Stimme klang verzweifelt.
Der Arzt hob den Blick und sah ihr bedauernd in die Augen. Kathryn hatte das Gefühl, der Boden würde sich unter ihr auftun und sie verschlingen. Sie meinte, in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen und nie unten anzukommen. Alles in ihr zog sich schmerzhaft zusammen. Das durfte einfach nicht wahr sein. Verschwommen nahm sie wahr, wie das Hologramm langsam den Kopf schüttelte und die Lider senkte.
"Bitte", begann sie, sich an einen letzten Strohhalm der Hoffnung klammernd, "überprüfen Sie alles noch einmal, vielleicht haben Sie sich ja geirrt."
Schweigend nickte der Arzt und begann mit der gesamten Prozedur erneut von vorne. Die Minuten zogen sich dahin, Kathryn hielt die Augen geschlossen, sie wagte nicht mehr zu denken.
Endlich meldete sich der Arzt wieder zu Wort. "Es tut mir unendlich leid."
"Was ist passiert?", fragte sie mit brüchiger Stimme.
"Captain", begann das MHN bedacht, "hatten Sie Senkwehen, wenn ja, wann?"
"An dem Tag, als ich die letzte Untersuchung bei Ihnen hatte. Sie begannen in der Nacht und dauerten bis in den Morgen hinein. Was hat das damit zu tun?" Kathryn registrierte dumpf, wie ihr Tränen über die Wangen liefen, sie wischte sie nicht beiseite.
"Nach meinen Untersuchungen starb das Baby an Sauerstoffmangel, es sieht aus, als ob sich die Nabelschnur verknotet hätte. Als das Kind dann tiefer in den Geburtskanal gerutscht ist, zog diese sich zu und verhinderte den Transport der lebenswichtigen Nährstoffe. Genaueres können wir aber erst sagen, wenn wir das Baby auf die Welt geholt haben."
Lange Zeit blieb Kathryn Janeway schweigend liegen und dachte nach. Nie hatte sie damit gerechnet, dass ihr Kind so kurz vor der Geburt sterben würde. Sie hatten sich doch so sehr gefreut, was würde nur Chakotay sagen? Chakotay! Sie musste es ihm sofort mitteilen. Sie brauchte ihn jetzt.
"Doctor, bitte holen Sie meinen Mann." Das Sprechen fiel ihr schwer, der Kloß in ihrem Hals wurde dicker und dicker. Sie glaubte beinahe, keine Luft mehr zu bekommen.
"Selbstverständlich, Captain. Wir reden weiter, wenn der Commander hier ist."



Schweigend, um Fassung bemüht, hatte Chakotay sich den Bericht des Arztes angehört. Seine zuckenden Mundwinkel und die pulsierende Halsschlagader verrieten jedoch sein Entsetzen und seine Trauer. Er durfte sich jedoch jetzt keine Schwäche anmerken lassen, musste er doch für seine Frau stark sein und ihr Trost spenden. So richtig konnte er auch noch gar nicht realisieren, was er soeben vernommen hatte.
"Doctor", begann er stockend, Kathryn in den Armen haltend, "was passiert jetzt? Wie kommt das Kind auf die Welt? Ich meine, das muss es ja wohl. Ich ....", seine Stimme versagte den Dienst, er vergrub sein Gesicht in Janeways Haaren und streichelte ihr unablässig über die Schultern und den Rücken.
"Die beste Methode ist noch immer der normale Geburtsweg. Die moderne Medizin hat zwar in den vergangen Jahrhunderten enorme Fortschritte gemacht, aber Schwangerschaft und Geburt sind natürliche Dinge, die einen ebenso natürlichen Weg bedürfen. Es gäbe zwar auch noch die Möglichkeit eines Fötustransportes, aber davon muss ich Ihnen dringend abraten, da dies ein Ungleichgewicht Ihrer Zellen hervorrufen würde, was für Sie in Ihrem Zustand gefährlich werden könnte. Es sind auch schon Anzeichen einer Leichenvergiftung zu erkennen, die ich sofort nach der Entbindung behandeln muss."
Entsetzt hatte Kathryn ihn angesehen, sie glaubte ihren Worten nicht zu trauen. Ihr Kind war tot und sie musste es jetzt auch noch unter Qualen gebären? Das war mehr, als sie verkraften konnte, wieder liefen Tränen über ihr Gesicht, die sie nicht zurückhalten konnte und wollte.
Der Arzt schien ihre Gedanken erraten zu haben. "Captain, Sie werden keine Schmerzen verspüren, außerdem injiziere ich Ihnen ein Mittel, das die Wehen beschleunigt und ihr Kind innerhalb weniger Stunden austreiben wird. Bedenken Sie auch, nach einer Geburt auf normalem Weg können Sie binnen drei Monaten wieder schwanger werden."
"Ich will niemals mehr ein Kind." Ihre Verzweiflung und Trauer war jedem ihrer Worte zu entnehmen. Kathryns Gesicht versteinerte sich. "Gut, dann bringen wir es hinter uns. Kein Fötustransport."
Chakotay blickte sie fragend an. "Bist du dir sicher?"
"Ja", antwortete sie tonlos, "bitte bleib bei mir."
"Aber natürlich", er küsste sie zärtlich auf die Stirn, "ich würde dich niemals allein lassen, das weißt du doch."
Der Doctor begann, die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Mitten in seiner Arbeit hielt er jedoch inne. "Captain, Commander", begann er vorsichtig, "haben Sie schon überlegt, ob Sie Ihren Sohn sehen und sich von ihm verabschieden wollen?"
"Ich will das nicht", schrie Kathryn verzweifelt auf, "ich will ihn nicht sehen. Auf keinen Fall, ich möchte ihn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn mir in meinen Träumen vorgestellt habe."
"Vielleicht wäre es besser, Sie würden diese Entscheidung noch einmal überdenken. Psychologische Studien besagen, dass Eltern niemals richtig loslassen können, wenn sie sich von ihren toten Kindern nicht verabschiedet haben."
"Diese Studien sind mir egal, ich habe mich entschieden." Eiseskälte war aus Kathryns Stimme mit einem Male zu hören.
"Commander, wie denken Sie darüber?", fragte der Arzt nun Chakotay.
"Ich glaube auch, dass es besser ist, wenn wir unseren Sohn nicht mehr sehen. Bitte verstehen Sie das."
"Natürlich", antwortete das MHN mitfühlend, "es ist Ihre Entscheidung. Ich hoffe nur, sie werden sie eines Tages nicht bereuen."



Die Geburt war binnen drei Stunden vorüber, Kathryn hatte keine Schmerzen verspürt, aber während der gesamten Zeit leise vor sich hingeweint. Glücklicherweise musste sie nicht pressen, um ihr totes Baby zu gebären, das dies durch entsprechende Medikamente eingeleitet worden war. Als sie spürte, wie ihr kleiner toter Sohn ihren Körper verließ, brach sie innerlich zusammen. Alles weitere, die Nachbehandlung des Arztes und die abschließenden Untersuchungen ließ sie schweigend und mit versteinertem Gesichtsausdruck über sich ergehen. Chakotay war die ganze Zeit nicht von ihrer Seite gewichen, er hielt ihre Hand und streichelte unablässig sanft und zärtlich über ihren Kopf. Seine tröstenden Worte vernahm sie jedoch nicht.
Schweigend verbrachten die beiden mehrere Stunden in der Krankenstation, der Arzt war in das medizinische Labor gegangen, um eine Autopsie an ihrem toten Kind vorzunehmen. Als er wieder zurückkam, blickten sie ihm stumm und fragend, die Augen verhangen von Trauer, an.
"Meine erste Diagnose hat sich soeben bestätigt", begann das MHN, "es war eine Nabelschnurverknotung. Lassen Sie mich Ihnen beiden versichern, dass Sie nichts hätten tun können, um dies zu verhindern. Bei den Senkwehen, die sie vor drei Tagen hatten, zog sich die Nabelschnur zu und Ihr Kind starb binnen kürzester Zeit an Sauerstoffmangel. Ich kann Ihnen auch beteuern, dass es nicht gelitten hat, es ist einfach eingeschlafen. Die Untersuchungen des kleinen Körpers gaben keine Hinweise auf einen Todeskampf."
"Ich hätte sofort kommen müssen, als ich keine Kindsbewegungen mehr spürte." Janeways Stimme klang brüchig.
"Das hätte nichts genützt", erklärte der Arzt bedacht, "zu diesem Zeitpunkt war es bereits tot. Es wäre nur zu retten gewesen, wenn Sie genau in dem Moment, als es passierte, von mir untersucht worden wären. Diese Chance war also bei fast gleich Null. Bitte, Captain", eindringlich sprach er weiter, "Sie trifft keine Schuld, niemand hat Schuld."
"Schicksal", entfuhr es Chakotay.



Einige Tage später waren viele Crewmitglieder der Voyager im Casino versammelt, um dem kleinen Sohn Janeways und Chakotays die letzte Ehre zu erweisen. Extra für diesen Zweck war eine kleine Torpedohülle repliziert worden, die nun, versehen mit der Flagge der Föderation der vereinten Planeten, darauf wartete, ins All geschossen zu werden.
Schreckensbleich und mit eingefallenen Wangen stand Kathryn Janeway neben ihrem Ehemann, der sie stützen musste. Lieutenant Ayala, der als guter Freund und Vertrauter Chakotays die Patenschaft für den kleinen Patrick übernommen hätte, hielt eine flammende Trauerrede, die allen Anwesenden die Tränen in die Augen trieb.
Als der ehemalige Maquis mit den Worten "Patrick ist jetzt ein kleiner Engel, der immer vom Himmel auf seine Eltern herabsehen wird", seine Ansprache schloss, wäre der Captain beinahe zusammengebrochen.
Das kommandierende Ehepaar der Voyager hatte es bis zum Schluss vermieden, einen Blick auf ihr totes Kind zu werfen. Trotz mehrmaliger gegenteiliger Versuche des Doctors waren sie standhaft geblieben. Auch an Janeways Entscheidung, nie mehr ein Kind haben zu wollen, hatte sich nichts geändert.
Der kleine Torpedo mit den sterblichen Überresten ihres Sohnes wurde ins All geschossen. Starr blickten beide auf das Bild, das sich vor ihren Augen bot. Die endgültige Zeit des Abschieds war gekommen. Stumm und fest aneinandergeklammert verließen beiden mit gesenkten Häuptern das Casino.

*****

Die Zeit heilt alle Wunden - dieses Sprichwort traf auch auf Captain Janeway und Commander Chakotay zu, als beide in der Krankenstation der Voyager waren und die Nachricht des Arztes entgegen nahmen, dass Kathryn erneut schwanger war. Sechs Monate waren seit jenen verhängnisvollen Tagen vergangen. Sie hatten gelernt, mit der Trauer umzugehen und den Schlag des Schicksals zu akzeptieren. Jedoch würden beide nie vergessen, dass Patrick ihr erstes Kind war. Es würde immer seinen Platz in ihren Herzen behalten.
"Captain", schloss der Arzt seine Ausführungen, "bitte bedenken Sie, in Ihrem Alter ist die Rate der Fehlgeburten in der Zeit von der elften bis fünfzehnten Schwangerschaftswoche immer noch enorm hoch. Sie müssen sich schonen, keine Gefährlichen Außenmissionen und keine Abstecher mit dem Delta Flyer, um irgendwelche Anomalien zu erforschen. Haben Sie mich verstanden?"
"Selbstverständlich, Doctor", antwortete Kathryn ihm glücklich, "ich werde mich an alle Ihre Anweisungen und Ratschläge halten. Diesmal wird nichts schief laufen."
"Ich werde schon dafür sorgen, dass meine Frau nicht über die Stränge schlägt." Chakotay stand neben Kathryn, die Freude war ihm ins Gesicht geschrieben, und hielt ihre Hand.
"Gut, dann möchte ich Sie täglich hier bei mir zur Untersuchung sehen. Zumindest so lange, bis die kritische Zeit vorüber ist."



Kathryn Janeway saß in der Kabine von Fähnrich Wildman. Die beiden Frauen hatten seit Patricks Tod lange Gespräche miteinander geführt. Samantha hatte ja ähnliche Erfahrungen, wie der Captain machen müssen. Auch ihr Kind war gestorben, allerdings erst kurz nach der Geburt. Nur dem glücklichen Umstand, dass sich die Voyager mit allen Crewmitgliedern genau zu dieser Zeit verdoppelt hatte und Fähnrich Kim zusammen mit ihrem Baby vom anderen Schiff zu ihnen überwechseln konnte, hatte dafür gesorgt, dass sie doch noch die Freuden einer Mutter erleben konnte. Denn eine zweite Chance hierfür konnte sich nicht mehr ergeben, da ihr Ehemann im Alphaquadranten verblieben war. Samantha hatte auch vor, an dieser Ehe bis zu ihrer Rückkehr festzuhalten.
Kathryn war nun in der dreizehnten Schwangerschaftswoche, die für sie und ihr ungeborenes Kind gefährliche Zeit war bald vorüber. Im Moment war sie auf Anraten des Doctors vom Dienst und allen Verpflichtungen befreit, um sich zu schonen. Glücklicherweise hatte sie einen Ehemann, der sie auf der Brücke vertreten konnte, ihm und seinen Fähigkeiten als kommandierenden Offizier vertraute sie hundertprozentig. Beruhigt konnte sie ihre zweite Schwangerschaft genießen.
Plötzlich machte sich ein leises Ziehen, begleitet von Rückenschmerzen, in ihrem Bauch breit. Sie hatte doch nichts getan und sich nicht angestrengt. Kathryn hoffte, dass der Schmerz schnell nachlassen würde. Vor wenigen Stunden, bei der täglichen Untersuchung auf der Krankenstation hatte der Doctor nichts auffälliges festgestellt. Sie beschloss, die Schmerzen erst einmal zu ignorieren, sie würden wieder vergehen.
Eine Stunde blieb sie noch in der Kabine von Samantha, wobei sie sich die meiste Zeit mit dem Fähnrich über Kinder und Erziehung unterhielt. Immer wieder wurden die beiden jedoch von Wildmans Tochter Naomi gestört, die den Captain mit verschiedenen Fragen zu ihrem Lehrstoff, den sie gerade durchnahm, löcherte. Geduldig hatte Janeway alle Probleme dem Mädchen erörtert.



Am nächsten Morgen traf Kathryn pünktlich in der Krankenstation zur Untersuchung ein. Das Ziehen in ihrem Bauch war immer noch vorhanden, ein ungutes Gefühl hatte sich in ihrer Magengegend breitgemacht. Dieses Mal hatte sie jedoch ihren Ehemann eingeweiht, der sie jetzt begleitete. Auch er wollte sofort wissen, ob mit ihrem Kind noch alles in Ordnung war.
Dem Gesicht des Arztes war die Schreckensnachricht sofort anzusehen, ihr Kind war tot.
Kathryn hatte keine Tränen mehr, sie blickte nur fassungslos starr geradeaus. Der Doctor hatte sie zwar gewarnt, dass es zu einer Fehlgeburt in der Zeit des dritten bis vierten Schwangerschaftsmonates kommen könnte, aber sie war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass ihr das nicht passieren würde. Mit versteinertem Gesicht, das beinahe wie eine unnatürliche Maske aussah, fragte sie den Arzt.
"Was passiert nun, wie kommt mein Baby dieses Mal auf die Welt?"
"Captain", antwortete das MHN bedacht, "bitte bedenken Sie, es ist noch kein Baby, lediglich ein Fötus. Wenn Sie einverstanden sind, werde ich ihn sofort holen, wobei ich Ihnen eine leichte Narkose verabreiche."
Kathryn blickte fragend Chakotay an, der sich ein gequältes Lächeln auf die Lippen zwang und ihr bestätigend zunickte.
"Gut, Doctor", antwortete sie ihm tonlos, "bringen wir es hinter uns."
Eine halbe Stunde später erwachte Janeway bereits wieder aus der Betäubung, ihr Ehemann saß neben ihr und hielt zärtlich ihre Hand. Im ersten Moment konnte sie nicht realisieren, was passiert war und wieso sie auf der Krankenstation lag. Plötzlich fiel es ihr wieder wie Schuppen vor den Augen, sie hatten ihr zweites Kind verloren.
"Ist es vorüber?", fragend blickte sie sich um, der Arzt der Voyager war nicht zu sehen.
"Ja, alles ist in Ordnung. Der Doctor kommt gleich, er wird uns genau erklären, was vorgefallen ist." Chakotay hatte versucht, seiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zugeben, war aber kläglich gescheitert. Auch ihm setzte der Tod des Kindes mehr zu, als er verkraften konnte.
Kurze Zeit darauf kam das MHN aus dem medizinischen Labor, um seinen Bericht abzuliefern. "Captain, Commander", begann er, "es tut mir leid, aber es ist nicht zu erklären, das Herz Ihres Babys ist einfach stehen geblieben. Ich konnte keine anormalen Entwicklungen feststellen. Genetisch und körperlich gesehen war Ihr Kind vollkommen in Ordnung. Es erweckt den Eindruck, als wollte es nicht leben."
"Nein", antwortete Janeway bitter, "das Schicksal will nicht, dass wir ein Kind haben."


*****

Schweißüberströmt lag der Captain der Voyager bereits seit Stunden auf der Krankenstation. Ihr Gesicht wirkte erhitzt und war gerötet. Commander Chakotay stand neben ihr und legte ihr laufend kühlende Tücher auf die Stirn.
"Kathryn, nicht mehr lange und du hast es geschafft."
"Du redest dich leicht, du musst ja diese Schmerzen nicht aushalten."
Die Geburt ihres dritten Kindes, wie sie es nannten, stand kurz bevor. Laut dem Doctor hatte sich der Muttermund bereits fast vollständig geöffnet, binnen der nächsten halben Stunde mussten die Presswehen einsetzen. Trotz größter Ängste hatte Kathryn acht Monate nach ihrer zweiten Fehlgeburt eine weitere Schwangerschaft riskiert. Diesmal war, entgegen ihrer Befürchtungen, alles reibungslos verlaufen. Sie wartete darauf, eine gesunde Tochter zu entbinden. Wider ihrer Vorbereitungen beim ersten Mal hatten sie dieses Mal weder einen Namen für das Kind ausgewählt, noch ein Kinderbett samt Zubehör in ihrem Quartier aufgestellt. Bis zum heutigen Tag hatten beide gezittert und gebetet, dass Janeway diesmal eine erfolgreiche Schwangerschaft durchlaufen würde. Stundenlang hatte Kathryn sich beinahe jeden Tag in der Krankenstation aufgehalten, die Brückendienste waren fast vollständig von Chakotay übernommen worden. Sie konnten von Glück sagen, dass sie seit Monaten Regionen des Weltalls durchflogen, die absolut friedlich besiedelt waren. Keine feindseligen Rassen machten ihnen Probleme, dafür gab es viele Nebel und Anomalien, die sie erforschen konnten. Auf einigen Planeten hatten sie Halt gemacht, um Kontakte zu deren Bewohnern zu knüpfen und Versorgungsgüter zu tauschen. All diese Aktivitäten hatte Kathryn jedoch fast ausschließlich von ihrem Quartier aus beobachtet. Jetzt zahlte sich ihre Zurückhaltung aus.
"Der Muttermund ist vollständig, Captain. In Kürze werden die Presswehen beginnen, Sie werden dann sofort einen unbändigen Drang zum Pressen verspüren. Geben Sie diesem Impuls unbedingt nach und pressen Sie dann, so fest Sie können."
"Doctor, ich glaube, mit fehlt die Kraft dazu. Die vergangen Stunden haben mich ausgezehrt, ich kann nicht mehr."
"Doch, Sie können, Sie wollen doch bald Ihr Kind in den Armen halten, oder irre ich mich?"
Dieser Hinweis des Arztes gab Janeway den letzten Auftrieb, als sie die erste Presswehe verspürte, klammerte sie sich fest an Chakotays Hand und folgte genau den Anweisungen des Doctors. Als die Wehe nachließ und sie hechelnd ausschnaufen konnte, hauchte ihr Ehemann ihr zärtliche Küsse auf die erhitzen Wangen. "Du schaffst es, du machst das ganz prima. Ich bin hier und werde dich unterstützen, so gut ich kann."
Liebevoll blickte sie ihn an, jedoch nahte sofort die nächste Wehe und Kathryn musste wieder pressen. Mit jeder Wehe verlor sie an Kraft, gleichzeitig aber stieg in ihr die Hoffnung, bald ihre kleine Tochter in den Armen halten zu dürfen. Dieses Wissen, beigleitet vom guten Zureden ihres Ehemannes, gab ihr Auftrieb und neue Energie.
"Ich sehe das Köpfchen bereits." Begeistert hatte der Doctor diese Worte ausgerufen. "Sie müssen vielleicht noch zweimal pressen, dann ist Ihr Kind geboren."
Janeway mobilisierte ihre letzten Kräfte und drückte so stark sie nur konnte nach unten. Sie spürte bereits, wie ihr Kind bereit war, ihren Körper zu verlassen.
"Halten Sie ein und sammeln Sie Ihre Energien, Captain. Hecheln Sie, nach der nächsten Wehe haben Sie es überstanden." Eindringlich hatte das MHN der Voyager auf sie eingesprochen. Wenige Sekunden darauf ging es erneut los. Kathryn presste unter Aufstöhnen so fest, wie sie noch konnte.
Plötzlich spürte sie, wie etwas zwischen ihren Beinen hindurch glitt. Es fühlte sich warm und glitschig an, ein äußerst merkwürdiges Gefühl. Erschöpft ließ sie ihren Kopf, den sie mit Chakotays Hilfe hochgehalten hatte, in die Kissen zurücksinken. Ehe sie sich jedoch lange entspannen und darüber nachdenken konnte, was geschehen war, hörte sie das zaghafte Schreien ihres Kindes, das schnell lauter wurde. Überrascht öffnete sie die Augen, die sie bis dahin vor Anstrengung und darauf folgender Erschöpfung geschlossen gehalten hatte, und sah an sich hinunter. Der Doctor hob gerade ein kleines Bündel Mensch, das noch mit Blut und Schleim benetzt war, hoch. Vorsichtig brachte er es zu ihr und legte es auf Kathryns Brust. Fassungslos blickte sie das kleine Mädchen an, es hatte bereits für ein Baby ungewöhnlich lange schwarze Haare und sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich. Zaghaft berührte sie es mit der Hand und strich über die Wange des Kindes, sie konnte noch nicht realisieren, dass wirklich ihre Tochter auf ihr lag. Sie lebte und atmete.
"Chakotay, sieh nur, unsere Tochter." Mehr brachte Kathryn gerührt nicht über die Lippen, während ihr Tränen der Freude über die Wangen liefen.
Ihr Ehemann sah überwältigt auf das Bild, das sich ihm bot. Die Frau, die er über alles liebte und seine kleine Tochter, sein Kind. Er blickte nach oben, wo er den Himmel vermutete. Patrick, ihr verstorbener Sohn war irgendwo dort und blickte als Engel auf sie herab. Sie würden ihn und ihr zweites Kind nie vergessen.

-Ende-
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