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Eines Tages vielleicht

von Nerys

Kapitel 1

Inhalt: Post-Episode "Das Baby". Kira muss damit zurechtkommen, das Kind, das sie in sich getragen und geboren hat, nun aufzugeben.

Rating: P6

Genre: Family, Silent

Disclaimer: Paramount, who else

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Eines Tages vielleicht

von Nerys



Mühsam schluckte Kira Nerys die Tränen hinunter. Sie wollte sich diese Blöße nicht geben. Nicht hier und jetzt. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde, doch hatte sie nicht geahnt, wie viel Kraft es sie kosten würde. Aber sie musste stark sein. Für das kleine Wesen in ihren Armen. Die O’Briens gaben ihr einen Moment, um Abschied zu nehmen und hatten sich mit der bajoranischen Hebamme in eine Ecke des Raumes zurückgezogen. Shakaar hielt sich so weit wie möglich entfernt von ihnen auf. Sie konnte seinen Blick auf sich spüren. Jetzt zählte nur eins. Das Baby. Die Augen des neugeborenen Jungen waren noch geschlossen, aber sein winziger Mund suchte instinktiv nach der Quelle seiner ersten, so wichtigen Mahlzeit. Kira wünschte sich nichts mehr, als ihm diese an ihrer Brust zu geben. Doch sie wusste, dass sie das auf keinen Fall durfte. Die Bindung, die sie bereits zu ihm aufgebaut hatte, damit weiter zu verstärken, würde es nur noch schlimmer machen.
„Es wird Zeit für dich, nach Hause zu gehen“, sagte sie leise mit vibrierender Stimme. „Du hast dir eine wunderbare Familie ausgesucht. Deine Eltern werden dir immer Sicherheit und Geborgenheit geben. Viel mehr, als ich das je könnte...“
Sie hielt inne, weil es keine Worte mehr gab. Immer noch gegen die hartnäckige Feuchtigkeit ankämpfend, suchte sie den Blickkontakt zu Keiko. Die Asiatin verstand und kam langsam zu ihr. Obwohl alles in ihr danach schrie, das Baby schützend festzuhalten, hob sie es Keiko entgegen, die es behutsam aus ihren Armen nahm. Sie wandte sich ab, während der kleine Junge, der über die vergangenen Monate in ihrem Leib herangewachsen war, nun aus ihrem Leben getragen wurde. Oh, sie würde ihn natürlich oft sehen können, das war nicht das Problem. Aber sie würde nie mehr als eine Tante sein. Sie war nicht seine Mutter. Das Zischen der Tür verriet, dass die O’Briens den Raum verlassen hatten und sie hörte Shakaars sich nähernde Schritte. Sein Gesicht tauchte vor ihr auf.
„Nerys...“, begann er.
„Nein, lass mich bitte...“, unterbrach sie ihn. „Du sollst gehen, Edon!“
Ihre letzten Worte waren schärfer als beabsichtigt und es tat ihr leid, als sie ihn mit hängenden Schultern zum Ausgang schlurfen sah, aber sie wollte kein Bedauern, keine gut gemeinten Worte. Das war alles nur Schall und Rauch. Als er gegangen war, versagte ihre Stärke, um die sie bis zuletzt gerungen hatte. Sie vermochte die Tränen nicht mehr zurückzuhalten.

Die Frau im Spiegel hatte ihr Gesicht und doch erschien es ihr seltsam fremd. Es war nicht die vertraute Härte der Widerstandskämpferin, die Kira entgegenblickte. Erschöpfung lag in ihrem dunklen Augen. Am Ende war die Soldatin ohne den Kampfeszorn auch nur eine Frau. Shakaar tauchte hinter ihr auf. Seine Hände legten sich zärtlich um ihre Taille und seine Lippen hauchten einen federleichten Kuss auf ihren Hals.
„Möchtest du dir wirklich nichts anderes anziehen? Das waldgrüne Kleid würde dir ausgezeichnet stehen, ma’hane.“
Normalerweise mochte sie es, wenn er sie so nannte. Es war ein alter literarischer Ausdruck, der ‚meine Geliebte’ bedeutete. Doch jetzt rang ihr das nur ein wehmütiges Lächeln ab. Sie hatte sich entschieden, während der offiziellen Übergabe und der anschließenden Willkommensparty für das neueste Mitglied der O’Brien-Familie ihre Uniform zu tragen. Wenn auch nur, um sich hinter der Maske des Majors zu verstecken. Niemand sollte ihre Verletzlichkeit bemerken.
„Ich glaube nicht, dass mir das Kleid schon wieder passt.“ Sie löste sich aus seiner Umarmung, um sich zu ihm zu drehen. „Du bist froh, dass es vorbei ist, oder?“
Shakaar hob abwehrend die Hände. „Das habe ich nicht gesagt! Es hat dir gut gestanden...“
„Aber gedacht. Ich kenne dich lange genug, Shakaar Edon, als dass du dich vor mir verbergen könntest. Erinnerst du dich, worüber wir vor ein paar Wochen gesprochen haben?“
„Wir haben uns über viele Dinge unterhalten. Was genau meinst du?“
„Kinder“, antwortete sie schlicht. „Ich weiß jetzt, dass ich ein eigenes Baby haben möchte.“
Der hochgewachsene Bajoraner gab ein übertriebenes Seufzen von sich. „Das haben wir doch schon ausdiskutiert. Deine Hormone sind noch im Durcheinander und du hast Muttergefühle, für den kleinen Burschen, den du bis gestern in dir trugst, aber das wird mit der Zeit wieder vergehen.“
„Der Schmerz wird vergehen, aber nicht mein Wunsch. Ich war mir selten im Leben bei etwas so sicher wie jetzt. Ich will mein eigenes Kind in den Armen halten, es an meiner Brust stillen und es in den Schlaf singen!“
„Wie du meinst. Dass es in absehbarer Zeit unmöglich ist, sollte dir schon klar sein. Du lebst hier und ich auf Bajor. Selbst, wenn du deinen Posten aufgäbst und zu mir zögest, bin ich noch nicht so weit. Ich wollte nie Vater werden, weil ich kein Kind in unsere zerstörte versklavte Welt setzen wollte, damit alles, was es kennt, Hunger und Gewalt ist. Bajor ist frei, ja, aber etwas, mit dem man längst abgeschlossen hat, kann man nicht einfach wieder hervorholen. Ich hoffe sehr, dass du mich ein wenig verstehst.“
Kira sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. So offen sprach er so gut wie nie über sein Innenleben. Sie wollte wirklich begreifen, was in ihm vorging, aber gleichzeitig fühlte sie sich unverstanden von ihm. Es war doch nicht so, dass sie unbedingt so bald wie möglich schwanger werden wollte, sondern dann, wenn ihrer beider Lebensumstände sich dafür eigneten. Enttäuscht wandte sie sich von ihm ab, um an ihm vorbei zur Tür zu gehen. Die Übergabe sollte in wenigen Minuten stattfinden. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kam, seit sie nach dem Eingriff aus der Narkose erwacht war und dieses Baby zum ersten Mal in sich gespürt hatte, doch jetzt, da es so weit war, tat es unglaublich weh.

Mit gemächlichen Schritten wanderten Odo und Kira die obere Ebene des Promenadendecks entlang. Sie waren einander vor ein paar Minuten an der Luftschleuse begegnet, von der aus das Passagiershuttle sich auf den Weg nach Bajor gemacht hatte. An Bord befanden sich Shakaar, für den es Zeit wurde, zu seinen Aufgaben zurückzukehren, und Doktor Mora, der in gewisser Weise Odos Ziehvater war. Es freute sie, dass sich die beiden nach langen Jahren endlich ausgesöhnt hatten. Auch wenn die glatten Züge des Formwandlers keine Gefühle offenbarten, spürte sie, dass ihn der Tod des Wechselbalgbabys hart traf. Wahrscheinlich kannte sie ihn besser, als irgendjemand sonst auf dieser Station. Genau wie er sie. Sie gaben einander nur durch die stumme Nähe mehr Trost, als jedes Wort das gekonnt hätte. Über eine halbe Stunde lang schlenderten sie die obere Ebene des Promenadendecks entlang, bis sie schließlich entschieden, den Turbolift zum Habitatring zu nehmen. Odo beachtete das bajoranische Pärchen, das ihnen Arm in Arm entgegen kam, zunächst nicht weiter, doch er bemerkte irritiert, wie Kira sich neben ihm versteifte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich unter dem langen Kleid der Bauch der Frau deutlich wölbte. Die beiden jungen Leute wirkten glücklich mit sich und der Welt.
„Mein Benehmen muss so albern für Sie sein“, sagte Kira leise, als sich die Lifttüren hinter ihnen schlossen. „Ich bin todtraurig darüber, dass ich den Kleinen seiner wunderbaren Familie überlassen musste, während Ihr Findelkind gestorben ist.“
„Ich finde nicht, dass Sie sich albern verhalten. Über die Zeit, die ich nun unter euch Humanoiden verbringe, habe ich gelernt, wie wichtig eure Familien für euch sind, und auch, dass ihr es als etwas ganz besonderes anseht, wenn ein neues Leben entsteht. Ich kann mir schon vorstellen, dass es schwierig für Sie ist, das Baby aufzugeben, das Sie in sich getragen haben.“ Odo legte ihr behutsam die Hand auf den Arm, was sie dazu veranlasste, zu ihm aufzusehen.
„Das Seltsame ist, wenn Sie mich noch vor einem halben Jahr gefragt hätten, ob ich es mir vorstellen könnte, schwanger zu sein, dann hätte ich Sie für verrückt erklärt. Aber jetzt...“
„Die Dinge ändern sich. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, mit Shakaar ein eigenes Baby zu bekommen? Sie wären sicherlich eine wunderbare Mutter.“
Kira fiel auf, dass sich der Klang seiner Stimme bei der Erwähnung ihres Partners für einen Moment änderte. Sie hatte schon öfter den Eindruck gewonnen, dass er Shakaar nicht mochte, wenngleich er ihn stets mit dem größten Respekt behandelte.
„Er hat mir deutlich gemacht, dass er kein Kind will“, antwortete sie in melancholischem Tonfall. „Überhaupt hat er sich ausgesprochen eigenartig benommen, als ich vor ein paar Wochen bei ihm auf Bajor gewesen bin. Er wollte mich unter keinen Umständen anfassen. Ich schätze, es war ein Problem für ihn, mich schwanger mit dem Baby eines anderen Mannes zu sehen.“
Odos sonst so glatte Stirn zog sich in kleine Falten. „Diese irrationalen Eitelkeiten humanoider Männer habe ich noch nie verstanden.“
„Vermutlich hatte er Angst mich zu verlieren.“ Dass die Eifersucht nicht immer ganz grundlos gewesen war, behielt sie allerdings für sich. Für eine kleine Weile hatten Miles und sie sich tatsächlich romantisch zueinander hingezogen gefühlt, doch diese Gefühle im Keim erstickt.
„Sie werden Ihr eigenes Kind haben, Nerys, wenn die Propheten es für richtig halten.“ Der lippenlose Mund des Formwandlers deutete ein Lächeln an.
Die Bajoranerin lächelte ebenfalls für einen Moment. Dass er so etwas sagte, obwohl er nicht an die Propheten glaubte, fand sie sehr schön. Der Lift beendete seine Fahrt und die Tür zum Habitatring glitt zischend auf. Da ihre Quartiere in unterschiedlichen Sektionen lagen, trennten sich ihre Wege nun. Sie wünschten einander eine gute Nacht. Kira wartete, bis Odo hinter der nächsten Biegung außer Sicht geriet. Eigentlich hätte sie mit dem Turbolift noch ein Stück weiter fahren können, doch alles in ihr drängte danach, weiter in Bewegung zu bleiben. Es war still in den Gängen, bis auf das leise Summen der Energieverteilung, welches sie mittlerweile nicht mehr bewusst wahrnahm.

Die Räume, die Kira normalerweise einen Ort des Rückzugs und der Sicherheit boten, erschienen ihr nun drückend einsam. Wie lebendig und gemütlich war dagegen das Quartier der O’Briens. Über die letzten Monate hatte sie es, trotz Keikos und Miles’ dauernder Überfürsorglichkeit, unglaublich genossen, in gewisser Weise Teil einer Familie zu sein. Doch nun war alles wieder wie ein Kartenhaus in sich zusammen gestürzt. Wie immer. Sie warf ihre Stiefel in eine Ecke des Raumes und ließ sich erschöpft aufs Bett fallen. Körperlich hatte sie sich bereits von der einen Tag zurück liegenden Geburt erholt, aber in ihrem Inneren fühlte sie sich leer und verbraucht. Ihre Brüste schmerzten. Sie hatte das Mittel nicht genommen, das Bashir ihr gegeben hatte, um einen Milchstau zu unterbinden. Ihre Gedanken glitten zu Kirayoshi. Schlief er gerade, oder schrie er, weil er hungrig war? Jetzt ging es ihr vermutlich ähnlich, wie Keiko nach dem Unfall. Sie wollte nichts mehr, als bei dem kleinen Jungen zu sein.
Sie dachte an die Feier der O’Briens zurück, bei der sie nur kurz gewesen war, und an die Übergabe zuvor. Die bajoranische Kinderschwester, die sie durch die Geburt geleitet hatte, legte ihr das Baby in die Arme, damit sie es seinen rechtmäßige Eltern übergab und ihren Verzicht auf jedwede Ansprüche erklärte. Nie fiel ihr etwas so schwer, wie diese wenigen Minuten. Die Worte waren wie Gift auf ihren Lippen. Miles und Keiko baten sie anschließend darum, Kirayoshis Patin zu werden. Das war ein terranischer Brauch, von dem sie nicht ganz genau wusste, was er bedeutete. Die beiden erklärten ihr, dass sie damit so etwas wie eine Tante für den Kleinen sein würde. Das würde sie in einiger Zeit, wenn sie das Loch in ihrem Herzen überwunden hatte, bestimmt sehr glücklich machen. Dann verließ sie die Party, weil sie die vielen fröhlichen Gesichter nicht ertrug. Ihr war alles, nur nicht nach feiern zumute. Wenn Kirayoshi den ersten Jahrestag seiner Geburt beging, dann würde sie sich für ihn freuen und mit ihm lachen. Aber jetzt vermochte sie das noch nicht.
Vielleicht würde Shakaar nach dem Ende seiner Amtszeit bereit dazu sein, sie zu heiraten und mit ihr eine Familie zu gründen. Sie seufzte. Was für seltsame Gedanken das waren. Noch vor weniger als einem Jahr hatte sie die Vorstellung völlig abwegig gefunden, Ehefrau und Mutter zu sein. Odo hatte recht, die Dinge änderten sich. Sie wollte eine Familie haben, wollte sich geborgen und geliebt fühlen. Es war wie ein Stück Kuchen, von dem sie gekostet hatte, und man hatte ihr den Teller wieder aus der Hand gerissen. Um den feinen Geschmack zu genießen, musste sie selbst einen backen. Kira hoffte so, dass sie eines Tages die Gelegenheit haben würde, ihr eigenes Baby in den Armen zu halten. Dafür wollte sie im Tempel zu den Propheten beten. Diese Aussicht zauberte ihr ein leichtes Lächeln auf die Lippen, ehe sie, noch vollkommen angekleidet, in einen tiefen Schlaf fiel.
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