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Zweifel

von Brigitte

Kapitel 1

Die Beleuchtung in Captain Kathryn Janeways Quartier war auf ein minimales Level herunter gefahren worden, sie selbst stand schweigend am Fenster und sah hinaus in die Leere. Das Bild, das sich ihr bot, war beklemmend. Vollkommende Schwärze in einer Intensität, die sie nicht für möglich gehalten hätte. Normalerweise war der Weltraum übersät mit Sternen, Nebeln oder Anomalien, aber seit Wochen war davon überhaupt nichts mehr zu sehen. Die Hände auf dem Rücken verschränkt versuchte sie, mit der Kraft ihrer Augen die Dunkelheit zu durchdringen, um zu erkennen, was sich in ihr verbarg. Mit der Zeit begannen ihre Augen zu brennen. Kathryn hob eine Hand und strich sich erst über die schmerzende Stirn und dann über ihre inzwischen geschlossenen Lider. Sie befand sich in einer merkwürdigen Stimmung. Seit Tagen lebte sie zurückgezogen in ihrem Quartier und dachte nach. Sie machte sich Vorwürfe. Die Voyager mit ihrer hervorragenden Crew war durch ihre Schuld im Deltaquadranten gestrandet und nun schon seit über vier Jahren auf sich allein gestellt in einem unerforschten, feindseligen Gebiet des Weltalls unterwegs nach Hause.
Sie hatten unzähligen Gefahren getrotzt und gegen viele fremde, bösartig gesinnte Spezies gekämpft. Herausragende Crewmitglieder hatten bei der Verteidigung der Voyager und ihrer Kollegen ihr Leben verloren. Menschen, die es verdient hätten, am Leben zu bleiben und bei ihren Freunden und Familien zuhause zu sein. Sie, Kathryn Janeway, trug die alleinige Schuld am Tod dieser Leute. Schwermütig dachte sie an Hogan, Curt Bendera, Lon Suder und einige andere, die nicht mehr unter ihnen weilten.
Janeway glaubte, in den Augen eines jeden Crewmitgliedes täglich die stummen Vorwürfe über ihr Fehlverhalten zu lesen.
Auf der anderen Seite durfte sie nicht vergessen, dass sie Chakotay niemals so gut kennen gelernt hätte. Er war mehr als nur ihr Erster Offizier und ihr Freund, ein Leben ohne diesen Mann an ihrer Seite konnte sie sich nicht mehr vorstellen. Ihr Herz schlug ein wenig schneller, als sie an ihn dachte. Nur - wäre die Voyager damals in den Alphaquadranten zurück gekehrt, sie hätte Mark geheiratet und würde heute ein beschauliches Leben mit ihm führen. Verwirrt musste Janeway registrieren, dass sie bei diesem Gedanken leichtes Unbehagen in sich spürte. Als sie erfuhr, dass Mark verheiratet war, war sie beinahe erleichtert gewesen. Chakotay hatte, sofort als sie ihn kennen lernte, tief in ihrem Inneren etwas berührt, was sie sich selbst nicht genau erklären konnte. Aber nichts was sie fühlte und passiert war, rechtfertigte ihre Entscheidung, die Phalanx des Fürsorgers zu zerstören.
Sie schüttelte den Kopf, um sich von dem erdrückenden Gefühl, das sie umfing, zu befreien und drehte sich um. Überrascht blickte sie auf den Mann, der in einem ihrer Sessel saß und sie schweigend betrachtete. Kathryn kam sich ertappt vor, als hätte er alle ihre Gedankengänge mit verfolgen können.
"Was machen Sie denn noch hier?"
Der Erste Offizier der Voyager hatte die Beine übereinander geschlagen und die Hände gefaltet. Mit forschendem Gesichtsausdruck hatte er sie die ganze Zeit beobachtet und aufgrund ihrer Körperhaltungen ihre Zweifel und inneren Kämpfe erahnen können. Nach ihrem Gespräch war er, wie er angekündigt hatte, nicht wieder gegangen. Er wollte ausharren, bis sie bereit war, diesen Raum zu verlassen und mit ihm auf das Holodeck zu gehen. Die harschen und unfreundlichen Worte des Captains prallten wirkungslos an ihm ab, er setzte sein liebenswertestes Lächeln auf und antwortete ihr. "Ich warte immer noch darauf, dass Sie Ihre Kabine verlassen - zusammen mit mir."
Kathryn drehte ihm wieder den Rücken zu und sah erneut zum Fenster hinaus in die Schwärze des sternenlosen Alls. Seit Chakotays niederschmetterndem Bericht über die Dauer ihres Aufenthaltes in der Leere hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren, sie wusste nicht, wie lange er schon dort saß, aber bestimmt länger als zwei Stunden. Sie verspürte kein Verlangen, immer und immer wieder das selbe Thema mit ihm zu diskutieren. Ihre Schuld stand einwandfrei fest und daran würden auch seine gut gemeinten Worte nichts ändern. Rasch wandte sie sich wieder ihm zu und fuhr in an.
"Haben Sie nichts zu tun...", begann Janeway schroff und unterbrach sich sofort selbst wieder. Sie wusste, dass es nichts zu erforschen gab und keine Erstkontakte mit fremden Spezies hergestellt werden konnten. Nicht einmal die Borg verirrten sich in diesen abgelegenen Teil des Universums. Abwehrend streckte sie ihm die Hände entgegen, um ihn an einer Antwort auf ihre törichte Frage zu hindern. "Tut mir leid, Chakotay, ich ...", sie senkte betroffen den Kopf und schwieg. Der Indianer, der aufgestanden und zu ihr gegangen war, fasste sie am Arm, "Kathryn, Sie brauchen sich nicht bei mir zu entschuldigen. Bei jedem von uns liegen die Nerven blank." Ein tröstendes und zuversichtliches Lächeln huschte über sein Gesicht, bevor er fort fuhr. "Wenn Sie schon nicht mit mir auf das Holodeck kommen wollen, dann setzen wir uns doch und unterhalten uns ein wenig. Vielleicht kann ich Ihnen helfen, einige Dinge klarer und im richtigen Licht zu sehen." Er führte sie zu einem Stuhl, was Janeway mit leichtem Widerwillen mit sich geschehen ließ, und bedeutete ihr mit einem beinahe unmerklichen Kopfnicken, darauf Platz zu nehmen. Chakotay ging zum Replikator, orderte zwei Tassen Kaffee und setzte sich daraufhin ihr gegenüber, wobei er ihr eines der Getränke in die Hand drückte.
"Danke", vorsichtig nippte sie an dem heißen, dampfenden Gebräu und versuchte, auf ihr Gesicht ein unbeschwertes Lächeln zu zaubern, was ihr allerdings nicht gelang. "Gut, unterhalten wir uns. Worüber möchten Sie sprechen. Über die Moral der Crew, oder wie lange wir noch in diesem verdammten Nichts umher irren, oder..."
"Kathryn", unterbrach Chakotay sie, "wem wollen Sie eigentlich hier etwas vormachen? Mir? Ich kenne Sie viel zu gut, ich weiß genau, was mit Ihnen los ist. Aber Ihre Selbstvorwürfe sind falsch. Es gibt keinen Grund dafür."
"Ach, nein?" Ihre ironischen Worte waren unterstützt von dem entsprechenden Gesichtsaudruck mit herunter gezogenen Mundwinkeln und durch ihre abwehrenden Handbewegungen. "Ich ganz allein habe entschieden, dass die Voyager im Deltaquadranten verbleiben musste. Niemand sonst, ich hatte die Möglichkeit zur Rückkehr und habe sie bewusst nicht genutzt. Und da sagen Sie, es gibt keinen Grund, mir Vorwürfe zu machen. Ich habe einfach so", um ihre Worte zu untermalen, schnippte Kathryn mit den Fingern, "über das Leben von einhundertfünfzig Menschen entschieden. Ich hatte nicht das Recht, ihr Leben zu zerstören."
"Und was ist mit den Ocampa", setzte Chakotay, nun etwas lauter geworden, ihr entgegen, "eine ganze Rasse unter der Oberfläche dieses Planeten, haben die nicht das Recht, zu leben. Wäre es besser gewesen, sie von den Kazon ausrotten zu lassen, nur damit die an das Wasser unter der Oberfläche dieser Wüste gekommen wären, um ihren Lebensstandard zu verbessern." Seine Stimme war leicht aggressiv und etwas lauter geworden, er musste sie von diesem Irrglauben befreien.
Janeway stand ruckartig auf und wanderte im Zimmer hin und her, die Hände zu Fäusten geballt und in die Hüften gestützt. "Sie hätten sich den veränderten Umständen angepasst, die Ocampa waren wie Kinder. Gut - sie hätten ihren sicheren Zufluchtsort verloren, aber dann wären sie endlich erwachsen geworden."
"Glauben Sie wirklich, die Zeit wäre ausreichend dafür gewesen?" Chakotay stellte seine Kaffeetasse ab und erhob sich ebenfalls. "Die Kazon hätten ihnen alles weggenommen, bevor sie überhaupt begriffen hätten, was mit Ihnen geschieht. Sie sagten selbst, die Ocampa waren wie Kinder. Nehmen Sie ein junges Tier, das zu früh von seiner Mutter im Stich gelassen wird. Es hat praktisch keine Chance zu überleben. Es wird von größeren, feindlichen Tieren gefressen." Der Indianer stellte sich vor seinen Captain und blickte ihr eindringlich ins Gesicht, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Kathryn sah zu Boden, sie konnte den Augenkontakt mit ihm nicht mehr aufrecht erhalten. "Captain", begann er erneut mit etwas milderer und versöhnlicherer Stimme, "wäre Ihre Entscheidung zu unseren Gunsten ausgefallen, hätten Sie eine ganze Rasse zum sicheren Tod verurteilt. Wie hätten Sie und Ihr Gewissen damit denn leben können? Wir haben immer noch die Möglichkeit, nach Hause zu kommen und das schaffen wir auch." Chakotay hielt kurz inne und betrachtete die schweigende Janeway, die ihren Kopf inzwischen wieder gehoben hatte und ihn unverwandt ansah. "Kathryn, wie könnten Sie mit dem sicheren Wissen leben, alle Ocampa in den sicheren Tod geführt zu haben."
"Ich weiß es nicht, ich ...", ihre Stimme brach. Verzweifelt klammerte sie sich an einen Strohhalm. "Aber diese fünf Jahre, in denen die Ocampa noch Energiereserven vom Fürsorger zur Verfügung haben, sind bald vorbei. Dann müssen sie an die Oberfläche und ihr Leben neu ordnen. Genauso gut wäre dies auch schon möglich gewesen, als wir den Planeten verlassen haben. Ich sehe da keinen Unterschied." Beinahe trotzig und mit vorgestrecktem Kinn sah Kathryn zu dem Indianer hoch, sie wollte einfach nicht einsehen, dass ihre Selbstvorwürfe der letzten Tage jeder Grundlage entbehrten.
"Sie wissen doch genau, das diese Jahre einen riesigen Unterschied bewirken. Die Ocampa wussten, was später auf sie zu kommt und konnten sich darauf einstellen und vorbereiten. Diese Lernphase ist ihre Chance zum Überleben, so wie ein junges Tier erst einmal erwachsen werden muss, bevor es sich den Grausamkeiten des Lebens stellen kann. Außerdem vermute ich, dass Kes zu ihnen zurück gekehrt sein wird. Sie hatte Sehnsucht nach ihrem Volk und die neuen Kräfte, die sie erworben hatte, machten ihr den Weg dort hin leicht. Sie wird heute ihre Freunde und Verwandten lehren und sie unterstützen. Davon bin ich sogar absolut überzeugt."
"Kes...", begann Janeway und ein Schatten fiel über ihr Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie die liebenswerte junge Frau noch heute vermisste. Ihr Wohlwollen war ihr immer besonders am Herzen gelegen. Als sie sich von Neelix trennte, hatte Kathryn lange Gespräche mit ihr geführt, um ihr die Umstellung in einen neuen Abschnitt ihres Lebens zu erleichtern. "Kes, ich habe sie damals einfach mit uns mitfliegen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, um die ganze Tragweite ihrer Entscheidung zu erkennen. Ich glaube nicht, dass sie an Bord der Voyager wirklich glücklich war. Ich hätte besonnener reagieren müssen und ihr den Wunsch verweigern müssen, sich uns anzuschließen. Auch das war ein Fehler."
Chakotay wurde langsam wütend, es war doch nicht möglich, dass so viel Verbohrtheit und Sturheit in nur einem Menschen steckte. Er fasste Janeway an den Schultern und schüttelte sie leicht, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. "Kathryn, Kes hat immer ihre Entscheidungen selbst und aus freiem Willen getroffen. Sie wollte an Bord der Voyager kommen, genauso wie sie uns auch wieder verlassen wollte. Sie war Ihnen und uns allen so dankbar, dass sie uns sogar zehntausend Lichtjahre näher an die Heimat geschickt hat. Haben Sie das vergessen?" Unvermittelt ließ der Indianer wieder ihre Schultern los und ging mit bedauerndem Gesichtsausdruck und gesenktem Kopf einen Schritt zurück. In ihm machte sich das Gefühl breit, dass er zu weit gegangen war.
"Nein, Chakotay, das habe ich nicht. Aber ich habe trotzdem so vieles falsch gemacht, auch wenn Sie behaupten, niemand wirft mir etwas vor. Ich tue es trotzdem."
"Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen." Der Erste Offizier hatte wieder zu seinem sanften Tonfall zurück gefunden und blickte ihr forschend in die Augen.
"Natürlich."
"Glauben Sie, dass die Crew mit dem Wissen leben könnte, die Ocampa dem sicheren Tod überlassen zu haben, nur um schneller und bequemer wieder nach Hause zu gelangen? Was denken Sie, wie glücklich wären wir alle zurück auf der Erde geworden - nach einer solchen Entscheidung." Langsam ging Chakotay in Richtung ihres Kabinenausgangs. So sehr er Janeway auch helfen und sie nicht allein lassen wollte, im Moment war es besser, sie mit den neuen Erkenntnissen, die er ihr vermittelt hatte, sich selbst zu überlassen, damit sie in Ruhe einen klaren Kopf bekommen konnte.
"Denken Sie darüber einmal nach, Kathryn." Die automatischen Türen öffneten sich und der Indianer hatte schon beinahe das Quartier des Captains verlassen, als sie ihn zurück hielt.
"Bitte, gehen Sie nicht."
Unvermittelt stoppten seine Schritte und er drehte sich langsam zu Janeway um. "Wieso", fragte er nach, "ich dachte, Sie wollten allein sein."
Sie ging auf ihn zu, legte ihm die Hand auf die Schulter und bedeutete ihm mit einem leichten Druck ihrer Finger, wieder in ihr Quartier zurück zu kommen. Zischend schlossen sich die Türen hinter ihm. "Welches Holodeckprogramm könnten Sie mir anbieten?", fragte Kathryn ihn mit einem leichten Lächeln.

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