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Ein Leben für Bajor

von unknown sample

Aufbruch

Bajor, Provinz Dahkur, das Jahr 8165 bajoranischer Zeitrechnung

Die Stadt lag in völliger Dunkelheit. Nicht einmal das Licht zweier der Monde Bajors, die langsam ihre Wanderschaft über die Nachtseite des Planeten begonnen hatten, vermochte die düsteren Schatten in den engen Straßen und Gassen zurück zu drängen.
Zu der Dunkelheit kam die Stille. Eine Stille, die geboren war aus der Abwesenheit von lebenden, atmenden Wesen zwischen den meist uralten Häusern. Fast wie in einer Gruft.
Dann, ganz plötzlich, durchbrach ein leises Quieken die Nacht, gefolgt von einem halblauten Fluch, rauem Gelächter und dem unverkennbarem Geräusch eines abgefeuerten Disruptors. Die in einem Kapuzenmantel verhüllte Gestalt am anderen Ende der Gasse erstarrte augenblicklich. Einen Moment lautlos verharrend lauschte sie angestrengt. Irgendetwas kleines, pelziges trippelte auf vier Pfoten über das Steinpflaster in höchster Geschwindigkeit auf sie zu. Als das Wesen der vermummten Gestalt mit seinen überragenden Nachtsinnen ansichtig wurde, stoppte es abrupt, starrte den Fremden an und verschwand dann augenblicklich lautlos in der nächsten Spalte eines gemauerten Abwasserkanals. Der Fremde beobachte die Flucht der kleinen bajoranischen Ratte nur kurz mit halbem Interesse und wendete dann seine Aufmerksamkeit erneut der Richtung zu, aus welcher diese geflüchtet war. Im Dunkel der Gasse konnte er nur die Umrisse von fünf kräftigen Gestalten ausmachen, die langsam und erneut schweigend in seine Richtung liefen. Sie nahmen die gesamte Breite der Gasse ein. Absichtlich, wie er wusste. Es war zu dunkel, um mehr als ihre Umrisse ausmachen zu können, aber das war auch nicht nötig. Mit einer entschiedenen Bewegung seinen Mantel um sich schlagend, wendete sich der Fremde ab und strebte widerwillig, aber völlig lautlos den Weg zurück, den er gekommen war.
Der Umweg wegen der cardassianischen Patrouille hatte ihn zwei volle Stunden gekostet. Als er schließlich an die Holztür seines Hauses klopfte und dabei die Kapuze seines Mantels zurück schob, fühlte er sich völlig ausgelaugt. Natürlich war es ein Risiko gewesen, bis über die Sperrstunde hinaus unterwegs gewesen zu sein, aber die Informationen, die er dafür erhalten hatte, waren es sicher wert gewesen. Er war überzeugt davon, dass sie es wert gewesen waren. Selbst in dieser Nacht. Es gab keinen Grund, jemand anderem davon zu erzählen, dass er wegen einer dummen bajoranischen Ratte fast von einem cardassianischen Sicherheitsteam aufgegriffen worden wäre. Erst auf ein wiederholtes Klopfen des verabredeten Zeichens hörte er, wie der innere Sicherungsbalken der Türe zurück gehoben wurde und sich die Türe einen Spalt breit öffnete. Fahles Licht waberte hinaus auf die dunkle Gasse und er trat näher, damit sein Gesicht erkennbar wurde. "Ich bin es, Los", sagte er eine Spur zu hastig und sah sich sichernd um, da nun das wenn auch schwache Licht aus dem Türspalt in die Gasse fiel. „Lass mich rein!"
"Du kommst ziemlich spät", sagte Narim Los, sein Schwager, beinahe ärgerlich, öffnete die Türe aber so weit, dass Kira Taban in das Haus hinein schlüpfen konnte. Narim schloss die Türe sofort wieder hinter ihm, nicht jedoch ohne einen ängstlich prüfenden Blick in die dunkle Gasse zu werfen. Kira entledigte sich schnell seines Kapuzenmantels und atmete die vertraute Atmosphäre seines Hauses mit einem tiefen Seufzer erleichtert ein. Im Eingangsbereich seines Hauses brannte in einem großen Kamin ein Feuer. Bequeme Sitzmöbel aus Peng-Leder standen in einem Halbkreis angeordnet einladend davor. Die Einrichtung wurde komplimentiert durch drei reich geschnitzte Truhen aus Moba-Holz mit goldenen Intarsien. Der Steinfußboden war belegt mit kostbaren antiken Teppichen aus der Zeit des Kai Yolanda. Hätte es nicht das Verbot gegeben, nach Einbruch der Dunkelheit sich außerhalb seines Hauses aufzuhalten und alles nach Einbruch der Nacht zu verdunkeln...Kira schüttelte mental den Kopf. Diesen Gedanken an frühere Zeiten nachzuhängen machte keinen Sinn. Nicht nach dem, was er heute erfahren hatte. Er drehte sich von dem Anblick seines früheren Lebens weg und fixierte Narim Los, der schweigend aber erwartungsvoll hinter ihm stand. „Also, sag schon, womit habe ich dich diesmal verärgert?"
Narims Augen verengten sich nur einen winzigen Augenblick. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust. „Nichts für ungut, Taban. Meine Schwester wusste, dass du politische Ambitionen hast, als sie die Ehe mit dir einging. Was ich - ach, was rede ich- meine ganze Familie etwas eigenartig fand. Deine Familie und meine Familie gehören seit Jahrhunderten der Künstler-Kaste an. Eine Kaste, die nach der der Vedeks das höchste Ansehen auf Bajor genießt. Und du...du..."
„Ich bin eher politisch ambitioniert?" lächelte Kira. „Das gehört sich wohl nicht...Wie erniedrigend. Dennoch... “, Kira beugte sich beinahe verschwörerisch vor. „Profitiert Ihr alle ganz schön davon, dass ich im dahkurranischen Rat sitze, um mit den Löffelköpfen darüber zu verhandeln, ob oder ob Ihr nicht in der nächsten Saison noch Ikonen malen dürft oder Eure Standbilder in der Tempeln ausgestellt werden. Ich mag ja selber keine Schriften mehr übersetzen, aber ich tue wenigstens etwas, was Bajors Spiritualität zum Überleben hilft."
Narim Los starrte ihn einen Augenblick schockiert an, dann wendete er den Blick ab. „Meru hat ein Mädchen geboren", sagte er schließlich trocken. „Du bist nicht da gewesen!"
„Was?" Kira Tabans Ausdruck wechselte von Begreifen zu Erschrecken, dann zu völliger Verzweiflung. „Aber...aber das kann nicht sein. Meru sollte erst in zwei Tagen entbinden."
„Es ist, wie ich sage", erwiderte Narim mit stoischer Ruhe. „Du warst nicht da, als die Propheten ein neues Licht in diese Welt gerufen haben. Aber sei versichert, wir, ihre Familie, waren da, um dieses neue Gefäß der Propheten in unserer Mitte willkommen zu heißen!"
Meru! Meru!
Kira Taban hastete die knarrenden Stufen in das obere Geschoss seines Hauses hinauf, Narims anklagende Worte bereits hinter sich lassend. Er stürmte durch den engen Flur, stieß die Türe auf und erstarrte augenblicklich. Auf dem großen Bett in der Mitte des Raumes lag seine Frau. In ihren Armen war ein kleines Bündel, aus welchem ein winziger Kopf mit dem Flaum rostrotem Haares heraus lugte. Die Hand seiner Frau strich gerade über das Köpfchen des Neugeborenen, als er in der Tür erschien. Meru hielt in der Bewegung inne, als sie der Anwesenheit ihres Ehemannes gewahr wurde, wendete ihre Aufmerksamkeit von dem Kind ab und drehte ihr Gesicht ihm zu. Sie lächelte glücklich.
„Taban!" Es war nur ein Flüstern. „Ich danke den Propheten, dass du endlich da bist. Schau!" Sie zog ein wenig das leinene Tuch zur Seite, welches das Köpfchen des Neugeborenen verbarg.
Überwältigt trat Taban näher und kniete am Bett seiner Ehefrau und seiner Tochter nieder. Das Mädchen drehte den Kopf und zog dann einen Schmollmund. Meine Tochter! hämmerte Tabans Herz. Ich habe eine Tochter!
„Unsere Tochter!" sagte Meru und legte ihre freie rechte Hand auf seine. „Bitte gib ihr deinen Segen!"
Er sah einen Moment in die Augen seiner Frau und dann, nach einem Moment der Unendlichkeit mit den Propheten, hob er seine andere Hand und legte sie auf die Stirn des Neugeborenen. Das kleine Wesen schien unter der Berührung seine winzige Stirn zu runzeln, wodurch seine bereits jetzt erkennbaren Nasenrillen deutlicher ausgeprägt wurden. Es wendete ein wenig sein Köpfchen und dunkelbraune, große Augen starrten Kira Taban fast neugierig an. Wissend! Es war völlig unmöglich, dass ein gerade Neugeborenes seinen Vater erkannte, dachte Taban urplötzlich irritiert. Ausgeschlossen! Und doch, irgendetwas in dem Blick dieses Säuglings war verstörend gewesen. Einen Moment hatte er bei diesem Blick das Gefühl gehabt, als hätte er in das Antlitz der Propheten selbst geblickt. Dann war der Augenblick vorbei, der Blick des Mädchens wurden unstet und es drehte das Köpfchen weg, gähnend.
Taban schluckte unwillkürlich, nahm seine Hand aber nicht weg, während er erneut Merus Aufmerksamkeit suchte. „Ich erkenne dich als meine Tochter an", sagte er feierlich die traditionellen bajoranischen Worte. „Du bist die Frucht meines Herzens mit Narim Meru. Und ich gebe dir den Namen..., " er zögerte nur kurz. „Kira Nerys. Mögest du fortan im Licht der Propheten wandeln bis du in den himmlischen Tempel eingehest."
„So sei es", erwiderte seine Frau und lächelte glücklich.
„So sei es!" erwiderte der Chor der anderen Bajoraner, deren Anwesenheit Taban erst jetzt bewusst wurde und die bereits die ganze Zeit im Hintergrund ausgeharrt hatten. Er erfasste die Hebamme, die ihn anlächelte, wie auch die anderen Mitglieder der zahlreichen Familie Narim, die ihm mit offener Verachtung begegneten. Er wusste nur zu gut, warum. Er war nicht da gewesen, als er an Merus Seite hätte sein müssen. Die bajoranische Tradition gebot es, dass der Vater an der Seite der Frau war, die sein Kind auf die Welt brachte. Er schaute auf Meru, die immer noch seine Hand hielt. Sie lächelte ihn an. Dann strich sie fast geistesabwesend über das Köpfchen ihrer neu geborenen Tochter.
„Ich glaube", sagte sie fest. "Dass alles, was geschieht, der Wille der Propheten ist. Was sind wir, dass wir ihren Willen in Zweifel ziehen dürften?"
Der Säugling bewegte sich jetzt unruhig und ließ schmatzende Geräusche hören. Taban sah auf seine Tochter herab und lächelte. Wie hübsch sie war und wie unschuldig.
„Sie hat Hunger“, sagte die Frau auf der anderen Seite des Bettes, die Kira an ihrer Kleidung und dem professionellen Habitus sofort als Hebamme identifizierte. Diese klatsche jetzt resolut in die Hände und musterte die am Fußende des Bettes stehenden Verwandten, zwei Schwestern und ein Bruder Kira Merus sowie die Tante Tabans, die der Geburt gemäß der Tradition als Zeugen beigewohnt hatten.
„Ich darf alle Anwesenden bitten, nun den Raum zu verlassen. Mutter und Kind brauchen Ruhe und bleiben jetzt allein.“ Ihre strenge Art duldete keinen Widerspruch. „Das gilt auch für den Vater“, fügte sie bedeutungsvoll hinzu, als Taban nicht sofort Anstalten machte sich zu erheben und den anderen, die bereits nach draußen liefen, zu folgen. Meru lächelte ihm zu und nickte. Er erwiderte das Lächeln, drückte ihr einen Kuss auf den Handrücken, strich noch einmal zärtlich über den rötlichen Flaum auf dem Kopf seiner Tochter und zog sich dann ebenfalls zurück.
„Ich bin in der Nähe, wenn du mich brauchst“, sagte er.
„Seien Sie das nächste Mal lieber pünktlich“, raunte ihm die Hebamme zu, während sie ihn zur Tür hinaus schob und diese hinter ihm schloss. Einen Moment lang starrte Taban auf die verschlossene Türe, dann seufzte er und begab sich in das untere Geschoss des Hauses, wo es sich die übrigen Familienmitglieder bereits auf den Sesseln vor dem Feuer bequem gemacht hatten. Er wurde sich bewusst, dass er sie auch noch die nächsten Stunden beherbergen musste, ehe sie nach Hause gehen konnten. Bereits seit einem Jahr bestand für Bajoraner das strikte Verbot nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang das eigene Haus zu verlassen. Die wenigen Ausnahmegenehmigungen für die Sperrstunde, die einer ausdrücklichen Bestätigung durch den jeweils örtlich zuständigen cardassianischen Provinzverwalter bedurften, wurden strengstens überwacht. Und die nächtlichen Straßen wimmelten von cardassianischen Patrouillen, die mit dem Argument der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ohne Bedenken von ihren Energiewaffen Gebrauch machten. Taban begab sich in die Küche und gab der Köchin sowie der Dienerin die Anweisungen, die Gäste mit Erfrischungen und Speisen zu versorgen. Zum Glück hatte die Köchin, eine gutmütige ältere Bajoranerin die schon seit Jahrzehnten im Dienste der Familie stand, Tabans Wünsche schon vorausgesehen. Nur kurze Zeit später waren die Gäste bewirtet. Sogar Rauchwerk konnte den Herren angeboten werden.
Narim Los steuerte nun, ein Glas vorzüglichen Frühlingswein in der einen, eine bajoranische Pfeife mit bestem Tabak in der anderen, auf Kira zu und zog ihn beiseite. Seine Augen funkelten.
„Wo warst du?“ herrschte er ihn an, während Taban selbst eines der Gläser mit Frühlingswein von dem Tablett der Dienerin nahm. „Deine Aufgabe war an der Seite Merus! Gerade der Vater soll das Kind in dieser Welt mit Liebe in Empfang nehmen. Meru hat sich Sorgen um dich gemacht, als du bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht zuhause warst. Du wusstest, dass in den nächsten Stunden die Geburt beginnen würde. Hast du überhaupt kein Verantwortungsgefühl? Die Tradition gebietet…“
„Die Tradition“, unterbrach Taban Los ruhig.„Ist heute nicht mehr sehr viel wert.“ Natürlich kannte er selbst die Tradition. Diese gebot, dass er an der Seite seiner Frau hätte sein müssen, während sie das Kind – sein Kind – zur Welt brachte. Aber in der Tradition war auch nicht vorgesehen, dass cardassianische Soldaten einem werdenden Vater auf seinem Nachhauseweg begegnen und ihn kurzerhand erschießen würden, wenn ihnen danach war.
„Ich fürchte, schon allzu bald wird nichts mehr von dem, was wir Tradition nennen und das uns lieb und teuer ist von Wert sein. Oder auch nur noch von Bedeutung.“ Taban nahm einen Schluck von dem Wein und Narim Los starrte ihn fragend an. Sein Schwager mochte temperamentvoll sein, aber er war kein dummer Mann. Er wusste um den Einfluss Kiras in der Provinzhauptstadt, auch wenn es nur ein unbedeutender Posten in einem unbedeutenden Gremium war. Seit die Cardassianer die Geschicke ihrer Welt lenkten, und dies taten sie nun schon seit mehreren Jahrzehnten, gab es für einen Bajoraner kein politisches Amt mehr, das noch tatsächlichen Einfluss oder Macht bedeutete. Jedes Amt aber brachte, so unbedeutend es auch anmutete, stets ein gewisses Mehr an Wissen und Erkenntnis mit sich, was der breiten Bevölkerung stets verschlossen blieb. In der Regel eine Kenntnis um Dinge, die andere erst dann erfuhren, wenn sie bereits geschahen.
„Hast du etwas Neues erfahren?“ Die Verärgerung, die Narim gerade noch so überdeutlich zur Schau getragen hatte, schien sich in Luft aufgelöst zu haben und der Bajoraner wirkte auf einmal sehr besorgt. Schnell sah er sich um, ob jemand der anderen sich für ihr Gespräch interessierte. Doch das war augenscheinlich nicht der Fall. Die anderen unterhielten sich über das Neugeborene oder genossen den Frühlingswein. Dann lehnte er sich vor, sodass nur Kira ihn verstehen konnte.
„Ich wusste nicht, dass der Rat heute schon wieder getagt hat. Du warst doch erst letzte Woche da.“
„Diesmal war es keine offizielle Sitzung. Die Dinge stehen nicht gut…“ Taban verschwieg, dass er auf einem Treffen gewesen war, dem nicht die gesamten Ratsmitglieder beigewohnt hatten und die auch nicht offiziell zusammen gekommen waren. „Die Cardassianer sind unzufrieden mit unserer Regierung. Sie behaupten, die Erzförderung würde von unserer Seite absichtlich verlangsamt.“
„Das ist doch lächerlich! Wir bemühen uns hinlänglich genug, unseren eigenen Planeten auszubeuten. Für sie.“
„Die Cardassianer haben ein paar Dekrete erlassen, die demnächst in Kraft treten.“
Narim nahm einen Schluck aus seinem Glas und zuckte die Achseln. „Na und? Das tun die Cardassianer doch, seit sie die Herrschaft über Bajor an sich gerissen haben. Ach nein, ich vergaß“, verbesserte er sich selbst spöttisch, „seit sie hergekommen sind, um unserer armen primitiven Rasse zu helfen. Mir war zwar nicht bewusst, dass wir in der Vergangenheit Hilfe benötigt hätten, aber jetzt haben wir ein paar neue Freunde, die uns sagen, wo es langgeht. Keine freien Wahlen mehr, keine Kasten, keine Freizügigkeit. Statt dessen Steuern und Abgaben, die uns zu Boden drücken.“
„Diesmal ist es etwas anders.“ Kiras Stimme nahm einen verschwörerischen Klang an. „Wir werden nun bald nach unserer Bedeutung für sie eingestuft. Farmer, Arbeiter, Handwerker sind wichtig. Wissenschaftler, Ordensleute und Künstler nicht.“ Er zögerte kurz. „Die unwichtigen Bajoraner erhalten ab sofort nur noch sehr eingeschränkt Berechtigungsscheine für die Versorgung, weil sie angeblich der Wirtschaft des Planeten absichtlich schaden. Das heißt offiziell keine Lebensmittel, keine Energie und auch keine Transportscheine mehr. Wer ohne Bezugsscheine dennoch an diese Bajoraner etwas liefert, dem droht als Volksverräter angeklagt und aufgehängt zu werden.“
„Was?“ fragte Narim Los fassungslos und verschüttete beinahe seinen Frühlingswein. Er sah sein Gegenüber an, als habe dieser gerade den Verstand verloren. Er wusste aus eigener Erfahrung wie schwierig der Umgang mit den graugesichtigen Wesen aus Cardassia war, auch hatte er schon allerhand Gerüchte über Grausamkeiten gehört. Sicherlich waren sie keine der angenehmsten Zeitgenossen des Quadranten. Aber sie waren intelligente Lebewesen. Möglicherweise eine machthungrige Spezies, die ständig darauf aus war, ihr eigenes Reich durch die Einverleibung anderer Systeme zu erweitern. Was für einen Sinn sollte es aber ergeben, die Bajoraner in solche Klassen einzuteilen? Das macht ist gerade deshalb ohne Sinn, weil die Cardassianer von ihrer Welt doch schon mehr erhielten, als für Bajor gut war. Ein solches Dekret würde Bajor geradewegs in den Abgrund führen.
„Das ist lächerlich“, sagte er schließlich entschieden.
„Wir gehören alle einer Künstler D`jarra an, Los“, sagte Kira ruhig. „Ich fürchte, du wirst bald erfahren, dass ich die Wahrheit spreche. Alle Künstler werden sehr bald aus der sozialen Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Es sei denn, wir entschließen uns auch eine der Tätigkeiten zu übernehmen, die die Cardassianer für unser Volk als wichtig erachten. Hier in der Stadt wird das aber sehr schwierig werden.“
Natrim Los schüttelte den Kopf, dann wurde ihm jedoch klar, dass Kira es sehr ernst meinte. „Das werden sie nicht tun. Ich meine, sie können es nicht tun! Weil es einfach nicht funktionieren kann. Die Kasten existierten seit ewiger Zeit. Auch wenn sie offiziell durch die Regierung abgeschafft wurden, hat sich doch nichts daran geändert, dass die Bevölkerung uns Respekt zollt. Wir gelten etwas im Volk. Mehr als das! Nicht einmal die Vedeks dieser Provinz genießen ein höheres Ansehen als wir. Wir erschaffen die heiligen Standbilder, bearbeiten die edlen Metalle, wir malen die herrlichen Ikonen.“
„Werte des bajoranischen Volkes, Los. Ohne Bedeutung für Cardassianer. Es gibt Gerüchte, dass sie bereits im Süden begonnen haben, Mönche aus ihren Klöstern zu vertreiben. Ich habe schlimme Dinge gehört, die cardassianische Soldaten Bajoranern angetan haben sollen, die sie für unnütz halten. Und ich fürchte, sie kommen auch hierher.“
Sein Schwager erblasste. „Wie kann das sein? Bist du ganz sicher, dass das nicht nur Gerüchte sind?“
„Es sind keine Gerüchte“, Kira runzelte unbewusst die Stirn und blickte die Treppe hinauf. Dorthin wo er seine Frau und sein neugeborenes Kind wusste. „Leider. Die Quelle, von der wir unsere Informationen bekommen haben, ist absolut vertrauenswürdig. Der Mann hat selbst erlebt, worüber er uns berichtet hat. Daran gibt es keinen Zweifel. Die cardassianischen Soldaten haben alle mit Gewalt vertrieben, die nicht freiwillig gehen wollten.“
„Aber wieso? Wir führen doch keinen Krieg gegen sie. Wir sind ein friedliebendes Volk. Wir geben ihnen alles, was sie wollen. Wir…“
„Der Mann sagte, dass für die Cardassianer all das nichts gezählt habe, als sie kamen. Man hat unsere Landsleute einfach verschleppt. Die Propheten wissen, was aus ihnen geworden ist. Ich habe nicht mehr vor abzuwarten, was sie wirklich im Schilde führen.“
„Aber was willst du tun? Dein Zuhause ist doch hier.“ Narim Los senkte seine Stimme noch mehr und sah sich hastig um. „Oder hast Du einen Plan?“
Kira blickte ebenfalls in Richtung der anderen Anwesenden, inwieweit diese sie beide beobachteten, dann sah er nochmals zur Treppe. Sie hätten schon vor einem halben Jahr Bajor verlassen sollen. Damals wäre für ein paar gut platzierte Barren Latinum an der richtigen Stelle noch möglich gewesen, das System mit der ganzen Familie ohne weitere Probleme zu verlassen. Im Rat hatte es schon zu dieser Zeit Hinweise auf Übergriffe der Cardassianer in anderen Provinzen gegeben. Einige waren damals von Bajor geflohen und hatten sich irgendwo am Rande des Systems und der Grenze zur sogenannten Föderation in Flüchtlingslagern angesiedelt. Kira hatte diese Gerüchte als besorgniserregend empfunden. Aber die Vorstellung, Meru wäre gezwungen gewesen ihr erstes Kind in einem elenden Lager auf die Welt zu bringen…hier alles zurück zu lassen…Er hatte es einfach nicht wegen einiger Gerüchte über sich gebracht, seine Heimat zu verlassen. Zum ersten Mal dünkte es ihn aber nun, dass er zu lange gewartet haben könnte.
„Wir können nicht länger hier bleiben, Los. Wir müssen weg.“

Das Licht des frühen Morgens dämmerte bereits, als Kira Meru mit einem tiefen Seufzer auf den Lippen erwachte und die Augen aufschlug. Es war der Duft von frischem bajoranischem Flieder, der sie geweckt hatte. Ein ganzer Strauß dieser bunten, herrlich duftenden Blumen lag auf der Bettdecke vor der jungen Frau und sie lächelte unwillkürlich. Taban, der bisher still an der Seite ihres Bettes gesessen und über sie und das schlafende Neugeborene gewacht hatte, lächelte zurück, als sie den Kopf drehte und seine Gegenwart wahrnahm.
„Wie geht es dir?“
„Mir – uns – geht es gut.“ Ihre schlanken Finger berührten den Strauß und spielten mit den Blüten. „Danke, Taban, sie sind wunderschön.“
„Nicht so schön wie du.“
Sie lächelte erneut und schenkte ihm das bezaubernde Lächeln, das er von Anfang an so an ihr geliebt hatte. Meru war eine schöne Frau und besaß die seltene Gabe mancher Humanoide, mit zunehmendem Alter noch schöner zu werden. Er betrachte ihr ebenmäßiges Profil, die für eine Bajoranerin ungewöhnlich blauen Augen und das rotblonde Haar. Der Säugling räkelte sich an ihrer Seite und gab dann ein paar zirpende Laute von sich.
„Sie hat schon wieder Hunger“, stellte Meru fest, löste die Verschnürung ihres Nachtgewandes und gab dem Mädchen die Brust. Es begann sofort behaglich zu trinken. Taban betrachte das Kind. Die winzigen Fältchen auf seinem Nasenrücken verrieten bereits jetzt, dass es bajoranischer Herkunft war. Ein natürliches Merkmal, das es ein Leben lang tragen würde. Er war sich nicht mehr so sicher, ob es nicht inzwischen ein Kainsmal war.
„Wir sind in großen Schwierigkeiten, Meru.“ Sie sah von dem Kind an ihrer Brust hoch und er sah das Verständnis in ihren Augen. Und dann berichtete er ihr alles, was er bereits Narim berichtet hatte.
Meru verbarg danach nicht ihre Bestürzung über das Gehörte. Sie war jung, aber auch klug. Darüber hinaus wusste sie, ihr Mann war kein Schwätzer oder einer, der ständig schwarz sah. Über die Möglichkeit Bajor zu verlassen, hatten sie bereits einmal vor einem Jahr diskutiert. Damals hatten sie es verworfen.
„Aber irgendjemand muss doch wissen, wohin sie die Leute auf den Transportschiffen gebracht haben!“ sagte sie schließlich mit Nachdruck.
Taban zögerte: „Es gibt natürlich Gerüchte. Angeblich hat man sie zu Sonderarbeiten in einer Nachbarprovinz abgeholt. Niemand weiß aber genau, in welche. Es heißt auch, dass Bajoraner irgendwo in Camps hier auf dem Planeten zusammengepfercht werden. Aber das ist alles nur vage.“
„Warum sollten die Cardis so etwas tun? Sie beuten unsere Bodenschätze doch bereits seit vielen Jahren aus. Sie stehlen unsere Nahrung und nutzen unsere Energiereserven. Welchen Vorteil könnte es da noch bringen, uns auch noch persönlich zu verfolgen? Ganz zu schweigen, Bajoraner in irgendwelchen Camps unterzubringen. Bisher waren sie doch immer dagegen, dass wir uns zusammenrotten, wie sie es nennen. Deshalb haben sie doch auch die Feste verboten.“
Ihr Mann schüttelte nur den Kopf. „Ich will das ja alles auch nicht glauben. Sicher ist aber, eine ganze Abteilung cardassianischer Truppen bewegen sich von Süden her in unsere Richtung. Ein Verwandter eines Ratsmitgliedes ist hierher geflüchtet und hat uns davon berichtet.“ Er holte tief Luft. „Meiner Meinung nach sollten wir gehen, solange wir es noch können.“
„Und wohin?“ fragte Meru und warf dem kleinen Wesen an ihrer Brust einen besorgten Blick zu, das inzwischen gesättigt eingeschlummert war.
Taban entging der Blick seiner Frau nicht und sein Inneres krampfte sich zusammen. Bei dem was sie vorhatten einen Säugling dabei zu haben, war ein Risiko. Sowie die Kinder ihrer Verwandten, die älter waren. Auch für sie mochte eine Flucht sehr anstrengend und damit gefährlich werden. Dennoch wusste er, es gab keine andere vernünftige Entscheidung.
„Ein Frachterkapitän von Claestron IV schuldet mir noch einen kleinen Gefallen. Er wartet mit seinem Schiff in einer Woche in einem der Raumhäfen von Ashalla, um uns an Bord zu nehmen. Auch der Rest von deiner und meiner Familie werden sich uns anschließen.“
„Exil?“ Merus Stimme war nur ein Flüstern.
„Die Zukunft!“ erwiderte ihr Mann fest. „Ich möchte, dass unsere Kinder in Freiheit und ohne Angst aufwachsen können. Sie werden vielleicht nichts über Bajor wissen und fern der Heimat aufwachsen. Aber sie werden ihr Leben selbst bestimmen können. Das ist es was am Ende zählt, Meru.“




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