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Somewhere in the Night

von Jimaine

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Arm. Bewegen. Den Arm bewegen. War schon mal leichter gewesen. Mühsam blies er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. _Nicht meine..._ Eine fremde Haarsträhne. Dunkelbraun... wie der zerzauste Rest, der unter seinem Kinn an seinem Hals ruhte. Und es war keine Decke, die halb auf ihm lag, sondern nur ein anderer warmer Körper, der sich nicht rührte.

Wann waren sie eingeschlafen? Wie spät war es...? _Oh verdammt..._ "Hey." Dieses Mal schaffte er es, den linken Arm zu heben und seinen Partner anzustupsen. "Hey, menschliche Bettdecke! Wir sollten duschen! Die Party fängt in einer halben Stunde an."

Besagte menschliche Bettdecke gab nur ein unartikuliertes Protestschnuffeln von sich und blieb unbeweglich liegen. Aufstehen kam nicht in Frage.

Versuchsweise bewegte er daher nun ein Bein. Und den rechten Arm. Etwas energischer.

Träge rollte sich der andere Mann von ihm herunter und an seine Seite, kuschelte sich mit dem Rücken gegen seine Brust. Perfekt. Ihre Körper paßten perfekt ineinander, in vielerlei Hinsicht, wie sie immer wieder feststellen durften. "Muß das wirklich sein? Ich meine...wieviel Karibik-Feeling läßt sich mit einem Klavier, ein paar Cocktails und etwas bunter Plastikdekoration bitte inspirieren?"

"Komm', Malcolm, wir waren uns einig! *Alle* werden da sein. Und Jon braucht unsere moralische Unterstützung."

Einem skeptischen 'Hm' folgte ein, "Der Captain will das also wirklich tun, ja? Ich kann nicht fassen, daß Hoshi ihn überredet hat, sich dafür herzugeben."

"Ich hätte ihr nichts von meinem Urlaub auf Trinidad erzählen dürfen. Reggaemusik, Limbo, Palmen und Rum. Vor allem Rum...anders ließ sich der Limbo nicht tanzen." Hoshi hatte sofort angebissen und entschieden, der diesmonatigen Cocktailparty - die immer unter einem bestimmten Thema stattfand - das Motto 'Karibik' zu geben. "Und wo wir gerade von Reggae sprechen..." Schuldbewußt legte er seine Arme um den schlafwarmen Körper seines Geliebten und summte die ersten Takte von *I Want to Wake Up With You*. "Wir sollten jetzt aufstehen, wenn wir nichts verpassen wollen. Du zuerst oder ich?" In der Dusche war Platz für zwei, die Versuchung, diesen Platz bestmöglich auszunutzen aber zu groß. Nicht daß sie das nicht ohnehin längst war...

"Warum überhaupt? Warum können wir nicht einfach...", Malcolm unterbrach sich für ein Gähnen, "...hierbleiben? Läßt sich Limbo auch...ganz horizontal tanzen?" Das Lächeln in seiner Stimme war hörbar.

Da hatte jemand wohl zu viel Reserveenergie! "Mir tut immer noch alles weh." Das galt für Arme, Beine und Rücken. Nicht für andere Körperteile, die jetzt mehr als interessiert auf den engen Kontakt reagierten.

"Hm, vielleicht war ich vorhin etwas zu...kreativ bei meinem Vorgehen."

Unter der Decke ließ Trip seine Hände langsam in größer werdenden Kreisen über Malcolms Brust gleiten, erforschte die leichtbehaarten Flächen und Kanten und führte seine Finger schließlich im Tal des flachen Bauches zusammen. Dort blieben sie nicht lange alleine. Malcolms Finger flochten sich zwischen die seinen und begannen, sie tiefer zu führen. "Niemals", flüsterte er in das weiche, dunkle Haar und begann, die warme Haut des Nackens mit kleinen Küssen zu bedecken. Unter seinen Händen drängten sich die schmalen Hüften nach hinten, ihm entgegen. Gut, genug der Küsse...er ging zu zärtlichen Bissen über, ließ seine Zunge an einem Ohrläppchen entlang wandern und verstärkte gleichzeitig den Griff seiner Hände, zog ihn näher an sich. Dies hatte wirklich Potential...und wen kümmerte es schon, wenn sie eine Stunde später auf die Party kamen? Fiel bestimmt nicht auf. Außerdem näherte er sich jetzt *sehr* schnell dem Punkt, an dem Aufhören nicht mehr zur Debatte stand.

Malcolm offenbar auch. Viel Überredungskunst brauchte er gar nicht. Ein leises Stöhnen drang an sein Ohr. Nein, ganz und gar nicht viel...hier waren noch nicht einmal Worte nötig. "Oh ja..." Seine Fingerspitzen fanden ihr Ziel und bewegten sich in Millimeterschritten an der samtigen Härte abwärts, umfaßten sie schließlich ganz. Der Körper in seinen Armen erschauerte, das genußvolle Stöhnen diesmal schon bedeutend lauter. Und er beantwortete es mit einem ähnlichen Laut. Ein kehliges Schnurren. Verflucht... und *wie* sie sich verspäten würden!

Einen kurzen Moment lang löste er seinen Mund von Malcolms Schulter, widerwillig, gerade lang genug, um einige entscheidende Anweisungen hervorzupressen. Lustverschleierte graublaue Augen begegneten seinen, dann ein Nicken und eine Hand in seinem Nacken, die ihn zu einem hungrigen Kuß herunterzog. Die Hand verschwand, der Kuß dauerte an, und dann wurde ihm das gewünschte Objekt gereicht. Und noch immer gaben ihn die heißen Lippen nicht frei, spielte die andere Zunge tief in seinem Mund. Daß Malcolm keinen Krampf im Hals bekam, so wie er sich verdrehte...aber das war ihm jetzt egal. Einhändig öffnete er die Tube Gleitmittel und schaffte es genauso einhändig, eine größere Menge herauszudrücken. Die offene Tube warf er achtlos fort; er hatte, was er brauchte. Zwei Mal innerhalb der wenigen Stunden seit Ende ihrer Schicht...entweder sie hielten sich mit dem Sex zurück oder sie mußten diverse kleine Accessoires bald in Hunderterpacks aus der Krankenstation entwenden.

Mit dem linken Oberschenkel drängte er die Beine seines Geliebten auseinander und beschleunigte in dem Moment, in dem er zwei von kühlem Gel bedeckte Finger in ihn drückte, den Rhythmus seiner rechten Hand um Malcolms Penis.

"Trip...oh Gott, bitte..." Malcolm entwich ein Wimmern, doch er versuchte nicht, sich ihm zu entziehen. Im Gegenteil, er schob seinen Hintern zurück, kleine kreisende Bewegungen, wollte die Finger tiefer in sich spüren. Seine linke Hand flog nach hinten, fand Trips Flanke und krallte sich fest, die Rechte krampfte er in das Kopfkissen unter seiner Wange, öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei, als Trip nun....

Wenn es ein Nirwana gab, so hoffte er, daß dieses Gefühl Teil davon war. Die heiße Enge von Malcolms Körper, die ihn festhielt, weiter in sich zog, und Malcolm dabei dieses leise rauhe Gemurmel begann, das er so unendlich sexy fand. Im Dienst gab Malcolm sich so kühl und unnahbar, das Abbild von Professionalität, daß jedes Mal, wenn er diese Geräusche aus seinem Mund vernahm, wenn *er* ihm diese Geräusche entlockte, er einen völlig anderen Mann kennenzulernen glaubte. "Damit hast du nicht gerechnet, hm?" flüsterte er heiser und wartete nicht erst auf eine Antwort, sondern bewegte seine Hüften noch rascher, fordernder, liebkoste die festen Muskeln von Brust und Bauch...

Die Silben verloren jeglichen Zusammenhang.

Genießerisch schloß er die Augen, konzentrierte sich ganz aufs Gefühl. Die Seitenlage war bequem und erlaubte ihnen, den Sex entspannter anzugehen, sich mit langsamen, tiefen Stößen zu vereinigen. Die Hände hatten sie auch frei, streichelten einander ihrem Höhepunkt entgegen. Trip arbeitete blind, so vertraut mit diesem Körper, daß er seine Augen nicht brauchte. Seine Lippen fanden Malcolms, er ließ seine Zunge weit in den anderen Mund gleiten und schluckte jeglichen Laut. Rieb den Schweiß in die helle Haut, stimulierte mit den Handflächen die hart aufgerichteten Brustwarzen, immer und immer wieder. Wunderbar... Malcolm war so wunderschön, wenn er sich im Rausch sexueller Euphorie verlor. Mit ihm erlebte er Sex auf eine Art, die er nie für möglich gehalten hatte...es war als entdecke er Charles Tucker III von Grund auf neu, und ihm gefiel sein neues Ich. Mal rauh und mal behutsam, er genoß jede Art, auf die sich Malcolm von ihm lieben ließ und seine Liebe erwiderte. Dieses Mal war es wie eine langsam anschwellende Welle. Unaufhaltsam. Bis die Welle schließlich brach.

Er stieß so tief zu, wie er konnte, und blieb dort, hörte wie von weit entfernt einen Schrei, seinen Namen. Sein Höhepunkt war still und heftig und brachte Malcolm nur wenige Sekunden nach ihm zu einem Orgasmus, der ewig anzudauern schien. Zitternd lagen sie sich in den Armen, körperlich wie seelisch vereint. Trip war sich nicht bewußt, wie seine Hände weiterwanderten, ohne Eile, einfach nur beruhigend. "Mal", murmelte er.

Malcolm unterbrach ihn, "Sag' es nicht, bitte. Ich weiß es auch so. Sollten wir jetzt nicht gehen? Trip, Dusche?"

"Dusche. Und wir müssen uns jetzt *wirklich* beeilen!"

"Gib' mir zehn Minuten."

"Das will ich sehen. Wäre ein neuer Rekord." Er hielt Malcolm absichtlich fest und grinste, als dieser sich zu wehren begann. "Wir verpassen sonst noch Dr. Phlox' Versuch, den Limbo zu tanzen." Das hätte er vielleicht besser nicht gesagt. Wildes Kichern erschütterte den schlanken Körper in seinen Armen. Oh, der Mann mit der Selbstbeherrschung und Contenance, die der von T'Pol Konkurrenz machte, und das geistige Bild eines Limbo-tanzenden Denobulaners - den Hinterkopf fast am Boden, wie er sich unter der Stange hindurchzwängte - warf ihn völlig aus der Bahn. Das Kichern wurde zu einem regelrechten Lachanfall, sexbetäubten Muskeln wurde das Letzte abverlangt, als Malcolm sich wand und so laut lachte, daß er bald krampfhaft nach Luft schnappte.

Das Lachen war in diesem Fall leider enorm ansteckend. Er hatte Malcolm Reed noch niemals so lachen gehört...und es riß ihn mit. Malcolm war...so lebendig, der bloße Klang dieses Lachens voller Energie, fast gleich dem Schrei, den er auf dem Höhepunkt seiner Lust ausstieß, er war fast versucht, noch einmal ganz von vorne anzufangen. Diesmal langsam und bedächtig...er wollte ihn nach allen Regeln der Kunst verwöhnen, ihm die Kontrolle überlassen und ihn auf sich spüren, in sich, solange bis sein jeder Nerv in Ekstase schmolz...

Aber nichts dergleichen. Jetzt lachte er nur mit, vergrub das Gesicht an Malcolms verschwitztem Nacken und hielt ihn eng umschlungen, um jede Sekunde dieses Lachens zu spüren. Es kam viel zu selten vor.

"Mal?" fragte er schließlich besorgt und packte den vor Lachen immer noch zuckenden Mann an der Schulter. "Hey, Mal, es reicht..." Das Japsen wurde zu einem Husten, dann einem Röcheln, bis nach einer halben Ewigkeit die Lachsalven nachließen und sich der Atem beruhigte. Sanft drehte er ihn auf den Rücken und küßte einen Schweißtropfen von seiner Oberlippe, leckte ganz, ganz langsam eine gerade Linie über die Nase hinauf bis zwischen die Augen. Legte einen Kuß erst auf das rechte, dann auf das linke Augenlid, bevor er fragte, "Was für ein Cocktail darf's sein?"

"Keine Mai-Thais."

Schaurige Erinnerungen an Risa konnten das Trinkverhalten enorm beeinflussen. Ernst versprach er, "Garantiert keine Mai-Thais. Piña Coladas?" Damit zog er seinen Geliebten aus dem Bett und ins Badezimmer.

********

Die Dekoration war erwartungsgemäß scheußlich, doch die Stimmung in der Messe war ausgelassen-entspannt, und sie ließen sich schnell anstecken. Es war Fähnrich Travis Mayweather, der in Eigenregie - mit dem Segen vom Schiffskoch - zu dieser späten Stunde mit dem Tablett die Runde machte und Bestellungen bezüglich Drinks und Cocktails aufnahm. Immerhin war gut die Hälfte der Crew erschienen, um ihren Captain als Teil des Programms zu erleben.

Sie wurden nicht enttäuscht. Gekleidet in einen schwarzen Anzug mit Fliege und blütenweißem Hemd gab Jonathan Archer ein hervorragendes Bild ab. Wenn die Admiräle im Hauptquartier das hier sehen könnten...

Jon sagte immer, er habe das musikalische Talent von seiner Mom geerbt, die diese Seite an ihrem Sohn von frühester Kindheit an gefördert hatte, fast als Balance zum Einfluß des Vaters, der seine Liebe zu Wissenschaft und Technik weitergab.

Nun, leider hatte er Mrs. Archer nie kennengelernt - sie war gestorben, als Jon fünfzehn war - aber ihm gefiel, was von ihr in Jon sichtbar weiterlebte.

"Wow...ich wußte ja, daß er singen kann, aber..."

"Was?" Nur entfernt registrierte er Malcolms mißtrauischen Seitenblick.

"Er ist gut." Er hatte Jon bislang nur zwei Mal singen hören und an das eine Mal konnte er sich kaum noch erinnern, was wohl an den sieben Pints australischem Bier gelegen haben mußte, die ihnen die Jungs vom Brisbane Engineering Corps eingetrichtert hatten. Jonathan Archer hatte nach der vierten Runde angefangen, der Band, die an jenem Abend in dem Club spielte, Konkurrenz zu machen und es endete damit, daß man ihm anbot, am folgenden Wochenende - 'wenn er nüchtern denn nur halb so gut klänge wie angetrunken' - einen Soloauftritt gegen Bezahlung zu machen. Was Jon jedoch ablehnte.

Das zweite Mal dagegen vor sechs Jahren...es war der 60. Geburtstag seines Vaters gewesen und Trip, zu der Zeit ohne Beziehung, hatte Commander Archer gebeten, ihn zu der Familienfeier zu begleiten. Hauptsächlich um eine Person zu haben, die nicht mit ihm verwandt war und ihn aus etwaigen unangenehmen Situationen retten konnte. Solche Familienfeste arteten nur zu oft in Serienverhöre durch Onkel und Tanten aus, und selbst wenn einen die Anverwandten mal nicht verkuppeln wollten, so konnte man sie für den Rest der Feier nicht abschütteln.

Wie es der unglückliche Zufall wollte, war der für den Abend engagierte Pianospieler schon gegen Mittag sturzbetrunken und längst nicht mehr in der Lage zu singen oder eine zusammenhängende Melodie zu spielen.

Jon hatte nicht lange gefackelt und den Tag gerettet, indem er sich ans Klavier setzte...und loslegte, ein enormes Repertoire demonstrierte. Der versammelte Tucker-Clan war vor Begeisterung nicht mehr zu halten gewesen. Sie überschütteten "den Starfleet-Freund von Charlie" mit Liederwünschen, gönnten ihm kaum eine Pause. Leise setzte er hinzu, "Ich hatte völlig vergessen, wie *gut*."

"In der Tat", nickte Malcolm und rührte mit dem Strohhalm in seinem Cocktail herum.

"Hmmm..."

"Trrrrip." Malcolms Ton wurde gefährlich leise. Er wedelte ihm mit einer Hand vor dem Gesicht auf und ab, brachte sich in die direkte Blicklinie. Zwischen ihn und das Klavier in der hinteren Raumecke. Genauer gesagt dem Mann am Klavier. "Hey!" Als klar wurde, daß Audio allein nicht ausreichte, betonte er seine Bemühungen mit einem gezielten Rippenstoß. "HEY!"

Er zuckte zusammen und sog den Atem mit einem schmerzerfüllten Zischen ein, "Mal...autsch! Das tat weh!"

"Hoffentlich."

Blaue Augen blinzelten verklärt in seine Richtung und er stotterte, "W-w-was?"

"Ach", meinte Malcolm beiläufig, sein Ton aber blieb gleichbedeutend mit einer Warnung. "Du warst nur gerade dabei, deinen Drink extrem zu verwässern..."

"War ich nicht!" Doch das warme Kribbeln in seinem Bauch, das definitiv nicht vom Alkohol herrührte, strafte der Vehemenz seiner Worte Lügen. Er hatte weniger auf das Lied geachtet als auf den Sänger. Den Sänger, dessen Finger über die Tasten des Klaviers tanzten und dem Instrument die ruhige, beschwörende Melodie des alten Liedes entlockten, zu dem zahlreiche Paare sich mit langsamen Schritten auf der Tanzfläche drehten. Er sollte an Malcolm denken. Allein an Malcolm. Und dennoch...

"On the day I walked away

All the blue rolled into gray

Now in the dark alone I lay

Should have stopped, but I could never ever stay..."

Es kam so völlig unerwartet, ließ sich nicht vermeiden. Sein Universum schrumpfte mit Lichtgeschwindigkeit auf diesen einen Raum zusammen, schloß jegliche Anwesenden aus. Bis auf ihn.

"Somewhere in the night

Inside my dreams you burn so bright

But I'm with you there and everything's all right..."

Musik hatte immer eine besondere Macht über das menschliche Herz besessen, konnte es auf eine Art und Weise bewegen, wie es einfache Worte und Taten nicht vermochten. Irgend etwas in seinem Inneren fühlte sich an wie im Griff einer grausamen, eiskalten Faust und mit jeder Minute schloß sie sich fester. Ihm war als müßte er jeden Moment ersticken, ohnmächtig werden oder sich übergeben, und so faßte er seinen Drink fester. Hielt sich an dem Glas fest als sei es ein Rettungsanker. Fester.

Fester.

Entweder würde zuerst das Glas nachgeben oder sein Herz.

"Somewhere in the night

Before the darkness turns to light

Let me love you there somewhere in the night."

Er schluckte rasch, mehrmals, und stellte dann mit einer bestimmten Handbewegung seinen Drink auf die Theke. "Malcolm Reed...darf ich um diesen Tanz bitten?"

"Second chances I won't get

Wouldn't dare to hope it yet

Everywhere I turn

I see your silhouette..."

"Bleib' bei mir", flüsterte er und als Bestätigung schlossen sich Malcolms Arme noch enger um ihn. Der biegsame Körper schmiegte sich an ihn, folgte seiner jeden Bewegung. Dies war real. Er hielt ihn, wollte ihn nie mehr loslassen. Wollte ihn, wie er noch nie jemanden gewollt hatte. Dieser Mann hatte ihn in sein Herz gelassen, sich ihm geöffnet, als allererstem...wie könnte er solch ein Geschenk fortwerfen? Eine zweite Chance würde es vielleicht nie geben. "Bleib' immer bei mir", wiederholte er. Vorhin hatte Malcolm es nicht hören wollen, doch jetzt mußte er die Worte einfach sagen. Mußte sie laut ausgesprochen hören, mit seiner eigenen Stimme. Weniger um Malcolm Sicherheit zu geben, sondern eher sich selbst. "Ich liebe dich...nur dich. Du gibst meinem Leben einen Sinn, den ich vorher noch nie gekannt hatte."

Warm streichelte Malcolms Atem seinen Hals. Alles an ihm war warm...seine Lippen, seine Liebe, sein Vertrauen in ihn, das er sich immer noch nicht ganz erklären konnte. Es tat beinahe weh, jemandem so nahe zu sein. Und trotz aller Wärme verblieb da diese schleichende Kälte. Verräterisch. Lähmend.

"Du allein..."

Niemand hätte jetzt zwischen sie kommen können, sie waren eins in ihrem langsamen Tanz.

"Ich weiß, Trip."

Niemand. Nur diese eine Stimme, die wie ein Messer in sein Herz schnitt. Erbarmungslos. Fest preßte er die Augen zu, küßte Malcolms Hals. Nein. Er wollte es nicht geschehen lassen. Nicht hier. Nicht jetzt. Doch ganz plötzlich...Malcolm hätte genauso gut in einem anderen Raum - einem anderen Sektor - existieren können, schien sich aufzulösen. Und für einen Moment, einige Herzschläge lang, tanzte er mit einem Phantom, gefangen in der fließenden Musik.

Gefangen in *ihm*...

"And your love I never will forget..."

In ihm bäumte sich etwas auf, ein letzter, stummer Versuch eines bewußt zum Schweigen gebrachten Gefühls, Gehör zu finden, bevor es zu spät war. Was war es, was er empfand? Reue? Schuld? Seltsam, wie weh es tat... Er wollte den Schmerz nicht fühlen, verleugnete ihn, und deshalb küßte er Malcolm erneut, diesmal auf den Mund, küßte ihn tief und hart. Bedauern...ja! Reue...ja! Und Mitleid. Verzweifelung...

"Somewhere in the night

Inside my dreams you burn so bright

But I'm with you there and everything's all right..."

Er konnte vergessen, würde nicht zurückblicken. Würde nicht hinhören...irgendwann mußte die Musik aufhören.

"Somewhere in the night

Before the darkness turns to light

Let me love you there

Somewhere in the night."

_Irgendwo...doch nicht hier._

***********

Die Augen halbgeschlossen ging er mit der Musik mit, stahl ab und zu einen Blick zur Bar hinüber. Sie standen immer noch eng beisammen, Piña Coladas in der Hand und schienen den Rest des Raumes, all die anderen Menschen, überhaupt nicht wahrzunehmen. Vielleicht, dachte er, waren sie der Meinung, daß niemand sie beobachtete... daß niemand sah, wie sie ihre Augen nicht voneinander lassen konnten, flüchtige Berührungen austauschten, wann immer sie meinten, sie anbringen zu können. Blond und dunkel, Tag und Nacht, Yin und Yang...die zueinander gefunden hatten, allen Widrigkeiten zum Trotz.

"Time after time I find that I'm thinking about you

At the top of the hill I see you still, but I just can't reach

Who would answer your prayers?

Who would wait by the stairs?..."

Jetzt tanzten sie, ein Paar unter vielen. Daß es niemandem auffiel, wie das Sternenlicht über sein Gesicht spielte, sich in den blonden Strähnen und auf seinen Lippen fing. Hatte er eine Ahnung, wie wunderbar er aussah? Selbstvergessen tanzte er, führte seinen Partner mit müheloser Grazie. Einfach nur ein Mann, der seine Liebe offen zeigte, sich zu seinen Gefühlen bekannte.

"Not me...

Not me..."

Zu Malcolm Reed. Den er soeben hingebungsvoll küßte, ohne Scheu vor neugierigen Blicken.

"Somewhere in the night

Inside my dreams you burn so bright

But I'm with you there and everything's all right.

Somewhere in the night

Before the darkness turns to light..."

Nur in seinen Träumen.

Er schloß die Augen so fest er konnte, unterdrückte die Tränen und verlor sich in seiner Musik. Es war richtig so...er hatte richtig gehandelt, indem er Abstand hielt und schwieg. So sollte es sein.

"Let me see your face

Feel your warm embrace..."

Die Tasten unter seinen Fingern...er stellte sich vor, es wäre ein Körper, den seine Fingerspitzen berührten, nicht nur irgendein Körper, sondern ein ganz bestimmter. Daß er es war, der dort mit ihm tanzte. Seine Musik waren die Worte, die er nicht mehr aussprechen konnte - durfte - , Worte, die allein ihm galten, *ihm*.

An manchen Tagen tat es fast körperlich weh, ihn so zu sehen, und deshalb lehnte er sich in die Tasten und sang, Schmerz und Sehnsucht in jedem seiner Worte.

Er sang. Für ihn.

"Let me love you

Somewhere in the night."

_In einem anderen Leben vielleicht._

Er sollte sich für ihn freuen.

Und er tat es. Zumindest redete er sich das ein.

**********

Das Lied verklang, wechselte zu einem schnelleren Stück, und Trip brach den langen Kuß, legte seine Stirn gegen Malcolms. Die schmeichelnden Noten verbannte er aus seinen Gedanken. Malcolm brauchte ihn und er brauchte Malcolm...es war ganz einfach. So einfach... Er hatte seine Wahl getroffen, es konnte niemand anderen geben. "Mal..." Als er ihm in die Augen sah, wurden Worte überflüssig. Er hörte die Musik nicht mehr.

"Let me love you

Somewhere in the night."

Ende
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