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Das horizontale Verlangen

von VGer

Erstes Mal

Wie immer hatte sein gestrenger Erster Offizier den Überblick über alles, und sie ließ ihn diese Tatsache keine Nanosekunde lang vergessen. Insgeheim wunderte er sich, wie er mit ihr jahrelang klar kommen sollte.

„Entspannen Sie sich, Celona ... Barbara ... ich bitte Sie, das ist eine Party für die U.S.S. Kirk und ihre Mannschaft, soll heißen: uns zu Ehren. Wir haben bis jetzt genug gearbeitet und werden ab morgen wieder genug arbeiten. Genießen Sie den Abend und haben sie Spaß.“

Commander Nioban, sein immer fröhlicher Zweiter Offizier, und Commander Raissa, sein Chefpilot, prosteten ihm solidarisch, wenn auch vorsichtigerweise außerhalb von Celonas direktem Sichtfeld, zu.

„Das ist ein Befehl!“

Harry Kim, der frischgebackene Captain, schmunzelte in sich hinein. Darauf hatte er jahrelang gewartet.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Es würde der Abend ihres Lebens werden. Nach einem Nachmittag mit prickelndem risanischem Sommerwein waren sie ganz fein herausgeputzt zum letzten freien und unbeschwerten Abend in näherer Zukunft erschienen. Ab morgen würden sie ihren Dienst antreten, an Bord der U.S.S. Kirk, sie waren nach so unendlich langen Jahren an der Akademie jetzt Fähnriche und dann endlich richtige Offiziere, Kate im Maschinenraum, Petrea in der Sicherheit und sie selbst, Maggie Janeway, als Pilotin. Das musste gefeiert werden, und zwar gehörig!

Denk an meine Worte, Margaret!, hörte sie die mütterliche Stimme dröhnen, Inaugurationsbälle sind dazu gedacht ein Fiasko zu werden und dein Captain wird dich für immer danach beurteilen, welche Figur du am nächsten Tag bei Dienstantritt machst. Sogar Harry, also benimm’ dich gefälligst besser als sonst.

Das hatte sie vor gehabt, zumindest für einen kurzen Moment. Und dann hatte sie mit ihren besten Freundinnen so viel Spaß gehabt, und schließlich war wie aus dem Nichts die unmögliche Naomi Wildman mit einer weiteren Flasche risanischen Sommerweins in der Hand erschienen und hatte alles auf den Kopf gestellt.

„Tanz’ mit deinem Captain, Kleines. Wann, wenn nicht jetzt?“

Scheiße, dachte sie nur. Das war eine blöde Idee, eine richtig blöde Idee. Vielen Dank auch, Naomi, das wirst du noch büßen!

Allein die Vorstellung unter ihm zu dienen hatte ihr einige schlaflose Nächte des Unbehagens bereitet – schließlich war er, lange vor ihrer Geburt, der Schützling ihrer Mutter gewesen, schließlich gehörte er zur Familie der ehemaligen Voyagers und sie kannte jede Geschichte, die man sich nach Jahren der Nostalgie immer noch mit Begeisterung erzählte und die mit liebevoller Schadenfreude von all seinen Hoppalas als übereifriger junger Fähnrich erzählten (Annika und vor allem B’Elanna neckten ihn gnadenlos, doch wenn ihre Mutter sprach klang es fast schon schwärmerisch, als sei sie mehr als nur seine ehemalige Kommandantin und stolze Mentorin, als sei er das ikonische Idealbild eines vorbildhaften Sohnes, der ohne zu zögern in ihre übergroßen Fußstapfen getreten war, ganz anders als sie selbst). Sich daran zu gewöhnen, dass er nun ihr Captain war und nicht nur einer der Voyagers, über den sie viel zu viel wusste ohne je danach gefragt zu haben, würde schwierig werden. Sie würde sich nichts anmerken lassen, würde sich daran gewöhnen und lernen ihn zu respektieren. Allein die Tatsache, dass sie ihn eigentlich gar nicht so recht kannte, beruhigte sie ein wenig. Er war immer beschäftigt gewesen und deswegen selten zu den Jubiläumsfeiern gekommen, weil die Enterprise sich selten im Sol-System aufgehalten hatte – sie konnte sich nur dunkel an zwei, drei flüchtige Begegnungen erinnern und das war auch gut so; sie war zwar in einer Sternenflottenfamilie aufgewachsen, doch die Vorstellung unter jemandem zu dienen der sie von klein auf kannte erfüllte sie mit einem nackten Grausen.

Und jetzt sollte sie mit ihm tanzen. Sie war nie scheu gewesen, im Gegenteil, doch jetzt zitterte sie vor Nervosität. Sie wusste nicht einmal so recht wie sie ihn ansprechen sollte. Harry? Captain? Während sie versuchte, in Gedanken einen kohärenten Satz zu bilden, bemerkte sie, dass sich beides seltsam und falsch anhörte. Sie fürchtete sich vor einem peinlich steifen Tanz und war sich sicher, dass er sie mit onkelhaft herablassender Güte auf Armeslänge halten und sich ebenso unwohl in seiner Haut wie sie fühlen würde.

Doch es gab keinen Ausweg mehr – als sie wieder hochsah, traf sie seinen Blick, er lächelte und sie lächelte und sie lächelte unwillkürlich zurück. Also schüttelte sie ihre Locken und täuschte geübt Selbstsicherheit vor.

„Darf ich bitten?“ – er war ihr zuvor gekommen.

Sie nickte nur und ergriff mutig seine Hand.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Es war später geworden als er gedacht hatte, so spät nämlich, dass die versammelte Admiralität und Commander Celona auch schon längst heimgegangen waren und eine gelöste Stimmung im Saal hinterlassen hatten. Den Gutteil der letzten Stunde hatte er an der Bar lehnend verbracht, mit wahrscheinlich einem Whisky zu viel in der Hand und in der schelmisch lachenden Gesellschaft von Q Junior, den er zu schätzen gelernt hatte seit er nicht mehr der Plagegeist, den er vor so vielen Jahren an Bord der Voyager kennen gelernt hatte, war. Nach all der erdrückenden Ernsthaftigkeit der letzten Wochen und Monate, nach den Unmengen an Arbeit die die Vorbereitung auf die Übernahme eines Kommandos, und vor allem des ersten eigenen, nun einmal erforderte war das eine willkommene Abwechslung, so wie der ganze Ball. Natürlich war es Q gewesen, von Natur aus mindestens ebenso hedonistisch wie allmächtig, der ihn daran erinnert hatte die schönen Seiten des Lebens nicht zu vergessen – und mit einem eindeutig zweideutigen Grinsen hatten sie sich ihrer beider Lieblingsthema, den Frauen, zugewandt.

„Ich will ja nicht klingen wie ein widerlicher Chauvinist, aber du bist der Star des Abends und hast die freie Wahl.“, hatte Q schelmisch gegrinst. „Und du liebst doch alle Mädchen wenn sie wackeln mit den Hüften ...“
„Sie dort oder keine.“, sagte Harry nachdem er den ausführlichen Rundumblick eines Kenners durch den Saal schweifen hatte lassen.

Ihre Schritte waren wiegend und selbstbewusst, und sie war schön. Irgendwie kam sie Harry bekannt vor, auch wenn er diese Ahnung nicht recht zuordnen konnte. Schließlich kam er zu dem Ergebnis, dass ihre ebenmäßigen, ernsthaft blassen Gesichtszüge und ihr wilder dunkler Lockenkopf ihn unbewusst an Libby, seine langverlorene Jugendliebe, erinnern mussten. Vermutlich war sie etwa so alt wie Libby damals, und auch wenn er sich das niemals eingestehen würde hatte er auch nach all den Jahren noch zweifellos eine Schwäche für junge Frauen, die ihn an Libby erinnerten. Er beobachtete sie eine Weile still aus der Ferne und als sie ihn zu bemerken schien, brach sie in ein gewinnendes Lächeln aus, strahlend und mit entzückenden Grübchen in beiden Wangen.

Er verliebte sich viel zu oft, viel zu schnell und viel zu heftig, so auch diesmal. Für einen Augenblick schien der gesamte Ballsaal und der akribisch inszenierte Zirkus der Sternenflotte in weite Ferne gerückt; er hatte nur Augen für sie. Hastig errötend murmelte er Q eine Entschuldigung zu und ließ ihn und den Whisky einfach an der Bar stehen.

Augenblicke später hielt er sie schon im Arm und wiegte sie im Rhythmus der Musik.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Aus einem Tanz wurden mehrere, und schließlich fand sie sich doch atemlos und gedanklich fluchend an der Bar wieder, denn sie hatte sich unbeholfen und sogar etwas unwillig entschuldigt und war geflüchtet bevor es allzu peinlich werden konnte. Es war ja nur ein Tanz gewesen, wobei, eigentlich mehrere, und sie hatte es viel zu sehr genossen. Irgendetwas, das sie nicht recht in klare Gedanken oder gar in Worte fassen konnte war geschehen.

Ein Flattern. Ein Kribbeln. Ein Kitzeln. Irgendetwas hatte vom ersten Moment an eine undefinierbare Verbindung zwischen ihnen aufgebaut, die ihren Tanz harmonisch und beinahe selbstverständlich werden ließ, und obwohl es der erste war entbehrte er völlig dieser typisch linkischen Unbeholfenheit, mit der selbst ausgezeichnete Tänzer wie sie zuweilen bei ersten Tänzen zu kämpfen haben. Irgendetwas in seinem Blick, der nur ein bisschen zu lang und ein bisschen zu intensiv gewesen war, hatte sie tief im Inneren berührt. Irgendetwas an der Art, wie er sie berührte und führte, sicher und sanft und so als wüsste er genau was er tat, fühlte sich befremdlich wohlig und vertraut an. Irgendetwas an ihm, sie konnte nicht genau sagen ob es seine ruhige Autorität oder sein angenehm dezentes Aftershave war, fand sie verdammt attraktiv obwohl er rein objektiv betrachtet gar nicht ihr Typ war, und auch wenn sie sich nicht sicher war ob sie überhaupt einen fest definierten „Typ“ hatte, den sie besonders anziehend fand, war sie sich bis eben sicher gewesen, dass er es ganz bestimmt nicht war. Irgendetwas in seinem still funkelnden Lächeln verriet ihr, dass es nicht nur ihr so erging.

Beim dritten Tanz hatten sie alle Hemmungen überwunden und jegliche Distanz zwischen ihnen überbrückt. Sie bewegten sich mühelos in völliger Synchronie, und da wagte sie es erstmals, genauer zu spüren was sie fühlte. Sie spürte die wohldefinierten Konturen seines breiten, muskulösen Körpers. Sie spürte seine glatte Haut auf ihrer, Hand in Hand und Wange an Wange und vor allem seine Rechte auf ihrem bloßen Rücken. Sie spürte seinen Atem allmählich flacher und schneller werden, und ahnte dass es nicht am Tanz liegen konnte, schließlich war er gut trainiert. Sie spürte, wie er sie noch näher an sich heran zog. Sie spürte ihr Herz rasen.

Als die Musik erneut verebbte blieben sie engumschlungen stehen, ihre Arme um seinen Hals geschlungen und seine in die sanften Rundungen ihrer Taille gebettet, und sie sahen sich tief in die Augen. Die Luft zwischen ihnen war fühlbar elektrisiert, und dann sahen sie beide zur Seite.

Keine Sekunde länger hätten sie es mehr ausgehalten.

Sie hatte intuitiv die Flucht ergriffen, zuerst an die Bar und dann nach draußen, sie brauchte dringend frische Luft und hoffte inständig, dass sie sich so sehr in der Menge verlieren würde, dass er sie nicht mehr wiederfand. Was auch immer da gerade mit ihr passiert war, das durfte nicht passieren, das musste sie verhindern, so viel war sicher und sicher war auch, dass sie unbedingt bei klarem Verstand bleiben musste um das zu verhindern. Als Admiralstochter kannte sie den vermutlich einzigen stillen Ort hier oben, sie hatte sich oft genug bei ähnlichen Anlässen dort vor ihrer Mutter und allen Verpflichtungen versteckt, und genau dorthin musste sie jetzt um sich wieder zu sammeln. Auf dem Weg nach draußen ignorierte sie sogar Petrea und eine Handvoll ehemaliger Kameraden.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Er brauchte frische Luft, und zwar dringend. Mein lieber Harry Kim, du bist ein erwachsener Mann und Sternenflottencaptain, kein hormongesteuerter Teenager und kein notgeiler Fähnrich mehr, schimpfte er mit sich selbst bevor er mit einem Drink in der Hand die Flucht ergriff, alle bekannten Gesichter ignorierend. Als würde er gejagt schlug er Haken durch den Ballsaal bis er am Balkon stand. Der große Ballsaal war im obersten, also im neunundneunzigsten, Stockwerk des Sternenflottenhauptquartiers und in klaren Nächten wie diesen konnte man vom Balkon aus nicht nur die ganze Bucht und die ganze Metropole, sondern gefühlt beinahe die gesamte Westküste des Kontinents überblicken.

Die schwüle Juniluft, die mit einer salzig-stickigen Brise aus der Bucht heraufgeweht wurde, brachte nicht die erhoffte Abkühlung und den erwünschten Schock schon gar nicht – doch er war in der Gegend aufgewachsen und hatte somit auch nicht damit gerechnet. Und doch tat es gut, zumindest keine Musik und kein aufgeregtes Geschrei mehr zu hören. Der Balkon war bevölkert mit den üblichen Verdächtigen – Gaffern und Liebespaaren, hauptsächlich – und er hatte nicht die geringsten Ambitionen sich unter sie zu mischen.

Der Ballsaal war ein Halbrund, so wie das ganze Gebäude, und die runde Seite war wie eine Galerie für alle Gäste. Doch die andere Seite war dunkel und ruhig, immer schon gewesen, das wusste er seit jeher, seit dem Inaugurationsball der Voyager vor unendlich vielen Jahren, als er sich dort tränenreich von seiner Libby verabschiedet hatte. Wahrscheinlich gehörte es sich gar nicht für den Captain, seine eigene Party einfach so zu verlassen, vor allem nicht nachdem er allen befohlen hatte sich zu amüsieren, doch er musste trotz allem kurz durchschnaufen. Egal, Privileg des Captains, dachte er lakonisch. Mit dem Drink in der Hand hangelte er sich ums Eck, hinter die Balustrade auf die dunkle Seite des Turmes, und erschrak als er erkannte, dass er mitnichten so allein dort sein würde wie er gehofft hatte.

„Hey.“, sagte sie scheu, verschreckt wie ein waidwundes Wildtier und gar nicht mehr so selbstbewusst wie die sexy junge Frau, die ihm im Getümmel des Ballsaals aufgefallen war. Es schien so gar nicht zu ihr zu passen, und dann doch wieder.
„Hey.“, sagte er, ganz leise, und konnte bei ihrem Anblick gar nicht anders als zu lächeln, und dann räusperte er sich unbeholfen. „Ich hoffe, du fühlst dich nicht verfolgt. Hatte nicht angenommen, dass du ausgerechnet hier bist.“, fügte er dann erklärend und beinahe rechtfertigend hinzu.
Sie schüttelte den Kopf, nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Drink bevor sie weitersprach. „Entschuldige bitte, ich hätte dich nicht einfach so stehen lassen dürfen. Aber ich musste dringend hinaus an die frische Luft.“
„Schon verziehen.“, schmunzelte er und bemühte sich bewusst um einen möglichst unschuldigen Tonfall. „Ganz schön heiß da drinnen ...“
Sie schaute verlegen zu Boden, zwirbelte eine Locke zwischen den Fingern, und als sie wieder aufsah war dieses kecke Funkeln in ihre Augen zurückgekehrt.
„In der Tat ...“

Und da war es wieder, dieses Feuerwerk das nur sie beide wahrnehmen konnten. Sein Atem stockte und er machte einen Schritt auf sie zu, zaghaft und entschlossen zugleich, weil er einfach nicht mehr rational denken konnte. Dann nahm er ihr das Glas aus der Hand und stellte es beiseite. Wie zufällig berührten seine Finger dabei die ihren und ihre streiften zurück, und plötzlich schlangen sie sich spielerisch umeinander, so als tanzten sie. Spätestens jetzt durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass das längst kein harmloser Flirt mehr war – es war subtil und erotisch und er hatte schon sehr lange nichts derartiges mehr erlebt. Obwohl er einen Ruf vergleichbar mit dem eines Captain Kirk genoss und dem auch alle Ehre machte, musste er zugeben, dass schon lange niemand mehr einen derartigen Effekt auf ihn ausgeübt hatte wie diese gleichermaßen geheimnisvolle wie wunderschöne Fremde. Er spürte, wie es in der sowieso unbequem enganliegenden Hose seiner Galauniform allmählich noch enger wurde während eine unbändige, beinahe animalische Wollust in ihm aufstieg und ihn von innen heraus zu verbrennen drohte. Und wie er sie wollte!

Als sich ihre Blicke wieder trafen, wagte keiner von beiden mehr wegzusehen, sie verschlangen sich richtiggehend mit den Augen. Und als sie sich mit einem unwillkürlich lasziven Seufzen auf die Unterlippe beißen musste, war es mit seiner Beherrschung endgültig vorbei.

Sie küsste genau so wie sie auch tanzte: elegant und intensiv. Und dann küsste sie ihn noch einmal.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Q grinste süffisant und setzte zu einem triumphalen Fingerschnipsen an.
Naomi Wildman schüttelte augenrollend den Kopf.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



„Komm. Komm mit mir ... wenn du möchtest.“ – und sie hatte genickt ohne noch einmal darüber nachdenken zu wollen. Denn sie wollte, ihrer verdammten Vernunft zum Trotz; doch im Laufe der Zeit hatte sie eine gewisse Immunität dagegen entwickelt und gelernt, sie bewusst zu ignorieren.

Für drei Jahre würde sie auf diesem Schiff dienen, leben und arbeiten; doch als sie es zum allerersten Mal betrat materialisierte sie ausgerechnet im privaten Quartier des Captains und der schmeckte nach Whiskey und Wahnsinn. Später würde sie wiederholt mit dem Kopf an die Wand schlagen müssen, weil das so absurd war – doch erst später, viel später, nicht jetzt ... Fürs Erste, und zum ersten Mal seit langem, war ihr Kopf völlig ausgeschaltet, der Körper und seine niederen und umso sensibleren Instinkte hatten völlig übernommen.

Dass er ein erfahrener und aufmerksamer Liebhaber sein würde hatte sie vom ersten Blick, vom ersten Schritt am Tanzparkett an geahnt – noch bevor sie überhaupt geahnt hatte, dass er je ihr Liebhaber werden würde. In den vier Jahren an der Akademie hatte sie so einiges an Erfahrungen gesammelt von denen sie die wenigsten bereute, hatte beinahe alles probiert was man probieren konnte, war immer flexibel in punkto Spezies, Gender und Vorlieben gewesen. Doch von dem was die meisten Kadetten eher ironisch „die Erwachsenen“ nannten, von Dozenten oder gar Vorgesetzten, hatte sie vorsichtshalber stets die Finger gelassen – nun gut, außer dieses eine Mal, aber ... verdammt, Ruth Kishon, wow, das musste sein, Aeronautik war nie geiler gewesen als an jenem Nachmittag irgendwo hinterm Jupiter – und der Großteil waren junge Burschen gewesen. Und sie waren gewesen wie junge Burschen nun einmal waren, eifrig sabbernd und wild rammelnd und bemüht vorsichtig und triebhaft egoistisch und demonstrativ geräuschvoll und öfters betrunken irgendwo im Gebüsch auf dem Heimweg von einer Kneipentour oder in einem finsteren Winkel hinter der Trainingshalle in der Kaserne. Sie hatte es genossen, sie hatte es satt.

Mit Harry war es anders. Gierig und doch ohne Eile öffnete er ihr verboten rotes Kleid, Haken für Haken zitterten seine Finger etwas mehr und schließlich wirbelte er sie herum, schälte die fließende Seide von ihren Schultern und staunte erstmal.
„Wahnsinn.“, murmelte er in ihren Nacken, knabberte an ihrem Ohr und ließ seine Hände sachte über die filigrane Spitze ihrer Wäsche, Ton in Ton mit dem Kleid, und die kitzlige Haut ihrer Hüften gleiten. „Du hast ja keine Ahnung was du mit mir machst, schöne Frau.“
„Ich denke, ich kann es mir in etwa vorstellen, du machst nämlich dasselbe mit mir.“, antwortete sie, die Stimme tief und rauchig. Der goldbesetzten Uniformjacke hatte er sich schon längst entledigt, jetzt schob sie neugierige Finger unter sein Hemd, tastete sich vor in das unentdeckte Land seines Körpers und entlockte ihm ein schauderndes Stöhnen und ein genüssliches Augenrollen, als sie ihre Fingernägel zu Hilfe nahm. Und schließlich stand er vollständig nackt vor ihr, erstaunlich gut in Form für sein Alter, aber das war wohl eine willkommene Begleiterscheinung des Militärdienstes, und keine Faser an seinem Körper erinnerte sie mehr an die Sternenflotte und daran, dass er eigentlich ihr Captain war und sein würde. Welch eine Erleichterung!

So landeten sie schließlich in seinem Bett, fielen hungrig übereinander her.

Du musst verrückt sein, Maggie Janeway, dachte sie bei sich, und dann dachte sie nichts mehr, während ihr ganz schwindlig vor Augen wurde und sie sich dem Sinnesrausch der Emotionen und seiner geschickten Hände hingab.

Immer wieder hielt er inne, nur um ihre Reaktionen zu studieren, und immer wieder kräuselten sich seine vollen Lippen zu einem vielsagenden Lächeln, immer dann wenn sie schwach protestierend knurrte und sich ihm entgegen drückte, seine Berührung verlangend. Sie hasste und liebte es ebenso wie es sie heiß und kalt durchfuhr. Sie beobachtete ihn genau, wenn auch aus von Lust und schwach gedimmtem Licht vernebelten Augen, und was sie sah trieb sie nur weiter in Richtung des Gipfels der Leidenschaft, auf den sie beinahe mit Warpgeschwindigkeit zusteuerte obwohl er sich so viel Zeit ließ und sich ihr immer wieder, ganz bewusst, entzog. Er war selbstlos und gebend, obwohl sie sich noch gar nicht kannten, doch seine feuchtglänzende Gänsehaut und sein sinnlich glühender Blick verrieten ihr eindeutig, dass er es mindestens so sehr genoss wie sie, dass er von ihrem Anblick zehrte und jede Regung ihrer Erregung ihn noch mehr erregte.

Ein inniger Kuss, zuerst sanft und verspielt und dann immer fordernder und atemberaubender, zuerst auf seinen sinnlichen breiten Mund, dann auf die prallen Spitzen ihrer Brüste, dann überallhin.

Mit den Fingern, den Lippen und der Zunge begann sie seinen Körper zu kartographieren, von Kopf bis Fuß und vor allem dazwischen, und wie ein Seismograph registrierte sie jede seiner Reaktionen. Er war gefällig ruhig, beinahe introvertiert so als würde er stumm genießen was sie mit ihm anstellte, doch er erwiderte umso heftiger wenn sie gerade die genau richtige Stelle erwischte – dann leckte und hauchte sie ganz bewusst noch ein, zwei Mal, nur um die Sensation noch einmal zu erleben. Sie räkelte sich lasziv und wickelte ihre Beine um ihn.

Es fühlte sich überraschenderweise nicht an wie der erste Sex mit einem neuen Partner, dafür war es viel zu gut. Auf eine befremdliche Art und Weise wussten sie beide instinktiv, dass sie einander vertrauen und sich völlig fallen lassen konnten. Es wurde eine lange und leidenschaftliche, gleichermaßen auszehrende wie erfüllende Nacht, und an deren Ende in einer erschöpft glücklichen Umarmung einzuschlafen fühlte sich selbstverständlich und richtig an.



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Die Nacht war kurz, weil sie lang gewesen war, und am nächsten Morgen spürte er die so befremdlich vertrauten Formen ihres Körpers warm an seinem. Nach dem ersten genüsslichen Gähnen begann er sich, völlig untypisch für sich, Gedanken zu machen. Er hatte noch immer nicht die leiseste Ahnung wer sie eigentlich war – außer, dass sie der Mensch war, der ihn so glücklich und vollkommen gemacht hatte wie schon lange niemand mehr, und der Gedanke allein beängstigte ihn. Als einer der berühmt-berüchtigtsten Liebhaber im Quadranten befriedigte er stets, statt wirklich befriedigt zu werden, und dann reiste er weiter. Dachte er. Bis jetzt.

Du bist verliebt, Harry Kim, dachte er bei sich und dann: steiger’ dich da jetzt bloß nicht rein, wahrscheinlich siehst du sie nie wieder.

Er rätselte still, während er ihren ruhig schnaufenden Schlafatem fühlte. Er wusste, dass er sie irgendwoher kannte – einmal ganz abgesehen davon, dass sie ihn an Libby erinnerte – und das beunruhigte ihn. Eine frühere Liebschaft konnte sie keinesfalls sein, sonst hätte sie ihm vermutlich längst eine reingehaut, und außerdem hätte er sich an eine wie sie auf jeden Fall erinnert. Genausowenig war sie eine ehemalige Kollegin oder flüchtige Bekannte, in dem Fall hätte sie sich doch schon längst zu erkennen gegeben um alte Anekdoten auszutauschen und sein benebeltes Gedächtnis anzukurbeln. Sie hatte sich zu keinem Zeitpunkt so verhalten als sei sie eine ehemalige oder zukünftige Untergebene, denn die sahen nur die schillernd heroische Figur, die er im öffentlichen Leben und in Uniform darstellte, und schwänzelten immer mit einem horrenden, wenn auch meist gekünstelten Respekt und Captain hier und Sir da um ihn herum. Dafür war sie viel zu locker, viel zu natürlich gewesen, gleich von Anfang an, sie verhielt sich so als ob sie ihn kannte und dann doch wieder nicht, und er kannte sie definitiv nicht – und sie war so jung, vielleicht halb so alt wie er, das machte alles noch unwahrscheinlicher ... Wahrscheinlich wurde er langsam paranoid. Verdammt.

Aber ich will sie wiedersehen, dachte er, vielleicht ist das der Beginn von etwas ganz Großem. Was auch immer das war, wer auch immer sie war, es war ihm egal, denn es war gut. Viel zu gut, um Nichts zu sein.

Also zog er sie im fahlen, nur mehr halb künstlichen Morgenlicht näher zu sich und atmete noch einmal tief ihren Duft, getränkt von Weiblichkeit und Befriedigung, ein.

„Guten Morgen, schöne Frau.“



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.



Sie wachte auf, als sich starke Arme von hinten um ihren Oberkörper schlangen und ein sanfter Kuss in ihren Nacken gedrückt wurde. Für einen kurzen Augenblick war sie glücklich, allerdings nur bis ihr bewusst wurde, wo sie war und warum, dann wurde ihr eiskalt.

„Guten Morgen, schöne Frau.“, flüsterte er, und sein Atem kitzelte hinter ihrem Ohr während sie vergeblich versuchte ihren verlorenen Verstand wiederzufinden.
„Morgen...“, murmelte sie und errötete heftig.

Noch einige Zeit lang lagen sie nur so da ohne zu sprechen, und während ihre Gedanken mit peinigender Geschwindigkeit im Kreis rasten und einen alles verschlingenden Wirbel aus Scham und Schuldgefühlen und bittersüßen Erinnerungen herbeitanzten schien er völlig entspannt zu sein. Er schmiegte sich an ihren schmalen Rücken und streichelte geistesabwesend ihre Hüfte.

„Was tun wir jetzt?“, fragte sie, angsterfüllt und eher rhetorisch.
„Es tut mir leid.“, murmelte er zerknirscht. „Ich muss jetzt bald aufstehen, ich habe noch einen langen Tag ... leider. Wir legen übermorgen ab und auf mich wartet fürchterlich viel Arbeit. Aber wir können noch gemütlich duschen und frühstücken, wenn du magst.“
Sie nickte während sich allmählich ein bitterer, dicker Kloß in ihren Eingeweiden bildete. Und dann ahnte sie, dass er nicht im Geringsten verstanden hatte was sie eigentlich meinte.
„Ich weiß ja nicht wie’s dir geht, aber ich fand es unheimlich schön mit dir.“, fuhr er fort und sie spürte sein warmes Lächeln in ihrem Nacken. „Ich würde dich gerne wiedersehen, natürlich nur wenn du das auch möchtest.“

Ihr Herz machte einen Satz bevor es stehenblieb und ihre Kehle schnürte sich abrupt zu während ihr Atem aussetzte. Wie von der Tarantel gestochen fuhr sie hoch.

„Was ist denn los?“, fragte er, plötzlich alarmiert und hellwach setzte auch er sich auf und musterte sie mit besorgtem Blick.
„Harry ...“, presste sie tonlos hervor, sagte zum ersten Mal direkt seinen Namen, kreidebleich stotternd und unfähig ihm in die Augen zu sehen, „Bitte sag’ mir jetzt nicht, dass du nicht weißt wer ich bin. Du musst wissen wer ich bin, ich dachte du wüsstest es schon die ganze Zeit über ...“
„Bis jetzt weiß ich nur, dass du phantastisch bist.“

Als er die Hand ausstreckte, zuckte sie zurück.

„Ich bin Maggie Janeway.“

Harry sackte in sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht.

„Scheiße.“

Mit einem Satz implodierte alles, was er sich vorzustellen gewagt hatte



Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.

Mein erster Ausflug ins Pornöse, verzeiht bitte den Plot ... irgendwie kann ich momentan nichts Produktives außer unerträglichen Harry & Maggie - Kitsch liefern. Gelobe Besserung und hoffe es gefällt trotzdem ;-)

Die Textzeile "Und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel" stammt von R.M.Rilke: Das Karussell. Der Titel stammt von dem alten Spruch "Tanz ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens".

Weiter geht's bei "Fallen und Fliegen", erstes Kapitel – "Zwei".
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