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Asche 04 - Wenn Reiche fallen

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Die Luft in der fensterlosen Halle war stickig und erfüllt vom Geruch nach Blutwein. Was als ein Fest anlässlich des Jahrestages der großen Schlacht von Kahless begonnen hatte, hatte in einer hitzigen Debatte zwischen dem Botschafter der Föderation und den Oberhäuptern mehrerer klingonischer Häuser geendet. Nur Martoks Eingreifen war es zu verdanken, dass kein Blut geflossen war. Der Kanzler hatte Worf bedeutet, ihm in den Schatten eines Standbildes zu folgen.

„Bei meiner Ehre, Worf, ein zweites Mal werde ich mich nicht einmischen können, ohne dass mein Ansehen leidet.“

„Deine Hilfe wurde weder erbeten, noch war sie erwünscht. Ich wäre mit der Situation allein fertig geworden.“

„Indem du einen verdienten General des Reiches tötest oder von ihm getötet wirst?“

„Wenn es nicht anders gegangen wäre: ja.“

„Jetzt sprichst du wie ein wahrer Klingone.“

„Ich bin ein Klingone!“

„Warum hast du dich dann wie der Botschafter der Föderation verhalten?“

„Ich bin...“ Worf verstummte.

Martok lachte rau. „Siehst du, das ist es, was ich meine.“

„Du hattest keine Einwände, mich als Botschafter der Föderation zu akzeptieren.“

„Darum geht es nicht. Die Einladung galt Worf, Sohn des Mogh aus dem Haus Martok, nicht dem Botschafter der Föderation. Halte die beiden Seelen in deiner Brust getrennt, sonst wird der Tag kommen, an dem du unwiderruflich zwischen ihnen wählen musst.“

„Kur’Tok ist im Unrecht.“

„Aus der Sicht der Föderation.“

„Heißt das, du teilst seine Meinung?“

„Das Reich hat im Krieg schwere Verluste erlitten. Unsere Flotte wurde dezimiert, und viele tapfere Krieger haben den Tod gefunden. Mehr als ein stolzes Haus wird aussterben, weil sämtliche Söhne gefallen sind. In früheren Zeiten wäre ihnen und uns zu Ehren das Blut der Feinde in Strömen geflossen. Wir waren die Sieger, Worf! Unsere Klinge lag an der Kehle des Feindes, doch haben wir sie durchgeschnitten? Nein, wir haben ihm sein Leben gelassen. Wir haben uns den Forderungen der Föderation gebeugt und dem Feind gestattet, sich in sein Territorium zurückzuziehen. Wir haben uns einverstanden erklärt, die Grenzen des Dominions zu respektieren, anstatt uns zu nehmen, was dem Sieger gebührt.“

„Und mit der Föderation zu brechen? Deine Entscheidung diente den Interessen des Reiches, sie war weise und in jeder Hinsicht ehrenvoll.“

„Der Föderation mag es zur Ehre gereichen, Schwäche zu zeigen. Wir sind Klingonen.“

„Die Interessen des Reiches ...“

„Zu beurteilen obliegt nicht der Föderation. Das darfst du niemals vergessen, Worf, denn es hieße, das Erbe deiner Väter zu verleugnen.“

* * *


In Gedanken versunken trat der Mann in der knöchellangen, weißen Robe durch das Portal hinaus auf die belebte Hauptstraße. Als er das Gebäude betreten hatte, waren die zwei Sonnen seiner Welt gerade dabei gewesen, über den zerklüfteten Hängen der Jenar-Hügelkette aufzugehen. Inzwischen waren ihre zarten Strahlen längst den Schatten der Nacht gewichen. Den Mann kümmerte es nicht, er würde noch viele Tage sehen, bevor ihn die ewige Dunkelheit umfing. Noch vor wenigen Monaten war die hohe Lebenserwartung seines Volkes keine Garantie dafür gewesen, ein gesegnetes Alter zu erreichen. Doch der Krieg war vorbei und damit die Gefahr eines vorzeitigen Todes durch eine Waffe des Dominions gebannt.

Zumindest für den Moment.

Kaum, dass sie ihres Herrn angesichtig wurden, sprangen einige Diener auf, die vor dem Haus auf seine Rückkehr gewartet hatten. Der innere Bezirk der Hauptstadt war so alt wie das Imperium, und die Gassen waren zu eng, um einem Gleiter Platz zu bieten. Eines der zahlreichen Privilegien der Senatsmitglieder war es, Anspruch auf eine traditionelle Sänfte zu haben, in der sie aus dem inneren Bezirk zu dem Platz getragen wurden, an dem ihr Privatgleiter stand.

Für gewöhnlich machte Tomalak von diesem Vorrecht Gebrauch, das es ihm ermöglichte, der stickigen Luft in den schmalen, verwinkelten Straßen zu entfliehen. Heute jedoch scheuchte er die Diener, die ihn zu einer Sänfte geleiten wollten, mit einer Handbewegung fort. Er wollte, er musste allein sein, um über die hitzige Debatte nachzudenken, unter der die ehrwürdige Halle des Senats förmlich erbebt war, und er verspürte das Bedürfnis, ein wenig zu Fuß zu gehen. Mochte es auch heiß und stickig sein, so wusste er aus Erfahrung, dass ein Spaziergang ihm dabei helfen würde, seine Gedanken zu sammeln und den Kopf, der von all den Argumenten und Gegenargumenten schwirrte, die im Lauf der Sitzung wie Geschosse durch den Saal geflogen waren, wieder klar zu bekommen.

„Senator?“

Tomalak blieb stehen.

Die Frau, die ihn angesprochen hatte, trug ein schäbiges, graues Gewand, dessen Kapuze ihr Haar und einen Teil ihres Gesichtes bedeckte. Auf den ersten Blick wirkte sie wie einer der Bettler, von denen es, allen energischen Dementi der Regierung zuwider, viel zu viele in den Straßen der Hauptstadt gab. Doch Tomalak hatte nicht umsonst eine steile Karriere beim Militär und einen nicht minder rasanten Aufstieg in der Politik hinter sich. Um das zu schaffen, was er erreicht hatte, bedurfte es eines sicheren Gespürs für Gefahr, und sämtliche seiner Instinkte warnten ihn, dass diese Unbekannte nicht das war, was sie zu sein schien.

„Was wünschen Sie?“

Sein höflicher Ton verriet, dass er sie durchschaute. Daher gab es keinen vernünftigen Grund, die Maskerade aufrechtzuerhalten. Die Frau straffte sich und hob ihren Blick. Ihre Augen waren von einer Farbe, die auf ihrer Welt so selten war, dass Tomalak ahnte, wen er vor sich hatte, noch bevor sie sich vorstellte.

„Warum haben Sie mich nicht in meinem Büro aufgesucht, Commander?“ fragte er in einem Ton, in dem weitere stumme Fragen mitschwangen:

Wo sind Sie in all den Jahren gewesen?

Kann das Reich Ihnen noch trauen?

Kann ich Ihnen trauen?


„Ich gehöre nicht mehr dem Militär an“, antwortete Sela, so als wäre damit alles gesagt, und tatsächlich erklärte es zumindest, weshalb sie damals nach dem fehlgeschlagenen Versuch, Vulkan zu erobern, verschwunden war. Lange Zeit war darüber gemunkelt worden, sie wäre zur Strafe für ihr Versagen heimlich exekutiert worden. Tomalak hatte diesen Gerüchten niemals Glauben geschenkt. Sie hatten der üblichen Vorgehensweise des Militärs zur Ahndung von Verfehlungen widersprochen. Degradierung, offizielle Anklage, Haft und schließlich eine öffentliche Hinrichtung, um jedem Bürger zu demonstrieren, welches Schicksal demjenigen blühte, der in ihn gesetzte Erwartungen enttäuschte, das wäre das übliche Verfahren gewesen. Jemanden still und unauffällig verschwinden zu lassen war die Arbeitsweise der Tal Shiar, nicht die des Militärs. Der Geheimdienst indessen hatte allen Grund gehabt, Commander Selas Versagen mit Genugtuung zu betrachten, hatte es dem romulanischen Volk doch einmal mehr die Unfähigkeit des Militärs vor Augen geführt. Die Tal Shiar hatte gewiss kein Interesse daran gehabt, Sela als lebendes Beispiel für die oft beklagte Inkompetenz des Militärs von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Die Angelegenheit hatte die Gemüter eine Weile erregt, insbesondere, da Militär und Geheimdienst sich gegenseitig die Verantwortung für Commander Selas Verschwinden zugeschoben hatten. Doch irgendwann war die Sache in Vergessenheit geraten.

„Was wünschen Sie?“ wiederholte Tomalak.

„Was wünschen Sie, Senator?“

Tomalak hob eine Braue. „Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht.“

„In diesem Fall entschuldige ich mich dafür, Sie belästigt zu haben.“ Sela wandte sich ab.

„Warten Sie!“

Tomalaks Ruf verhallte unbeantwortet. Er bemerkte die neugierigen Blicke der Passanten, die ihn streiften, verwundert, dass ein vornehmer Senator Anstalten machte, einer Bettlerin nachzulaufen. Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht, Sela mit der Behauptung, sie hätte ihn bestohlen, von einer Patrouille verfolgen zu lassen, bevor er kopfschüttelnd seinen Weg fortsetzte.

* * *


Der Anblick der schwelenden Trümmer, die von den Gebäuden der cardassianischen Hauptstadt übriggeblieben waren, traf Bareil nicht unvorbereitet. Die offiziellen Nachrichtenkanäle Bajors und der Föderation zeigten regelmäßig Bilder der zerstörten Häuser, und er hatte den ausführlichen Bericht von Captain Yates’ erstem Besuch auf Cardassia gelesen. Doch es war etwas ganz anderes, die Zerstörung mit eigenen Augen zu sehen, das Leid hautnah zu erleben. Obwohl Bareil keine große Sympathie für die Cardassianer hegte, weckte die greifbare Verzweiflung, die Yates und ihn umgab, kaum, dass sie ihren Fuß auf den Planeten gesetzt hatten, sein Mitleid. Aus Sicherheitsgründen war es ihnen nicht gestattet worden, sich direkt in die Kommandantur zu beamen. Daher waren sie auf dem Platz vor dem Gebäude rematerialisiert und folgten nun dem Empfangskomitee, das sie erwartete. Sofort bildete sich eine Gasse aus namenlosen Cardassianern, deren Bitten Yates und Bareil auf ihrem Weg ins Haus begleiteten. Mütter hielten ihnen ihre Kinder entgegen und flehten sie an, sie von Cardassia fortzubringen. Greise und Krüppel, die bitter darum kämpfen mussten, von den Jungen und Gesünderen nicht abgedrängt zu werden, bettelten um Almosen. Ohne die Furcht vor den Waffen in den Händen der beiden Soldaten, die zum Empfangskomitee gehörten, hätte die Menge Yates und Bareil vermutlich erdrückt, doch die Mündungen der Disruptoren sorgten dafür, dass die Leute eine gewisse Distanz wahrten.

Die Mienen der beiden Soldaten waren starr. Militärisch gedrillt waren sie zu diszipliniert, um ihre Gefühle zu zeigen. Trotzdem glaubte Kasidy in den Tiefen ihrer Augen den Abglanz einer Flut von Emotionen zu erhaschen: Scham, Verzweiflung, Schmerz - und Unverständnis darüber, wie es so weit hatte kommen können, dass das cardassianische Volk zu Bettlern geworden war, die sich von Bajor und der Föderation Rettung aus ihrem Elend erhofften. Die Soldaten, die Kasidy und Bareil schweigend flankierten, waren jung, doch für ihr Alter hatten sie bereits zu viel Leid gesehen, zu viel Tod und Vernichtung miterlebt, was ihren Gesichtern etwas Greisenhaftes verlieh. Innerhalb weniger Monate war ihr Weltbild erschüttert und ihre Heimat in Schutt und Asche verwandelt worden.

Kasidy versuchte, sich ihr Mitleid nicht anmerken zu lassen. Diesen beiden Männern in ihren abgerissenen Uniformen war kaum mehr als ihr Stolz geblieben. Jede Bitte ihrer Landsleute, jede Hand, die sich den Besuchern auf ihrem Weg flehentlich entgegenstreckte, schlug eine weitere Kerbe der Demütigung in diesen Stolz, und Kasidy wollte keine zusätzliche hinzufügen. Sie war froh, als die dunkle, schwere Tür der Kommandantur sich hinter ihnen schloss und das klägliche Jammern der Bettler aussperrte.

* * *


Im Gegensatz zu Vulkan war Romulus eine grüne, fruchtbare Welt, deren beide Kontinente durch einen Ozean getrennt wurden. Senator Tomalak entstammte einer uralten Familie. Die weiße Villa, die am obersten Ende der Steilküste Sturm und Gischt trotzte, war vor etlichen Jahrhunderten erbaut worden, ohne im Verlauf der Zeit an Schönheit oder Erhabenheit einzubüßen.

Tomalak liebte diese Mauern, in denen er aufgewachsen war. Kein anderer Senator wohnte so weit von der Hauptstadt, dem Zentrum des politischen Geschehens und Sitz des Senates entfernt. Anfangs, kurz nach seiner Ernennung zum Senator, hatte Tomalak sich eine Wohnung in der Stadt genommen, in unmittelbarer Nähe des Senatsgebäudes, dann ein hübsches Haus am Stadtrand, doch auch dort hatte er es auf Dauer nicht ausgehalten. Schließlich war er unter dem Kopfschütteln seiner Amtskollegen wieder in die weiße Villa auf der Steilküste zurückgekehrt. In der Hauptstadt hatte er sich eine junge, schöne Mätresse genommen. Sie hatte ihn begleitet, doch bald hatte das Leben nur mit ihrem älteren Liebhaber und einer Handvoll Dienstboten sie, die an Unterhaltung gewöhnt war, gelangweilt. Die Einsamkeit, die Tomalak so schätzte, hatte sie nervös gemacht, und am Ende hatte sie ihn verlassen und war in die Stadt zurückgegangen. Bisweilen vermisste der Senator ihren leichten Schritt und ihr helles, fröhliches Lachen. Aber letztlich war sie lediglich eine käufliche Frau gewesen, für deren Gunst er großzügig bezahlt hatte. Wäre Taliz es wert gewesen, hätte er die weiße Villa an der Steilküste für sie aufgegeben.

Trotzdem vermisste Tomalak sie bisweilen.

Doch seit jener unerwarteten Begegnung in den nächtlichen Straßen der Hauptstadt hatte er kein einziges Mal mehr an Taliz gedacht. Ihr Gesicht war von einem anderen verdrängt worden, das Tomalak bis in seine Träume verfolgte, ohne dass er sich den Grund erklären konnte. Seine diskreten Nachforschungen waren ohne Ergebnis geblieben. Commander Selas offizielle Existenz endete einen Tag nach der gescheiterten Invasion Vulkans. Danach verlor sich ihre Spur.

Warum war sie in dieser Nacht aufgetaucht?

Was hatte sie gewollt?

Weshalb hatte sie ausgerechnet ihn angesprochen?


Ein leises Klopfen riss Tomalak aus seinen Gedanken. Keine Tür der Villa verfügte über einen elektronischen Melder, nicht einmal das Hauptportal, wie der alte Hausdiener nicht müde wurde, laut zu beklagen. So wie sein Vater und dessen Vater vor ihm hatte Tomalak gelegentlich schon mit dem Gedanken gespielt, diesen Zustand ändern zu lassen. Ein hoch dekorierter Offizier des Reiches und geachtetes Mitglied des Senats, in dessen Haus die Zeit irgendwann vor fünf Jahrhunderten stehen geblieben war. Unmöglich! Zumindest nach Meinung seines Personals, die vermutlich von Tomalaks Amtskollegen geteilt worden wäre, hätten sie geahnt, wie er hier lebte. Doch wie sein Vater und dessen Vater vor ihm liebte Tomalak gerade das altertümliche Flair der Villa und schob Neuerungen beharrlich vor sich her, während er das Jammern seiner Dienstboten über das Fehlen jeglichen Luxus’ geflissentlich überhörte.

Der Hausdiener war bereits ein reifer Mann gewesen, als Tomalak zu Füßen seines Vaters mit Miniatur-Warbirds gespielt, Geschichten über vergangene Kriege gelauscht und von einem Posten als Commander in der Flotte geträumt hatte. Inzwischen war aus dem reifen Mann ein Greis geworden, der im Grunde viel zu alt für diese Arbeit war. Doch er hing an ihr, da sie ihm das Gefühl vermittelte, nicht nutzlos zu sein, und Tomalak hatte nicht das Herz, den alten Mann, der seiner Familie schon so lange treu diente, zu kränken. Außerdem, in gewisser Weise passte er zu diesem Haus. Beide waren alt und in Traditionen verhangen, die anderenorts längst an Bedeutung verloren hatten.

Da die Jahre das Gehör des Dieners verschlechtert hatten, hob Tomalak seine Stimme:

„Herein!“

Wie erwartet schlurfte der Alte in die Wohnhalle, in der sein Herr bei einem Glas Ale saß. Er verneigte sich und kündigte einen späten Besucher an, den Tomalak nicht erwartet hatte. Auf das Nicken des Senators trat er zur Seite und ließ den gedrungenen Mann in dem feuchten Mantel ein, den er jetzt auszog und in die geöffneten Hände des Dieners drückte.

„Scheußliches Wetter“, sagte er anstelle einer Begrüßung.

Tomalak schwieg. Er mochte das raue Klima an der Küste, aber es wäre unhöflich gewesen, einem Gast in einer so banalen Sache zu widersprechen, mochte dieser es auch selbst an Höflichkeit mangeln lassen.

„Nehmen Sie Platz, Senator Pardek.“ Tomalak wies mit einer einladenden Geste auf einen der bequemen Sessel. „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“

Der Blick des anderen streifte das Glas in der Hand des Hausherrn. „Ein Ale wäre nicht schlecht, das heißt, nein, lieber einen heißen Tee, um mich wieder aufzuwärmen. Hätte ich geahnt, wie malerisch der Weg zu ihrem Anwesen ist, hätte ich Sie gebeten, mich in meinem Haus zu treffen. Warum haben Sie auf dem Dach keine Landeplattform für einen Gleiter installieren lassen?“

Weil es den Anblick verschandelt hätte, dachte Tomalak, während er laut antwortete: „ Weil die Bausubstanz des Hauses es leider nicht erlaubt hat. Aber Sie sind sicher nicht gekommen, um sich mit mir über die Lage meines Anwesens zu unterhalten.“

„Gewiss nicht.“ Pardek nahm das Glas, das der weißhaarige Diener ihm brachte. „Ah, das tut gut.“ Er drehte das heiße Glas in den Händen und blies leicht über die dampfende Oberfläche des Getränkes. „Sagen Sie, was halten Sie eigentlich von diesem Frieden?“

Es klang beiläufig. Zu beiläufig für einen Mann, der zu Fuß durch Wind und Regen gegangen war, um mitten in der Nacht einen unerwarteten Besuch zu machen.

„Gilt die Frage dem Offizier oder dem Senator?“ erkundigte Tomalak sich zurückhaltend.

„Würde das einen Unterschied machen?“

„Früher einmal vielleicht.“ Tomalak nahm einen Schluck Ale zu sich. „Junge Offiziere mögen sich nach dem Krieg sehnen. In unserem Alter hat man gelernt, den Frieden zu schätzen.“

Pardek machte eine vage Geste, die sowohl Zustimmung wie auch Ablehnung ausdrücken konnte. „Denken Sie, es wird dem Senat gelingen, Einigkeit darüber zu erzielen, wer seiner Ansicht nach als Botschafter nach DS9 entsendet werden sollte?“ wechselte er das Thema. „Mir ist zu Ohren gekommen, der Prätor würde langsam anfangen, die Geduld zu verlieren.“

„Er kann das Vorschlagsrecht des Senats nicht übergehen.“

„Aber er kann den Vorschlag ignorieren und jemanden seines Vertrauens ernennen, und dann wäre die Mühe des Senats, einen Mann seines Vertrauens zu finden, umsonst gewesen.“

Tomalak enthielt sich eines Kommentars. Prätor und Senat sollten gemeinsam die Geschicke des Staates leiten, doch in Wahrheit misstraute der Prätor dem Senat ebenso wie umgekehrt. Dieses Gespräch gefiel Tomalak immer weniger, und er war erleichtert, als Pardek sich nach einem weiteren Glas Ale verabschiedete.

* * *


Kasidy erwähnte mit keinem Wort die Szene, die sich vor dem Tor abgespielt hatte, und das neue Staatsoberhaupt von Cardassia dankte der Besucherin ihren Takt durch eine Begrüßung, die erheblich freundlicher ausfiel als bei ihrer ersten Begegnung. Natürlich konnte es auch daran liegen, dass der Inhalt der bis an den Rand gefüllten Frachträume der Xhosa hier dringend benötigt wurde, doch Kasidy war sicher, hinter dem Lächeln Natima Langs mehr als lediglich erzwungene Diplomatie zu entdecken. Zumindest hoffte sie es. Obwohl sie gewiss keinen Grund hatte, die Cardassianer zu mögen, nötigten Natimas verzweifelter Stolz und ihr so offensichtlich aufrichtiges Bemühen um das Überleben ihres Volkes der Terranerin Respekt ab - und Sympathie, von der sie wünschte, die andere möge sie erwidern.

Bareil hatte sich bei der gegenseitigen Begrüßung im Hintergrund gehalten. Er wusste, dass es närrisch war, doch seit das schwere Tor sich hinter ihnen geschlossen hatte, kämpfte er zunehmend gegen das unangenehme Gefühl, in einem Grab gefangen zu sein. Cardassianische Architektur war in einwandfreiem Zustand bereits äußerst gewöhnungsbedürftig. Verdreckt und mit deutlichen Spuren der Zerstörung und des Verfalls überall, wirkten die dunklen Mauern und Verstrebungen düster und bedrohlich. Ein Eindruck, der durch die unzureichenden Lichtverhältnisse verstärkt wurde.

Natima, dem seine verstohlenen Blicke nicht entgingen, lächelte bitter. „Als Bajoraner sollten Sie mit dem Bild der Verwüstung eigentlich vertraut sein“, bemerkte sie. „Bitte entschuldigen Sie“, ergänzte die Cardassianerin, als ihr bewusst wurde, dass es nicht sonderlich weise war, ausgerechnet einen Angehörigen des Volkes, von dessen Hilfe Cardassia abhängig war, an die Besatzung seiner Heimat durch eben jene zu erinnern, die auf die Gnade derer angewiesen waren, die sie einst mit so harter Hand beherrscht hatten.

„Schon vergessen“, erwiderte Bareil gleichgültig. Er hatte keine Erinnerungen an jene Zeit, auf die diese Cardassianerin angespielt hatte. Dort, wo er herkam, war Bajor ein starker, mächtiger Verbündeter Cardassias gewesen.

Seine gelassene Reaktion irritierte Natima Lang, die sich innerlich gegen Empörung und Zorn gewappnet hatte. Andererseits, vermutlich wurden für diese delikate Mission, wenn überhaupt, nur Bajoraner eingesetzt, deren feindlichen Gefühle für die ehemaligen Besatzer sich in kontrollierten Grenzen hielten. Denn, dass es Bajoraner gab, die den verhassten Cardassianern aus reiner Güte ihres Herzens heraus halfen, daran konnte und wollte Natima nicht glauben. Die Föderation mochte aus Wohltätern des Universums bestehen, aber Bajor? Natima war überzeugt, dass der bajoranische Premierminister sich lediglich aus Liebe zu seiner cardassianischen Ehefrau bereit erklärt hatte, Cardassia seine Hand zu reichen. Das Wissen, dass das Überleben ihres Volkes von der Leidenschaft eines Bajoraners für eine Frau abhing, die ihre Familie und ihre Heimat verlassen hatte, um sich in die Arme eines Mannes zu werfen, der in den Zeiten der Besatzung unzählige Cardassianer getötet hatte, lastete schwer auf Natima. An Shakaars Händen klebte nicht nur das Blut cardassianischer Soldaten, sondern auch das unzähliger Zivilisten, von unschuldigen Frauen und Kindern. Shakaar hatte offiziell verlauten lassen, dass Bajor und auch er persönlich keinen Groll mehr gegen Cardassia hegen würden.

Was ist mit uns? dachte Natima erbittert. Wer fragt danach, ob Cardassia dir verziehen hat, Shakaar Edon? Wer fragt, ob ich dir verziehen habe? Dies laut auszusprechen war ein Luxus, den sie sich nicht leisten konnte, doch das änderte nichts an der Demütigung die darin lag, ausgerechnet diesem Mann Dankbarkeit zu schulden.
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