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In einem fernen Land

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Im Krieg stirbt viel.
An erster Stelle
das Gewissen...

(Terranische Weisheit)


Es lag kein Misstrauen in den grauen Augen, die Kira Nerys musterten. Lediglich wache Vorsicht gepaart mit jener Kälte, die den Mann wie ein durchsichtiger Panzer einzuhüllen schien.

„Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt.“

„Major Kira genießt mein uneingeschränktes Vertrauen“, erwiderte Sisko mit aller Autorität, die sein Rang mit sich brachte.

„Sie ist Bajoranerin.“ Offenbar meinte der blonde Terraner, damit alles erklärt zu haben.

Kira spürte Siskos Ärger. Er hatte sie zu dieser Unterredung gebeten, um zu zeigen, dass es für ihn keinen Zweifel gab, auf welcher Seite Bajor in diesem Krieg moralisch stand. Kira wusste, dass es in der Föderation Stimmen gab, die Bajors Motive für die Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes nicht verstanden und ihrer Heimat insgeheim ihre Neutralität vorwarfen. Sie konnte ihnen das nicht einmal verübeln. An ihrer Stelle hätte sie vermutlich ähnlich gedacht. Außenstehende begriffen nur selten die Entscheidungen Betroffener.

„Odo erwartet mich auf dem Promenadendeck.“ Kiras Blick bat Sisko, sich nicht ihretwegen in Schwierigkeiten zu bringen. Sie wartete sein stummes Einverständnis ab und verließ das Büro.

„Das wäre nicht nötig gewesen“, sagte die schwarzhaarige Begleiterin des Terraners tadelnd.

„Nein, das wäre es nicht“, der Terraner sah Sisko an, „wenn man meine Anweisungen befolgt hätte. - Sind sie das?“ kam er einer Erwiderung des Kommandanten von DS9 zuvor.

Sisko nickte. „Doktor Julian Bashir, wie von Ihnen angefordert, und Commander Jadzia Dax. Sie hat sich freiwillig für diese Mission gemeldet.“

„Ohne zu wissen, worum es geht? Wie überaus löblich...“

„Wollen Sie damit etwas andeuten?“ kam die Trill ihrem Vorgesetzten zuvor. „Falls ja, dann sollten Sie ein wenig deutlicher werden.“

Graue Augen begegneten blauen. „Sie haben einen starken Willen“, stellte der Terraner nach einigen Sekunden, in denen sie einander gemustert hatten, fest. „Ausgezeichnet. Schwächlinge sind mir zuwider. Dann können wir ja jetzt zu den Einzelheiten kommen. Dies“, er deutete auf die Frau an seiner Seite, „ist Commander Deanna Troi, Tochter der betazoidischen Botschafterin Lwaxana Troi. Der Geheimdienst der Sternenflotte hat von ihr einige äußerst beunruhigende Informationen erhalten. - Commander...“, forderte er sie auf.

„Wie Sie wissen, wurde Betazed von den Truppen des Dominions erobert. Meiner Mutter gelang es, gemeinsam mit einigen anderen aus der Hauptstadt zu fliehen, bevor sie besetzt wurde. Sie halten sich versteckt. Ich weiß nicht wie, aber meine Mutter hat es geschafft, mir eine Botschaft zu schicken, in der sie um Hilfe bittet. Offenbar interessiert das Dominion sich für die telepathischen Fähigkeiten meines Volkes. „Es heißt“, sie stockte, „der Vorta, der die Befehlsgewalt ausübt, würde geheime genetische Experimente an Betazoiden durchführen lassen, mit dem Ziel eine neue Rasse im Dienst der Gründer zu erschaffen.“

„Bisher wissen wir nicht, ob es sich dabei lediglich um Gerüchte handelt“, übernahm der blonde Terraner wieder das Gespräch. „Doch falls es kein Gerücht sein sollte, muss ich Ihnen sicher nicht die Konsequenzen erläutern.“

Sisko tauschte Blicke mit Jadzia und Bashir. In ihren Augen las er, was er selbst dachte. Falls es wahr sein sollte, musste um jeden Preis verhindert werden, dass diese Experimente Erfolg hatten. Die Folgen wären unvorstellbar. Wie sollte man einen Gegner bekämpfen, der über einen solchen Vorteil verfügte. Von der Widerlichkeit medizinischer Experimente an Lebewesen an sich einmal abgesehen. Ein Punkt, der nicht vergessen werden durfte, auch wenn Sisko sicher war, dass der Geheimdienst ihm nur untergeordnete Bedeutung beimaß. Würde es hier nicht um den Verlauf des Krieges und damit um die Zukunft des Alpha-Quadranten sondern lediglich um einige Betazoiden gehen, hätte man keinen Agenten geschickt. Dann würden sie hier nicht stehen und die Details einer Mission besprechen, die nie stattfinden würde. Eine bittere Erkenntnis, die dadurch noch schmerzlicher wurde, dass Sisko sich eingestehen musste, dass der Geheimdienst nicht anders handeln konnte. Im Krieg zählte nur der Sieg, das Überleben der Gesamtheit. Auf einzelne Schicksale konnte keine Rücksicht genommen werden.

„Wie sieht Ihr Plan aus?“ fragte Sisko, diese unangenehmen Überlegungen verdrängend.

„Ein kleines Team, bestehend aus mir, Commander Troi, Doktor Bashir und Commander Dax wird sich hinter die feindlichen Linien begeben. Auf Betazed werden wir Kontakt mit der Gruppe von Botschafterin Troi aufnehmen. Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, wie viel an den Gerüchten dran ist. Falls sie wahr sein sollten, müssen wir das Labor suchen, zerstören und dafür sorgen, dass es niemals wieder aufgebaut werden kann, weder auf Betazed noch anderswo. Irgendwelche Fragen? - Gut“, fuhr er im allgemeinen Schweigen fort. „Dann treffen wir uns in einer Stunde an Bord der Rio Grande.“

„Haben Sie etwa vor, mit einem Shuttle in feindliches Territorium zu fliegen?!“

„Das wäre Selbstmord“, bekräftigte Dax Julians Einwand.

Der blonde Terraner lächelte freudlos. „Sie sollten den Geheimdienst nicht unterschätzen. Die Romulaner waren so freundlich, uns eine neue Tarnvorrichtung auszuleihen. Ein Prototyp, speziell für Schiffe dieser Größe entwickelt. Wie mir versichert wurde, ist er mit wenigen Spezifikationen kompatibel mit unserer Technik.“

„Aber ein Shuttle ist viel zu klein! Keine Transportmöglichkeiten, keine Krankenstation!“

„Wir benötigen weder das eine noch das andere, Doktor. Dies ist keine Rettungsmission.“

„Und wenn jemand von uns verwundet wird?“

„Dann wird er es mit Hilfe Ihrer medizinischen Notfallausrüstung schaffen oder sterben.“

„In Anbetracht der minimalen Verteidigungs- und Waffensysteme der Rio Grande sind unsere Chancen, diese Mission zu überleben ohnehin nicht sonderlich hoch“, bemerkte Dax.

„Wollen Sie zurücktreten?“ Der Tonfall des Agenten ließ keinen Zweifel daran aufkommen, welche Antwort er erwartete, dass seine Frage rein rhetorisch war. Sie hatte sich für diese Mission entschieden. Selbst wenn sie es gewollt hätte, gab es kein Zurück mehr...

***


Mit einer fahrigen Geste strich Deanna Troi sich eine Strähne ihres langen Haares aus der Stirn. In Siskos Büro war Dax nicht aufgefallen, wie müde die Betazoidin aussah, zu sehr war ihre Aufmerksamkeit auf den arroganten Agenten des Geheimdienstes gerichtet gewesen. Marius, wie er sich inzwischen mit seinem Decknamen vorgestellt hatte, befand sich bereits auf der Rio Grande und nahm die nötigen Anpassungen an der Tarnvorrichtung vor. Julian und Troi waren Jadzias Vorschlag gefolgt, gemeinsam im Quark’s zu warten, bis es Zeit war, an Bord zu gehen.

Während die Trill ihr Gegenüber betrachtete, fragte sie sich, was sie an ihrer Stelle empfinden würde. Wenn das Dominion ihre Heimatwelt besetzt hätte... Wenn Angehörige ihres Volkes Opfer grässlicher Experimente wären... Wenn ihre Mutter in Gefahr wäre...

Deanna begegnete ihrem Blick. „Danke.“

„Wofür?“

„Für Ihr Mitleid, auch Ihnen, Doktor Bashir.“

„Bitte, nennen Sie mich Julian...“

Sie fühlte seine Verunsicherung. Eine Reaktion, die sie von Nicht-Telepathen kannte und an die sie sich inzwischen gewöhnt hatte. „Ich bin nur zur Hälfte betazoidischer Abstammung. Ich kann Ihre Gedanken nicht lesen. Ich empfange lediglich Emotionen...“

Die Art, wie sie ihren Satz verhallen ließ, sagte mehr als Worte. Dax war überzeugt, dass die Gefühle, die Deanna Troi bei Marius spürte, mit Mitleid nichts zu tun hatten. Sie schauderte bei der Vorstellung, die Kälte dieses Mannes in dem Ausmaß empfinden zu müssen wie die Betazoidin.

Man musste kein Telepath sein, um Jadzias Miene zu entnehmen, was sie dachte.

„Er ist besser als er selber weiß“, nahm Deanna den Agenten in Schutz.

Dax enthielt sich eines Kommentars. Bashir sah aus, als wollte er etwas erwidern, überlegte es sich dann aber anders. Eine Weile starrten alle drei wortlos in ihre Gläser.

„Darf ich Sie etwas fragen“, brach Troi schließlich das Schweigen. „Es betrifft Commander Worf. Ich hatte gehofft, ihn hier auf DS9 zu treffen. Ich wollte ihm eine Nachricht schicken, aber Marius war dagegen. Wir haben uns lange nicht gesehen und...“ Sie spürte Jadzias Gefühle noch ehe sie den beredten Blickwechsel zwischen Bashir und der Trill bemerkte, und verstummte.

Jadzia kämpfte die aufsteigende Eifersucht nieder. Dafür gab es keinen Grund. Zwar war es offensichtlich, dass der Betazoidin Worf nicht gleichgültig war. Sie erinnerte sich auch dunkel daran, dass er erwähnt hatte, dass es in der Sternenflotte eine Frau gab, die ihm einmal etwas bedeutet hatte. Aber das gehörte der Vergangenheit an. Hatte Deanna ihr nicht gerade bestätigt, dass sie Worf lange nicht mehr gesehen hatte? Trotzdem versetzte der Anblick der Betazoidin ihr plötzlich einen Stich.

„Es tut mir leid, mein Mann befindet sich nicht auf der Station. Er dient zurzeit auf einem klingonischen Bird of Prey...“

„Oh“, Deannas Finger spielten verlegen mit dem Stiel ihres Glases. „Ich wusste gar nicht, dass Worf geheiratet hat. Meinen aufrichtigen Glückwunsch, Commander.“

Die Eifersucht wich Beschämung. Die Betazoidin hatte alles verloren. Ihre Liebe, ihre Heimat und inzwischen vielleicht sogar auch ihre Mutter. Sie dagegen. Sie hatte zwar einige gute Freunde in diesem Krieg verloren, aber die meisten waren noch am Leben. Trill war frei, ihre Eltern in Sicherheit und Worf...

„Sie müssen sich nicht schuldig fühlen“, sagte Troi leise. „Dafür gibt es keinen Grund.“

Dax hätte ihr nur zu gerne zugestimmt. Doch sie war noch nie besonders gut darin gewesen, sich selbst zu belügen...

***


Angeblich sollte Betazed eine der schönsten Welten des Alpha-Quadranten sein. Kyle war geneigt, diese Einschätzung zu teilen. Nach objektiven Maßstäben war dieser Planet reizvoll, auch wenn er das subjektiv nicht beurteilen konnte.

So versunken war der Vorta in die Betrachtung der Hügel und Wälder, dass er beinahe den Jem’Hadar vergaß, der in Hab-Acht-Stellung hinter ihm stand.

Belat’aklan wartete geduldig darauf, dass der Vorta am Fenster sich seiner erinnerte. Es störte ihn nicht, keine Aufmerksamkeit von seinem Herrn zu erhalten. Er war ein Jem’Hadar, Kyle war ein Vorta. Ein Vorta konnte einen Jem’Hadar beachten oder ihn übersehen wie es ihm gefiel. Ob er nun Sechster oder Erster war wie er.

Das war die Ordnung der Dinge.

„Ich wurde abgelöst“, sagte der Vorta, ohne sich umzudrehen. Es klang bitter.

Belat’aklan wusste nicht, wie er auf die ungewohnte Vertraulichkeit der Mitteilung reagieren sollte. Es schien auch nicht so, als würde der Vorta etwas anderes als stumme Kenntnisnahme von ihm verlangen. Also schwieg der Jem’Hadar.

Schließlich wandte Kyle sich zu ihm um. „Man hat mir die Befehlsgewalt entzogen. Mein Nachfolger ist bereits auf dem Weg nach Betazed.“ Sein Blick fixierte den Jem’Hadar. „Erster, wenn ich Ihnen einen Befehl gebe, werden Sie ihn befolgen?“

„Gehorsamkeit bringt den Sieg“, erwiderte Belat’aklan ohne zu zögern.

„Sicher...“ Das Lächeln des Vorta erreichte seine Augen nicht. „Doch das beantwortet meine Frage nicht. Würden Sie meinem Befehl folgen, Erster?“

Belat’aklans Miene war ausdruckslos. „Ein Jem’Hadar befolgt jeden Befehl seines Vorta. Das ist die Ordnung der Dinge.“

***


Das Gewehr flog im hohen Bogen durch die Luft. Es fiel in einen Busch und blieb in den Zweigen hängen. Der grauhaarige Mann hob es auf und befreite es behutsam von Dreck und Blättern.

Als er es der Frau wieder reichen wollte, schlug sie es mit einem Nein! fort, und nur sein fester Griff verhinderte, dass der Schwung es aus seiner Hand riss.

„Nein!“ wiederholte die Frau, die genau wie er die Mitte ihres Lebens bereits überschritten hatte, störrisch.

„Lwaxana, bitte!“

„Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals eine Waffe abgefeuert. Ich werde jetzt nicht damit anfangen. Roffa“, ihre Stimme nahm einen flehentlichen Klang an. „Ich kann niemanden töten.“

„Nicht einmal einen Jem’Hadar?“

„Ich... kann es nicht sagen!“ Sie setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

Er kniete vor ihr nieder und zog sanft ihre Hände fort. „Ich weiß, es ist schwer. Das hier“, er machte eine Geste, die das armselige Camp umfasste, „ist nicht das Leben, das wir gewöhnt sind. Doch, falls es dich tröstet, du hast nie so schön ausgesehen wie heute. Nein, lass es mich erklären“, winkte er ihren Einwand ab. „Kleider, Schmuck, Schminke, du brauchst diesen Tand nicht. Unter all dem Glitter steckt deine wahre Schönheit. Ich habe das damals sofort erkannt. Deine kostbaren Gewänder und das ganze Drumherum, das hat davon immer nur abgelenkt. Ohne all das wirkst du auf mich wie das junge Mädchen, das du im Herzen geblieben bist.“

Unter Tränen lächelnd sah sie ihn an. „Was würde ich ohne dich anfangen, Roffa?“

Er erwiderte das Lächeln. „Auf jeden Fall würdest du nicht lernen, mit diesem Gewehr hier umzugehen!“

Diesmal nahm sie die Waffe, wenn auch widerwillig. „Warum soll ich es lernen, wenn ich es doch nicht über mich bringe, zu schießen.“

„Im Ernstfall wirst du es tun. Wir alle verabscheuen den Gedanken daran. Aber wir müssen in der Lage sein, uns zu verteidigen. Sonst haben wir keine Chance, durchzuhalten bis unsere Rettung eintrifft. Deine Nachricht ist doch angekommen, oder?“

„Ja.“ Es war eine Lüge. Tatsächlich wusste Lwaxana Troi nicht, was aus dem Datenkristall geworden war, für dessen Mitnahme sie einem Ferengi-Schmuggler ihre Halskette überlassen hatte. Das einzige Schmuckstück, das sie bei ihrer überstürzten Flucht mitgenommen hatte, das letzte Geschenk von Deannas Vater. Sie konnte nur hoffen, dass die Botschaft ihr Ziel erreicht hatte.

Was, wenn der Ferengi sie betrogen oder es einfach nicht geschafft haben sollte?

Was, wenn Deanna ihre Nachricht nicht erhalten hatte?

Was, wenn die Föderation ihnen nicht helfen konnte oder wollte?

Was, wenn niemand kommen würde?


So viele Wenn standen zwischen ihnen und der Rettung. Lwaxanas Blick glitt über Roffas Schulter über die Mitglieder ihrer kleinen Gruppe. Als was hatte der befehlshabende Vorta sie alle in seinem letzten Bericht, den sie zufällig mit ihrem altersschwachen Kommunikationsgerät aufgefangen hatten, bezeichnet? Aufrührer, Terroristen...

Terroristen!

Wäre die Situation nicht so ernst, hätte sie glatt darüber lachen können. Roffa Ehlan, Minister für kulturelle Angelegenheiten, dessen verwegenste Tat bis zur Eroberung von Betazed darin bestanden hatte, den Premierminister in einer Ratssitzung öffentlich zu kritisieren, weil er seinen Etat gekürzt hatte. Der ältere Haushofmeister mit seiner vierköpfigen Familie. Ihre resolute Köchin, die den Jem’Hadar mit zwei Kochlöffeln bewaffnet Widerstand geleistet hätte, wenn ihre Herrin es nicht verhindert hätte. Ihre junge Zofe, fast noch ein Kind, die Angst vor ihrem eigenen Schatten hatte. Würde sie sich nicht vor dem Stallburschen schämen, der kaum älter als sie war, würde sie wahrscheinlich ununterbrochen schluchzen und jammern.

Lwaxanas Blick blieb an der großen stummen Gestalt von Mr. Homm hängen. Sie war froh, ihn an ihrer Seite zu wissen. Roffa versprühte Optimismus. Doch er war nicht mehr der Jüngste. Da war es gut, jemanden mit der Kraft ihres Dieners dabei zu haben...

Die Betazoidin straffte sich. Roffa hatte recht. Sie mussten sich verteidigen können, sollte es nötig werden. Sie wog das Gewehr in ihrer Hand, dann stand sie auf. „Hört bitte alle her!“ Lwaxana wartete, bis sie die Aufmerksamkeit der Gruppe hatte. „Wir haben es bis hierher geschafft! Doch das genügt nicht. Man sucht überall nach uns. Wir werden uns weiterhin in den Bergen verstecken und hoffen, dass sie uns nicht finden. Aber für den Fall, dass das Schlimmste eintreten sollte, müssen wir vorbereitet sein. Im Moment sind wir schwach. Das dürfen wir nicht bleiben! Daher“, sie hob das Gewehr hoch über ihren Kopf“, wird Roffa uns allen jetzt beibringen, wie man mit diesen Dingern umgeht. Ich mache den Anfang, und...“, sie schenkte ihrem Liebhaber ein Lächeln. „Beim heiligen Kelch von Riix, ich schwöre, dass ich eher in ein Kloster eintrete als aufzugeben, bevor ich es kann!“

***


Ein kühler Wind fegte über den Platz. Die Sonne war gerade erst hinter den Hügeln aufgegangen. Kyle machte die Frische des Morgens nichts aus. Die Jem’Hadar indessen verabscheuten Kälte. Grund genug für Eris, die offizielle Ablösung zu dieser frühen Stunde vorzunehmen. Wenn jemand sich auf eindrucksvolle Machtdemonstrationen verstand, dann sie. Mochte eine Demonstration, wie in diesem Fall, noch so überflüssig sein, Eris führte sie trotzdem durch und genoss jeden Moment in vollen Zügen. Auf ihren Befehl waren alle Jem’Hadar, die derzeit keinen wichtigen Dienst versahen, bereits vor über zwei Stunden angetreten. Seitdem standen sie reglos wie Statuen hinter dem Vorta, dem nichts anderes übriggeblieben war, als mit ihnen zu warten.

Mit einer eleganten Drehung landete der Gleiter. Gefolgt von einer Jem’Hadar-Eskorte stieg Eris aus. Sie hatte sich kaum verändert, seit sie einander das letzte Mal gesehen hatten. Sie trug ihr Haar kürzer, was die klassischen Züge ihres Gesichtes unterstrich, das jene Arroganz ausstrahlte, die ihm bereits bei ihrer ersten Begegnung aufgefallen war. Sie hatten die Stufen der umfassenden Ausbildung, die jeder Vorta zu absolvieren hatte, gleichzeitig durchlaufen. Schon damals war Eris’ Hochmut nur von ihrem Ehrgeiz übertroffen worden.

Einige Sekunden stand sie einfach nur da und ließ ihren Blick über die Mannschaften gleiten.

„Die Gründer haben mich mit der Aufgabe geehrt, die Befehlsgewalt über diese Welt und alle hier stationierten Truppen zu übernehmen“, sagte sie schließlich. Obwohl sie nicht laut sprach, war ihre klare Stimme bis in den letzten Winkel zu hören. „Euer Gehorsam gebührt den Gründern - und mir! Denn ich bin eure Vorta!

„Gehorsamkeit bringt den Sieg!“ erscholl es aus zahlreichen Kehlen.

„Und siegen heißt leben!“ bestätigte Eris, um nach einer Kunstpause zu ergänzen: „So wie Versagen den Tod bedeutet! - Zehnter, treten Sie vor!“

Kyles Magen krampfte sich zusammen. Er wusste was nun kam. Er hatte damit gerechnet. Als Führerin ihrer bisherigen Einheit hatte Eris bereits Jem’Hadar, denen sie soweit vertraute wie es ihr möglich war. Wie erwartet hatte sie ihre Einheit mitgebracht, um sie in die Truppen auf Betazed zu integrieren. Sie hatte einen Ersten, einen Zweiten und einen Dritten. Damit waren die Jem’Hadar, die unter ihrem Vorgänger diese Ränge bekleidet hatten, überflüssig. Sie hätte sie degradieren können, was er und die meisten Vorta an ihrer Stelle getan hätten. Kyle hatte sich schon früher gefragt, ob bei der Kreierung ihres genetischen Codes vielleicht etwas schief gegangen war. Sie hatte einiges von einem Jem’Hadar. Nein, korrigierte er in Gedanken. Ein Jem’Hadar tötete, weil es seine Natur war, nicht aus Spaß, sondern weil er nicht anders konnte. Eris bereitete es Vergnügen, andere sterben zu sehen. Mochten es Feinde oder die eigenen Leute sein, das machte keinen Unterschied für sie.

Kyles Blick folgte dem Zehnten, als er Eris’ Befehl gehorchte und vortrat. Er war erst vor wenigen Tagen befördert worden, was ihn nun sein Leben kostete. Warum beschränkte Eris sich nicht auf die ersten Drei? Das hätte er verstehen können. Aber die ersten Zehn? Was für eine Verschwendung.

Eris, die seinen Blick bemerkt hatte, lächelte ihm auf eine Weise zu, die ihm einen Schauder über den Rücken jagte. Was, wenn sie sich nicht auf die Jem’Hadar beschränken würde? Es kam nur selten vor, dass ein Vorta vom Dominion für eine Verfehlung mit dem Tod bestraft wurde. Die Vorta kannten ihren Platz in der Hierarchie. Sie halfen den Gründern, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie waren wertvoll. Zumindest sollten sie es sein. Kyle fragte sich, wie wertvoll das Leben eines Vorta war, der wegen Unfähigkeit seines Postens enthoben worden war.

Inzwischen hatte Eris ihre Aufmerksamkeit auf den Zehnten gerichtet. „Es war Ihre Aufgabe, diese Welt für das Dominion zu sichern. Sie jedoch haben versagt! Sie haben das Vertrauen, das die Gründer in Sie gesetzt haben, nicht verdient!“ Sie trat beiseite. „Erschießen!“

Die Männer der Eskorte zogen ihre Waffen.

Von tödlicher Energie getroffen brach der Zehnte zusammen.

„Neunter, treten Sie vor!“

Es kostete Kyle alle Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte, sich seine Angst nicht an-merken zu lassen, während er scheinbar unbeteiligt zusah, wie ein Jem’Hadar nach dem anderen auf Eris’ Befehl hingerichtet wurde.

„Sechster, treten Sie vor!“

Sie starben schweigend. Ohne Widerspruch. Obwohl niemand von ihnen schuldig war. Kyle wusste nicht, wie Eris es geschafft hatte, seinen Vorgesetzen davon zu überzeugen, ihn abzulösen. Diese Welt war sicher. Es gab keinen Widerstand, weder von außen noch von innen. Doch das kümmerte Eris nicht. Sie war schon immer gut darin gewesen, Intrigen zu spinnen.

„Dritter, treten Sie vor!“

Doch wenn sie sich einbildete, er würde sein Schicksal mit dem Fatalismus eines Jem’Hadar akzeptieren, dann irrte sie sich. Er war kein Jem’Hadar. Er würde ihr beweisen, dass er sich wehren konnte. Sofern er diesen Morgen überlebte.

„Erster, treten Sie vor!“

Niemand rührte sich. Die Reihen der Jem’Hadar kamen nicht in Bewegung.

Eris runzelte die Stirn. „Erster, treten Sie vor! - Wo ist Ihr Erster?“ wandte sie sich an Kyle.

„Bedaure, ich habe keine Ahnung.“

Er konnte förmlich spüren, wie ihr Verstand arbeitete. Sie beugte sich ein wenig vor. „Das wird Ihnen noch leidtun“, sagte sie so leise, dass nur er es hören konnte. „Sie werden bereuen, jemals geklont worden zu sein! Wenn ich mit Ihnen fertig bin, Kyle, werden Sie sich wünschen, ich hätte Sie hier und jetzt exekutiert! - Erster Jenat’aklan, begleiten Sie diesen Vorta in sein Quartier!“ befahl sie laut. „Er steht bis auf Weiteres unter Arrest. Und Sie, Zweiter, nehmen Sie sich einige Männer und suchen Sie nach diesem abtrünnigen Jem’Hadar. Finden Sie ihn und bestrafen Sie ihn so wie er es für seinen Verrat an den Gründern verdient!“

***


Weyouns Finger klopften auf die Lehnen seines Stuhles. Es wäre ihm leicht gefallen, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Nicht umsonst war er der beste Diplomat des Dominions. Aber Damar sollte wissen, dass seine Einfältigkeit anfing, ihm ernsthaft auf die Nerven zu gehen. Gul Dukat war eine Plage gewesen. Doch zumindest war er intelligent genug gewesen, um die Pläne der Gründer für den Alpha-Quadranten wenigstens im Ansatz zu begreifen. Im Gegensatz zu seinem Nachfolger. Damar war nichts als ein Emporkömmling, der für die Position, die ihm unverhofft und unverdient in den Schoß gefallen war, weder dankbar war, noch sie zu nutzen verstand. Es stand ihm nicht zu, die Entscheidung der Gründer zu kritisieren. Ungeachtet dessen war es aus Sicht des Vorta ein Fehler gewesen, Damar zu befördern.

„Das reicht!“ unterbrach Weyoun den Redefluss des Cardassianers. „Ich habe genug von Ihren Ausflüchten! - Wenn man Ihnen zuhört, könnte man glauben, diese Rebellen verfügen über ein Heer! Dabei geht aus den Berichten hervor, dass es sich lediglich um eine kleine Gruppe handelt, die sich im Wesentlichen aus ehemaligen Professoren und ihren Schülern zusammensetzt. Es dürfte wirklich kein Problem sein, mit ihnen fertig zu werden. Ich habe Wichtigeres zu tun. Meine Zeit ist begrenzt. Also, erledigen Sie diese Angelegenheit endlich, anstatt mich ständig damit zu belästigen!“ Weyoun wandte seinen Blick den Datenpadds auf seinem Schreibtisch zu. „Sie dürfen gehen...“

„Aber...“

„Ich sagte, Sie dürfen gehen!“ Der Vorta sah auf. Der Ausdruck seiner hellen Augen erstickte Damars Protest. Beinahe fluchtartig verließ der Cardassianer das Büro.

„Wer ist der Nächste, Omet’iklan?“ fragte Weyoun den Jem’Hadar, der neben der Tür stand.

Diese morgendlichen Audienzen waren anstrengend und kosteten viel Zeit. Doch der Vorta war nach wie vor überzeugt, dass es für einen Befehlshaber unerlässlich war, über alles informiert zu sein, was in seiner Umgebung geschah. Um das zu gewährleisten, hatte er sich angewöhnt, stets ein offenes Ohr für seine Untergebenen zu haben.

„Ein Jem’Hadar, der nicht zu dieser Einheit gehört. Er wurde von den Wachen bei dem Versuch, in die Kommandantur einzudringen, festgenommen. Er hat sich geweigert, seinen Namen zu nennen.“

Weyoun runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

Omet’iklan verneigte sich. „Er behauptet, eine Botschaft für Sie zu haben. Nur deshalb ist er noch am Leben.“

„Wieso wurde er nicht sofort zu mir gebracht? - Schon gut“, winkte der Vorta die Entschuldigung seines Ersten ab. „Er soll reinkommen!“

Eskortiert von zwei Wachen trat ein Mann ein, der selbst für einen Jem’Hadar groß war.

„Wie heißen Sie?“ fragte Weyoun, nachdem er den Mann kurz gemustert hatte. „Antworten Sie! Oder diese Unterhaltung wird nicht das Einzige sein, das von meiner Seite aus beendet wird!“

„Mein Name lautet Belat’aklan.“

Weyoun hob eine Braue. „Derselbe Belat’aklan, Erster der auf Betazed stationierten Einheit, der seinen Eid gegenüber den Gründern gebrochen hat?“

„Ich habe meinen Eid nicht gebrochen!“

„Ach nein? Dann stimmt es also nicht, dass Sie den Befehl Ihrer Vorta missachtet haben und desertiert sind?“

„Dies zu entscheiden liegt bei Ihnen. Doch zuvor bitte ich Sie, mich anzuhören!“

Weyoun lehnte sich zurück. „Reden Sie!“

„Das, was ich zu sagen habe, ist nur für Sie bestimmt.“

„Sie sollten meine Geduld besser nicht auf die Probe stellen!“

„Mir wurde befohlen, mit Ihnen unter vier Augen zu sprechen.“

„Bei allem Respekt“, warnte Omet’iklan, „das könnte eine Falle sein.“

Weyoun wusste, dass der Erste auf einige Jem’Hadar anspielte, die hier im Alpha-Quadranten den Geburtskammern entstiegen und den Einflüssen dieser Seite des Wurmlochs erlegen waren, ihren Eid gegenüber den Gründern gebrochen hatten und seit der Plünderung eines Ketracel White Lagers flüchtig waren. Da faselte dieser Narr Damar von cardassianischen Rebellen, ohne zu erkennen, dass diese abtrünnigen Jem’Hadar ein weitaus größeres Problem darstellten, da ihr Verhalten die innere Ordnung des Dominions bedrohte. Laut dem Bericht, den Weyoun von Betazed erhalten hatte, war dieser Jem’Hadar vor ihm dem Beispiel der Abtrünnigen Jem’Hadar bereits gefolgt. Ein Verräter und Deserteur. Fähig zu allem.

Belat’aklan schien die Gedanken des Vorta zu erraten. „Von mir geht keine Gefahr für Ihr Leben aus!“ Ohne Vorwarnung griff er die beiden Wächter an, die unter zwei genau gezielten Hieben taumelten.

Omet’iklan wollte sich schützend vor Weyoun werfen.

Doch der andere Jem’Hadar war schneller. Ein harter Schlag schleuderte Omet’iklan zur Seite. Belat’aklan hechtete vor, und ehe der Vorta sich versah, hatte der Jem’Hadar ihn aus dem Stuhl hochgezogen, hielt ihn wie einen Schild vor sich und presste ihm die Mündung einer Waffe gegen den Hals.

„Wenn ich hier wäre, um Sie zu ermorden, dann wären Sie jetzt tot!“ Belat’aklan trat einen Schritt zurück.

Weyoun drehte sich zu dem Jem’Hadar um und befahl den Wachen mittels einer Geste. zu bleiben, wo sie waren.

Ohne den Vorta aus den Augen zu lassen, kniete Belat’aklan nieder. Mit ausgestreckten Armen hielt er Weyoun den Griff der Waffe entgegen, deren Mündung nun auf ihn selbst zeigte.

Weyoun nahm sie. „Omet’iklan, wurde er bei seiner Verhaftung nicht durchsucht?“

„Er hatte keine Waffe bei sich, als er diesen Raum betrat.“

„Sie gehört einem der Soldaten, die mich hergebracht haben“, kam Belat’aklan der Frage des Vorta zuvor. „Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, Sie sollten Ihr Leben niemandem anvertrauen, der dafür nicht garantieren kann. Schon gar nicht an einem Ort wie diesem.“

Weyouns Blick wanderte von dem Gesicht des knienden Jem’Hadar zu der Waffe in seiner Hand und wieder zurück. „Lasst uns allein! - Erster“, hielt der Vorta Omet’iklan an der Tür noch einmal auf. „Hier!“ Mit einer nachlässigen Bewegung warf Weyoun dem Jem’Hadar die Waffe zu. „Der Mann, dem sie gehört, wird hingerichtet. Der andere wird um drei, nein vier Ränge degradiert!“

Omet’iklan zögerte, so als würde er auf etwas warten.

Doch Weyoun beachtete ihn längst nicht mehr. „Stehen Sie auf!“

Belat’aklan gehorchte, während Omet’iklan nach einem letzten Blick auf den Vorta gefolgt von den beiden Soldaten das Büro verließ.

„Nun“, Weyoun setzte sich wieder. „Ich höre...?“

***


Eris hielt das Reagenzglas gegen das Licht und schüttelte es leicht, bis die Flüssigkeit im Innern ihre Farbe wechselte. „Meine Kenntnisse auf dem Gebiet der Gentechnologie sind weniger vertieft als Ihre, Bortas. Doch sie genügen, um beurteilen zu können, dass auch diese Testreihe nicht erfolgreich verlaufen ist. Sie sind der Spezialist. Welche Erklärung haben Sie für diesen Fehlschlag?“

Der ältere Vorta mied den Blick seiner neuen Vorgesetzten. Ihr Ruf war ihr vorausgeeilt. Er legte keinen Wert darauf, sie noch mehr zu verärgern.

„Ich habe Sie etwas gefragt!“

Bortas zuckte leicht zusammen. Wie er diesen Ton hasste. Er war einer der führenden Wissenschaftler des Dominions. Eris jedoch behandelte ihn so herablassend wie einen Jem’Hadar. Könnte er bessere Ergebnisse vorweisen, würde sie es nicht wagen, in dieser Weise mit ihm zu reden. Aber solange seine Forschung nur Misserfolge verzeichnete, musste er sich ihre Behandlung wohl oder übel gefallen lassen. Die Gründer tolerierten kein Versagen. Bortas wusste das. Sie wussten es beide, und deshalb nahm er sich zusammen.

„Es tut mir leid. Das telepathische Gen dieser Spezies ist nur schwer zu isolieren. Sobald es von der restlichen DNA getrennt wird, zerfällt es oder wird so instabil, dass es nicht mehr möglich ist, es mit einer fremden Molekular-Struktur zu kombinieren.“

„Haben Sie versucht, das Gen künstlich zu erzeugen?“

„Wir haben alles probiert. Ohne Erfolg. Dieses spezielle Gen lässt sich weder herstellen noch replizieren. Ich sehe keine Chance, es sei denn...“, er zögerte.

„Es sei denn was?“

„Ich habe eine Theorie entwickelt. Leider hielt Ihr Vorgänger nicht allzu viel davon.“ So wie von den Versuchen generell, ergänzte Bortas in Gedanken. Er war sicher, dass Kyle die Experimente tief im Innern stets abgelehnt hatte. Es war lediglich ein Gefühl, das er nicht beweisen konnte. Daher behielt er diese Überlegung lieber für sich. Kyle mochte bei den Gründern in Ungnade gefallen sein. Aber die Götter waren bisweilen launisch. Morgen schon konnte sich das Blatt wenden. Es war besser, sich keinen Feind zu schaffen.

„Ich habe jetzt das Kommando!“ unterbrach Eris seinen Gedankengang. „Was ist das für eine Theorie?“

„Ich denke, dass es möglich ist, eine telepathische Rasse auf herkömmliche Art zu züchten.“

„Sie meinen, durch körperliche Kreuzung?“

„Ich bin überzeugt, dass es funktionieren wird. Alles, was ich dafür benötige, ist ein gesundes weibliches Exemplar und eine Vorta-DNA-Reihe, um daraus einen Stoff zu entwickeln, der sich für eine künstliche Befruchtung eignet.“

„Eine interessante These. Ich denke, es wäre den Versuch wert. Fangen Sie an!“

Bortas hüstelte verlegen. „In diesem Fall benötige ich einige Testobjekte.“

„Soweit ich weiß, wurden Ihnen mehrere Betazoiden zur Verfügung gestellt.“

„Das ist korrekt. Doch infolge der bisherigen Tests hatten wir erhebliche Verluste. Die Rate liegt bei 85 %. Die restlichen 15 % dürften ungeeignet sein. Zum größten Teil handelt es sich um männliche Exemplare. Die wenigen Weiblichen sind entweder zu alt oder ihre DNA ist durch unsere Experimente zu beschädigt, um ein gutes Ergebnis zu garantieren. Nein, ich brauche neue Objekte!“

„Wie viele?“

„Mindestens drei. Ideal wären fünf bis sechs, da wir einkalkulieren müssen, dass die Versuche in der Anfangsphase fehlschlagen und wir genügend Material haben müssen, um das gegebenenfalls kompensieren zu können.“

„Sie erhalten eine ausreichende Anzahl. Bereiten Sie inzwischen... - Was ist?“ unterbrach Eris sich selbst, als Bortas Assistent mit gewichtiger Miene das Labor betrat.

Der junge Vorta schien von der Dringlichkeit seiner Nachricht geradezu erfüllt zu sein. „Bitte verzeihen Sie die Störung, Eris, aber die Kommandantur meldet das Eingehen einer Transmission für Sie. Es ist Weyoun. Ich habe darum gebeten, sie in Doktor Bortas Büro zu legen. Hier entlang bitte.“

„Gut. - Sie erlauben...“ Ohne Bortas Antwort auf ihre ohnehin rhetorische Frage abzuwarten, folgte Eris dem jungen Mann in den angrenzenden Raum. Sie schickte ihn mit einem Nicken hinaus, bevor sie das Kommunikationsterminal auf dem Schreibtisch aktivierte.

„Ich freue mich, Sie zu sehen, Weyoun.“

„Davon bin ich überzeugt, Eris.“

„Sie erinnern sich an meinen Namen?“

„Ich vergesse niemals etwas. Schon gar nicht, wenn es die Politik dieses Quadranten betrifft. Darf ich Ihnen zunächst meinen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung aussprechen. Eine verantwortungsvolle Position für jemanden, der so jung wie Sie ist.“

„Erheben Sie Einwände?“

„Wie könnte ich mir anmaßen die Entscheidung der Gründer in Frage zu stellen. Wenn sie der Auffassung sind, dass Sie diesen Posten verdienen, dann bin ich es auch.“

„Das freut mich. Ihre Meinung ist mir wichtig.“

„Ach ja? Warum?“

„Sie haben den Oberbefehl in unserem Teil des Quadranten.“

„Die Gründer haben den Oberbefehl“, korrigierte er mit Nachdruck. „Wir beide haben nur die Ehre, ihnen zu dienen.“

„Natürlich. Wo wir gerade dabei sind, womit kann ich Ihnen behilflich sein, Weyoun?“

„Sie kommen ohne Umschweife zur Sache. Das gefällt mir. Sie haben recht, da wäre tatsächlich eine Kleinigkeit, die Sie für mich tun könnten. Da Sie auf Betazed das Kommando übernommen haben, ist Ihr Vorgänger ohne Aufgabe. Wie Sie wissen, schätzen die Gründer keine Verschwendung. Daher habe ich mich entschlossen, Kyle eine neue, weniger anspruchsvolle Tätigkeit zu übertragen, die seinen Fähigkeiten hoffentlich besser gerecht wird. Als mein Assistent wird er nur untergeordnete Zuarbeiten zu verrichten haben.“

„Ihr Assistent?!“

„Eine passende Position für jemanden, der unfähig ist, eigenständig sinnvolle Entscheidungen zu treffen, finden Sie nicht? Ich gebe es nur ungern zu, aber ich kann eine Entlastung gut gebrauchen. Doch wie hätte ich es wohl wagen können, die Gründer zu bitten, mir zur Unterstützung einen Vorta zuzuweisen, der an anderer Stelle weitaus nützlicher wäre? Kyle indessen hat sich als untauglich zu Höherem erwiesen. Da er offenbar nicht in der Lage ist, dem Dominion als Befehlshaber zur Ehre zu gereichen, wird er ihm künftig an einem Platz dienen, der seinen Talenten eher gebührt.“

„Wie Sie wünschen. Ich werde Kyle unverzüglich nach Cardassia Prime bringen lassen.“

„Ausgezeichnet. Andererseits...“, Weyoun lächelte leicht, „wäre dies eine gute Gelegenheit, um festzustellen, ob er für den Posten wirklich geeignet ist. Ich weiß, ich mute Ihnen viel zu, aber ich würde mich freuen, wenn Sie Kyle noch eine Weile auf Betazed behalten könnten. Ich bin sicher, Sie werden sich hervorragend machen. Er könnte einiges von Ihnen lernen, und nebenbei könnte er hier und da einen Bericht über Ihre Erfolge für mich schreiben. Was meinen Sie?“

Weyoun hatte seinen Wunsch in dieser Sache als Vorschlag formuliert. Doch beide wussten, dass der Botschafter einen Befehl daraus machen würde, sollte Eris sich weigern, seiner Bitte nachzukommen.

„Wie Sie möchten“, sagte die Vorta höflich.

Mit einem freundlichen Dank beendete Weyoun die Transmission...



...und wandte sich Belat’aklan zu, der seine Verwunderung darüber, dass der Vorta ihn für die Dauer des Gesprächs nicht hinausgeschickt hatte, hinter seiner starren Miene verbarg.

Nachdenklich musterte Weyoun den Jem’Hadar. Die Unterhaltung mit Eris hatte den letzten Zweifel an der Bedeutung der von Belat’aklan überbrachten Botschaft ausgeräumt.

Der Ehrgeiz dieser Vorta kennt keine Grenzen.

Wie hatte er sich nur von Damar derart ablenken lassen können, dass er Dinge übersah, die sich direkt vor ihm ereigneten?

Diesmal war es die Kontrolle über Betazed.

Seine Pflichten hatten ihn so sehr in Anspruch genommen, dass ihm darüber gar nicht aufgefallen war, dass Kyle auf eine direkte Anweisung der Gründer abgelöst worden war.

Für den Moment mag Betazed ihr genügen.

Die Gründer hatten ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie hatten eine wichtige personelle Entscheidung getroffen. Das erste Mal, seit sie Weyoun den Befehl über die Truppen im Alpha-Quadranten übertragen hatten, hatten die Gründer es nicht völlig ihm überlassen, die Fähigkeiten eines Vorta-Kommandanten eigenständig zu beurteilen.

Was wird sie morgen wollen?

Die Gründer hatten sich noch niemals zuvor um solche Einzelheiten gekümmert. Stets hatten sie seiner Einschätzung vertraut.

Die Kontrolle über eine bedeutendere Welt?

Sie hatten ihm immer vertraut. Sie hatten sich nie eingemischt. Er und seine Meinung waren noch nie in dieser Weise übergangen worden.

Eine Welt wie Cardassia?

Oder gar die Kontrolle über den gesamten Quadranten?


Kyle hatte seine Sache gut vertreten.

Eris’ Ehrgeiz oder meine Dankbarkeit. Meine Loyalität...

Weyoun hatte gewählt.

Damar und seine lästigen Beschwerden hatten seine Wachsamkeit getrübt. Dafür würde er den Cardassianer später bestrafen. Für den Moment gab es ein wichtigeres Problem zu lösen. „Belat’aklan, nun, da Sie Ihre Botschaft überbracht haben, ist Ihre Aufgabe hier beendet. Sie werden nach Betazed zurückkehren und sich bei Eris melden!“

Kein Muskel regte sich in den echsenhaften Zügen des Jem’Hadar. Sofern es ihn berührte, dass dieser Befehl einem Todesurteil gleichkam, ließ er es sich nicht anmerken.

„Sie haften mit Ihrem Kopf dafür, dass meinem neuen Assistenten während seines dortigen Aufenthalts kein bedauerlicher Unfall zustößt“, fuhr Weyoun fort.

„Bei allem Respekt“, wagte Belat’aklan einzuwenden. „Mein Kopf wird nicht lange genug auf meinen Schultern sitzen, um für Kyles Leben garantieren zu können. Ich habe die Befehle meiner kommandierenden Vorta missachtet. Mangelnder Gehorsam gegenüber seinem Vorta bedeutet den Tod. Das ist die Ordnung der Dinge.“

Weyoun berührte die Schaltfläche der internen Kommunikation. „Omet’iklan! Der ehemalige Erste der auf Betazed stationierten Einheit wird zu meiner Einheit versetzt und unterliegt ab sofort ausschließlich meiner Befehlsgewalt und Autorität.“

Weyoun deaktivierte das Intercom wieder und begegnete Belat’aklans überraschtem Blick so gelassen, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, einem Jem’Hadar mittels einiger Worte dort Gnade zu gewähren, wo er nach den Gesetzen des Dominions keine erwarten durfte.

„Mangelnder Gehorsam bedeutet den Tod“, bestätigte der Vorta ruhig. „So wie Loyalität das Leben bedeutet. Das ist die Ordnung der Dinge.“
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