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Into deep

von Jimaine

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In völliger Dunkelheit sah man vieles so viel klarer.

Die Zukunft.

Die Gegenwart.

Die vergangenen acht Jahre...

Acht Jahre hingen in der Waagschale, als Gegengewicht dazu die letzten fünf Wochen...berauschende Wochen, ja, unvergeßliche Wochen, in denen er intensiver gelebt hatte ­ lebendig gewesen war ­ als je zuvor.

Wie war es bloß soweit gekommen? Welche Warnschilder hatte er entlang des Weges übersehen?

Alle. Jedes einzelne, und das mit voller Absicht. Hatte nicht hinsehen wollen.

"Was macht dein Rücken?" fragte er schließlich in die unangenehm gewordene Stille hinein. Wie er Streit haßte...besonders den Streit der wortlosen, stillen Art, wo die Argumente und Gegenargumente in düsterem Schweigen ausgetauscht wurden, weil beide Beteiligten exakt wußten, was der andere sagen wollte. Eine Auseinandersetzung, deren Alpha und Omega Schweigen war und ihre verletzende Lautstärke ihre Lautlosigkeit. Was für einen Sinn hätte es auch, sich aufzuregen, zu schreien?

Ändern konnte er eh nichts.

Er konnte es nur beenden.

Nicht ändern.

"Das Schmerzmittel wirkt noch. Und die Verletzung durch die Energiewaffe war nicht schwerwiegend. Dr. Phlox ist der Meinung, daß ich morgen durchaus dienstfähig bin. Also kein Krankenurlaub." Ein Seufzer und ein Gähnen. "Zu früh gefreut."

Verdammt, er stellte es als so normal dar, einen belanglosen Begleitumstand! Als hätte er sich in den Finger geschnitten, den Zeh gestoßen! Vielleicht war "von einem rebellischen Hologramm in den Rücken geschossen werden" auf der Reed-Skala damit gleichzusetzen.

Nicht wenn es nach ihm ging. Malcolm und Jon waren in einen Schußwechsel geraten, während er in einem kleinen Raum festsaß und gezwungen wurde, das Holo-System des gestrandeten Schiffes wieder funktionsfähig zu machen. Sie hätten beide sterben können...und er wäre nicht einmal bei ihnen gewesen, geschweige denn in der Lage, irgend etwas auszurichten.

"Ihr hättet sterben können." Ihm war nicht bewußt, daß er es laut sagte. Anklagend. Alle beide...oder einer von euch...und egal wer der Überlebende gewesen wäre, ich hätte ihm die Schuld für den Tod des anderen gegeben! Hinter seinen weitgeöffneten Augen brannten Tränen der Hilflosigkeit, doch er ließ sie nicht entweichen, starrte weiter blind ins Dunkel. Ich liebe dich.

"Das würde ich nie zulassen, Trip."

Du bist gut, verdammt gut, aber auch der Beste der Besten kann etwas Unvorhersehbares nicht verhindern! Wunderbar, jetzt war *er* der Pessimist von ihnen beiden, der zynische Realist, der gleich ans Allerschlimmste dachte.

Doch er konnte nicht anders. Was wäre wenn...? Die sanfte Berührung der Hand an seiner Schulter ließ ihn erschauern. Plötzlich schien es trotz der Decken, trotz des warmen Körpers an seiner Seite, kalt im Raum.

"Gefahr ist unser Beruf. Aber ich werde ihn immer heil zurückbringen. Er ist wichtig für uns alle...insbesondere für dich. Du weißt, ich würde für ihn mein Leben geben."

Genau das ist ja das Problem, das du nicht zu sehen scheinst! Selbst hier, selbst jetzt, stellte Malcolm Jons Leben über sein eigenes, nicht nur weil es um den Captain ging und dessen tragende Rolle auf dieser Mission, sondern weil er Trips langjährige, tiefverwurzelte Freundschaft mit Archer respektierte. Weil er wußte, daß Liebe kein Ersatz für gute Freundschaft war und er nie Trip Tuckers ungeteilte Zuneigung haben würde. Ein bestimmtes Lächeln würde immer Jonathan Archer gehören. Daher tat er sein Bestes, Archers Sicherheit zu gewährleisten und sicherzustellen, daß dieses Lächeln Trips Augen niemals verließ. Dessen war sich Trip schmerzhaft bewußt. Und du tust es ungebeten, ohne daß ich es je von dir fordern würde, eben weil ich es nicht fordere. Dieses Opfer bringst du für mich...einfach nur für mich. Ich wünschte, ich könnte dich dafür hassen...wenn meine Bewunderung und Liebe nicht soviel größer wären...

"Sicher. Wer könnte das besser als du?" Seine optimistischen Worte bewirkten nichts gegen die Kälte, die sich weiter in seinem Inneren ausbreitete. Jon. Malcolm. Malcolms Job beinhaltete, Jon unter Einsatz seines Lebens zu beschützen. Den Captain des Schiffes zu schützen, sein Körper ein Schild gegen alle Gefahren; es konnte jeden Tag passieren, auf jedem Planeten, an dem sie vorbeikamen.

Das Leben des Mannes, den er liebte, als Preis für das Leben seines besten Freundes? Oder umgekehrt? Wer entschied hier? Sein Gewissen konnte es nicht. Wie man es drehte und wendete, er konnte nur verlieren.

Bei Jons draufgängerischem Verhalten eine stets in Bedacht zu ziehende Möglichkeit. Einerseits verstand er, was Johnny Archer antrieb, diesen Führerinstinkt, der ihn zu der Person machte, die er war, und zu dem besten Freund, den man sich wünschen konnte ­ und gleichzeitig waren es nun gerade diese Qualitäten, für die er ihn haßte, und die den Nährboden für seinen wachsenden inneren Konflikt darstellten.

Denn so wie Jon seinen Einsatz und sein Handeln mit seiner Rolle als Captain begründete, lieferte er mit seinem Handeln jemand anderem an Bord ausreichend Grund, seine Aufgaben auch umso ernster zu nehmen. Aktion gefolgt von Reaktion. Von Malcolm Reed, Sicherheitschef, taktischer Offizier...Zielscheibe Nummer Eins.

Und was Trip noch mehr aufrieb: Malcolm bereitete es offenbar keinerlei Bauchschmerzen, daß es Teil seiner Arbeitsplatzbeschreibung war, feindliches Feuer auf sich zu ziehen, als erster in eine Gefahrensituation zu stürmen, oder auf sonstige schmerzhafte Arten zu sterben, solange nur er es war und nicht der Captain! Wenn er sich Sorgen machte, verbarg er sie gut und beklagte sich nie, oh nein, Malcolm war wie immer ruhig und sachlich und zitierte Vorschriften.

Scheiß auf die Vorschriften! Dies war kein Zustand, den er noch lange aushalten konnte. Er wollte sie beide in seinem Leben, wollte auf keinen verzichten, aber der Balanceakt war ihm nicht länger möglich. Er machte weder Jon noch Malcolm irgendeinen Vorwurf, höchstens sich selbst für seine Unfähigkeit, den nötigen Schritt zu tun.

Unmöglich und unerträglich, es zerriß ihn innerlich, bloß an den morgigen Tag zu denken. Oder an den danach. Oder die nächste Planetenerkundung.

Früher oder später mußte er eine Entscheidung treffen und sich diese nicht unerwartet von einem bewaffneten Klingonen, Suliban oder sonstwem abnehmen lassen.

Niemand konnte sie ihm abnehmen.

Nichts ließ sich ändern.

Nur beenden.

Aber nicht mehr heute. Noch eine weitere Nacht wollte er einfach nur Malcolm in den Armen halten, dankbar dafür sein, daß er lebte, und Jon auch, daß die beiden wichtigsten Menschen in seinem Leben da waren, wo sie sein sollten, wo er sie brauchte.

Eine weitere Nacht lang konnten sie sich sein Herz noch teilen.

Dann würde einer gehen müssen. Oder beide. Oder vielleicht würde er selbst derjenige sein, der ging.

Wer...das würde er noch früh genug entscheiden. Es mußte aber bald sein. Vielleicht morgen.

Ja, morgen würde völlig ausreichen.

Morgen war immerhin noch eine Nacht entfernt.

Ende
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