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Nur wer den Schmerz teilen kann ...

von VGer

Kapitel 1

Nachdem sie lange genug gelaufen ist um sich fast vollständig abreagiert zu haben lehnte sie an der Balustrade in der Aussichtslounge am Oberdeck und starrte ziellos in das betörend abstrakte Muster, das der Slipstreamkanal warf. Sie hatte immer schon gerne die Sterne im Warpflug beobachtet, sie fand den Anblick beruhigend und vertraut, und so ähnlich verhielt es sich instinktiv auch mit dem mystisch schillernden Slipstream. Es war noch so fremd, aber es gefiel ihr. Am Liebsten würde sie sich bis zum Ende der Reise hier oben verstecken und nach draußen sehen; am Liebsten wäre ihr, die Reise würde niemals enden, denn zu ungewiss und zu fürchterlich war das, was sie an deren Ende erwarten würde. Die Erde, erschüttert von Gewalt wie in den düsteren Tagen der Vergangenheit, die Erde auf der sie nicht länger willkommen waren weil sie nicht von dort stammten. Sie hatte Angst, die ganze Situation war auch zum Fürchten. Bomben, Terror und Xenophobie. Nur Narren kennen keine Angst, hatte der Großvater immer gesagt, und doch schämte sie sich dessen, denn sie wusste genau, dass sie jetzt stärker sein musste, weniger für sich selbst als für die, die sie liebte. Seit jeher hatte sie die Verantwortung übernommen, schon als kleines Kind war sie die Vernünftige gewesen, war für die Zwillinge eingestanden und hatte sie immer unterstützt. Jetzt wusste sie plötzlich nicht mehr, wo sie die Kraft hernehmen sollte.

Sie registrierte kaum, dass die Türe sich öffnete und jemand eintrat. Er stellte sich neben sie, lehnte sich an die Balustrade und betrachtete den Slipstream.

„Rokh.“
„Laya.“

Sie standen lange nebeneinander und schwiegen gemeinsam, voll Verständnis und Solidarität.

Seit sie die Nachricht von den Terroranschlägen auf der Erde erhalten hatten schienen alle pausenlos zu reden, als könnten sie so eher das Unfassbare erklären und verstehen, gar so als könnten sie wegdiskutieren was passiert war, und wenn ihnen die Worte fehlten, dann kam mit Sicherheit gleich ein Counselor, der sie unaufhörlich weiter bequatschte und befragte. Telaya wollte und konnte nicht mehr reden, sie war zu sprachlos.

Rokh rückte näher.
Telaya stockte der Atem.

Sie standen beredt schweigend Schulter an Schulter, bis Rokh mit einem sanften Knurren die Arme um sie legte und sie in eine feste Umarmung zog. Sie hatte nicht damit gerechnet, und die Berührung jagte ihr ein wohlig eiskaltes Prickeln durch die Antennen. Sie lehnte sich instinktiv vertrauensvoll an seine Brust und sog seinen herbwürzigen Duft in sich ein, dann wickelte sie ihre Arme um seine Körpermitte.

Sie fragte nicht warum, sie genoss die Umarmung und seine Nähe. Zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich geborgen und sicher.

„Nur wer den Schmerz teilen kann ...“

Telaya zuckte zusammen.

„Was hast du gesagt?“

Sie kannte die Worte, die Übersetzung klang seltsam in ihren Ohren, aber sie kannte die Worte ganz eindeutig.

„Nur eine klingonische Weisheit, aber die Worte scheinen irgendwie passend in unserer Situation.“

Telaya machte abrupt einen Schritt zurück und taxierte ihn aus kampflustig funkelnden Augen.

„Überleg’ dir gut, wen du hinters Licht führen willst und aus welchen Gründen, Rokh, Sohn des Kheyl. Das ist keine klingonische Weisheit, nicht irgendein harmloses altes Sprichwort, und das weißt du genauso gut wie ich.“

Rokh schnappte nach Luft und sie triumphierte innerlich. Sie hatte ihn kalt erwischt, hatte ihn ebenso überrumpelt wie er sie. Doch er wusste noch nicht wer sie eigentlich war, dass sie die Erbin des regierenden Hauses und ein Mitglied der einflussreichsten Familie auf Q’onoS war, dass sich unter ihrer türkisen Schale eine klingonische Seele verbarg. Sie ließ sich nicht leicht beeindrucken, schon gar nicht mit vermeintlich exotischen klingonischen Worten, schon gar nicht in dieser Situation.

„Das sind die ehrenvollsten und romantischten Worte, die man in der modernen klingonischen Lyrik finden kann und niemand würde sie grundlos aussprechen.“

Bis jetzt hatten sie stets Standard miteinander gesprochen, jetzt wechselte Telaya ganz bewusst die Sprache. Ihre Stimme fiel um mehrere Tonlagen, wurde samtig und schwer wie immer wenn sie Klingonisch sprach, und sie zitterte nur ganz leicht als sie begann, die berühmten Worte zu rezitieren.

„Nur wer den Schmerz teilen kann, kann den Ruhm teilen.“
„Nur wer ein Schwert teilen kann, kann ein Herz teilen.“

Er fiel mit ihr ein, entschlossen grollend; er fixierte sie aus dunklen Augen, die feurig loderten. Auch wenn sie klingonische Lyrik auswendig zitieren konnte und all die dramatisch romantischen Opern kannte, hatte sie keine Ahnung von Herzensangelegenheiten – doch sie kannte diesen Blick sehr genau. Es war der leidenschaftliche Blick, den ihre Mutter zuweilen ihrem Vater zuwarf wenn sie glaubte, die Kinder würden es nicht bemerken. Es war auch der possessiv zärtliche Blick, mit dem ihr Großvater über die Familie wachte. Es war ein Blick, der ihr Herz schneller schlagen und ihr Blut singen ließ.

„Du hast ein klingonisches Herz, Laya. Du bist ein Phänomen.“

Telaya sagte nichts, sie nahm sein Handgelenk und grub ihre Fingernägel hinein, während sie es knurrend zu ihrem Gesicht führte um seinen rasenden Puls zu wittern. Sie war Klingonin.

Sie schmunzelte fast unmerklich, als sie die vorsichtige Verwirrung in seinen Gesichtszügen bemerkte, die allzubald von tosender Begierde hinweggefegt wurde. Nein, er wusste nicht wer sie war und er wusste nicht wie ihm geschah. Doch auch das würde sie mit ihm teilen. Bald.

Sie streckte sich auf die Zehenspitzen und küsste Rokh auf die Nasenspitze.
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