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Kaltblütig

von VGer

Kapitel 1

Er bemerkte ihr Starren, hörte ihr Tuscheln, das mit der Zeit immer unverhohlener wurde, je salonfähiger die xenophoben Tendenzen auf dem Planeten wurden. Er erstarrte vor Ekel und Befremdung, ließ sich kraftlos treten und schubsen während ihm kotzübel wurde, er wehrte sich nicht und verteidigte sich nicht.

„Alien-Ficker! Widerlicher Hetero! Hure Cardassias! Das ist ekelhaft. Das ist pervers. Das ist krank.“

Er hörte den Spott, hörte die Anfeindungen, hörte den Hass. Kalte, nackte Angst ließ ihn passiv werden, jedes Wort perlte an ihm ab und fuhr ihm doch bis tief in die Knochen. Er stand regungslos da, innerlich leer und schlapp, des Kämpfens müde.



Heterosexuell. Eine uralte Beleidigung, die noch aus der Zeit des ersten Kontakts stammte, als Interspeziesbeziehungen noch etwas Außergewöhnliches waren. Heterosexuell. Das war jemand, der sich zu Angehörigen einer anderen Spezies als der eigenen hingezogen fühlte. Homosexuell. Das war „normal“, oder war es zumindest damals gewesen, nur die eigene Spezies zu lieben. In der Schule, im Unterricht für Geschichte und Sozialkunde, hatte er alles darüber gelernt und sich immer gewundert, wie zurückgeblieben und intolerant die Gesellschaft damals gewesen war. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, schließlich war er ein moderner Mensch, der von einem Andorianer und einer klingonischen Hybridin großgezogen wurde, der wie selbstverständlich in einer multikulturellen Umgebung mit Freunden und Familienmitgliedern der verschiedensten Spezies aufgewachsen war, der sich schließlich in einen Halb-Cardassianer vom Mond verliebt hatte. Es war nie ein Thema gewesen, nicht bis vor kurzem, aber jetzt umso mehr. Die Menschheit tat immer so zivilisiert, und doch hatte sich nichts geändert seit der dunklen Präwarpzeit, seit Terra Prime, seit Sarek und Amanda Grayson. Man schimpfte wieder ganz offen auf Aliens und auf Heteros und niemand sagte etwas dagegen.



Sie zeigten mit den Fingern auf ihn, die Menschen, und dann brach eine Frau, viel eher noch ein Mädchen, aus dem Pulk aus und kam auf ihn zu. Aufreizend, doch pathetisch, wie die Parodie einer billigen Prostituierten in einem schlechten Holoroman. Sie kam ihm zu nahe, viel zu nahe, er zuckte zusammen, unfähig zu schreien, und dachte verzweifelt an Marek.

„Was willst du mit dem verkümmerten Schwanz eines Löffelkopfs, wenn du mich haben kannst? Deinesgleichen. Menschen. Die Natur hat Deinesgleichen für dich vorgesehen. Was du empfindest ist abnormal, widerwärtig, krank. Pfui! Er kann dich nicht lieben, denn Cardassianer können nicht lieben, kaltblütige Biester! Kein Alien kann dir das geben was ein Mensch dir geben kann. Lass' ihn, verlass' ihn, sei menschlich, sei so wie es sein soll.“

Das leichtbekleidete Menschenmädchen schmiegte sich an ihn, rollte ihre Hüften wollüstig an seinem Hintern, leckte an seinem Hals, legte die Hände zielgerichtet in seinen Schritt.




Keuchend und verschwitzt schreckte er hoch.

„Schhh ... du hast geträumt, Schatz.“, flüsterte Marek.

Jack flüchtete sich hastig in seine Arme, klammerte sich verzweifelt an ihm fest, hörte seinem eigenen tosenden Herzschlag zu der nur allmählich ruhiger wurde.

„Ich will dich nicht verlassen. Ich will nicht, dass du ein Mensch bist. Ich will, dass du du bist.“, stotterte Jack, immer noch gefangen in der beängstigenden Halbwelt zwischen Realität und Albtraum. „Ich liebe dich doch, weil du du bist.“

Marek küsste Jack zärtlich auf den Kopf, der an seiner Schulter ruhte, streichelte seine Wange. Er kannte den Traum der ihnen den Schlaf raubte, Jack träumte ihn zu oft in letzter Zeit, sie waren der erschreckenden Macht seiner unterbewussten Bilder hilflos ausgeliefert. Mit einem langen, grauen Finger begann er die Linien der Tätowierung an Jacks Brust, direkt über seinem Herzen, nachzuzeichnen. Das abstrakte Muster des Flügels, das Jacks fragliche menschliche Herkunft symbolisierte, und das sehr konkrete Muster, das sich untrennbar damit verwoben hatte, welches das Relief der knorpeligen Wülste in Mareks Gesicht wiederspiegelte; der verkehrte Tropfen des markanten Löffelmals auf der Stirn und die charakteristisch elegant schlängelnde Form der Schuppen, die Augenpartie und seine Schläfe betonten. Eine Tätowierung, die ein Bekenntnis war und ein Versprechen, die beiden jungen Männern alles bedeutete, und die allmählich zum Mahnmal wurde.

Als sie sich kennen gelernt hatten war Genetik kein Thema gewesen, inzwischen war es oft das einzige Thema. Als sie sich kennen gelernt hatten, hatten sie Gemeinsamkeiten gefunden, dort wo man inzwischen nur mehr Unterschiede sehen wollte. In nur drei Jahren hatte sich alles verändert.

„Und ich liebe dich nicht weil du ein Mensch bist, sondern weil du du bist.“, beruhigte Marek sanft. „Das ist vielleicht ein bisschen verrückt, aber es ist nicht krank und nicht falsch.“
„Du bist kein kaltblütiges Biest. Du bist mein Schatz.“, murmelte Jack müde und immer noch desorientiert.
„Genau.“, sagte Marek traurig und küsste Jack noch einmal.

Jack lächelte schwach und wagte es endlich die Augen wieder zu schließen.

Marek räkelte sich umständlich zurecht und lag noch lange wach, streichelte Jack in den Schlaf und hielt ihn in den Armen, als könne er ihn vor dem Albtraum, zu dem ihr Leben inzwischen geworden war, beschützen.
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