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Endzeit

von Gabi

Kapitel 2

„Ein kleines abgelegenes Dorf?! Keiner wird davon Notiz nehmen!?“ Gul Elt’een schlug mit der Faust auf den Tisch des Konferenzsaales. „Wir haben jetzt mit dem Beginn einer Panik zu tun! Wie konnte das passieren?“

Der Sektionsoffizier von Dahkur wich so gut es ging in seinem Stuhl zurück. „So dramatisch würde ich das nicht sehen, Gul“, er hob abwehrend die Handflächen. „Wir haben den zuständigen Rathäusern schon eine offizielle Verlautbarung zukommen lassen, dass wir im Rahmen einer Schädlingsbekämpfung die Wälder spritzen. Die zuständigen Beamten werden erklären, dass keine Gefahr für die Bevölkerung besteht, wenn diese sich für ein paar Tage von den Wäldern fernhält.“

Gul Elt’een setzte sich wieder. Etwas versöhnlicher antwortete er: „Gut reagiert, Regnor. Dennoch will ich wissen, wie das Gerücht über die Vergiftung überhaupt in Umlauf kommen konnte?“

„Die Shakaar...“

„Die Shakaar! Muss denn alles Unerfreuliche in der Dahkur-Provinz mit dieser Bande zusammenhängen?“

Regnor zog ein wenig den Kopf ein. „Ich fürchte ja, Gul Elt’een. Ihr Informationsnetz ist gut ausgebaut...“

„Und ich kann wahrscheinlich nicht davon ausgehen, dass sie sich im Wald befanden?“ Sein Tonfall war lauernd.

„Leider nein, Sir... Als wir in der fraglichen Siedlung nach dem Grund der Massenflucht nachforschten, wurde uns von der Verwaltung die Shakaar als Auslöser genannt. Wir können also annehmen...“

„Nehmen Sie an, was Sie wollen! Aber halten Sie mir dieses Chaos in Grenzen. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, was passiert, wenn die Präfektur davon Wind bekommt.“

* * *


Die Mauern erschienen grauer als sonst, fast abweisend und trostlos. Und doch sollte sich dahinter Ruhe und Geborgenheit befinden, die Nähe der Propheten. Dahinter... die drei Bajoraner saßen vor diesen Mauern. Sie saßen im Abstand zueinander. Keiner wagte so recht, den anderen zu berühren, keiner blickte auf. Stattdessen konzentrierten sie sich auf ihren Atem, versuchten zu ergründen, ob er sich normal anhörte, starrten ihre Hände so lange an, bis sie sich nicht mehr sicher waren, ob sich die feinen Linien darauf nicht vielleicht doch verräterisch verändert hatten.

Kira räusperte sich ein wenig, weil ihr Hals von der trockenen Luft kratzte. Augenblicklich sprangen Shakaar und Furel von ihren Plätzen auf, bereit zurückzuweichen. Die Frau starrte sie an.

„Es ist nichts.“

Zaghaft ließen sich die beiden Männer wieder nieder. Ein wenig Scham in ihren Blicken, doch überlagert von Sorge. Kira ließ den Kopf ebenfalls wieder sinken und beschäftigte sich weiter mit ihren Fingernägeln.

Die Stille hielt erneut Einzug. Sie verloren das Gefühl für Zeit.

Als sich schließlich die Tür öffnete, wichen alle drei im ersten Moment reflexartig zurück. Die Geistliche deutete mit einem Nicken an, dass sie verstand, dass sie diese Reaktion nicht persönlich auffasste.

Shakaar trat auf sie zu. „Wie sieht es aus?“

„Genaues können wir noch nicht sagen“, bedauerte die Frau vor ihm. „Doch sie ist nicht der erste Fall mit diesen Symptomen. Gestern wurde hier in der Stadt im Taluno-Krankenhaus ein älterer Mann eingeliefert. Er litt unter sehr ähnlichen Hustenanfällen. Ich sprach heute Morgen mit einem der diensthabenden Ärzte: Sie haben ihn unter strenge Quarantäne gestellt, weil sie eine ansteckende Virusinfektion vermuten. Es wäre besser, wenn Sie die Frau ebenfalls in das Krankenhaus brächten. Sie sind dort besser ausgerüstet als wir.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich wünschte mir, wir könnten das. Doch wir werden gesucht...“

Die Vedek nickte wissend, so dass Shakaar nicht weiter ausführen musste. „Unser Kloster ist mit Quarantänefeldern ausgestattet, wir werden unser Bestes versuchen...“

„Der Mann, von dem Ihr spracht....“, meldete Kira sich vorsichtig zu Wort. „Lebt er noch?“

Sie fürchtete sich ein wenig vor der Antwort, doch auf das „Ja“ der Geistlichen ließ sie die angehaltene Luft erleichtert ausströmen. „Weiß man, ob es tödlich ist?“

„Nein. Die Ärzte kennen den Verlauf der Krankheit nicht. Nur die Propheten wissen, wohin sie sich entwickeln wird - oder woher sie gekommen ist.“

Shakaars helle Augen blitzten auf. „Oh, zu diesem Punkt haben wir eine ziemlich genaue Ahnung“, fauchte er.

Die Vedek sah ihn überrascht an, erkannte aber, dass der Ausbruch abermals nicht ihr gegolten hatte. „Und würde es Ihnen etwas ausmachen, sie mit uns zu teilen?“

„Nein“, er schüttelte den Kopf. „Bitte informiert auch das Krankenhaus...“ Er berichtete der Geistlichen, was sie in den letzten Tagen gesehen und daraus geschlossen hatten. Er äußerte auch seine Meinung über die Ansteckungsgefahr, denn der Ausbruch der Krankheit bei Lupaza konnte nichts mit der Sprühaktion über dem Wald zu tun haben, es war viel zu rasch geschehen. Sie konnte sich nur bei Ordain angesteckt haben, welcher wohl doch noch zu nah am ersten Dorf gestanden hatte.

Dass es daher jeder in der Shakaar nun ebenfalls haben konnte, verschwieg er allerdings. Es musste nicht ausgesprochen werden.

Die Vedek nickte verstehend. Es war ihr nicht anzusehen, ob sie entsetzt über die cardassianische Aktion war. Wie die meisten Angehörigen ihres Standes, beherrschte sie es fast meisterhaft, ihre wahren Gefühle vor der Umwelt zu verbergen. Vielleicht hatte sie auch schon zu oft gesehen, zu was die Besatzer fähig waren. Die Widerstandskämpfer bekamen die Seite des Kampfes, der Niederlage und des Sieges mit. Die Klöster hingegen öffneten ihre Türen Tag für Tag für die Opfer. Sie sahen das schweigende und in der Masse oft so unscheinbare Elend.

„Die Bewohner von Ganarain sind in Gefahr“, schloss sie aus Shakaars Bericht. „Wir wissen nicht, ob es noch weitere Ansteckungen gegeben hat. Es ist notwendig, dass die Bevölkerung informiert wird.“

Sie waren rasch übereingekommen, dass die Bekanntgabe nur eine Chance hatte, wenn sich Mitglieder des Ordens an die Stadtregierung und die Sendeanstalten wandten. Niemand misstraute dem Wort eines Vedeks. Mit keiner Silbe wurde ein cardassianisches Zutun erwähnt, lediglich von einer neu aufgetretenen Krankheit war die Rede und von der dringenden Bitte, sich sofort in einem der Krankenhäuser zu melden, wenn man die beschriebenen Symptome an sich selbst oder an Anderen bemerkte.

Doch nicht wenige Bewohner der weiter am Rand der Ebene gelegenen Siedlungen hatte es mittlerweile in die Stadt getrieben. Und diese hatten die Behauptungen der Shakaar in den Ohren, dass es sich um eine Vergiftungsaktion der Cardassianer handelte. In unglaublicher Geschwindigkeit breitete sich das Geflüster aus. Es nahm teilweise bizarre Formen an, da es keine verantwortliche Stelle gab, die dem Einhalt gebieten konnte.

Furel hatte beschlossen, bei Lupaza im Kloster zu bleiben. Shakaar und Kira waren aufgebrochen - wohin wussten sie beide nicht, doch sie hatten das Gefühl, dass sie etwas unternehmen mussten. Ihr Weg hatte sie ins Krankenhaus geführt. Bei dem momentanen Betrieb dort war es nicht sehr schwer, den Kontrollen zu entgehen. Bis zum Abend hatten sich die Räume gefüllt. Es verbreitete sich rasend und ein Ende war nicht abzusehen. Die Ärzte konnten die Symptome bekämpfen, aber noch lange nicht die Ursache.

Als einer der wenigen Anwesenden ohne medizinische Ausbildung, erklärte Shakaar sich bereit, gewonnene Blut- und Gewebeproben ins Labor zu bringen. Er war dankbar, eine Aufgabe ausführen zu können, und die Ärzte waren froh darum, sich nicht mit Botengängen aufhalten zu müssen.

Kira war an seiner Seite, als er ungeduldig auf den Lift wartete, der sie in die tiefer gelegenen Forschungsbereiche bringen sollte. Sie fühlte sich nicht wohl in ihrer Haut. Nicht nur, weil sie umgeben waren von einer Krankheit, die alle Anzeichen aufwies, sich zu einer Epidemie auszubreiten, und deren Ausgang sie noch nicht einmal erraten konnten - nein, sie fühlte sich vor allem deswegen unsicher, weil sie beide hier offen in einer von Cardassianern kontrollierten Stadt herumliefen, in einem öffentlichen Krankenhaus, was etliche Sicherheitssysteme und Überwachungseinrichtungen aufwies. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie sich hier den Besatzern auf einem Tablett präsentierten.

Ein Blick zu Shakaar zeigte ihr aber, dass jedweder Einwand in diese Richtung keinen Sinn gehabt hätte. Der große Mann war es gewohnt, alles mit Ausdauer und Gewalt zu bekämpfen, was seinem Traum von einem freien Bajor im Weg stand. Es war für ihn ein schrecklicher Zustand, nun hier stehen zu müssen mit all seiner Erfahrung in Kampf und Taktik und nichts unternehmen zu können, weil der Feind, den es zu bekämpfen galt, keinerlei Respekt vor Gewalt hatte.

Fast gleichzeitig mit dem Erreichen der Liftkabine, ertönte aus einem der umliegenden Zimmer ein gleichmäßiger, unaufdringlicher Ton. Shakaar und Kira fuhren herum. Sie wussten beide, was das bedeutete. Die medizinische Anzeige der Körperfunktionen neben einem der Quarantänebetten zeigte eine Nulllinie. Eine junge Frau begann leise zu weinen, während Mediziner in Schutzmasken Wiederbelebungsversuche starteten. Auf dem Bett lag ein kleiner Junge, die Laken neben ihm gesprenkelt von ausgehustetem Blut und Schleim.

„Nein!“

Shakaars Flüstern lenkte Kiras Aufmerksamkeit von der Szene ab. Sie wusste, dass Shakaar selbst einen kleinen Sohn hatte, von dem nur wenige ahnten. Seine Adoptivfamilie wohnte nicht in Ganarain, doch Kira konnte sich sehr gut vorstellen, was jetzt in dem Mann vorgehen musste. Nur das Zucken der angespannten Kiefer verriet seine Gedanken.

„Wir müssen die Proben abgeben“, drängte Kira ihren Kommandanten. Sie war in den Lift getreten und blockierte die Tür. Unter normalen Umständen hätte sie ihn jetzt am Arm berührt und in die Kabine gezogen. Doch seit einem Tag lag ein unausgesprochenes Abkommen zwischen ihnen, dass keiner mehr den anderen berührte.

Mit einem letzten Blick auf die Anzeigen, welche immer noch keine Veränderung zeigten, riss er sich los und betrat ebenfalls den Lift. Bis die Türen sich acht Stockwerke weiter unten wieder öffneten, standen sie schweigend in den gegenüberliegenden Ecken der Kabine.

Auch die Übergabe der Probenbehälter geschah ohne direkten Körperkontakt. Kaum hatten sie die Schleusen zu den Laboreinheiten verlassen, strebte Shakaar auf einen Seitenausgang des Krankenhauses zu.

„Es ist tödlich, Nerys.“ Seine Stimme war flach.

Sie verfiel in leichtes Laufen, um mit seinen großen Schritten mitzuhalten. „Vielleicht nur für ein kleines Kind, vielleicht hatte es schon davor eine andere Krankheit“, versuchte sie ihn zu beruhigen, doch ihre Worte klangen in ihren eigenen Ohren hohl.

„Na und!“ Er blieb abrupt stehen und wirbelte zu ihr herum. Kira wich zur Seite aus, um nicht gegen ihn zu stoßen. Er sah so zornig aus, Zorn gepaart mit Hilflosigkeit: Einer der härtesten Gegner der Seele. „Nur ein Kind!“ Seine Faust krachte gegen die Wand neben ihrem Kopf, der Rahmen eines dort aufgehängten Bildes zersprang klirrend. „Sie rotten uns aus, Nerys! Das ist kein Krieg mehr, das ist eine Vernichtungsaktion.“ Geistesabwesend wischte er sich die kleinen Blutspuren von den Knöcheln. „Wir müssen etwas unternehmen.“

„Und was?“ Kiras Hände zuckten nutzlos. Sie wollte den dunkelblonden Mann vor ihr berühren, wollte ihm versichern, dass sie zusammen waren und es irgendwie meistern konnten. Fast entsetzlicher als die Krankheit selbst war die Angst, die sie jetzt verbreitete. Ihr Volk lebte von Berührungen, nahm man ihnen diese Ausdrucksmöglichkeit, zerschnitt man einen Teil des Bandes. „Edon! Hör auf!“

Er hatte seine Faust abermals erhoben, ließ sie auf Kiras Ruf hin aber wieder sinken. Stattdessen ging er zu einem der Waschbecken hinüber, welche im Korridor aus Hygienegründen in regelmäßigen Abständen in die Wände eingelassen waren. Er drehte den Hahn bis zum Anschlag auf und hielt seinen Kopf darunter. Seine tropfnassen Haare schüttelnd richtete er sich schließlich wieder auf. Feine Wassertropfen verteilten sich gleichmäßig über Wand und Fußboden. Mit einem tiefen Atemzug strich er sich die nassen Strähnen aus der Stirn.

„Besser?“ erkundigte sich Kira mit einem schiefen Grinsen.

Er holte noch einmal Luft, dann nickte er. „Besser. Es tut mir leid, ich fühle mich einfach furchtbar hilflos“, er zuckte mit den Schultern, als wolle er seine eigenen Worte abschwächen. „Ich bin das nicht gewohnt.“

„Ich weiß“, versicherte sie. „Mir geht es ganz genauso.“

„Warum kannst du dann so ruhig bleiben?“

Ihre dunklen Augen blickten an ihm vorbei in eine persönliche Vergangenheit. „Edon, ich bin in ihren Fängen aufgewachsen. Ich habe schon so viel an Ungerechtigkeit gegen völlig Unschuldige gesehen. Wahrscheinlich bin ich nicht ruhig, sondern nur resigniert. Ich habe so oft meine Wut abreagiert, - und sieh dich um - hat es irgendetwas verändert?“

„Es wird etwas verändern, Nerys. Die Propheten lassen uns nicht umsonst leiden, das kann ich einfach nicht akzeptieren!“

Sie nickte. Das war eine Hoffnung, an der sie sich wie eine Verzweifelte festhielt. Wahrscheinlich war es die Hoffnung, die jeden einzelnen Bajoraner den neuen Tag durchstehen ließ: Ihr Leid konnte nicht umsonst sein. Wenn es in diesem Universum auch nur den Ansatz von Gerechtigkeit gab, dann konnte es nicht umsonst sein.

„Doch du hast völlig recht“, fuhr Shakaar fort. Er wandte sich um und ging auf den Seitenausgang zu, vor dem sie sich befanden. „Wir müssen in Ruhe überlegen, was wir machen können. Affekthandlungen führen uns zu nichts.“

Wenige Sekunden später schlug er dem cardassianischen Wachoffizier an der Auslasskontrolle beide Fäuste gegen die Schläfe, als dieser seine Papiere sehen wollte. Kira hatte ihre versteckte Waffe rechtzeitig ziehen können und machte den zweiten Soldaten unschädlich, ehe dieser Alarm auslösen konnte. Der Andrang von Erkrankten und deren Angehörigen auch hier am Seiteneingang, sowie das geschäftige Hin und Her des Klinikpersonals reichte für nicht mehr als ein paar verwunderte Blicke zu den beiden Widerstandskämpfern aus. Dann befanden sich Kira und Shakaar schon auf der Straße.

Im Rennen steckte Kira ihren Phaser wieder unter die Jacke. „Keine Affekthandlungen, ja?“ rief sie zu ihrem Kampfgefährten hinüber. „Ich werde es mir merken!“

* * *


Der Raum war nun fast völlig dunkel. Das einzige Licht, das die Gesichter der Anwesenden schemenhaft abzeichnete, rührte von der Projektion her, welche im Moment kommentarlos über den Bildschirm in der Wand lief.

Bilder von Ganarain waren dort zu sehen. Die Straßen muteten deutlich hektischer als normal an. Überwachungskameras in Krankenhäusern zeigten aufgeregte Bajoraner, hier und da Mediziner mit Handschuhen und Gesichtsmaske, deren Anblick nicht gerade zur Beruhigung der Stadtbevölkerung beitrug. Zweimal hatten die Aufnahmen bisher schon kleinere Aufstände gezeigt, die aus Panik heraus entstanden waren. Im cardassianischen Teil der Stadt war es ruhiger, doch auch hier waren schon vereinzelte Steine gegen Verwaltungsgebäude geflogen. Zumindest ein paar Bajoraner machten die Cardassianer für das Geschehen verantwortlich. Und Gul Elt’een war sich sicher, dass es nicht bei diesen wenigen bleiben würde.

„Stopp!“ Xarna Kapets Stimme zerriss die gespenstische Stille im Konferenzraum. „Aufnahme ab 22:53 noch einmal abspielen“, wies sie den Computer an ohne sich darum zu kümmern, wer sonst noch im Raum saß. „Stopp... zwei Bilder zurück und wieder stopp.“ Sie stand auf. Auf dem nun eingefrorenen Schirm war eine Ansicht der Straße vor der cardassianischen Verwaltung von Ganarain zu sehen. Sie ließ einen Ausschnitt vergrößern, bis auch den Offizieren im Raum klar wurde, auf was die Wissenschaftlerin hinaus wollte. Die Gestalt, die nun in leicht gebückter Haltung mit Hand vor dem Mund den Bildschirm ausfüllte, war eindeutig cardassianisch.

„Sie wollte eine Antwort auf die Frage, ob es auch für Cardassianer ansteckend ist - bitteschön.“ Sie fühlte sich bei weitem nicht so gleichgültig, wie sie ihrer Stimme den Klang verlieh. Sie hatte den Obsidianischen Orden vor zu raschen Handlungen gewarnt. Doch diese wollten Ergebnisse, keine Testreihen, die sich noch Jahre hätten hinziehen können. Es war deren Schuld, dass das Virus nun außer Kontrolle war. Doch diesen Punkt würde sonst niemand so sehen, es gab keinen Zweifel, wer zur Verantwortung gezogen werden würde.

Gul Elt’een schenkte der Frau einen Blick, welcher ihr kalte Schauer über den Rücken laufen ließ. „Sie stellen sicher, dass genügend Impfstoff vorhanden ist - und dass er wirkt. Oder Sie bereuen den Tag, an dem Sie geboren wurden.“ Mit Genugtuung registrierte er sogar in dieser schwachen Beleuchtung, dass der graue Teint der so unnahbar scheinenden Frau auf seine Worte hin beinahe weiß wurde. Dann wandte er sich demjenigen Offizier zu, der jetzt Regnors Stelle besetzte.

„Evakuieren Sie unsere Leute aus Ganarain - und riegeln Sie das Gebiet ab.“

* * *


Kira lehnte mit dem Rücken an einer Gebäudewand, die Hände in unwillkürlicher Abwehrhaltung vor dem Körper verschränkt. Ihre Augen starrten über die schmale Straße hinweg auf die gegenüberliegende Häuserzeile. Während ihre Gedanken fieberhaft zu einer vernünftigen Handlungsweise finden wollten, registrierte der Teil ihres Gehirns, der gerade in Leerlauf geschaltet hatte, dass feine Risse im Putz der Wand zu sehen waren. ‘Sie werden wohl bald renovieren müssen’, schoss ihr die gänzlich unpassende Überlegung durch den Kopf.

Shakaar Edon blockierte mit seinem Körper einen Teil dieser Risse. Er stützte sich mit einer Hand ab, während er die Fläche der anderen voller Verachtung an dem mitleidslosen Stein abwischte. Ein wenig Blut blieb in den feinen Spalten haften, es stammte nicht aus der Wunde seiner Fingerknöchel.

Ein unterdrücktes Husten brach sich seinen Weg. Die Hand, die eben noch flach auf der Wand gelegen hatte, ballte sich zur Faust und schlug dagegen. Kira konnte erkennen, dass dadurch ein neuer Riss entstand.

„So sollen sie mich nicht kriegen!“ presste der Bajoraner durch zusammengebissene Zähne. „Das darf nicht sein...“ Ein weiterer Hustenanfall spottete seinen Worten. „Nerys...“ Er blickte über die Straße hinüber. In seinen hellen Augen blitzte störrische Entschlossenheit. Es war ihm nicht ganz klar, warum er ihren Namen gerufen hatte, doch es erschien ihm seltsam richtig. Sie war die eine Person, der er vertraute wie sich selbst. Schon seit ein paar Jahren war es für ihn zur Selbstverständlichkeit geworden, sie an seiner Seite zu wissen. Für Kira Nerys würde er bedenkenlos seinen Kopf hinhalten - und er wusste mit wunderbarer Gewissheit, dass sie dasselbe für ihn tun würde. Auch wenn die junge Frau mit den langen rotblonden Haaren im Augenblick allerdings nichts für ihn ausrichten konnte, tat es gut, einfach nur ihren Namen zu rufen.

Sie stieß sich von der Wand ab und tat ein paar vorsichtige Schritte. In der Mitte der Straße blieb sie jedoch stehen. Sie wollte ihn so gerne trösten, doch es war keinem von ihnen geholfen, wenn sie sich ebenfalls ansteckte.

„Edon“, der Klang ihrer Stimme ersetzte die Arme, die sich nicht um ihn legen durften. „Wir müssen ins Kloster zurück. Wenn du dich eine Weile ausruhst... vielleicht wird es dann wieder besser?“ Sie schenkte ihm ein fast scheues Lächeln.

Shakaars Blick wurde ein wenig weicher. Der Mann löste sich ebenfalls von der Wand, kam aber nicht auf Kira zu. „Lass uns auf ein Wunder hoffen.“

* * *


Ein Wunder hatte sich für Lupaza zumindest bisher nicht eingestellt. Als Kira und Shakaar das Kloster erreichten, lag sie mit geschlossenen Augen unter ihrem Quarantänefeld. Furel blickte von seinem ‘Wachposten’ auf, einem Stuhl ein paar Meter vom Bett entfernt, um den Geistlichen nicht im Weg zu sein. Seine Züge verfinsterten sich schlagartig, als er das Gesicht seines Anführers sah.

„Oh nein, nicht auch du, Edon!“

Zwei Prylaren, die an einem medizinischen Gerät gearbeitet hatten, sprangen auf.

Shakaar hob beide Hände in einer abwehrenden Geste, um zu zeigen, dass man besser in Abstand zu ihm blieb. „Wie geht es ihr?“ fragte er statt auf seinen eigenen Zustand einzugehen.

„Wir haben ihr ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht.“ Die Stimme erklang dicht neben seiner Schulter. Eine behandschuhte Hand fasste ihn am Arm, und er erkannte die Klostervorsteherin. „Es ist nicht viel, aber sie kann schlafen und ihren Körper ein wenig zur Ruhe kommen lassen.“ Mit sanfter Bestimmtheit schob die Vedek den großen Mann auf ein freies Bett zu. „Sie werden sich jetzt ebenfalls hinlegen.“

Shakaar widersprach nicht. Es tat im Augenblick einfach nur gut, wieder berührt zu werden. Während er einen weiteren Hustenanfall erlitt, setzte er sich und beobachtete, wie das leichte Flimmern der Luft die Aktivierung des Quarantänefeldes anzeigte. Für einen Moment fühlte er sich, als ob diese kalte, technische Funktion den Schlussstrich unter sein bisheriges Leben gezogen hätte. Doch er fing sich rasch wieder. Er war nicht alleine, und die sorgenden Gesichter außerhalb des Feldes machten ihm sehr deutlich, dass er keinesfalls verstoßen war.

„Konntet Ihr schon irgendetwas ausrichten?“ vernahm er Kiras Stimme.

„In einer Klinik konnten die Forscher einen Virus aus Blut-Proben isolieren. Sie hatten recht“, erklärte die Geistliche mit Blick zu Shakaar hinüber. „Es handelt sich allem Anschein nach um ein uns völlig unbekanntes Exemplar, das sehr wohl von den Cardassianern konstruiert sein könnte.“

„Dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, knurrte der Widerstandskämpfer vom Bett her.

„Und gibt es schon einen Ansatz für eine Behandlungsmethode?“ hakte Kira nach.

Die Vedek schüttelte bedauernd den Kopf. „Leider nein. Die Propheten mögen uns mit Geduld segnen. Durch die gänzlich unbekannte Natur des Erregers kann auf keine schon einmal gewonnene Erkenntnis zurückgegriffen werden. Man sagte mir, dass wir wohl mit einer Woche oder länger rechnen müssen.“

„Eine Woche?“ Kira sah von der schlafenden Lupaza zum bleichen Gesicht ihres Kommandanten. Auch er hatte mittlerweile die Augen geschlossen, von Zeit zu Zeit erbebte sein Brustkorb, wenn er versuchte, den Hustenreiz zu unterdrücken. Die beiden mochten keine Woche mehr haben. Unerwünscht drängte sich der Anblick der Nulllinie auf dem Krankenbettmonitor wieder in ihr Bewusstsein. „Gibt es irgendetwas, was wir tun können um zu helfen?“

Ihre jugendliche Ungeduld brachte ein schwaches Lächeln auf das Gesicht der Vedek. „Wenn Sie eine solide molekularbiologische Ausbildung haben, mein Kind, dann werden Sie sicherlich in den Laboratorien gebraucht.“

Kira schüttelte den Kopf. Natürlich hatte sie keine solchen Kenntnisse. Sie besaß überhaupt keine Ausbildung. Was sie gelernt hatte, war kämpfen, und damit kam man im Augenblick nicht sehr weit. „Aber....“

Die Tür wurde geöffnet, ein etwas atemloser Akolyth stürmte herein. Vor der Vedek blieb er stehen und besann sich der Etikette, indem er den Kopf neigte.

„Was gibt es, Mur?“

„Vedek, Doktor Eldin lässt Euch ausrichten, dass er Informationen erhalten hat, dass das Virus auch für Cardassianer ansteckend ist. Gerüchten zufolge ziehen sie sich allmählich aus Ganarain zurück...“

„Was?!“ Shakaars Augen waren schlagartig wieder offen. Das Quarantänefeld hinterließ ein unangenehmes Ziepen an den Stellen, an welchen er beim ruckartigen Aufrichten seines Oberkörpers damit versehentlich in Berührung gekommen war.

„Bist du dir da absolut sicher?“ Kira unterdrückte den Impuls, den Jungen an den Schultern zu fassen. Der Angesprochene nickte. „Das waren Doktor Eldins Worte.“

„Heißt das, sie haben doch nichts mit dem Erreger zu tun?“ Die Vedek stellte die Frage niemandem im Besonderen, sie war nur eine laute Ausformulierung ihrer Gedankengänge.

„Das kann ich nicht glauben“, widersprach Kira heftig. Eine von den Cardassianern herbeigeführte Epidemie erschien ihr weitaus glaubwürdiger als eine natürlichen Ursprungs.

„Sie würden doch niemals ihre eigenen Landsleute in Gefahr bringen“, gab die Geistliche zu bedenken. „Die Cardassianer sind ein sehr nationalbewusstes Volk...“

Kira schnaubte verächtlich. „So kann man es auch nennen.“

„Ich bin der Meinung von Nerys“, ließ sich Shakaar nicht gerade unerwartet vernehmen. Er hatte seinen Oberkörper wieder soweit gesenkt, dass er sich in einem sicheren Abstand zu dem umgebenden Feld befand. „Wenn es sich um ein...“ Ein Hustenanfall unterbrach ihn. Er krümmte sich zur Seite und verbarg sein Gesicht in den Händen, bis es wieder ein wenig besser ging.

Kira betrachtete ihn verzweifelt. Sie fühlte sich so machtlos dieser Situation gegenüber. Das Schlimmste war nicht einmal der Umstand, dass Shakaar sich infiziert hatte, es war, mit ansehen zu müssen, wie schwer er es trug. Er war es gewohnt, immer an vorderster Front dabei zu sein. Nicht im Hinterfeld in einem Krankenbett.

„Wenn es sich um eine zufällige Krankheit handelte, würden sie nicht evakuieren, sondern medizinisches Personal hierher schicken“, beendete sie die Argumentation ihres Anführers. Shakaar nickte zwischen zwei abebbenden Hustern. „Und nach einer Evakuierung hört sich das an. Welchen Sinn sollte das bei einer ausbrechenden Seuche haben? Die Gefahr der Verschleppung wird damit nur vergrößert. Sie müssen sich sicher sein, dass sie ein Gegenmittel besitzen, um die evakuierten Leute zu impfen. Und das heißt wiederum, dass sie schon vorher von dieser Infektion wussten - woher sollte sonst der Impfstoff so rasch kommen?“

„Wollen Sie damit sagen, dass sie alle Cardassianer aus der Stadt fliegen lassen, um... was zu machen?“ Die Geistliche musterte die Soldaten mit nachdenklichem Blick.

Kira und Shakaar sahen sich an. Mit leiser Stimme, um nicht das nächste Kratzen im Hals zu provozieren, antwortete der Kommandant: „Um Ganarain vollständig zu verseuchen.“
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