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Asche 08 - Verfinsterung (Teil II)

von Gabi

Kapitel 1

Es war absolut nicht die Art von Morgen, die sie zur Gewohnheit werden lassen wollte. Colonel Kira verzog das Gesicht und schob die Tasse mit lauwarmem Raktajino, aus der sie eben einen Schluck versucht hatte, beiseite. Seufzend stand sie auf, trug die Tasse zum Replikator hinüber und orderte eine neue – ohne allzu große Hoffnung, das Getränk dieses Mal heiß genießen zu können. Sie hasste es, wenn die Ereignisse sie überrollten ohne dass sie darauf vorbereitet war. Im Augenblick brach sich die Ereigniswelle sogar an der nahen Küste und kehrte mit ungebremster Kraft zurück.

Was, bei den Propheten, war in Edon gefahren? Er hätte nicht gründlicher an einem Bienenstock rütteln können. Etliche Botschafter waren verärgert oder verunsichert, und da der größte Teil der Diplomaten auf der Station selbst wohnte, bekam sie als ranghöchste Bajoranerin den gerechten Ärger zu spüren.

Vor ein paar Minuten hatte sie dann auch noch ein Gespräch mit Admiral Ross hinter sich gebracht. Starfleet hatte natürlich schon von Shakaars unglücklicher Rede gehört und Antworten von ihr verlangt.

Kira hatte keine gehabt.

Sie nahm einen tiefen Schluck von der noch beinahe kochenden Flüssigkeit und ignorierte den Schmerz, den dies in ihrem Rachen verursachte. Admiral Ross war sehr deutlich darin gewesen, dass er von ihr erwartete, die Situation zu klären. Edon würde dafür büßen, dass er sie in diese peinliche Lage gebracht hatte! Was hatte sich der Kerl dabei gedacht?

Die Tür zu ihrem Büro öffnete sich. Kira hatte sie nicht verriegelt, doch auch so war es sonst nicht Commander Benteens Art, ohne Aufforderung einzutreten. Ein Zeichen dafür, wie sehr auch die Terranerin mit anderen Dingen beschäftigt war.

Kira setzte die Tasse ab. „Guten Morgen, Commander.“

„Streichen Sie das gut, Colonel.“ Benteen blieb vor dem Tisch stehen, ihr Blick huschte jedoch sehnsüchtig zum Replikator.

„Bedienen Sie sich.“ Kira nickte mit dem Kinn hinüber.

„Danke.“ Die Terranerin bestellte extra starken Kaffee ohne Milch und Zucker. Wie Kira auch trank sie ohne auf die Temperatur zu achten. „Es ist 0730 und ich hatte schon eine längere Unterredung mit der Klingonin. Der Morgen ist für mich gelaufen. Was Diplomatie angeht, ist das Wort bei ihr wohl nicht unbedingt angebracht. Sie tobte, dass die Rede des Premierministers nach Blut zur Sühne fordere.
Wenn ich jede Person, deren Rede ich unangebracht empfunden habe, getötet hätte, wäre schon während meiner Akademiezeit die halbe Erde entvölkert. Das ist doch keine Einstellung!“

„Doch, es ist eine klingonische.“ Kira stellte ihre Tasse zurück. „Und manchmal habe ich das Gefühl, dass man damit jedenfalls eine Menge angestauter Emotionen abladen kann.“

Benteen hob fragend die Augenbrauen. „Heißt das, dass Sie Minister Shakaar auch gerne umbringen würden?“

Der Situation zum Trotz musste die Kommandantin lächeln. „Nicht im wörtlichen Sinn. Aber – und das bleibt unter uns – im Augenblick hätte ich gute Lust, eine vernünftige Erklärung aus ihm heraus zu prügeln.“

„Sie hatten keinen Erfolg damit, ihn zu kontaktieren“, bemerkte ihr Erster Offizier.

„Nein, das hatte ich nicht. Er ist mit ich-weiß-nicht-was viel zu sehr beschäftigt. Ich meine, ich kenne ihn nun schon lange genug. Ich weiß, wie er reagieren kann, wenn er sich über etwas geärgert hat. Shakaar Edon neigt zu sehr emotionalen Ausbrüchen – aber er hat sich sein ganzes Leben lang noch nie geweigert, mit mir darüber zu sprechen.“ Sie atmete geräuschvoll aus. „Das ist der eigentliche Punkt, den ich nicht verstehe.“

Benteen beobachtete ihre Vorgesetzte, wie sie um den Tisch herum trat und zur Tür ihres Büros ging. In ihrer Miene konnte sie deutlich lesen, wie sehr Kira dieser Umstand getroffen hatte.

Unmerklich schüttelte Benteen den Kopf. Vertrauen sollte man im Leben genau einer einzigen Person, und das war man stets selbst.

„Begleiten Sie mich.“ Kira hatte sich an der Tür zu ihr umgedreht. „Ich möchte sehen, wie es den Patienten geht.“

Natürlich hätte sie das mit einer einfachen Anfrage über das Interkom wesentlich rascher erfahren, doch sie brauchte die Bewegung. Sie war es nicht gewohnt, tatenlos in einem Büro herumzusitzen.

* * *


Dr. Bashir hob den Kopf, als die beiden Frauen die Krankenstation betraten. Er legte das Padd beiseite, auf welchem er einen Bericht seiner Assistentin studiert hatte. Bevor Kira etwas sagen konnte, war er aufgestanden und hatte die Tür zum Bettenbereich geöffnet.

„Ich habe sie in der Intensivstation behalten. Bei den dreien ist der Zustand im Augenblick zwar stabil, aber ich möchte sie noch ein paar Tage weiter beobachten, bevor ich sie verlegen lasse.“ Er ließ den beiden Frauen den Vortritt in den leicht abgedunkelten Raum, welcher sich gegenüber der Chirurgie an sein Büro anschloss. Die Mitte nahm ein großes Terminal ein, nicht unähnlich demjenigen auf der Ops, auf welchem mit einem Blick sämtliche Vorgänge innerhalb der Intensivstation, den beiden Krankenstationen auf Ebene dreizehn und den 45 Transitbereichen auf DS9 eingesehen werden konnten. In Nischen standen die Betten mit unabhängigen Beobachtungseinheiten. Drei von ihnen waren momentan belegt.

„Ich denke, der Jem’Hadar ist bald wieder auf den Beinen“, erklärte Bashir. „Doch es ist mir nicht wohl dabei, ihn ohne Weyoun auf der Station zu wissen, daher behalte ich ihn im Restriktionsfeld.“

„Eine gute Entscheidung“, bemerkte Kira, während sie die Displays an den Fußenden der Betten studierte – welche ihr wie üblich nichts sagten.

„Was ist mit dem Ketracel White?“ wollte Benteen wissen. Sie betrachtete den schuppenbesetzten Jem’Hadar-Krieger argwöhnisch. Sie empfand es als eine gewisse Provokation, dass der dominische Botschafter nicht wie jeder andere auch ohne Leibgarde auf der Station weilte. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, zu was diese Killermaschine, die den Botschafter auf Schritt und Tritt begleitete, imstande war.

Bashir deutete auf eine Linie des Displays am Bett Omet’iklans. „Wir zeichnen die White-Konzentration in seinem Blutstrom auf. Wenn sie sich dem kritischen Wert nähert ...“ Der Finger des Arztes strich eine rot leuchtende Gerade entlang. „werde ich Weyoun aus dem Heilkoma wecken.“

Colonel Kira nickte. Sie hatte gerade fragen wollen, warum die Patienten noch immer nicht wach waren. Bashirs Kommentar erklärt dies.

Ihr Blick wanderte von den Gesprächsthemen Weyoun und Omet’iklan zum dritten Bett hinüber. Es fiel ihr schwer, die Szene emotionslos zu betrachten. Der Anblick des Displays und des im Koma liegenden Bareil erinnerte sie an eine andere Zeit – an ein anderes Leben. Was hätte sie damals nicht dafür gegeben, wenn er die Augen aufgeschlagen und gelebt hätte. Sie schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals zu bilden drohte, und ging einen Schritt näher an das Bett heran.

Das Sedativum hatte die Züge des Manns entspannt. Im Moment glich er vollständig dem Vedek. „Ist er ...“ Ärgerlich musste sie feststellen, dass ihre Stimme kratzte. Sie setzte noch einmal an: „Ist er auch in Ordnung?“

Bashir kam zu ihr herüber. „Er hat innere Verletzungen davongetragen, aber die Operation war erfolgreich.“ Seine Hand deutete erneut auf eine Anzeigentafel, auf welcher Konzentrationswerte verschiedener Stoffe abliefen.

Kira nickte und nahm sich vor, sich in naher Zukunft zumindest ein paar Grundbegriffe der Medizin anzueignen.

Bashir betrachtete die Bajoranerin von der Seite. Er war sich sicher, dass es ihr nicht bewusst war, wie sehr ihre Gefühle momentan offen in ihren Zügen lagen. Es war ihm nicht viel anders ergangen. Er hatte auf dieser Station den Kampf um Kiras Zukunft verloren. Die Erinnerung an den sterbenden Vedek Bareil war etwas, das auch er liebend gerne aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte.

„Gibt es schon Erklärungen dafür, was in B’hala passiert ist?“ beschloss er, die Kommandantin abzulenken.

Es wirkte augenblicklich. Noch während Kira vom Gesicht des schlafenden Bareil aufblickte, stellte sich der berühmt-berüchtigte schnippische Ausdruck in ihren Augen ein. „Die Ausgrabungsleitung ist untröstlich. Sie können es sich nicht erklären.“ Sie schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich würde sagen, das war wieder ein klassisches Beispiel von bürokratischer Inkompetenz! Sie wollten etwas zum Vorzeigen haben, die Zeit drängte, also haben sie alles notdürftig für einen Besucherstrom hergerichtet, für den die Ausgrabungsstätte überhaupt nicht vorgesehen war. Wenn ich zuständig wäre, würden ein paar Köpfe rollen. Das war eine unentschuldbare Leichtsinnigkeit! Ich meine, wie ...“

Ihr Kommunikator piepte und beraubte somit Doktor Bashir und Commander Benteen eines Vortrags über unfähige Bürokraten.

„Kira hier, was gibt es?“

„Eine Nachricht von Bajor für Sie, Colonel.“

Sie sah Bashir fragend an, dieser antwortete auf ihre stumme Frage, indem er eine einladende Handbewegung in Richtung seines Büros machte.

„Stellen Sie es bitte in Dr. Bashirs Büro durch.“

Mit Überraschung erkannte Kira das sie erwartende Gesicht als dasjenige von Serina. Sie hatte mit Shakaars cardassianischer Frau nicht mehr als ein paar höfliche Worte gewechselt. Sie konnte es irgendwie nicht über sich bringen, freundschaftliche Gefühle für die andere zu entwickeln. Sie waren zu verschieden, und Serina befand sich nach wie vor an einer Stelle, an welcher sie nach Kiras Meinung wenig zu suchen hatte.

„Serina? Was kann ich für Sie tun?“ Sie spielte kurzzeitig mit dem Gedanken, die Anruferin sofort nach den Gründen für Shakaars Verhalten auszufragen, doch sie rief sich selbst zur Geduld.

Die Cardassianerin wirkte ein wenig unentschlossen, so als sei sie sich nicht sicher, ob sie das Gespräch wirklich führen wollte. Schließlich schien sie sich aber doch zu einer Entscheidung durchzuringen. „Ich benötige Ihre Hilfe, Colonel Kira.“ Sie senkte die Lider unbewusst. Eine demütige Geste, die sie Kira nicht unbedingt sympathischer machte.

„Meine Hilfe?“ wiederholte die Bajoranerin verwundert. „Wobei kann ich helfen, wobei Edon nicht ...“

„Es geht um Edon“, fiel ihr die andere rasch ins Wort, offensichtlich erleichtert darüber, dass Kira ihr das Stichwort von sich aus gegeben hatte. „Ich ...“ Sie blickte sich um, als ob sie sich versichern wollte, dass niemand sonst im Raum war. „ich weiß nicht, wie ich es sagen soll ...“

Kira war aufmerksam geworden. Es sah so aus, als ob sie nicht die einzige war, die für Shakaars Verhalten keine Erklärung hatte.

„Edon ist ein wenig aus seiner Rolle gefallen, was die Behandlung mancher Delegationen angeht“, half sie der Cardassianerin weiter.

„Es ist nicht nur das.“ Serina atmete tief durch, das Folgende fiel ihr nicht leicht auszusprechen. „Seit ein paar Tagen ist er zu mir sehr kühl. Wenn er Probleme hatte, hat er früher immer mit mir gesprochen ...“ Kira nickte, dieses Gefühl kannte sie nur zu gut. „Er hat nicht mehr mit mir ...“ Die Cardassianerin ließ kurz den Kopf hängen. „Verdammt, das ist so schwierig!“ hörte Kira sie auf die Tischplatte murmeln.

„Er hat nicht mehr mit Ihnen geschlafen“, half sie in betont neutralem Ton nach.

Serinas Gesicht hob sich wieder. „Danke ...“, sie seufzte. „Das meinte ich. Ich komme mir wirklich albern vor, das mit Ihnen zu besprechen, aber ich denke, Sie verstehen, was ich meine.“

Kira nickte abermals. Shakaar war niemand, der vor sich hin brütete, wenn er Probleme irgendeiner Art hatte. Er vertraute seiner jeweiligen Partnerin immer alles an, und er suchte in schwierigen Zeiten und bei Entscheidungen ihre Nähe, besonders die körperliche.

Bei der nächsten Bemerkung musste Kira sich anstrengen, sie zu hören, da die Cardassianerin ihre Stimme nun zu einem Flüstern gesenkt hatte: „Er hat seine Tätowierung nicht mehr.“

Unwillkürlich strich Kiras Hand über den Bereich unter ihrer linken Brust. Die Tätowierung. Sie würde nie diese feuchtfröhliche Nacht vergessen. Ihre Widerstandsgruppe hatte die Nachricht vom Rückzug der Cardassianer ausgiebig gefeiert. Als sie alle nicht mehr besonders nüchtern gewesen waren, war irgendjemand aus ihrer Gruppe auf die Idee verfallen, dass sie alle eine bleibende Erinnerung aneinander nötig hätten. Sie hatten einen halbwegs nüchternen Bajoraner gefunden, der sein Handwerk verstand, und als die Köpfe nach Tagen wieder klar wurden, hatte jedes Mitglied der Shakaar eine Tätowierung auf der Unterseite der linken Brust sein eigen nennen können. Es handelte sich um ein bajoranisches ‚Sh‘, welches in ein Glaubenszeichen verschlungen war. Es war eine hübsche Zeichnung und durch ihre Lage so unauffällig, dass sie auch noch mit klarem Kopf entschieden hatten, sie zu behalten.

Serina sah die Bewegung und nickte. „Edon hat mir die Geschichte erzählt. Nerys, Sie müssen mir glauben, er hat sich so sehr verändert, dass er nicht mehr der Mann ist, den Sie schon so lange kennen, und den ich geheiratet habe. Ich verstehe ihn einfach nicht.“

Die Cardassianerin wirkte verzweifelt. Kira konnte sich vorstellen, was in der anderen vorging. Sie hatte trotz ihrer Heirat mit dem Premierminister keinen wirklichen Rückhalt in der bajoranischen Bevölkerung. Shakaar war die einzige Person, die ihr vertraut war. Wenn er sich gegen sie wandte, gab es praktisch niemanden mehr, der auf ihrer Seite stand. Ohne Shakaars Unterstützung war die Cardassianerin ein Eindringling auf Bajor.

„Ich habe Angst um meine Tochter“, gestand Kiras Gesprächspartnerin. „Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Aber ich möchte unbedingt Katalya in Sicherheit wissen. Edon war bisher nur abweisend zu uns beiden, nicht gewalttätig. Vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein ... aber ich habe Angst ...“ Sie sah Kira nun direkt in die Augen. „Ich wusste nicht, mit wem ich reden konnte. Ich kenne nur Sie und ich weiß, wie sehr Edon an Ihnen hängt. Ich ... ich brauche Ihre Hilfe ...“

Die Bajoranerin überlegte kurz. „Können Sie es einrichten, dass Sie mit Ihrer Tochter nach DS9 kommen? Wir könnten dann in Ruhe weiter reden.“

Die Erleichterung war deutlich auf dem Gesicht der Cardassianerin zu erkennen. „Ich hatte gehofft, dass Sie das vorschlagen würden. So wie Edon sich benimmt, wird er wahrscheinlich sogar froh sein, wenn ich für ein paar Tage das Haus verlasse.“

„Ich erwarte Sie beide.“ Die Bajoranerin unterbrach die Verbindung und wandte sich an die beiden Offiziere, die in höflichem, jedoch nicht zu weit entferntem Abstand gewartet hatten.

„Sie haben es mitbekommen“, stellte Kira rügend fest. „Die Frau des Premierministers wird unser Gast sein. Commander Benteen, ich ...“

„... möchte, dass ich dafür sorge, dass sie nicht vom cardassianischen Botschafter belästigt wird. Ich habe verstanden“, führte die angesprochene Offizierin resigniert den Satz zu Ende.

Kira blickte überrascht von ihr zu Bashir. Auf dem unschuldig lächelnden Gesicht des Arztes war eine einzige Gefühlsregung deutlich zu lesen: Wie gut, dass ich absolut nichts mit den Botschaftern zu tun habe.

* * *


Sito Jaxa bewegte sich ein wenig, woraufhin der neben ihr liegende Mann sofort erwachte. Sie lächelte träge. Das Erste, was er getan hatte, als seine Frau ihm eröffnet hatte, dass sie ein paar Tage bei einer Freundin auf DS9 verbringen wollte, war Sito in sein Bett zu nehmen.

Die Bajoranerin hatte mitgespielt, die Erinnerung an das erschreckende Erlebnis im Gartenhaus noch zu sehr gegenwärtig.

Sie verabscheute Männer auf sich. Sie waren so grob und so ungeschickt. Shakaar war wenigstens ein einigermaßen brauchbarer Liebhaber, auch wenn er nur ein Mann war. Es würde irgendwie möglich sein, es bei ihm auszuhalten, solange die Bedrohung dieses Etwas im Gartenhaus auf sie lauerte. Doch sie würde nach einer Möglichkeit suchen, sich abzusetzen.

Shakaar legte einen Arm über sie. „Du bist wie sie, ich liebe Dich.“

Sito nickte ergeben.

* * *


Mit ihrer Tochter auf dem Arm passierte die Cardassianerin die Durchgangskontrolle an Pylon 5. Sie atmete tief durch und ermahnte sich dazu, nicht wie ein junges Mädchen zu wirken. Ihr war in den letzten Tagen – und besonders seit sie Shakaars Haus verlassen hatte – deutlich geworden, wie sehr sie von ihrem Mann abhängig war. Natürlich, sie koordinierte selbsttätig die Hilfslieferungen nach Cardassia, doch wenn sie ehrlich sein sollte, dann hatte sie einen Großteil der Energie dafür aus der Tatsache gezogen, dass Edon wie ein unsichtbarer mächtiger Schatten hinter ihr stand. Jetzt hatte sie das Gefühl, alle Scheinwerfer waren auf sie gerichtet.

Als sie nach der Turboliftfahrt durch die Schleuse zum äußeren Ring trat, musste sie sich auf die Unterlippe beißen, um zu verhindern, dass ihr vor Erleichterung Tränen in die Augen stiegen. Colonel Kira wartete dort auf sie. Serina konnte nicht genau erklären, warum sie das Gefühl hatte, bei ihr Hilfe zu erhalten. Sie wusste, dass Kira und Shakaar mehr als Freunde waren, die beiden verband gemeinsamer Verlust. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass die Kommandantin von DS9 nicht zu denjenigen gehörte, die jeder Änderung zum Trotz loyal auf Shakaars Seite stehen würden.

„Colonel, ich bin erleichtert, Sie zu sehen.“

Kira nickte zur Begrüßung und fuhr dem Mädchen durch die Haare. „Nerys. Nennen Sie mich Nerys, Serina.“

„Gerne.“

Schweigend folgte sie der Bajoranerin den Korridor hinunter bis zu einem weiteren Turbolift, der sie zu den Gästequartieren brachte. Nachdem sie den Raum betreten hatten, der für die Cardassianerin gemietet worden war, wandte Kira sich zu ihr um.

„Ich möchte keinen falschen Eindruck vorspiegeln, sondern ehrlich sein: Ich weiß nicht genau, was ich Ihnen gegenüber empfinde, Serina. Das liegt nicht daran, dass Sie Cardassianerin sind. Ich kenne Sie kaum und ich weiß immer noch nicht, wie Sie so nachhaltig in Edons Leben gekommen sind. Doch ich begreife Edons Verhalten im Augenblick so wenig wie Sie das anscheinend tun. Irgendetwas oder irgendjemand hat ihn verändert. Ich kann es nicht akzeptieren, wie er Mitglieder der Handelskonferenz behandelt hat, wie er einen Teil der Botschafter beleidigt hat, und ...“ Sie seufzte. „dazu gehört dann auch wie er Sie behandelt. In meinen Augen schadet er Bajors Ansehen.“

Serina setzte ihre Tochter auf dem Sofa ab, wo diese augenblicklich damit begann, die Kissen zu untersuchen, und ließ sich dann selbst darauf fallen. Mit leicht geweiteten Augen sah sie Kira an. „Danke, das war zumindest ehrlich.“

Die Bajoranerin ließ die Arme sinken und lächelte nun ein wenig schräg. „Entschuldigung, aber ich halte nichts von Höflichkeit um der Höflichkeit willen.“

* * *


Der kühle Empfang Colonel Kiras hatte sie nicht gerade ermutigt. Sie schätzte es, dass die Frau ihr nichts vorspielte und dass sie ganz offensichtlich ebenfalls nicht mit Shakaars Linie einverstanden war. Dennoch hatte sie auf ein wenig mehr ... Mitgefühl gehofft.

Serina seufzte lautlos, als sie mit ihrer Tochter an der Hand den Korridor hinunterging. Sie hatte ihr Schicksal selbst gewählt, sie konnte niemandem einen Vorwurf machen. Es war ihr vor allem darum gegangen, ihre Tochter nicht in einer Welt aufwachsen zu sehen, in welcher Krieg eines der obersten Prinzipien war. Dass sie dabei wieder auf Edon getroffen war und dieser seine Arme vorbehaltlos geöffnet hatte, war ein wunderschöner Zufall gewesen.

„Meine Süße, wir besuchen jetzt Captain Yates und ihr Baby“, erklärte sie als sie vor einer Quartiertür stehen blieben. „Du möchtest das Baby doch sehen, nicht wahr?“

Katalya nickte ernst mit dem Kopf. Sie war natürlich schon längst aus dem Babyalter herausgewachsen und bereit, einem neuen Baby die Weisheit ihres kleinen Lebens zu vermitteln.

Serina grinste, als sie den Türmelder betätigte. Katalya hatte sich wunderbar entwickelt. Sie hatte anfangs befürchtet, das Herausreißen aus ihrer alten Umgebung würde Probleme für das Kind mit sich bringen. Aber da ihre Tochter erst ein halbes Jahr alt gewesen war, als sie von Cardassia fortgegangen war, verlief der Übergang reibungslos. Katalya würde dank Edon viel mehr Bajoranerin werden als Serina selbst das jemals für sich erhoffen konnte.

Die Tür öffnete sich.

„Serina!“ Yates begrüßte sie freudig. „Was für eine gelungene Überraschung. Ich wusste nicht, dass Sie auf der Station sind.“ Sie trat beiseite. „Kommen Sie herein.“

Die Terranerin beugte sich hinunter, um das Mädchen auf den Arm zu nehmen. „Na, meine kleine Prinzessin, wie geht es dir?“

Katalya gluckste, als Yates sie am Bauch kitzelte.

„Was machen Sie hier auf DS9?“

Serina setzte sich. „Ein paar Tage Urlaub, und die wollte ich nutzen, um mir hier vor Ort anzusehen, wie die Transporte laufen.“ Sie wollte nichts von ihren häuslichen Schwierigkeiten erzählen. Vielleicht würde sich bald alles von selbst wieder legen.

„Leider ist jetzt auch Bareil Antos für einige Zeit ausgefallen, aber meine Mannschaft hat alles blendend im Griff. Ich selbst fliege momentan ja nicht.“

Die Cardassianerin lächelte. „Wo ist denn der Grund Ihres Ausfalls?“

Es war nicht zu übersehen, wie Stolz sich im Gesicht der Terranerin breitmachte, als sie aufstand, um aus dem Schlafzimmer ihren Sohn zu holen.

„Hier ist Jeremiah“, kehrte sie mit dem Baby auf dem Arm zurück.

Serina sah ihr ein wenig erstaunt entgegen. Yates bückte sich, breitete eine Decke auf dem Boden aus und legte Jeremiah darauf.

„Er ist ja unheimlich rasch gewachsen.“

Sie beobachtete das Baby, das sich ans Herumkrabbeln machte. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie ihm niemals nur die paar Wochen gegeben, die er auf der Welt war.
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