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Immer noch Dax und Kahn

von VGer

Immer noch Dax und Kahn

Dax schloss die Augen, nur für einen Moment. Schwindel und Übelkeit hatten sie übermannt – eine physische Manifestation der emotionalen Verwirrung, des torkelnden Ungleichgewichts zwischen Wirt und Symbiont. Hin und wieder kam das vor: eine weitestgehend ganz natürliche und normale Nebenwirkung des Daseins als vereinigter Trill, und doch eine seltene und unangenehme Sensation, die man lieber nicht erleben mochte wenn man es irgendwie verhindern konnte. Dax konnte an einer Hand abzählen, wie oft es in all ihren sieben Leben vorgekommen war – doch so heftig wie jetzt hatte sie es noch nie erwischt, und sie hatte nicht einmal versucht es zu verhindern. Sie hatte sich redlich bemüht so jovial und freundlich wie immer zu sein, hatte Melancholie und Nostalgie in heiteren Anekdoten verpackt und unterdrückte Sehnsucht in professionellem Interesse sowie Fachsimpeleien über Sonden und Messwerte. Sie war kolossal gescheitert, was sie eigentlich nur zu gut wissen hätte müssen, und sowohl Körper wie auch Seele rächten sich jetzt dafür.

„Dax.“, sagte ihr Gast, der Auslöser und Grund für ihren derzeitigen Zustand war.
Lenara.“, sagte Dax beharrlich.

Nicht Nilani, aber Kahn.
Nicht Kahn, sondern Lenara.
Nicht Kahn – und doch Kahn.

Dax war felsenfest davon überzeugt gewesen mit der Situation umgehen zu können, souverän wie auch sonst immer, doch das war bevor sie ihr begegnet war.

„Keine Panik.“, sagte Dax, und es war einmal wieder Torias der aus ihr sprach, doch an wen diese Worte gerichtet waren blieb ungewiss.

Mit verkrampften Schultern lehnte sie sich zurück, betrachtete ihren Gast. Sie würde das durchstehen hatte sie versichert, doch inzwischen wurde sie sich mit jeder Minute, die sie in der Gesellschaft der anderen Frau verbrachte, unsicherer. Sie war anfangs so selbstsicher und voll von keckem Optimismus gewesen, jetzt jedoch mochte ihr eigenes zaghaftes Zaudern nicht besonders.

„Geht es dir nicht gut?“, fragte Kahn besorgt, die Worte ganz so als sei sie noch Nilani, doch der aufmerksam intelligente Blick durch und durch Lenara.

Jadzia schüttelte langsam den Kopf, so als könne sie ihren Gleichgewichtssinn so austricksen, und ihr schauderte bei der Erinnerung, die nicht ihre und doch ihre war, denn sie war Dax. Es war eine Ewigkeit her und plötzlich wieder so lebhaft, so plastisch in ihren Gedanken. Hatte sie sich nur in ihrer Vergangenheit verirrt, nostalgisch und verträumt, oder war die Vergangenheit unvermittelt zu einer ganz eigenen Gegenwart, zu einer potentiellen Zukunft geworden?

Lenara hatte eine Hand, schmal und kühl, auf Jadzias Schulter gelegt und ließ sie dort ruhen. Eine beiläufige und doch so vertraute Geste, die sie – nein, die Torias – nur zu gut kannte. Eine Geste, die vielleicht auch Lenaras sein könnte, aber auf jeden Fall immer Nilanis gewesen war.

Jadzia betrachtete versonnen das Spiel der kleinen Lachfalten um Lenaras Mund und Augen, verlor sich für einen Moment nur in ihrem tiefen wasserblauen Blick bevor sie wieder erstarrte.

„Ich weiß überhaupt nicht wie es mir gehen soll.“, sagte sie schließlich, unschlüssig und ausdruckslos. „Ich bin eine andere Person, ich sehe in ein anderes Gesicht, ich höre eine andere Stimme, aber irgendwie ... wie ich schon sagte, wir beide haben mehr gemeinsam als Torias und Nilani je hatten ... ich muss mich sortieren, verstehst du?“

Lenaras große Augen verdüsterten sich, begleitet von einem ernsthaften Nicken, als sie Jadzia bei der Hand nahm und sie aufmunternd drückte. Beinahe instinktiv streichelte sie mit dem Daumen über Jadzias Handrücken, minutenlang gedankenverloren, dann hob sie die andere Hand und berührte ganz sanft, nur mit zwei federleichten Fingerspitzen, Jadzias Wange so wie sie – nein, wie Nilani – einst Torias’ Wange berührt hatte.

„Ich bin nicht Nilani, Jadzia.“, sagte Lenara mit fester Stimme.
„Und ich bin nicht Torias, Lenara.“, versicherte Jadzia eilig.

Und doch – für einen kurzen, jedoch viel zu langen Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher als die Zeit zurückdrehen zu können und wieder Torias zu sein und in Nilanis Armen. Sie – nein, Dax – war nur vergleichsweise kurz Torias gewesen bevor der selbstverschuldete Shuttleunfall ihn aus dem Leben gerissen hatte und Dax zu Curzon wurde. Zwar waren alle sieben bisherigen Leben ein untrennbarer Teil von Dax und von ihrem achten Leben als Jadzia Dax, doch im Vergleich zu den langen und erfüllten Existenzen, die Dax in den Körpern und mit den Charakteren anderer Wirte wie Lela oder Audrid oder Curzon erlebt hatte und die sie nachhaltig geprägt hatten, fühlte sich die Erinnerung an Torias auf befremdliche Weise blass und unvollständig an. Doch seit Kahn wieder auf der Bildfläche erschienen war drängte sich Torias mit all seinen Empfindungen so intensiv in den Vordergrund ihres Bewusstseins wie das noch nie, noch nicht einmal während der konfusen Phase die jeder Trill während und unmittelbar nach der Vereinigung erlebt, der Fall gewesen war.

Nilani ...
Kahn.


Keine Frage, Dax hatte im Laufe von drei Jahrhunderten schon größere Liebesgeschichten erlebt, hatte sich heftiger verliebt und erfülltere Beziehungen geführt als es Torias und Nilani jemals vergönnt gewesen war. Doch Nilani – nein, Kahn – war da und ihre Präsenz ließ alles andere verblassen, während sich Torias’ intimste Wünsche und Erinnerungen in Jadzia manifestierten und mit ihren eigenen vermischten.

Sie wusste nicht, was sie wollte oder viel eher: wen sie wollte – aber sie wollte sie.
Nilani. Lenara. Kahn.
Sie wusste nicht, wer sie wollte.
Torias. Jadzia. Dax.

Als die Übelkeit mit nachdrücklichem Wogen wiederkehrte, verwarf sie den unmöglichen Gedanken so rasch wie möglich wieder, versuchte vergeblich ihn in die hinterste, die dunkelste Ecke ihres symbiotischen Gedächtnisses zu verbannen. Doch war es überhaupt Torias, der dachte was zu denken verboten war? Torias, so viel war sicher, war nie so verwegen und rebellisch gewesen wie Curzon und jetzt auch Jadzia. Torias als Torias hätte nie zu denken gewagt was der Teil von Torias Dax der jetzt Jadzia Dax war dachte.

„Ich erinnere mich daran wie es war dich zu küssen ...“, platzte Jadzia heraus.
„Ich erinnere mich an so vieles aus früheren Leben. Ist es nicht seltsam, dass nur die Erinnerungen an Emotionen verpönt sind, wohingegen alle anderen positiv gesehen und sogar gefördert werden?“, sagte Lenara dann. Schwelende Wut klang in ihrer Stimme mit – eine Nuance, die Dax von der sanftmütigen Nilani so ganz und gar nicht kannte.
„Ich weiß ganz genau was du meinst.“ Jadzia schnaubte ebenso verständnisvoll wie abfällig. „Sofern es Informationen und Kompetenzen betrifft, die der Gesellschaft von Nutzen sein können ist die Erinnerung nicht nur erlaubt sondern dezidiert erwünscht. Allen Dax-Wirte seit Torias wurden die höchsten Pilotenqualifikationen bescheinigt ohne eine einzige Flugstunde nehmen zu müssen, nur weil Torias ...“
„Manchmal komme ich gar nicht richtig zum Arbeiten weil ich für die ganze Abteilung wissenschaftliche Papers übersetzen muss.“, unterbrach Lenara mit einem kleinen Lachen begleitet von einem theatralischen Augenrollen. „Du weißt doch sicher noch, dass Bariv – der Kahn-Wirt vor Nilani – ein Xenolinguist war. Deshalb kommt jeder Kollege, der Schwierigkeiten mit seinem Universaltranslator hat, wie selbstverständlich zu mir und erwartet, dass ich jede noch so absurde Sprache beherrsche und ihnen weiterhelfen kann.“
„Und ich musste schon mehr als einmal Curzons frühere Kontakte anzapfen – Diplomaten, Politiker, klingonische Generäle – und alte Gefälligkeiten einholen, weil in den Köpfen meiner Vorgesetzten Curzon nie gestorben ist und vermutlich auch nie sterben wird solange Dax lebt.“, fügte Jadzia bitter hinzu. „Seltsamerweise hält das niemand für falsch oder unnatürlich. Auch meine Freundschaft mit Benjamin Sisko, die sich noch aus Curzons Zeiten erhalten hat, wurde nie auch nur ansatzweise in Frage gestellt.“
„Den meisten Aliens, und so manch einem Trill außerdem, fehlt völlig das Verständnis dafür was es heißt ein Trill zu sein.“, bemerkte Lenara. „Vereinigung ist eben viel mehr als ein Flirt mit der Unsterblichkeit.“

Jadzia nickte und dann sprachen beide lange nicht mehr, ganz in ihren eigenen Gedanken und den Erinnerungen ihrer früheren Persönlichkeiten versunken.

„Ich wünschte, du wärst nicht Dax.“, sagte Lenara schließlich, als das beredte Schweigen die Luft schon zu zerreiße drohte.
„Wäre ich nicht Dax, wäre ich nicht ich.“, widersprach Jadzia sofort. „Genauso wie du nicht du wärst, wärst du nicht Kahn.“
„Nein, du verstehst nicht.“, protestierte Lenara schwach und schloss kurz die Augen, bevor sie Jadzia eindringlich fixierte. „Ich meine, hätten wir keine gemeinsame Geschichte, hätten wir uns völlig unbefangen kennen gelernt, ohne die Erinnerungen derer die wir einmal waren mit uns zu tragen, ich hätte mich ...“

Jadzia schluckte, einmal wieder dringend nach Luft ringend.
Lenara stockte, knackte ihren Kopf nach links und rechts und sah peinlich berührt zu Boden.

„Schhh ...“, machte Jadzia dann, ein unbeholfener Versuch der Beschwichtigung und Bestätigung, und ganz intuitiv hob sie ihre Hand und legte den Zeigefinger an Lenaras Lippen, hieß sie, die schon längst stotternd verstummt war, zärtlich schweigen. „Ich weiß. Ich auch.“

Ihr Finger streifte langsam an Lenaras zitternden schmalen Lippen entlang und mit einem Mal war nichts an der Berührung mehr beiläufig.

„Ich hätte mich ohne weiteres in dich verlieben können, weil ich mich schon längst in dich verliebt habe.“, flüsterte sie dann mit erstickter Stimme. „Weil du Kahn bist, aber auch und vor allem weil du Lenara bist, wenn du weißt was ich meine.“
„Ich weiß. Ich auch. Und ich meine mich, nicht sie.“, nickte Lenara beinahe tonlos mit ebenso schmerzhaft wie vertrauensvoll geschlossenen Augen, bevor sie Jadzias Hand mit ihrer eigenen einfing.

Was zaghaft begann, wurde immer sicherer und fordernder. Dax erinnerte sich an Nilani Kahns Küsse, doch Lenara Kahns Kuss war nichts dagegen. Dax erinnerte sich an die Frau, die einst ihre – nein, seine – Frau gewesen war, und die Ähnlichkeiten und Unterschiede prasselten in berauschender Intensität auf sie ein. Dax erinnerte sich an Nilani Kahns volle Lippen, an ihre rundliche Figur, an ihren jugendlich frischen Geschmack nach Honig und Sommerfrüchten, an die hysterisch kitzligen Stellen an ihren Flanken, doch Lenara Kahn war ganz und gar nicht Nilani.

Lenara Kahn war fremd, und sie war es nicht.
Lenara Kahn war vertraut, und sie war es nicht.
Lenara Kahn war falsch, und sie war es nicht.
Lenara war anders.

Sie erkundeten sich mit begierigen Händen, flink und innig und erpicht darauf sich ganz neu kennen zu lernen, und als Jadzias Mund verspielt an Lenaras Ohr ankam, neugierig nippend und zärtlich knabbernd – Lenara seufzte genüsslich –, hielt sie plötzlich inne und brach in schallendes Gelächter aus.

„Was ist?“, fragte Lenara, ebenso amüsiert wie verwundert.
„Nichts.“, kicherte Jadzia und biss sich prustend auf die Lippe.
„Sag schon!“, forderte Lenara und stupste sie auffordernd an.

Jadzia fiel einmal wieder auf, wie schön Lenara war. Mit ihren ebenmäßig zarten Gesichtszügen und den keck tanzenden Lachfalten um den Mund und die intelligenten blauen Augen besaß sie die würdige Schönheit einer selbstsicheren reifen Frau, die Nilani zumindest in ihrer – nein, in Torias’ – Erinnerung niemals geworden war, niemals werden hatte können. Doch selbst wenn ... Jadzia unterbrach sich – nein, sie unterbrach Torias, der in ihr tobte – den verworrenen Strom von ihren und Torias’ untrennbaren Gedanken, der einmal wieder irgendwo zwischen kurz nach früher und jetzt steckenzubleiben drohte – noch bevor ihr wieder übel werden konnte. Sie rettete sich in ein Kichern und ihre Albernheit schien ansteckend zu sein.

„Du hast dich immer beschwert, dass mein Bart so schrecklich kratzt.“, raunte sie in Lenaras Ohr, ihr Atem rief eine kribbelnde Gänsehaut hervor, auf der ein beinahe unsichtbarer blonder Flaum lag. „Hast mir verboten, das hier zu tun.“, grinste sie frech und drückte ihr Gesicht in Lenaras Nacken, rubbelte ihre Wange an der zarten Haut und sog ihren würzigen Duft in sich auf bevor sie ihren Halsansatz küsste.
„Du hast aber keinen Bart.“, antwortete Lenara, ganz sachlich und doch mit einem nur schlecht unterdrückten Schmunzeln auf den Lippen.
„Ich nicht, nein.“, sagte Jadzia atemlos zwischen zwei Küssen und mit einer der akkuraten blonden Hochsteckfrisur entkommenen Haarsträhne vor der Nase. „Und das ist auch gut so. Oder nicht?“
„Bitte ... bitte sprich nicht darüber, denk nicht daran.“, presste Lenara mühsam hervor, ein verkniffenes Zucken um den Mund, und zog Jadzia näher zu sich. „Nicht schon wieder. Nicht jetzt und nicht hier.“

Jadzia nickte verständnisvoll und schwieg küssend.



Viel später, als Jadzias Kopf instabil und schwer auf Lenaras blanker Brust lag und Lenaras Finger zärtlich durch ihr zerwühltes Haar tanzten, begann sie doch wieder zu denken, denn sie war Dax und konnte nicht anders. Lenara schien ihre Gedanken zu ahnen, denn auch wenn sie nicht mehr darüber gesprochen hatten seit die Ereignisse der Nacht begonnen hatten sich in aller Intensität zu entfalten, war die Vergangenheit mit der Gegenwart verschwommen wie ihre früheren Leben mit ihren derzeitigen und ihre Erinnerungen mit ihren Wünschen. Sie waren beide rational genug um das weder leugnen noch verdrängen zu können.

„Dax.“, sagte Lenara, die Stimme bloß ein heiseres Flüstern, dann verbesserte sie sich. „Jadzia.“

Jadzia hob den Kopf und traf Lenaras traurigen Blick, in dem sich der ihre spiegelte. Sie liebkoste kurz ihre Wange bevor sie der Realität ins Auge blickte.

„Das mit uns, Jadzia, das kann nicht sein.“, sagte Lenara und sie sprach ins Leere, voller Verzweiflung und Scham. „Auch wenn wir Lenara und Jadzia sind, sind wir für immer auch Nilani und Torias, sind wir für immer auch Kahn und Dax.“
„Ich weiß.“, sagte Jadzia hartnäckig blinzelnd während ihre Augen sich mit heißen Tränen der Einsamkeit und der Hoffnungslosigkeit füllten. „Wir sind wer wir sind, und in erster Linie sind wir vereinigte Trill, das ist unser Schicksal.“
„Was auch immer wir tun, es wäre immer nur ein Kompromiss.“, sagte Lenara. „Versteh mich bitte nicht falsch, ich bereue es nicht ... Aber auch wenn es sich richtig anfühlt ist es falsch, auch wenn es schön ist kann es nie ganz sein. Es kann nichts zwischen uns sein, was kein Kompromiss wäre.“
„Ich weiß.“, flüsterte Jadzia und vergrub ihr Gesicht im Polster. „Was auch immer wir wollen ... Du wirst nie nur ein Kompromiss sein, du bist viel mehr als das und Dax ... Dax macht keine Kompromisse und Kahn macht keine halben Sachen, das wissen wir beide.“

Lenara nickte, und als ihre Lippen Jadzias Wange berührten wussten beide, dass es endgültig war, weil es so sein musste – ein Abschiedskuss.



„Es ist nichts zwischen uns, in Ordnung?“ – das würde sie sagen, immer und immer wieder, so lange bis sie es selbst glauben konnte, und es würde ihr immer und immer wieder das Herz brechen, denn sie waren nicht Torias und Nilani aber immer noch Dax und Kahn.
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