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Im Namen des Vaters

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

„Was machen Borg in diesem Sektor des Delta-Quadranten?“ Janeway warf einen Seitenblick zu Seven, die neben ihr ging.
„Zwar liegt das Borgterritorium hinter uns, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass Borgkuben immer wieder unseren Weg kreuzen. Wir ...“ Seven unterbrach sich. „Die Borg sind immer auf der Suche nach neuen Zivilisationen und Wissen, welches sie assimilieren können. Dieser Sektor ist allerdings erkundet, insofern ist es ungewöhnlich, einen Borg entdeckt zu haben, noch dazu, wenn es eine vom Kollektiv getrennte Drohne war.“
Janeway runzelte die Stirn. Sie hatte gehofft, in diesem Leben keinen Borg mehr zu begegnen. Einmal hatten sie Glück gehabt und ihr Zusammentreffen mit den Borg überlebt, aber ob ihnen das noch einmal gelingen würde, war eher unwahrscheinlich. Sevens Worte machten deutlich, dass sie jederzeit wieder auf Borgkuben treffen konnten, und das war ein mehr als beunruhigender Gedanke.
Sie erreichten die Krankenstation, und Janeway bemerkte, wie Seven für einen Sekundenbruchteil zögerte, ehe sie die Station betrat. Was mochte in Sevens Kopf vorgehen? Was für ein Gefühl war es, einem Borg zu begegnen, wenn man selbst so viele Jahre seines Lebens eine Borg gewesen war? Würde sich Seven mehr ihm zugehörig fühlen als der Crew der Voyager?
Seven hatte den Wunsch, zurück zum Kollektiv zu gehen, aufgegeben, aber die Menschlichkeit schien sie genausowenig zu begrüßen, wie die Aussicht, wieder assimiliert zu werden.
Seven wusste nicht, wohin sie gehörte, und jeder Versuch, sie zu beeinflussen, hatte bislang eher zu heftiger Gegenwehr geführt. Die ehemalige Borg war sehr bestimmt darin, dass sie nicht das werden wollte, was Janeway gerne in ihr sehen würde. Etwas Rebellisches war in Seven, und Janeway schien das zweifelhafte Talent zu haben, dies in der Borg herauszufordern.
Es war unzweifelhaft, dass Seven sich mehr und mehr zu einem Individuum entwickelte, aber die Richtung, die sie dabei manchmal einschlug, machte Janeway nicht gerade glücklich. Sie waren in so vielen Dingen unterschiedlicher Meinung, und Seven hatte keine Skrupel, ihre Meinung vehement zu vertreten.
Manchmal machte Sevens Entwicklung Janeway Angst. Sie hatte in dem Moment, als sie entschied, Seven ihre Menschlichkeit zurückzugeben, eine Verantwortung übernommen, deren Tragweite ihr erst später bewusst geworden war.
Sie wusste nicht, was am Ende von Sevens Entwicklung zu einer eigenen Persönlichkeit herauskommen würde. Es war nicht Sevens freier Wille gewesen, wieder ein Mensch zu werden, insofern fühlte sich Janeway verantwortlich dafür, welchen Weg sie in ihrer Individualität einschlug.
Janeway bezweifelte nicht, dass Seven ihre Gedankengänge als menschliche Arroganz bezeichnet hätte.
War sie wirklich für Seven verantwortlich? Und war diese Frage nicht unerheblich? Sie fühlte sich ohnehin für alle an Bord verantwortlich, weil sie der Captain war. Allerdings lag die Sache bei Seven anders, komplizierter, und sie fragte sich manchmal selbst, warum dies so war. Warum sie soviel Schwierigkeiten mit der ehemaligen Borg hatte und wieso sie dennoch so viele Gefühle für sie hegte.

* * *


Die Krankenstation war momentan nicht belegt, außer dem einen Operationstisch, auf dem der Borg lag. Das holographische Notfallprogramm hantierte kompetent und rasch mit verschiedenen Gerätschaften an der Borgdrohne.
Er blickte auf, als Janeway und Seven die Krankenstation betraten.
„Kommen Sie ruhig näher, Captain. Der Borg ist kaum in der Lage, Sie zu bedrohen. Im Grunde haben wir sogar ein recht ähnliches Problem wie damals mit Seven.“ Der Holodoc blickte auf die Anzeigen seines medizinischen Tricorders und schüttelte den Kopf.
„Es muss eine Entscheidung gefällt werden. Die Drohne wurde schwer beschädigt. Wie sie auf das fremde Raumschiff gelangt ist, ist ohnehin eine andere Frage, aber anscheinend hat man sie dabei ziemlich demontiert. Die Verbindung zum Kollektiv wurde bereits entfernt, und wir haben nur die Möglichkeit, den Borg sterben zu lassen, oder aber ich extrahiere die Borgtechnologie so weit wie möglich aus seinem Körper.“
Er blickte Janeway an. In seinem Gesicht las sie, dass er wusste, wie schwer ihr diese Entscheidung schon einmal gefallen war. Seven hatte lieber sterben wollen als vom Kollektiv getrennt weiterzuleben. Bei allem, was sie über Borg wusste, würde auch dieser Borg lieber sterben als die Individualität zu wählen.
Sie hatte sich schon einmal das Recht genommen, über ein Leben zu bestimmen. Janeway blickte zu Seven.
Die ehemalige Borg nahm diesen fragenden und vielleicht sogar leicht schuldbewussten Blick gar nicht wahr. Alle Aufmerksamkeit Sevens war auf den Borg gerichtet.
Sein Körperpanzer war versengt und an vielen Stellen geborsten, die Leuchtdiode, die sein rechtes Auge einnahm, ausgebrannt. Sein kahler Schädel war mit Metallplatten bedeckt.
Seven hatte das Gefühl, der Boden unter ihren Füßen würde weggezogen werden. Es war ein höchst merkwürdiges Gefühl, da sie genau wusste, dass der Fehler nicht am Boden lag. Sie blickte in dieses bleiche, marmorierte Gesicht, welches teilweise von Borgimplantaten bedeckt war.
„Soll ich etwas Sternenstaub fangen und dir in die Augen streuen, damit du endlich einschläfst, Pilot?“
Die Stimme klang von weit entfernt in Sevens Geist auf. Klang aus einer verlorenen Zeit, einer längst vergangenen Zeit, von der sie nicht mehr viel wusste, von der sie nichts mehr wissen wollte. Sie wollte nicht die Dämonen beschwören, die dort hausten. Sie wollte nicht die Angst zulassen, die Erinnerung. Sie wollte nichts mit dem kleinen Mädchen zu tun haben, das schrie, als die Borg kamen, um es zu holen. Wollte nichts mit Annika zu tun haben.
Seven hörte kaum, wie der Holodoc und Janeway darüber berieten, was sie mit dem Borg machen sollten. Ob sie das Recht dazu hatten, ihn zu einem Menschen zurückzuverwandeln.
Wer hatte sie gefragt? Janeway hatte für sie entschieden, aber es war auch niemand anders dagewesen, der ihr die Entscheidung hätte abnehmen können.
Seven fühlte sich wie im Innern eines Sturmes, alles schien um sie herumzuwirbeln. Sie fühlte sich hilflos, sie fühlte sich schwach, und sie wünschte ein paar Sekundenbruchteile, wieder Borg zu sein. Wieder ein Teil des Kollektives zu sein, dann würde sie effizient und ohne Gefühle arbeiten, dann würde sie all diese verwirrenden Gefühle nicht haben, dann würde sie nicht Entscheidungen fällen müssen.
„Er ist nicht in einem Zustand, in dem wir ihn fragen könnten, was er will.“ Janeway blickte den Holodoc an und bemerkte nur am Rande, dass Seven noch immer wie gebannt auf den Borg starrte. Genaugenommen war sie froh, dass der Borg nicht in der Lage war zu sagen, was er wollte. Es gab ihrer Entscheidung mehr Recht.
„Ich ...“, Seven stockte und war sich bewusst, dass nun der Holodoc und Janeway sie anblickten. Sie sah, wie der Captain die Stirn runzelte und auch das holographische Notfallprogramm Anzeichen von Sorge zeigte.
„Was ist los, Seven? Sie sind schneeweiß im Gesicht. Geht es Ihnen nicht gut?“ Janeway hob besorgt die Hand, aber Seven wich ihr aus und stützte sich an der Liege ab, auf der der Borg ruhte.
„Ich werde die Entscheidung fällen, Captain.“ Seven versuchte sich wieder zu fassen. Sie drängte alle Gefühle, die mit der Gewalt eines Orkans über sie hereinzubrechen drohten, zurück und straffte die Schultern.
Janeway stutzte. „Es ist lobenswert, dass Sie dies tun wollen, Seven, doch es steht Ihnen nicht zu. Leider ist niemand hier, der diese Entscheidung wirklich mit Recht fällen dürfte, deshalb muss ich als Captain ...“
„Sie verstehen nicht!“ Sevens Widerspruch war nicht ungewöhnlich, aber das Zittern in ihrer Stimme war es.
„Was verstehen wir nicht?“ Der Doktor richtete den Tricorder auf Seven. Ihre Reaktion gefiel ihm nicht. Vielleicht wirkte die Anwesenheit des Borg sich auf die ruhende Nanotechnik in ihrem Körper aus?
„Ich habe das Recht, diese Entscheidung zu fällen.“ Seven blickte gequält auf den Borg hinab.
„Soll ich etwas Sternenstaub fangen und dir in die Augen streuen, damit du endlich einschläfst, Pilot?“ Seven blickte Janeway an. „Das hat er gesagt, ich kann mich erinnern. Ich möchte nicht, dass er stirbt, das ist meine Entscheidung.“
Sie hob leicht die Hand, ihre Finger zitterten, was sie als höchst ineffektiv und störend empfand, und legte sie auf die Brust des Borg. „Er hat dies zu Annika gesagt.“
Sie blickte wieder Janeway an, in deren Augen sie das aufkeimende Wissen las. Sie begriff, was Seven ihr sagen wollte.
„Er ist mein Vater. Ich habe das Recht, in seinem Namen zu sprechen.“
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