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Der letzte Kurier

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Gleißendes Phaserfeuer durchzuckte das All. Gegen einen cardassianischen Kreuzer vermochte der Ferengi-Frachter nichts auszurichten. Seine Schutzschilde waberten noch einmal kurz auf. Dann brachen sie zusammen.

Im Innern des kleinen Schiffes herrschte ein heilloses Durcheinander. Fast alle Systeme waren ausgefallen. Überall hingen lose Kabel. Es roch verbrannt und beißender Qualm füllte nach und nach die Brücke, wo der Daimon es längst aufgegeben hatte, gegen die Panik seiner Crew zu kämpfen. Keine der Stationen war mehr besetzt. Alle rannten kopflos umher, nur noch von einem Gedanken beseelt - Flucht.

Durch den Rauch konnte Vash das Gesicht des Daimon sehen, in dem sich Verzweiflung und Zorn mischten.

„Das ist allein Ihre Schuld!“ übertönte sein wütender Schrei den Lärm, der sie umgab. „Beim großen Nagus, warum habe ich Sie nur an Bord genommen!“

Weil ich dir bis auf den letzten Streifen alles Latinum gegeben habe, das ich bei mir hatte, du feiger Gauner, dachte Vash ironisch, während der Ferengi weiter jammerte: „Sie haben von der ersten Minute an nichts weiter als Unglück gebracht! Warum nur habe ich Sie nicht ausgeliefert, als die Patrouille mich dazu aufforderte?!“

„Weil die cardassianische Justiz keine Unterschiede macht“, bemerkte Vash trocken. „Mit gefangen, mit gehangen!“ Noch ehe sie diese Worte ausgesprochen hatte, wusste sie bereits, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Die einzige Chance des Daimon, seinen Hals jetzt noch zu retten, lag darin zu behaupten, sie wäre eine blinde Passagierin gewesen. - Was allerdings voraussetzte, dass sie bei Ankunft der Cardassianer nicht mehr lebendig genug war, um ihn der Lüge zu bezichtigen.

Vash warf sich zur Seite und entging nur knapp dem Schuss aus der Waffe, die der Ferengi innerhalb von Sekunden gezogen, auf sie gerichtet und abgedrückt hatte.

„Wir haben eine Vereinbarung, Daimon!“ rief die Terranerin.

„Wir hatten eine...“, gab der Ferengi unbeeindruckt zurück. „Zu Ihrem Pech ist sie beendet!“ Er zielte erneut auf Vash, die sich dafür verfluchte, ihren Phaser in der Kabine gelassen zu haben.

„Sie brechen einen Vertrag, Daimon! Einen Ferengi-Vertrag!“

„Sie irren sich! Wir haben lediglich vereinbart, dass ich Sie in den Raum der Föderation mitnehme. Nicht, dass ich mein Schiff und meine Ladung für Sie opfere. Oder gar für sie sterbe! Außerdem sind Sie kein Ferengi! Ja, nicht einmal ein Mann! Sondern nur eine Weibliche!“

Der Daimon wollte erneut den Auslöser seiner Waffe betätigen, als drei Cardassianer auf der Brücke materialisierten. Einer von ihnen entdeckte den Phaser in der Hand des Ferengi. Bevor der Daimon begriff, wie ihm geschah, traf ihn ein Energieblitz, der ihn auf der Stelle tötete.

Vash stand langsam auf und hob beide Arme, darauf bedacht, jede überflüssige und hastige Bewegung zu vermeiden. Sie verspürte nicht die geringste Lust, dasselbe Schicksal wie der Ferengi zu erleiden, nur weil die Cardassianer ihr Verhalten versehentlich als Widerstand missdeuteten.

Der Anführer des Enterkommandos schickte seine beiden Untergebenen mit dem Befehl fort, das Schiff zu durchsuchen, bevor er sich an Vash wandte: „Sie hätten ein schnelleres Schiff für Ihre Flucht wählen sollen! Aber der Instinkt treibt eine Ratte dazu, die Gesellschaft ihrer Artgenossen zu suchen, nicht wahr?“

Der Blick, mit dem er sie musterte, verriet Vash, dass der Cardassianer ihrem Leben hier und jetzt sofort mit Freuden ein Ende gesetzt hätte. Doch zum Glück für sie hatte er offenbar andere Weisungen.

„Im Namen des Reiches!“ erklärte er kalt. „Sie sind festgenommen!“

* * *


Die Cardassianerin hob einen der Gegenstände, die auf der Platte ihres Schreibtisches lagen, hoch und drehte ihn behutsam in ihren Händen. Sanft, beinahe zärtlich strichen ihre schmalen Finger über die sichtbaren Zeichen des Alters des Gefäßes. Über die Sprünge und die gezackte Bruchstelle, dort, wo sich früher vermutlich einmal ein Henkel befunden hatte.

„Grabschändung ist ein schweres Verbrechen!“ sagte sie, ohne Vash anzusehen, die flankiert von zwei Wachen auf der anderen Seite des Tisches stand. „Und“, die Cardassianerin stellte das Gefäß zurück zu den anderen, „ein widerwärtiges noch dazu.“

Vash schwieg. Bei der Durchsuchung ihrer Kabine an Bord des Ferengi-Frachters hatten die Cardassianer neben ihrer Ausrüstung natürlich auch die Ausbeute ihres letzten Abstechers entdeckt. Angesichts der drückenden Beweise hätte es nur wenig Sinn gehabt, die ihr vorgeworfene Tat zu leugnen. Außerdem wollte sie die Gerüchte über cardassianische Vernehmungsmethoden nur ungern am eigenen Leib auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen.

Die Cardassianerin nickte den Soldaten zu. „Wegtreten!“

Die Männer verneigten sich respektvoll. „Zu Befehl, Glin Dukat!“

„Dukat?!“ entfuhr es Vash, während die Tür sich lautlos hinter den Wachen schloss.

„Ganz recht“, sagte die Cardassianerin. „Sakura Dukat. Und um die Frage zu beantworten, die Ihnen gerade durch den Kopf geht, ja, ich bin mit Gul Dukat, dem Führer unseres Reiches, verwandt. Er ist“, an dieser Stelle wurde ihr Gesicht weich, „mein Bruder.“

Gul Dukats Schwester, dachte Vash. Kein Wunder, dass die Soldaten in ihrer Gegenwart fast vor Ehrfurcht erstarrt waren. - Oder vor Angst. Je nachdem, wie man es deuten wollte.

„Sie wirken überrascht“, meinte Sakura. „Erstaunt Sie diese Tatsache?“

„Nein. Allerdings wundert es mich, dass eine Frau Ihres Ranges sich persönlich mit einer so geringfügigen Übertretung der Gesetze befasst.“

Sakura lächelte kühl. „Wie ich bereits erwähnt habe, ist Grabschändung alles andere als eine geringfügige Übertretung! Jedoch“, ergänzte sie, „stimme ich Ihnen insoweit zu, dass unter normalen Umständen weder Ihr Verbrechen noch Ihre Person wichtig genug wären, um meines Interesses würdig zu sein.“

„Nun, dann verraten Sie mir, womit ich es ausnahmsweise verdient habe.“

Die Cardassianerin griff in ihre Tasche, zog einen glitzernden Ohrring hervor und ließ ihn vor Vashs Augen hin und her pendeln. „Erkennen Sie den wieder?“

Die Terranerin schüttelte den Kopf. „Nein, sollte ich?“

„Vielleicht“, Sakuras Hand schloss sich um den Schmuck. „Er gehörte einem Bajoraner namens Pen Karim.“

„Und?“ fragte Vash, der langsam dämmerte, worauf die andere hinaus wollte.

Die Cardassianerin lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ohne Vash aus den Augen zu lassen.

„Die Wahrheit lebt im Geist“, sagte sie leise.

Vash konnte nicht verhindern, dass sie zusammenzuckte.

Sakura beugte sich wieder nach vorne. „Sie haben Pen Karim also gekannt!“

„Nein!“ widersprach Vash. „Aber“, fuhr sie fort, als die Cardassianerin die Stirn runzelte, „ich habe diesen Satz schon einmal gehört. In der letzten Nacht. In der Wüste an der Ausgrabungs... an dem Grab... Da war plötzlich dieser Bajoraner. Ich weiß nicht, woher er kam. Auch nicht, ob es dieser Pen Karim war. Jedenfalls lag er im Sterben. - Und er wiederholte immer wieder diese Worte, die Sie gerade genannt haben.“

Sakura stützte ihr Kinn auf und musterte Vash, die sich von Minute zu Minute unbehaglicher fühlte, nachdenklich.

„Sie müssen mir glauben“, bat die Terranerin beschwörend, als das Schweigen im Raum sich immer unangenehmer - immer bedrohlicher - auszudehnen begann. „Ich kenne diesen Mann nicht! Ich habe ihn gestern Nacht das erste Mal zu Gesicht bekommen! Warum sollte ich Sie belügen?“

„Ja, warum wohl? Verraten Sie es mir!“

Panik kroch in Vash hoch, breitete sich in ihrem Innern aus. Ein eisiger Hauch, der sie frösteln ließ. Eine eiserne Klammer, die sich um ihre Eingeweide legte und sie zusammenpresste, bis sie meinte, unter dem Druck nicht mehr atmen zu können.

„Bitte!“ flüsterte sie heiser. „Ich schwöre, dass ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe! Ja, ich bin eine Grabräuberin. Das habe ich nie geleugnet. Aber was immer dieser Bajoraner auch getan hat, ich habe nichts damit zu tun! Ich bin ihm dort draußen zufällig begegnet. Ich weiß nichts. Absolut nichts darüber, wer er war, wie er in die Wüste gekommen ist, oder was er dort gewollt hat!“

„Es wäre besser, wenn Sie freiwillig kooperieren! Für Sie...“

„Aber das tue ich doch!“ stieß Vash verzweifelt hervor. „Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß!“

„Tatsächlich?“

„Ja! - Nein, warten Sie!“ schrie Vash auf, als die Cardassianerin ihre Rechte in Richtung des Terminals auf ihrem Schreibtisch ausstreckte, vermutlich in der Absicht, eine Wache hereinzurufen. „Da war noch etwas! Ein Wort! Ja, er murmelte noch ein Wort. Es klang wie ein Name. Miramar!“

„Sind Sie sicher?“

„Ja, ja, Miramar! Das hat er mehrmals gestammelt. - Und er faselte etwas davon, dass sie es erfahren müssten... Ich habe ihn gefragt, wen er meint, aber...“, Vash brach ab.

„Miramar“, wiederholte Sakura. „Ausgezeichnet!“ Sie aktivierte ihr Interkom. „Glan Berat, sie ist auf Miramar. Schicken Sie einige Truppen! Finden Sie sie! Und wenn Ihre Männer jeden Stein einzeln umdrehen müssen! Aber vergessen Sie nicht, ich will sie lebend!“ Die Glin beendete die Verbindung und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Vash. „Ich muss mich bedanken.“

„Dann glauben Sie mir also, dass ich Ihnen nichts verschweige?“ vergewisserte Vash sich.

„Daran habe ich nie gezweifelt. Ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen. Sie sind eine Abenteuerin, die ihr Archäologiestudium dazu benutzt, andere Völker so gewinnbringend wie möglich zu bestehlen. Sie arbeiten stets allein - und, wie ich zugegeben muss, äußerst professionell. Hätten wir Pen Karim nicht bereits in Verdacht gehabt und seine Spur bis in die Wüste verfolgt, wären Sie uns wahrscheinlich entkommen, bevor Ihr Verbrechen überhaupt von uns entdeckt worden wäre. Entspannen Sie sich, meine Liebe. Ich bin überzeugt, dass Sie mir die Wahrheit gesagt haben. Sie sind eine Diebin, deren einziges Ideal der Wert des Geldes ist. Deren einzige Sorge Ihrer eigenen Person gilt. Jemand wie Sie würde niemals sein Leben für den Glauben an eine verlorene Sache riskieren! Oh, bitte“, winkte Sakura einen Einwand von Vash ab. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Es liegt mir fern, Sie beleidigen zu wollen. Immerhin stehe ich in Ihrer Schuld. Mit Ihrer wertvollen Information haben Sie mir und dem cardassianischen Volk einen unschätzbaren Dienst erwiesen.“

„Darf ich darauf hoffen, dass Sie sich für diese Gefälligkeit erkenntlich zeigen?“

Sakuras rechter Augenwulst kletterte nach oben. „Ich denke kaum, dass Sie in der Position sind, an meine Nachsicht zu appellieren. Zu Ihrem Glück habe ich heute meinen großzügigen Tag. Daher werde ich Ihre bereitwillige Kooperation bei der Beurteilung Ihrer Tat berücksichtigen.“

Die Glin betätigte einen Schalter, worauf die Wachen wieder eintraten. Sakura wies auf Vash. „Begleiten Sie unseren Gast nach Razakan!“

„Razakan?“ echote Vash, während die Soldaten sie packten.

„Die Übersetzung lautet Vorhof zur Hölle. Eine passende Bezeichnung für eine Haftanstalt, nicht wahr?“, bemerkte Sakura. „Die Insassen haben sie als erste so genannt. Inzwischen tun es alle.“

„Sie sperren mich ein?! Für wie lange?!“

„Bis zum Beginn Ihres Prozesses.“

„Und wann genau wird das sein?“

Die Glin zuckte mit den Achseln. „Die cardassianische Justiz ist sehr beschäftigt. Es könnte eine Weile dauern, bis man Zeit für Ihren Fall findet.“

„Wie lange?“

„Ein Jahr. Zwei Jahre. Vielleicht auch zehn oder zwanzig.“

„Zwanzig Jahre“, hauchte Vash. „Das können Sie nicht machen! Bitte, eben haben Sie doch gesagt, Sie wären gewillt, meine Kooperation zu berücksichtigen!“

„Das habe ich bereits getan! Offenbar sind Sie sich der Tatsache nicht bewusst, dass Grabräuberei auf Cardassia ein schändliches Verbrechen darstellt, für das es nur einen Urteilsspruch gibt. Den Tod. Wenn ich also Sie wäre, meine Liebe, dann würde ich den Beginn des Prozesses nicht herbeisehnen. Sondern hoffen und beten, dass man mich in Razakan vergisst!“
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