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Alles was Recht ist

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Die Strahlen der aufgehenden Sonne tauchten die sanften grünen Hügel in ein mildes Licht und brachen sich in den silbernen Fluten des Trigan, des größten Flusses von Betazed. Kein Zweifel, die Heimat der Schiffscounselor Deanna Troi war eine wunderschöne Welt.

Dennoch hätte es Captain Jean-Luc Picard vorgezogen, an Bord der Enterprise bleiben zu können, aber seine Position legte ihm gelegentlich gewisse diplomatische Verpflichtungen auf. Dazu gehörte in diesem Fall die Teilnahme an der Eröffnungszeremonie der alljährlich auf Betazed stattfindenden Handelsmesse. Picards Gedanken glitten zurück in die Vergangenheit. Vor einigen Jahren war ihm diese Aufgabe schon einmal zugefallen und die Erinnerung an die damaligen Ereignisse erfüllte ihn nach wie vor mit Unbehagen. Nicht genug damit, dass ein durchgedrehter Ferengi seinen ersten Offizier, Deanna Troi und ihre Mutter entführt hatte, sah er sich schließlich auch noch dazu gezwungen zwecks Rettung von Mrs. Lwaxana Troi dieser mitten auf der Brücke der Enterprise vor den Augen sämtlicher Offiziere eine leidenschaftliche Liebeserklärung zu machen. Entsetzlich!

„Aber nicht doch, Jean-Luc. Es besteht kein Grund, sich Ihrer tiefen Gefühle für mich zu schämen. Ich fand Sie sehr romantisch, fast poetisch. Wie hieß doch gleich diese hübsche Erdenblume, mit der Sie mich verglichen haben?“

Beim Klang dieser Stimme zuckte der Captain der Enterprise zusammen und fühlte wie seine Wangen heiß wurden. Wie hatte er auch nur für einen Augenblick vergessen können, dass Lwaxana nicht nur wie alle Betazoiden voll telepathisch war, sondern zudem auch keinerlei Hemmungen kannte, die Gedanken anderer ungefragt zu lesen und laut zu kommentieren? Doch jetzt war es zu spät für Selbstvorwürfe. Er sah mitleidige Anteilnahme in den dunklen Augen Deanna Trois aufblitzen, wusste jedoch, dass die strengen Traditionen ihrer Heimat es ihr verboten, die eigene Mutter in aller Öffentlichkeit zurechtzuweisen. Ein Blick auf den neben ihm stehendem Commander Riker, zeigte Picard, dass auch von dieser Seite mit Hilfe nicht zu rechnen war. Nur mit größter Mühe, gelang es dem ersten Offizier, seine Gesichtszüge halbwegs unter Kontrolle zu halten. Lieutenant Commander Data, der ebenfalls zur offiziellen Abordnung der Enterprise gehörte, hatte damit zwar keine Probleme, war andererseits aber auch gar nicht in der Lage, die Peinlichkeit des Moments überhaupt zu erfassen. Stattdessen musterte er seinen kommandierenden Offizier mit unverhohlenem Interesse und schien gespannt auf dessen Antwort zu warten. Wenigstens waren die anderen anwesenden Gäste und betazoidischen Würdenträger höflich und taktvoll genug, ihre ganze Aufmerksamkeit scheinbar auf die herrliche Landschaft zu richten und die tödliche Verlegenheit des Sternenflottencaptains geflissentlich zu übersehen.

Lwaxana Troi indessen waren solche Eigenschaften völlig fremd. Sie ignorierte die mentale Stimme ihrer Tochter, die sie inständig bat, dieses Spiel zu beenden und schenkte Picard ein strahlendes Lächeln. „Warum so schüchtern Jean-Luc? Ich habe Sie damals nicht gebissen und werde es heute garantiert auch nicht tun.“

Während Picard sich anstrengte, sämtliche verräterischen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen und gleichzeitig einen möglichst diplomatischen Ausweg aus der verzwickten Lage zu finden, brach von einem Moment auf den anderen die Hölle los.

Alles begann mit einem dumpfen Grollen und dann bebte die Erde so stark, dass es den Captain der Enterprise förmlich von den Beinen riss. Reflexartig streckte er die Hände aus, um die Wucht des Aufpralles zu mildern. Irgendetwas Hartes traf ihn an der rechten Schulter. Inmitten des stechenden Schmerzes, registrierte Picard unbewusst, dass es sich dabei um einen der vielen Äste handelte, die losgelöst von den Stämmen entwurzelter Bäume wie Geschosse durch die Luft wirbelten. Entsetzt sah er, wie Counselor Troi gleich einer leblosen Puppe in Richtung des Flusses geschleudert wurde, hörte sie irgendetwas rufen, das wie Imzadi klang. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Riker, der ihr zu Hilfe eilen wollte, strauchelte und zu Boden stürzte, als hätte ihn ein gewaltiger Schlag niedergestreckt. Um ihn herum herrschte das völlige Chaos. Verletzte stöhnten. Schreiende Menschen und andere Humanoide versuchten, sich voller Panik vor den umstürzenden Bäumen in Sicherheit zu bringen. Hilflos musste Picard mit ansehen, wie dicht neben ihm einer der betazoidischen Würdenträger unter den Trümmern der für die Eröffnungszeremonie aufgebauten Festtribüne begraben wurde. Dann sah er Lwaxana Troi, oder besser gesagt einen Teil von ihr.

Dort wo Deannas Mutter eben gestanden hatte, war die Erde aufgerissen worden. In Sekundenschnelle hatte sich eine riesige schluchtartige Spalte gebildet, die sie zu verschlingen drohte. Noch klammerte Lwaxana sich zwar verzweifelt an den herabhängenden Wurzeln eines Strauches fest, doch dieser begann sich unter ihrem Gewicht und dem nach wie vor andauernden Beben bereits aus dem Erdreich zu lösen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auch diesen letzten Halt verlieren und abstürzen würde. Dies war auch der betazoidischen Botschafterin klar, wie Picard an ihren weitaufgerissenen Augen erkennen konnte, in denen Schock und Angst zu lesen waren.

Der Captain der Enterprise konnte ihr nicht helfen. Die starken Vibrationen des Bodens machten es ihm unmöglich, aufzustehen, ohne sofort wieder zu stürzen. Hinzukamen die fast unerträglichen Schmerzwellen, die von seiner verletzten Schulter ausgehend durch seinen ganzen Körper fluteten. Vergeblich tastete er nach seinem Kommunikator. Er musste ihn beim Aufprall verloren haben.

„Nummer Eins!“rief er, ohne eine Antwort zu erhalten. Entweder war sein erster Offizier bewusstlos, oder sogar tot. Brennende Übelkeit kroch in ihm hoch, während die Welt um ihn herum sich immer schneller drehte und langsam in wabernden Nebeln zu versinken begann. Wie aus weiter Ferne hörte er Lwaxana schreien und bemerkte plötzlich eine funkelnde Gestalt, die in rasender Geschwindigkeit förmlich an ihm vorbeiflog. Data, dachte er noch in einem Anflug von Erleichterung, dann wurde ihm endgültig schwarz vor Augen.

* * *


„Jean-Luc?“ Besorgt beugte sich Doktor Crusher so tief über ihren kommandierenden Offizier, dass eine Strähne ihres kupferroten Haares seine Wange streifte. In ihren Augen lag mehr als die übliche Anteilnahme einer Ärztin für einen Patienten. Normalerweise verbarg sie ihre Gefühle hinter der Maske kühler Zurückhaltung, aber als sie ihn jetzt musterte, lag ihr ganzes Herz in ihren Zügen. Ohne Vorwarnung schlug Picard plötzlich die Augen auf.

Ihre Blicke trafen sich und versanken ineinander, sprachen mehr als Worte.

„Wie geht es dem Captain?“Die Stimme von Commander Riker, der unbemerkt von beiden die Krankenstation betreten hatte, zerstörte abrupt den Zauber des Augenblicks.

Picard räusperte sich, während Crusher wieder die professionelle Medizinerin wurde.

„Sie können sich selbst davon überzeugen, dass es ihm den Umständen entsprechend wieder gut geht“, sagte sie, richtete sich auf und trat langsam beiseite.

„Will.“ Dem Captain war deutlich anzuhören, wie erleichtert er war. „Sie sind noch am Leben.“

Riker lächelte. „Natürlich lebe ich noch, Sir. Wie könnte ich sterben, ehe man mir dereinst einmal das Kommando über die Enterprise anvertraut. So ein Verhalten wäre schlichtweg unverzeihlich.“

Picard erwiderte das Lächeln. „Da haben Sie zweifellos recht Nummer Eins. Doch als Sie auf meine Rufe nicht reagierten ...“

„Aber ich habe reagiert, Sir“, widersprach der erste Offizier. „Nun ja“, fuhr er fort, als er die steile Falte bemerkte, die bei seinen Worten auf der Stirn des Captains erschienen war. „Ich gebe zu, dass meine Antwort vielleicht ein wenig undeutlich war. Es ist nicht gerade einfach, etwas zu sagen, wenn man den ganzen Mund voll Erde hat und aufpassen muss, nicht aus Versehen einen Stein oder gar einen Käfer zu verschlucken.“

Die Falte verschwand. „Was ist passiert nachdem ich das Bewusstsein verloren habe?“ Schlagartig wurde Riker ernst. Es gelang mir, einen Kontakt zum Schiff herzustellen. Die Enterprise erfasste uns und die anderen Überlebenden der Katastrophe und beamte alle direkt auf die Krankenstation. Das war vor ungefähr 48 Stunden.“

Ungläubig starrte Picard ihn an und sah dann zu Doktor Crusher. „Wollen Sie damit etwa sagen, dass ich zwei volle Tage nicht bei Bewusstsein war?“

Die Ärztin nickte. „Ihre rechte Schulter war mehrfach gebrochen und Sie hatten eine Menge Blut verloren. Außerdem hatten Sie sich eine Gehirnerschütterung zugezogen. Genaugenommen grenzt es fast an ein Wunder, dass Sie überhaupt schon wieder wach sind.“

Picard atmete tief durch. „Was ist mit Counselor Troi?“

Crusher lächelte beruhigend. „Ihr ist nichts passiert. Eine geprellte Rippe, ein verstauchtes Handgelenk, nichts Weltbewegendes. Ich habe ihr Ruhe verordnet und sie in ihr Quartier geschickt.“ Sie schluckte schwer, während das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand. „Andere hatten leider weniger Glück als sie.“

Picards Wangenmuskeln versteiften sich. „Wie viele Tote?“

Die Augen der Ärztin verdunkelten sich. „Fünf Tote und neun Schwerverletzte, von denen zwei so gut wie keine Chance haben, die nächste Nacht zu überleben.“

Der Captain zögerte kurz, ehe er die nächste Frage stellte. „Lwaxana?“

Diesmal kam die Antwort von Commander Riker. „Abgesehen von einigen blauen Flecken geht es Mrs. Troi blendend, Sir. Sie hat sich übrigens schon nach Ihnen erkundigt“, fügte er boshaft hinzu. „So wie ich sie verstanden habe, möchte sie Ihnen gern einen Krankenbesuch abstatten.“

„Alles, nur das nicht!“ entfuhr es Picard. Er warf seinem ersten Offizier einen misstrauischen Blick zu. „Sie ist doch nicht etwa schon hier an Bord, oder?“

Riker schüttelte den Kopf. „Sie können unbesorgt sein, Sir. Im Moment hat sie genug damit zu tun, mit Commander Data zu feiern.“

„Data ist bei Lwaxana und feiert?“ Das war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen es dem Captain der Enterprise nicht gelang, seine Verblüffung und seinen Ärger zu verbergen. „Was hat das zu bedeuten, Nummer Eins?“

Es war Commander Riker anzusehen, wie unbehaglich er sich plötzlich fühlte. „Was soll ich sagen, Sir. Data hat Mrs. Troi da unten das Leben gerettet. Hätte er sie nicht blitzschnell gepackt, wäre sie in eine tiefe Erdspalte gestürzt. Sie war sehr ergriffen und bestand darauf, sich bei ihm in, äh angemessener Art und Weise zu bedanken.“

„Mit einer Party?“ Picard musterte seinen ersten Offizier mit deutlicher Missbilligung.

Riker zuckte mit den Schultern. „Offensichtlich entspricht es betazoidischen Gepflogenheiten, seinen Lebensretter durch ein rauschendes Fest zu ehren. Was sollte ich machen, Sir?“ verteidigte er sich matt. „Mrs. Troi bekleidet immerhin den Rang einer Botschafterin. Außerdem wissen Sie ja selbst, wie hartnäckig sie sein kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat.“

Bei diesen Worten milderte sich die Strenge in Picards Blick. „Das kann man wohl sagen, Nummer Eins.“ Er zögerte kurz, während ein nachdenklicher Ausdruck in seine Augen trat. „Hätten Sie Data nicht erlaubt, zu diesem Fest zu gehen, würde Lwaxana wahrscheinlich schon an meinem Krankenbett stehen, habe ich recht?“

Riker nickte zustimmend. „Zweifellos, Sir.“

Picard seufzte tief. „Nun gut, Will, ich denke, in diesem Fall war Ihre Entscheidung, der Bitte der Botschafterin zu entsprechen, wohl doch richtig. Aber jetzt ist es langsam an der Zeit, dass Data auf die Enterprise zurückkehrt.“

Riker lächelte erleichtert. „Ich werde Data sofort benachrichtigen lassen, Sir.“ Mit diesen Worten verließ er die Krankenstation.

Als nun aber der Captain Anstalten machte, sich von der Diagnoseliege zu erheben, um seinem ersten Offizier zu folgen, traf er unerwartet auf Widerstand.

„Tut mir leid, Jean-Luc, aber Sie müssen wohl oder übel noch ein wenig hierbleiben. Ich will mir Ihre Schulter noch einmal ansehen“, erklärte Crusher freundlich aber sehr bestimmt.

„Ich denke gar nicht daran, Doktor“, begehrte Picard auf. „Mir geht es wieder gut und mein Platz ist auf der Brücke.“

In den Mundwinkeln der Ärztin zuckte es. Sie holte tief Luft, um zu einer energischen Erwiderung anzusetzen, überlegte es sich dann jedoch anders. „Wie Sie wollen, Captain“, sagte sie sanft. Stumm beobachte sie, wie ihr Patient aufstand und auf die Tür zuging, die sich mit leisem Zischen öffnete. „Dann kann ich Mrs. Troi also mitteilen, dass Sie sich soweit erholt haben, dass Sie in der Lage sind, Krankenbesuche zu empfangen?“

Picard blieb so abrupt stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Langsam drehte er sich zu der rothaarigen Ärztin um, die ihn aus großen blauen Augen unschuldig ansah. „Das wagen Sie nicht, Beverly ...“ war alles, was ihm einfiel.

„Sie können es ja gern darauf ankommen lassen, Sir“, versetzte Doktor Crusher gelassen.

Ein einziger Blick in ihr unerbittliches Gesicht, zeigte Picard, dass es der Medizinerin mit ihrer Drohung mehr als ernst war. Wenn er jetzt darauf bestand, die Krankenstation gegen ihren Willen zu verlassen, würde sie ihm tatsächlich Deannas Mutter auf den Hals hetzen, keine Frage, er saß in der Falle. „Also gut, Doktor“, gab er notgedrungen nach. „Sie haben gewonnen, aber lassen Sie sich sagen, dass man ein solches Verhalten landläufig als Erpressung bezeichnet.“

Crusher schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. „Tatsächlich? Nun, ich würde es eher ärztliche Fürsorge nennen.“

* * *


Chefingenieur Geordi LaForge verfolgte, wie sein Freund, Lieutenant Commander Data mit bläulichem Schimmern auf der Transporterplattform der Enterprise rematerialisierte.

„Hallo Data, wie war die Party, haben Sie sich gut amüsiert ?“

„Wie Sie wissen, benötigt man Emotionen, um sich zu amüsieren“, erwiderte der Androide. „Daher bin ich dazu überhaupt nicht in der Lage.“

„Ein Jammer“, sagte LaForge. „Ich könnte mir denken, dass die Feste der Botschafterin in puncto Ausgelassenheit bestimmt nichts zu wünschen übrig lassen.“ Bei diesen Worten glitt ein breites Grinsen über sein Gesicht, das wenig später jedoch einem erstaunten Ausdruck wich, als sein Blick plötzlich auf einen kleinen Gegenstand fiel, den der zweite Offizier der Enterprise in der Hand hielt. Es handelte sich um ein offensichtlich ziemlich altes Tongefäß, das etliche Sprünge aufwies. Im Verlauf der Jahre war die einst moosgrüne Lasur nach und nach bis auf einen winzigen Rest abgeblättert. „Seit wann interessieren Sie sich denn für Archäologie, Data?“

Der Androide schob seine rechte Augenbraue nach oben. Eine Bewegung, die er anlässlich einer Begegnung mit dem vulkanischen Botschafter Spock auf Romulus bei diesem bemerkt hatte und seitdem mit Begeisterung bei jeder Gelegenheit imitierte.

Fehlt nur noch, dass er faszinierend sagt, dachte Geordi. Laut sagte er: „Ich spreche von dem Tontopf da, den Sie mitgebracht haben und der auch schon mal bessere Tage gesehen hat. Sagen Sie, wo haben Sie denn den bloß ausgebuddelt?“

„Ausgebuddelt?“ In Datas gelben Augen blitzte es kurz, ein Zeichen, dass er seinen internen Informationsspeicher aktivierte. „Salopper Ausdruck für Ausgrabungen im Erdreich“, dozierte er schließlich. Ein zweites Mal wanderte seine rechte Augenbraue in Richtung seines Haaransatzes. „Sie irren sich, Geordi, ich habe dieses Gefäß nicht ausgegraben. Es ist ein Geschenk von Mrs. Troi.“

„Lwaxana Troi hat Ihnen dieses Ding da geschenkt?“ Ungläubig wanderte der Blick des Chefingenieurs zwischen dem Gesicht seines Freundes und dem schäbigem Tontöpfchen hin und her, das so gar nicht zu der schillernden Persönlichkeit der betazoidischen Botschafterin passen wollte. Kaum vorstellbar, dass eine Frau wie sie alte Tongefäße verschenkte. Andererseits, die Mutter der Schiffscounselor war schon immer reichlich exzentrisch und extravagant gewesen. Nein, Deanna war wirklich nicht zu beneiden. Manche Mütter kamen einer Strafe Gottes gleich und Lwaxana Troi nahm unter jenen zweifellos den ersten Platz ein.

„Ich hoffe, ich störe nicht.“

Beim Klang dieser sanften, wohltönenden Stimme, fuhr Geordi erschrocken herum. Unbemerkt hatte Deanna Troi den Transporterraum betreten und musterte ihn nun aus ihren wunderschönen, dunklen Mandelaugen.

„Äh, hallo Counselor“, stotterte LaForge, während ihm das Blut in die Wangen schoss.

Sie spürte seine Verlegenheit und einen Hauch von Schuldgefühlen ihr gegenüber, deren Ursache sie nicht verstand. Der Chefingenieur hätte ihr erklären können, dass ihr plötzliches Auftauchen, gerade als er keine besonders netten Gedanken in Bezug auf ihre Mutter gehegt hatte, an dieser spontanen Gefühlsreaktion schuld war, doch das hätte alles nur noch verschlimmert. So schwieg er und versuchte krampfhaft, seine Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. Zum Glück wandte sie bereits ihre volle Aufmerksamkeit dem zweiten Offizier der Enterprise zu.

„Mr. Data“, sagte sie warm. „Bisher hatte ich leider noch keine Gelegenheit, Ihnen dafür zu danken, dass Sie meiner Mutter das Leben gerettet haben. Glauben Sie mir, ich hätte sehr gern an dem Fest teilgenommen, das sie Ihnen zu Ehren veranstaltet hat, doch Dr. Crusher war dagegen. Sie meinte, es wäre besser, wenn ich mir etwas Ruhe gönnen würde. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich ihrer ärztlichen Anweisung Folge geleistet habe.“

Der Androide überlegte kurz, ob dies einer der Fälle war, in denen das Heben seiner rechten Augenbraue eine angebrachte Reaktion wäre, entschied sich dann jedoch dagegen und imitierte stattdessen ein menschliches Lächeln. „Selbst wenn ich es wollte, Counselor, so wäre es mir doch unmöglich, Ihnen irgendetwas zu verübeln. Wie Sie wissen bin ich zu Emotionen gleich welcher Art überhaupt nicht fähig.“

Sie erwiderte das Lächeln. „Natürlich nicht. Und trotzdem würde ich es sehr bedauern, wenn ich ...“, mitten im Satz brach sie plötzlich ab. Mit weitaufgerissenen Augen starrte sie auf das alte Tongefäß, das sie erst jetzt in der Hand des zweiten Offiziers entdeckt hatte. „Oh nein“, keuchte sie entsetzt. „Der Kelch von Riix. Bei den Sternen, mir bleibt wirklich nichts erspart.“

* * *


„Würden Sie das bitte noch einmal wiederholen, Counselor.“ Der Captain der Enterprise konnte einfach nicht glauben, was er da eben gehört hatte.

Dem Gesicht Commander Rikers war anzusehen, dass er nicht minder verblüfft war, als sein kommandierender Offizier.

Lediglich Lieutenant Commander Data schien wie immer völlig unbeeindruckt, obwohl er es schließlich war, den die ganze Sache betraf.

Deanna Troi war anzusehen, wie unbehaglich sie sich fühlte. „Wie ich bereits sagte, Sir, es handelt sich um eine uralte Tradition meiner Heimat, die meine Mutter offensichtlich sehr ernst nimmt.“

In Rikers Mundwinkeln begann es verräterisch zu zucken. „Sie meinen, man braucht einfach nur einen alten Tontopf zu verschenken und abzuwarten, ob der andere die Gabe annimmt? Na toll, das erinnert mich irgendwie an die Geschichte vom Trojanischem Pferd. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, muss man bei Geschenken betazoidischer Frauen also genauso vorsichtig sein, das werde ich mir merken.“

Bei seinen spöttischen Worten, blitzte Zorn in Trois Augen auf. „Das ist alles andere als witzig, Will!“ versetzte sie ungewöhnlich heftig.

Picard runzelte die Stirn und warf seinem ersten Offizier einen missbilligenden Blick zu. „Counselor Troi hat völlig recht, Nummer Eins, dies ist eine äußerst ernste Angelegenheit.“ Er atmete tief durch. Genaugenommen hatte Doktor Crusher ihm überhaupt nur deswegen schließlich doch noch erlaubt, die Krankenstation zu verlassen, weil er ihr hoch und heilig versprochen hatte, sich in seinem Quartier bei einem gutem Buch und einer Tasse Earl Grey zu erholen. Stattdessen saß er nun hier in seinem Bereitschaftsraum und musste versuchen, eine Katastrophe ganz besonderer Art von seinem zweiten Offizier abzuwenden. Tut mir leid, Beverly, dachte er schuldbewusst. Aber die Umstände lassen mir keine andere Wahl, als mein Wort zu brechen. Er räusperte sich. „Fassen wir das alles einmal zusammen“, sagte er mit einer Gelassenheit, die er keineswegs empfand. „Es gibt da also einen alten Brauch, der es einer Betazoidin im Range einer Tochter des fünften Hauses dann, wenn sie zugleich Hüterin des sogenannten heiligen Kelches von Riix ist, erlaubt, jedem, der sie aus einer Lebensgefahr rettet, dadurch die Ehe anzubieten, dass sie ihm eben jenen Kelch zum Geschenk macht. Indem der Betreffende die Gabe annimmt, erklärt er sich wiederum damit einverstanden, die betreffende Dame zu heiraten. Ist das so richtig Counselor?“

Die junge Frau nickte zustimmend. „Genau so ist es, doch handelt es sich hierbei um weit mehr als nur um einen bloßen Brauch. Dieses Privileg ist ausdrücklich in den Gesetzesstatuten meiner Heimat festgeschrieben. Wenn auch der letzte Fall einer darauf basierenden Eheschließung schon einige Hundert Jahre zurückliegt, so ändert dies nichts daran, dass es sich bei den entsprechenden Vorschriften um bindendes Recht handelt, das für mein Volk absolute Gültigkeit hat.“

Picard musterte sie nachdenklich. „Das will ich nicht bezweifeln, doch wie steht es mit Nichtbetazoiden?“

Deanna zuckte mit den Schultern. „Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Wie bereits gesagt, dieses Gesetz kommt nur selten zur Anwendung.“

Der Captain straffte sich. „Nun gut, dann schlage ich vor, dass Sie und Mister Data sich umgehend einen Überblick über die einschlägige Rechtslage verschaffen. Stellen Sie fest, ob und inwieweit diese Vorschriften hier überhaupt greifen und wenn ja, ob eine Möglichkeit besteht, sich von einer derart eingegangenen Verpflichtung wieder zu lösen.“

Nachdem die Tür sich mit leisem Zischen hinter dem Androiden und der Counselor geschlossen hatte, lehnte Picard sich mit einem leisem Stöhnen in seinem Stuhl zurück und warf Riker einen gequälten Blick zu. „Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, dass verschiedene Katastrophen die unangenehme Eigenschaft haben, sich stets zur gleichen Zeit zu ereignen?“

Der erste Offizier quittierte diesen Stoßseufzer mit einem breiten Grinsen. „Sie sollten versuchen, die ganze Sache von der positiven Seite zu betrachten, Sir“, meinte er aufmunternd. „Die Lage könnte weitaus schlimmer sein.“

Sein Vorgesetzter runzelte die Stirn. „Tatsächlich, Nummer Eins?“

„Ohne Zweifel“, erklärte Riker lässig. „Stellen Sie sich nur einmal vor, nicht Data hätte Mrs. Troi da unten das Leben gerettet, sondern einer von uns.“

* * *


„Sie machen wohl Witze?“ Ungläubig starrte Crusher ihn an und hätte sich fast an ihrem Croissant verschluckt. In letzter Zeit waren der Captain und sie dazu übergegangen, regelmäßig gemeinsam zu frühstücken. An diesem Morgen jedoch konnte Picard diese Mußestunde nicht wie sonst genießen.

„Ich wünschte es wäre so, Beverly“, seufzte er. „Aber leider entspricht es den Tatsachen, dass Data sich nach betazoidischem Recht wirksam verpflichtet hat, Lwaxana innerhalb der nächsten vier Tage zu heiraten. Glauben Sie mir, die Counselor und er haben mehrere Stunden lang sämtliche einschlägigen Vorschriften gründlich überprüft und festgestellt, dass derartige Eheversprechen auch für Personen von anderen Welten absolut bindend sind.“

„Dann gibt es keinen Ausweg?“

Picard zögerte. „In gewisser Weise schon, indessen wage ich zu bezweifeln, ob uns das etwas nützen wird.“

Die Ärztin musterte ihn erstaunt. „Das verstehe ich nicht. Wenn es eine Möglichkeit gibt, warum kann Data dann nicht davon Gebrauch machen?“

„Weil sie nach den Gesetzen von Betazed lediglich der betreffenden Tochter des fünften Hauses offensteht. Sofern Lwaxana nämlich ihr voreiliges Angebot bereuen sollte, kann sie binnen einer Frist von nunmehr noch drei Tagen den Kelch von Riix zurückverlangen, womit sämtliche gegenseitigen Verpflichtungen mit einem Schlag erlöschen würden.“

„Ihrem Tonfall entnehme ich, dass Sie nicht allzu viel Hoffnung haben, dass Mrs. Troi sich die Sache anders überlegt, habe ich recht?“

Picard nickte. „Für gewöhnlich hält sie hartnäckig an einmal getroffenen Entscheidungen fest. Trotzdem habe ich Deanna gebeten, ihrer Mutter ins Gewissen zu reden.“

* * *


„Kleines davon verstehst du nichts.“

„Allerdings, da hast du recht Mutter. Ich verstehe tatsächlich nicht, warum du so versessen darauf bist, Data zu heiraten.“

„Oh, da gibt es viele Gründe. Zum einen finde ich ihn ausgesprochen attraktiv. Außerdem reizt es mich, zur Abwechslung einmal einen Ehepartner zu haben, bei dem ich nicht ständig weiß, was ihm gerade durch den Kopf geht. Auf die Dauer ist es ziemlich langweilig, immer nur mit Männern zusammen zu sein, deren Gedanken für mich wie ein offenes Buch sind.“

„Aber er ist doch überhaupt kein Mann. Er ist ein Androide. Er hat keinerlei Emotionen.“

„Und wenn schon. Ich habe so viele Gefühle in mir, dass es für uns beide reicht. Und was Jean-Luc angeht, so kannst du ihm ausrichten, dass ich sehr wohl in der Lage bin, zu erkennen, wem ich deine Einmischung in mein Privatleben zu verdanken habe. Sag ihm, es täte mir leid, aber ich sehe mich nach allem was passiert ist außerstande, seine Gefühle für mich zu erwidern. Er hatte seine Chance und wenn er zu schüchtern war, sie zu nutzen so ist das zwar tragisch, doch jetzt ist es zu spät. Abgesehen davon ist diese kindische Eifersucht einfach lächerlich. Besonders für einen Mann in seinem Alter.“


Die Damen Troi hielten sich in Lwaxanas luxuriös eingerichtetem Schlafzimmer im ersten Stock der weißen Villa auf, in der die betazoidische Botschafterin lebte. Deannas Mutter hatte eine Schwäche für kostbare Möbel, jedoch absolut kein Stilgefühl. An diesem Morgen lag sie mit einem auffälligen Hausmantel bekleidet in ihrem pompösen Himmelbett und war gerade dabei, mit sichtlichem Genuss ein ausgedehntes Frühstück zu sich zu nehmen. Nur das dumpfe Schlagen des rituellen Gongs, mit dem der stumme Diener Mr. Homm jeden ihrer Bisse begleitete, durchbrach die Stille des Raumes. Wie immer, wenn sie allein waren, zog Lwaxana die mentale der verbalen Kommunikation vor.

„Ich weiß wirklich nicht, worüber du dich so aufregst, Kleines“, fuhr sie nun fort. „Man sollte meinen, Du hättest genug damit zu tun, dir um Dein eigenes Liebesleben Sorgen zu machen. Die Sache mit Commander Riker und dir...“ Sie kam nicht dazu, diesen Gedanken zu beenden.

„Lass gefälligst Will aus dem Spiel“, wurde sie von Deanna da so laut unterbrochen, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte.

Sichtlich schockiert ließ Lwaxana die Tasse mit heißer Schokolade, die sie gerade hatte zum Munde führen wollen, wieder sinken und warf ihrer Tochter einen missbilligenden Blick zu. „Es ist ausgesprochen unhöflich, jemand anderem ins Wort zu fallen. Außerdem besteht überhaupt kein Grund, derart zu schreien“

Deannas Nasenflügel bebten. Mit einer zornigen Bewegung warf sie ihr langes, schwarzes Haar zurück. „Und ob es einen gibt. Meine Güte Mutter, wie kannst du nur so entsetzlich stur sein.“

„Ich bin eine Tochter des fünften Hauses von Betazed“, erklärte Lwaxana würdevoll. „Wann siehst du endlich ein, dass eine solche Position gewisse Verpflichtungen gegenüber den Traditionen unserer Heimat mit sich bringt?“

„Und dazu gehört es, einen anderen zur Ehe zu zwingen?“

Lwaxana seufzte tief. „Mir scheint, dein Dienst bei der Sternenflotte dauert schon viel zu lange an. Das ständige Zusammensein mit Nichtbetazoiden hat dich das kulturelle Erbe Deines Volkes vergessen lassen. „

„Ich lebe so, wie es mir gefällt“, erwiderte die Counselor heftiger als beabsichtigt. „Und hör endlich damit auf, mich Kleines zu nennen. Ich bin kein Kind mehr, sondern eine erwachsene Frau.“

„Wie du meinst Deanna. Aber das heißt noch lange nicht, dass du auch etwas von Männern verstehst. Vertrau mir, ich habe mehr Erfahrung in diesen Dingen. Die meisten von ihnen warten nur darauf, ja sie sind regelrecht dankbar dafür, dass man sie zu ihrem Glück zwingt.“ Plötzlich trat ein mädchenhaft verschämter Ausdruck auf ihr Gesicht. „Wo wir gerade dabei sind Klein .., Deanna. Es gibt da eine Sache, um die ich dich bitten möchte. Nichts Besonderes, genaugenommen handelt es sich nur um eine Kleinigkeit. Ich weiß, wie schwer es Jean-Luc fällt, seine Gefühle für mich unter Kontrolle zu halten und ich kann ihn natürlich gut verstehen. Aber trotzdem gibt es da etwas, nenn es eine dumme romantische Anwandlung von mir, aber es wäre zauberhaft, wenn Du ihn überreden könntest, sich trotz seiner Eifersucht dazu zu überwinden.“

„Wozu?“ Gegen ihren Willen musste die Counselor lächeln. Ihre Mutter schien tatsächlich felsenfest davon überzeugt zu sein, dem Captain das Herz gebrochen zu haben. Jetzt errötete Lwaxana gar und senkte ungewohnt verlegen den Blick, ehe sie antwortete. „Nun, dazu, Data und mich an Bord der Enterprise zu trauen.“

* * *


Lieutenant Commander Data befand sich in seinem Quartier. Vor ihm auf einem runden Tisch stand eine dunkelbraune Reisetasche. Darin lagen bereits eine alte abgewetzte Ausgabe von Shakespeares gesammelten Werken und ein gläsernes Kästchen mit Orden und Auszeichnungen. Jetzt war er gerade dabei, einen kleinen sechseckigen Gegenstand zu verstauen, zögerte jedoch und stellte ihn stattdessen vorsichtig neben die Tasche auf die Tischplatte.

Ein Knopfdruck und schon entstand das ca. 20 cm. hohe holographische Bild einer jungen blonden Frau, die eine Sternenflottenuniform trug und ihn strahlend anlächelte. Lieutenant Natascha Yar, oder Tasha, wie sie von ihren Freunden genannt worden war, war für ihn immer etwas ganz besonderes gewesen. Damals bei ihrem Begräbnis hatte er den Schmerz und die Trauer der anderen Offiziere gesehen. Dies war einer der wenigen Momente gewesen, in denen er sich nicht wünschte, Gefühle empfinden zu können. Er musterte das Hologramm und nahm jede Einzelheit in sich auf. Dann, mit einer entschlossenen Bewegung, deaktivierte er es und legte es zu den anderen Dingen in die Tasche.

In diesem Moment summte der Türmelder.

Auf Datas Herein hin, betrat ein sichtlich erregter Picard den Raum, der einen kleinen Datenblock in der Hand hielt.

„Mr. Data, ich verlange auf der Stelle eine Erklärung. Was hat das hier zu bedeuten?“

Die rechte Augenbraue des Androiden kletterte langsam nach oben. „Sir?“

„Ich meine das, was hier steht.“ Picard warf den elektronischen Datenblock mit einer heftigen Handbewegung auf den Tisch.

Sein zweiter Offizier nahm ihn auf, aktivierte ihn und begann laut vorzulesen: „Hiermit quittiere ich ab sofort meinen Dienst bei der Sternenflotte und bitte darum, mich umgehend von sämtlichen damit zusammenhängenden Verpflichtungen zu entbinden. Gezeichnet ...“

„Ich weiß was da steht“, unterbrach ihn Picard mühsam beherrscht. „Hören Sie, Sie können Ihren Dienst nicht einfach so aufkündigen.“

„Bei allem Respekt Sir“, erwiderte der Androide. „Captain Luvoir hat damals festgestellt, dass ich wie jeder andere Angehörige der Sternenflotte das Recht habe, genau das zu tun. Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie es waren, der maßgeblich zu diesem Ergebnis der Verhandlung über meinen persönlichen Status beigetragen hat. Sollten Sie Ihre diesbezügliche Meinung geändert haben, so erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass Captain Luvoirs Entscheidung auch für Sie bindend ist.“ Bei diesen Worten wich der Ärger in den Augen seines Vorgesetzten einem Ausdruck tiefer Betroffenheit. „Verzeihen Sie mir Data. Offensichtlich habe ich mich falsch ausgedrückt. Natürlich liegt es mir fern, Sie an der Ausübung der Ihnen zustehenden Rechte zu hindern. Ich wollte Sie lediglich bitten, Ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Es muss doch eine andere Lösung für dieses Problem geben.“

„Counselor Troi und ich haben die Rechtslage gründlich geprüft. Das Ergebnis kennen Sie, Sir. Da Mrs. Troi auf Betazed lebt, bleibt mir keine andere Wahl, als die Enterprise zu verlassen.“

„Es gibt immer eine Wahl“, widersprach Picard. „Sie könnten sich einfach weigern, Lwaxana zu heiraten.“

„Das geht nicht. Doktor Soong hat mich mit einem fundamentalem Respekt vor Recht und Gesetz ausgestattet. Mich bewusst gegen ein für mich geltendes Gesetz zu stellen, lässt meine Programmierung nicht zu.“

„Data, dieses Gesetz ist das antiquierte Überbleibsel einer veralteten Tradition, die von den meisten Betazoiden selbst nicht mehr sonderlich ernst genommen wird.“

„Trotzdem handelt es sich um gültiges Recht.“

„Das jedoch die Möglichkeit vorsieht, dass Lwaxana Sie von Ihrem Eheversprechen entbinden kann. Data“, fuhr Picard in beschwörendem Tonfall fort, „ich verlange ja gar nicht, dass Sie sich gegen betazoidisches Recht stellen sollen. Ich bitte Sie nur darum, noch einmal mit Lwaxana zu reden. Machen Sie ihr klar, welchen Verlust es für die Sternenflotte und für uns hier auf der Enterprise bedeuten würde, wenn Sie uns verlassen. Vielleicht hat Sie ja wider Erwarten doch noch ein Einsehen.“

„Wie Sie wünschen. Ich werde es versuchen. Das Gespräch wird nur kurze Zeit in Anspruch nehmen, wenn Sie erlauben.“ Mit diesen Worten drehte der Androide sich um und ging in den Nebenraum, in dem sich der kleine Kommunikationsschirm befand, der zur Standardausstattung eines Offiziersquartiers gehörte.

Entgegen dieser Ankündigung wurde die Geduld des Captains jedoch auf eine harte Probe gestellt. Erst nach einer knappen Stunde kam Data zurück. Seine gelben Augen funkelten. „Bitte entschuldigen Sie, Sir, aber ...“

„Schon gut“, winkte Picard ab. „Sagen Sie mir lieber, ob Sie etwas erreicht haben.“

„Ja, Sir, das habe ich“, erwiderte der Androide. „Ich kann Ihnen mitteilen, dass Mrs. Troi eingesehen hat, dass mein Platz hier auf der Enterprise ist.“

Sein kommandierender Offizier atmete erleichtert auf. „Dann wird Lwaxana den Kelch von Riix zurücknehmen?“

„Nein.“

Picard runzelte die Stirn. „Sie sagten doch gerade, sie habe eingesehen, dass Sie Ihren Dienst bei der Sternenflotte nicht quittieren können.“

„Korrekt.“ bestätigte Data. „Mrs. Troi hat jedoch einen Weg gefunden, das eine mit dem anderen zu verbinden.“

„Was für einen Weg?“

„Davon, dass Mrs. Troi sich entschlossen hat, ihre Heimat Betazed zu verlassen und künftig mit mir hier an Bord der Enterprise zu leben.“

* * *


„Meine Güte Data, was haben Sie denn da nur wieder angerichtet?“ Kopfschüttelnd musterte der Chefingenieur seinen Freund.

Sie befanden sich in seinem Quartier, in welchem Data den dunkelhäutigen Mann mit dem Visor aufgesucht hatte, um ihm von dem eben Vorgefallenem zu berichten.

Jetzt trat ein verwirrter Ausdruck in die Augen des Androiden. „Sie irren sich Geordi, ich habe nichts angerichtet. Oh, haben Sie vielleicht Hunger? Soll ich Ihnen etwas zu essen bestellen?“

„Das war eine Redewendung“, seufzte LaForge. „Ich habe keinen Hunger. Selbst wenn ich welchen gehabt haben sollte, so wäre mir offengesagt jetzt der Appetit vergangen.“

Die Augen des Androiden blitzten auf. „Appetitmangel. Erstes Anzeichen verschiedener Erkrankungen. Geordi“, fragte er bestürzt, „fühlen Sie sich unwohl? Captain Picard schien es vorhin plötzlich auch nicht mehr besonders gut zu gehen. Vielleicht wäre es besser, Doktor Crusher über den möglichen Ausbruch einer Epidemie an Bord zu informieren. In jedem Fall sollten Sie umgehend die Krankenstation aufsuchen.“

„Haben Sie diese Empfehlung etwa auch dem Captain gegeben?

„Natürlich. Ich hielt es für meine Pflicht, ihn darauf hinzuweisen.“

„Tatsächlich“, meinte Geordi schwach. „Und, hat er Ihren Rat befolgt?“

„Das weiß ich nicht. Zumindest hat er mein Quartier danach sehr eilig verlassen.“

„Das wundert mich nicht“, murmelte der Chefingenieur. „Data, das war keine besonders gute Idee.“

Die rechte Augenbraue des Androiden wanderte nach oben. „Ihrer Reaktion entnehme ich, dass meine Entscheidung, den Dienst bei der Sternenflotte nicht zu quittieren, offenbar falsch war.“

„So kann man das nicht sagen“, erklärte LaForge vorsichtig. „Natürlich sind wir alle froh, wenn Sie bleiben. Der Captain macht da keine Ausnahme, im Gegenteil. Aber die Vorstellung, Mrs. Troi ständig hier an Bord zu haben ist, nun wie soll ich sagen, nicht gerade sehr angenehm.“

„Dann meinen Sie, der Captain ist vielleicht verärgert?“

„Verärgert?“ Der Chefingenieur grinste breit. „Sie können froh sein, wenn er Sie deswegen nicht vor ein Kriegsgericht bringt.“

„Ich bezweifle, ob mein Verhalten die Durchführung eines militärgerichtlichen Verfahrens rechtfertigt. Die entsprechenden Vorschriften der Sternenflotte ....“

„Genug Data, hören Sie auf“, unterbrach ihn LaForge. „Es war nur ein Scherz. Also schön“, fuhr er fort. „Das ganze Problem besteht doch wohl darin, dass Lwaxana fest entschlossen ist, Sie zu heiraten. Wäre sie das nicht, so käme es ihr überhaupt nicht in den Sinn, ihre Heimat zu verlassen. Sehe ich das richtig?“

„Nach den vorliegenden Informationen kann ich Ihre Auffassung nur bestätigen. Die Entscheidung, Betazed zu verlassen ist der Botschafterin ihren eigenen Worten zufolge äußerst schwer gefallen.“

„Dann sollten wir dafür sorgen, dass ihr dieses Liebesopfer erspart bleibt, meinen Sie nicht auch?“ Während Data noch überlegte, was er darauf erwidern sollte, glitt von einem Moment auf den anderen ein zufriedenes Lächeln über Geordis Gesicht. „Ja, ich denke, dass wir genau das tun sollten“, sagte er langsam. „Und ich habe da auch schon einen Plan.“

* * *


„Meine Mutter hat vor, mit Data hier gemeinsam an Bord zu leben?“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Counselor Troi den Captain der Enterprise an, der mit versteinerter Miene hinter seinem Schreibtisch im Bereitschaftsraum saß.

„Bei allem Respekt Sir“, ließ sich Riker vernehmen. „Das dürfen Sie nicht zulassen.“ Er warf Deanna einen entschuldigenden Blick zu. „Lwaxana wird das Schiff in kürzester Zeit in ein Tollhaus verwandeln.“

Picard zuckte hilflos mit den Schultern. „Das ist mir bewusst, Nummer Eins. Doch wie Sie wissen gestatten es die Vorschriften der Sternenflotte jedem Crewmitglied, seine nahen Angehörigen mit an Bord zu bringen. Ich kann mich nicht weigern.“

„Dann bitte ich hiermit in aller Form um meine Versetzung auf ein anderes Schiff.“

Sein Vorgesetzter runzelte die Stirn. „Das ist kein geeigneter Moment für Witze. Wir haben da ein schwerwiegendes Problem, das es zu lösen gilt. Ich bitte um Vorschläge.“

„Frei nach dem Motto: Rette sich wer kann, sollten Sie sich um einen netten ruhigen Posten bei der Admiralität bewerben, Sir“, erklärte Riker ungerührt. „Geordi könnte nach Utopia Planitia gehen und zusammen mit Doktor Leah Brahms an der Verbesserung der Warp-Antriebe arbeiten. Deanna könnte nach Betazed zurückkehren und dort an der Universität Psychologie lehren und was Mr. Worf angeht, nun ja zur Not bleibt ihm als Klingone ja immer noch die Möglichkeit eines rituellen Selbstmordes. Doktor Crusher ...“

„Will, das reicht“, wurde er von seinem kommandierenden Offizier scharf unterbrochen „Im Gegensatz zu Ihnen kann ich diese Situation nicht komisch finden.“ Es war offensichtlich, dass Picard mehr als verärgert war.

Sofort wurde Riker ernst. „Entschuldigen Sie, Sir“, bat er betreten. „Ich wollte nicht ...“

„Schon gut, Nummer Eins“, winkte der Captain ab. „Wir haben wohl alle verschiedene Methoden, mit einem unerwartetem Schock fertigzuwerden.“

„Sir“, begann Troi zögernd. „Ich könnte vielleicht noch einmal mit meiner Mutter reden. Ich weiß wie sehr ihr Betazed mit seinen Traditionen und seinen Vergnügungen fehlen wird. Wenn ich ihr das vor Augen führe, dann ...“ Sie brach ab, als der Türmelder summte.

Auf Picards ungeduldiges ‘Herein’ hin, betrat eine große, blasse Gestalt den Raum.

„Mister Homm“, entfuhr es Deanna überrascht. „Was machen Sie denn hier?“

Der stumme Diener Lwaxanas sah die Tochter seiner Herrin gelassen an, deren Gesicht nun einen konzentrierten Ausdruck annahm, wie immer, wenn sie mental kommunizierte. „Meine Mutter lädt uns alle zu einem Fest ein“, wandte sie sich nun an ihren kommandierenden Offizier.

Riker schnitt eine Grimasse. „Wahrscheinlich zu ihrer Hochzeitsparty.“

Die Counselor schüttelte den Kopf. „Nein, sie plant eine kleine Feier, um die Enterprise angemessen zu verabschieden und außerdem ...“, an dieser Stelle entspannte sie sich sichtlich während sich ihre Lippen langsam zu einem erleichtertem Lächeln verzogen.“

„Was?“ fragten Picard und sein erster Offizier wie aus einem Mund.

„Und außerdem“, wiederholte Deanna strahlend, „hat sie Mister Homm damit beauftragt, den Kelch von Riix zurückzuholen.“

* * *


Die Villa der betazoidische Botschafterin war geschmückt wie für einen Staatsempfang. In den Räumen drängten sich aufgeputzte Gäste. Jeder, der Rang und Namen hatte, war anwesend und es herrschte eine ausgelassene Stimmung. Mit Rücksicht auf die nicht telepathischen Besucher von der Enterprise, wurde allgemein auf mentale Kommunikation verzichtet und so hörte man überall unterdrücktes Gelächter und Gesprächsfetzen.

Inmitten all der Pracht kamen sich die Sternenflottenoffiziere in ihren eher schlichten Galauniformen fast ein wenig deplatziert vor. Doch Lwaxana hatte keine Mühe gescheut, den Abend für ihre Gäste so angenehm wie möglich zu gestalten, so dass dieses Gefühl schnell verflog und einer heiteren Beschwingtheit Platz machte. Als dann auch noch die Klänge eines bekannten Walzers ertönten, überwand sogar Captain Picard seine anfängliche Zurückhaltung und bat Beverly um einen Tanz. Neben dem riesigen Büffet, standen Commander Riker und Geordi LaForge und beobachteten amüsiert, wie ihr kommandierender Offizier mit der Leiterin der Medizinischen Abteilung im Arm sichtlich gutgelaunt an ihnen vorbeitanzte.

„Sagen sie, Geordi“, meinte Riker während er sich ein weiteres Glas Tarrak-Wein eingoss. „Data hat mir erzählt, dass Sie es waren, der bei Lwaxana diese erstaunliche Sinneswandlung bewirkt hat, dass sie ihm aber nicht verraten wollten, wie Sie das geschafft haben.“

Der Chefingenieur nickte. „Das stimmt. Sehen Sie, Data wäre in seinem einprogrammierten Hang zur Ehrlichkeit womöglich auf den Gedanken gekommen, gewisse Dinge bei Lwaxana, äh richtigzustellen und hätte damit den ganzen Erfolg wieder zunichte gemacht.“

„Also jetzt bin ich richtig neugierig geworden“, erklärte der erste Offizier. „Mir können Sie das Geheimnis ruhig anvertrauen. Ich verspreche Ihnen, dass niemand auch nur ein Sterbenswörtchen von mir erfährt.“

„Und wenn ich mich nun trotzdem weigere?“

„Ich habe einen höheren Rang. Eine solches Verhalten Ihrerseits wäre Subordination, genaugenommen grenzte es schon fast an Meuterei und dafür ....“

„Schon gut“, gab LaForge lachend nach. „Warum sollen Sie es nicht erfahren. Sehen Sie, soviel ich weiß ist Mrs. Troi wohl das was man als lebenslustig bezeichnen kann.“

Riker nickte zustimmend. „Das ist sogar noch untertrieben.“

„Eben. Da dachte ich mir, dass eine Frau mit ihrem Temperament sicher ganz bestimmte Vorstellungen von der Ehe hat. Daher habe ich sie einfach gefragt, ob es sie interessieren würde, ein wenig mehr über ihren zukünftigen Gatten zu erfahren. Sie verstehen schon, seine Funktionen und so weiter. Da ist sie richtig neugierig geworden und wollte unbedingt einen Blick auf seine Konstruktionspläne werfen. Also war ich so frei, sie ihr zu zeigen.“

„Das war alles ?“

In den Mundwinkeln des Chefingenieurs begann es verräterisch zu zucken. „Sicher, aber es ging alles so furchtbar schnell. Mrs. Troi hatte es so eilig, dass ich die Pläne förmlich zusammenraffen musste. Und dabei ist es halt passiert, dass ich einen Teil der Unterlagen an Bord vergessen habe. So muss bei Ihr wohl der Eindruck entstanden sein, dass unser Data nun wie soll ich sagen, nicht in allen Lebensbereichen voll funktionsfähig ist.“

Ein Leuchten des Verstehens glitt über Rikers Gesicht, gefolgt von einem breiten Grinsen. „Das muss für Lwaxana ein ziemlicher Schock gewesen sein.“

LaForge zuckte mit den Schultern. „ So ist eben das Leben. Niemand ist perfekt.“



Ende
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