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Des Widerspenstigen Zähmung

von VGer

Kapitel 1 – OWEN

Admiral Owen Paris. Sternenflottenhauptquartier, San Francisco, Erde.
(ca. 3 Wochen vor Start der Voyager)
Kathryn Janeway hielt zuerst die Nase ums Eck und lächelte verschmitzt als sie das Büro des Admirals betrat.

„Frisch gebrühter Kaffee und selbstgebackene Pecannusstorte. Was führst du im Schilde, womit habe ich das verdient?“

Owen Paris erhob sich mit einem gütigen Lächeln von seinem tiefgepolsterten Schreibtischsessel und machte einen Schritt auf sein ehemaliges Protegé zu. Inzwischen war sie längst nicht mehr das strebsame junge Mädchen, das er noch zu gut in Erinnerung hatte, und auch nicht mehr die talentierte und oft übereifrige Offiziersanwärterin, die er nur zu gern unter seine Fittiche genommen hatte. Sie war seit kurzem Captain, man munkelte sie sei eine der vielversprechendsten in der ganzen Flotte und das wohl nicht ohne Grund, denn man hatte ihr das Kommando über eine der werftneuen Intrepid-Klassen gegeben, und bald würde sie zu ihrem ersten Auftrag ablegen. Er streckte die Arme nach ihr aus und küsste sie väterlich auf die Backe.

„Katie!“ Hocherfreut deutete er mit einer großspurigen Geste auf die kleine Sitzgarnitur vor dem Panoramafenster während er umständlich Kaffee einschenkte. „Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen dich noch einmal zu sehen bevor du ablegst. Wie geht’s Mark und deiner lieben Mutter? Und wie gefällt dir die Nomad bis jetzt?“
„Die Voyager, Sir.“ Katie schmunzelte amüsiert in sich hinein. „Die Nomad ist unser Schwesterschiff, ich habe die Voyager bekommen. Aber sie ist ein feines Schiff, ich mochte sie vom ersten Augenblick an.“
„Die Voyager, natürlich, wie dumm von mir. Erzähl’ mal...“

Er mochte nur ein Admiral sein, der mit dickem Bauch hinter den Schreibtisch verbannt worden war, doch seine Begeisterung für Raumschiffe war ungebrochen. Katie lehnte sich zurück und betrachtete das Panorama der Bucht von San Francisco, für das allein es sich lohnte in die höheren Etagen des Hauptquartiers aufzusteigen. Sie erzählte mit enthusiastischen Gesten und wusste auf wirklich jede seiner Fragen eine Antwort – er war beeindruckt, und das passierte selten, sowohl von dem Schiff wie auch von dessen Captain, und das machte ihn stolzer als er es jemals zugeben würde. Er nickte schwerfällig und suchte immer nach dem Stichwort, das ihm eine elegante Überleitung des Gesprächs ermöglichen würde. Sie schlürfte genüsslich an ihrem Kaffee, dann stellte sie die Tasse beiseite und blickte ihren väterlichen Freund und ehemaligen Mentor aufrichtig an.

„Wir konnten doch immer ehrlich zueinander sein, Owen, also bitte ... du hast mich nicht nur hierher bestellt um bei Kaffee und Kuchen über Warpantriebe zu fachsimpeln.“

Sie war direkt, direkter als ein junger und vergleichsweise unerfahrener Captain zu einem Flaggoffizier eigentlich sein durfte, doch gerade das hatte er immer an ihr geschätzt. Ganz unbewusst atmete der Admiral auf, dann nickte er mit einem beschämten halben Lächeln, legte seine Kuchengabel beiseite und raffte sich auf.

„Es geht um Tommy.“
„Es geht doch immer um Tommy.“ Katie konnte sich ein theatralisches Augenrollen nicht verkneifen. „Was hat er jetzt schon wieder angestellt? Ich hatte angenommen, dass er es zumindest in der Rehabilitationskolonie schafft, nicht in weitere Schwierigkeiten zu geraten.“
„Nein, das ist es nicht. Bitte hör mir zu ...“

Owen hörte die unverhohlene Abscheu in ihrer kehligen Stimme und er konnte es ihr nicht einmal verübeln. Tommy, sein jüngstes Kind, war ein Rebell und ein Versager, doch damit hätte er sich wohl noch irgendwann, irgendwie abfinden können. Dass er jedoch ein Verräter und ein Lügner außerdem war, das belastete und beschämte ihn sehr, schließlich war er ein erfolgreicher Flaggoffizier der Sternenflotte für den Versagen keine Option war, nicht einmal als Vater. Und dennoch, er war sein Sohn und deshalb war es seine Pflicht sich bestmöglich für ihn einzusetzen, denn er hatte es endgültig satt dabei zuzusehen, dass ein grundsätzlich intelligenter junger Mensch wie Tommy sein Leben einfach so wegwarf. In den letzten Tagen und Wochen, seit er erfahren hatte was Katies erste Mission mit der Voyager genau beinhalten würde, hatte er einmal wieder eine Chance für seinen verlorenen Sohn erkannt und keine Sekunde geruht, hatte alte Gefälligkeiten eingeholt und so subtil wie irgend möglich im Hintergrund die Fäden gezogen, war unerbittlich und hart geblieben bis er beinahe am Ziel war, und das Ziel war natürlich Tommys vollständige Rehabilitation oder zumindest eine Chance auf einen Neustart oder irgendeine Form der lauteren Zukunft ...

Jetzt hing alles von Katie ab, und er war sich sicher, dass sie ihn nicht enttäuschen würde, denn sie hatte ihn noch nie enttäuscht – sie nicht.

Katie legte den Kopf schief, musterte ihren alten Mentor besorgt. Er hatte sie, die Tochter seines viel zu früh verstorbenen besten Freundes, aufwachsen sehen und schon von klein auf gern gehabt. Wenn er ehrlich zu sich selbst war anstatt seine Emotionen hinter der geübten militärischen Fassade zu verbergen, dann musste er sich eingestehen, dass sie gewissermaßen das Kind verkörperte, das er sich immer gewünscht und nie bekommen hätte. Während Moira Paris recht ambitionslos für den Sicherheitsdienst einer weitabgelegenen Sternenbasis arbeitete, Bridget Paris eine zivile Juristin und Mutter dreier Kinder war und Thomas Paris im Gefängnis – in der Rehabilitationskolonie, verbesserte er sich rasch, manchmal konnten politisch korrekte Euphemismen richtig tröstlich sein – saß, war Kathryn Janeway ungefragt in seine Fußstapfen getreten und auch wenn sie eigentlich nicht sein eigenes Kind war, war es doch irgendwie auch sein Verdienst und gerade jetzt wo sie das Kommando über die neue Voyager erhalten hatte könnte er stolzer nicht sein.

Ruhig und sachlich erläuterte er ihr den Plan, den er so sorgfältig zurechtgelegt hatte, und sie hörte aufmerksam und grüblerisch zu bis sie ihn unterbrach.

„Nein.“, sagte sie nur. „Es tut mir leid, Sir, ich muss ablehnen.“

Ihre Worte trafen ihn wie ein glühendkalter Phaserstrahl mitten ins Herz.

Er hustete ungeschickt, um seine Emotionen zu verbergen. „Ich kenne selbstverständlich deine Meinung über Tommys Charakter und seine Verfehlungen, wir sind uns diesbezüglich sogar weitestgehend einig, aber ...“ Er stotterte nur kurz während er fortfuhr. „Er hasst mich, Katie, und ich weiß nicht was ich getan habe um das zu verdienen, ich wollte immer nur das Beste für ihn. Aber ich bin noch nicht bereit ihn aufzugeben, ich hoffe – ich weiß – dass er trotz allem ein anständiger Kerl sein kann und wenn jemand zu ihm durchdringen kann, dann du. Ihr wart euch immer so nahe und er hat dich immer mehr respektiert als alle anderen. Außerdem – und ich weiß, dass das zynisch klingt – hat deine Mission indirekt mit seinen jüngsten Vergehen zu tun, es ist also nur passend ihn direkt damit zu konfrontieren, so kann er es vielleicht ansatzweise wieder gut machen. Und vermutlich kannst du noch einen taktischen Vorteil aus seinem fragwürdigen Insider-Wissen ziehen, und ganz ehrlich, da draußen kannst du jeden Vorteil brauchen den du kriegen kannst.“
„Darum geht’s nicht, Owen.“, widersprach sie gefasst. „Ich kann es nicht tun, aber nicht deswegen weil er kriminell ist, sondern weil er Tommy ist.“
„Wie bitte? Erklärung.“
„Habe ich die Erlaubnis völlig offen zu sprechen, Sir?“
„Natürlich, Katie ... nichts anderes erwarte ich von dir, vor allem weil dieses Gespräch kein dienstliches ist.“

Katie nickte, dann lächelte sie kurz und beugte sich vor, eine schmale Hand beruhigend auf Owens Unterarm legend. Er blieb stocksteif sitzen und er sah Zögern in ihren Augen.

„Ich bin die Kommandantin der Voyager, ich kann nicht gleichzeitig Tommys Babysitter sein.“ Katies Stimme war leise aber schneidend, und er kannte sie lange und gut genug um zu wissen, dass dieser so unscheinbare Tonfall ihr gefährlichster war.
„Du bist Kommandantin der Voyager, das heißt – im übertragenen Sinne, selbstverständlich –, dass du der Babysitter für 140 Personen sein wirst.“ Owen konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, doch wirklich verstehen konnte er sie nicht.
„Ich weiß.“ Jetzt lächelte sie auch, ein schiefes und zerknirschtes Lächeln. „Ich sagte schon, es geht nicht darum was er getan hat, es geht darum wer er ist. Du verstehst das besser als jeder andere, Owen – trotz allem was er getan hat ist er immer noch Tommy. Ich kann es nicht verantworten, jemanden unter meinem Kommando zu haben – noch nicht einmal als ‚Beobachter’ – der mir so viel bedeutet.“
„Katie ...“
„Nein, bitte, lass' mich ausreden. Ich weiß, ich bin ein Sternenflottenoffizier und sollte alles können und vor nichts zurückschrecken, das hast du selbst mir beigebracht – aber dafür muss ich eine gewisse professionelle Distanz wahren können, verstehst du das?“
„Die Sternenflotte ist eine Familie, Katie, das weißt du wahrscheinlich am Besten. Die Leute mit denen du dienst sind oder werden deine Freunde und deine Familie. Du stehst noch am Anfang deiner Karriere, aber du wirst es nicht verhindern können auch Leute zu kommandieren die dir nahe stehen, die für dich Freunde und Familie sind.“ Owen runzelte kritisch die Stirn. „Damit musst du umzugehen lernen, und wenn du dich dagegen sträubst wirst du entweder nicht lange Kommandantin oder sehr lange sehr einsam sein.“

Katie überschlug die Beine und verschränkte die Arme vor der Brust, starrte mit hohlem Gesichtsausdruck hinaus auf die Bucht mit ihren tausend Lichtern, über der allmählich der unvermeidliche Nebel aufzog und den kommenden Winter ankündigte. Er wusste mit einem Blick, dass er den richtigen Nerv getroffen hatte, ließ sie in sich gehen während er Kaffee nachschenkte.

„Du hast Mister Tuvok unter deinem Kommando.“, sagte Owen schließlich, als die Stille unangenehm und vor allem unkonstruktiv zu werden drohte.
„Das ist nicht dasselbe.“ Katie schüttelte den Kopf. „Tuvok ist ein verlässlicher Offizier und vor allem auch wesentlich erfahrener als ich, und außerdem ist er als Vulkanier nicht emotional involviert.“
„Aber du bist es.“, kommentierte Owen knochentrocken das Offensichtliche. „Du hast alle Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Rettungsmission für ihn in die Wege zu leiten. Die herausforderung war dir nicht zu groß.“
„Weil die Voyager eine Intrepid-Klasse ist und deswegen besser als jedes andere Schiff dafür geeignet unter so extremen Bedingungen wie in den Badlands zu operieren.“, protestierte Katie schwach. „Es war die logische Entscheidung.“
„Kathryn Elizabeth Janeway.“ Owen knurrte und zog streng die Augenbrauen zusammen, betonte jede Silbe, als rüge er ein ungezogenes Mädchen oder einen tollpatschigen Kadetten.
„Es ist deinetwegen, Owen, und wegen der Familie, wegen Emily und Moira und Bree – als verantwortungsvolle Kommandantin muss ich auch an euch denken. Wenn Tommy wieder Mist baut, wenn er mich linkt und ich ihn nicht im Griff habe, oder noch schlimmer, wenn ihm unterwegs vielleicht sogar durch eine meiner Entscheidungen oder einen meiner Fehler etwas zustößt ... ich könnte dir das nicht antun, keinem von euch. Ich könnte mich nie wieder in den Spiegel sehen und euch nie wieder unter die Augen treten und das kann ich nicht riskieren. Nicht nach allem was war.“

Owen Paris musste schwer schlucken. Die Intensität ihrer Worte ließ ihn zittern, vor allem weil er niemals damit gerechnet hätte. In all der Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, hatte keiner von beiden jemals darüber gesprochen was das eigentlich bedeutete. Und doch schaffte er es auch jetzt nicht sich aufzuraffen.

„Wenn das jedoch ein Befehl ist, Sir, dann ...“
„Nein, das kann ich dir nicht befehlen, aber ich bitte dich inständig ... ich habe mich immer auf dich verlassen und würde mir wünschen, dass du es dir noch anders überlegst und das für mich – für uns – tust.“

Katie knackte unentschlossen mit den Fingerknöcheln, dann wandte sie die Augen endlich von der nebligen Bucht ab und blickte ihn eindringlich an. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und er wusste es besser als jetzt noch weiter zu diskutieren.

„Lass mich darüber schlafen, bitte, gib mir etwas Zeit um darüber nachzudenken. Ich treffe meine Entscheidung bis Morgenfrüh, dann werde ich entweder Admiral Patterson anrufen so wie dein Plan es vorsieht und Tommy in Neuseeland einen Besuch abstatten, oder ich rufe dich an und wir überlegen uns gemeinsam etwas anderes. In Ordnung?“

Admiral Owen Paris nickte langsam und bedächtig, nahm dabei ihre beiden Hände in seine und drückte sie mit einer ehrlichen Gefühlsregung.

„Danke.“

Sie erhob sich, küsste ihn zum Abschied auf die Wange, wie sie es immer tat.

„Bestell’ Mark und Gretchen liebe Grüße ... und vergiss’ nicht, Molly von mir zu knuddeln, ja?“ Er räusperte sich umständlich. Dass er Hunde grundsätzlich lieber mochte als Menschen war kein großes Geheimnis.
„Und du richte Emily bitte ein Dankeschön für die Torte aus, sie war ganz fabelhaft.“ Katie bemühte sich redlich um Fröhlichkeit, doch keiner von beiden hatte mehr als nur ein paar höfliche Bissen gegessen.

Er blickte ihr noch lange nach, schon als die automatischen Türen sich längst mit einem deprimierten Seufzen geschlossen hatten, dann setzte er sich schwerfällig wieder hinter seinen Schreibtisch und versuchte mit eisernem Willen und sturer Professionalität einfach weiterzumachen und seine liegengebliebene Arbeit aufzuholen.

Sein Blick fiel auf eins der zahlreichen Bilder, die er auf seinem Schreibtisch stehen hatte. Zwei fröhliche goldblondgelockte Kinder im Wald, der Bub streckte der Kamera frech die Zunge heraus und das Mädchen rollte verächtlich mit den Augen. Es war das Jahr in dem Katie an der Sternenflottenakademie aufgenommen und Tommy eingeschult wurde, der letzte gemeinsame Campingurlaub der beiden befreundeten Familien, eine bessere Zeit.

Admiral Owen Paris seufzte, schmerzverzerrt.
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